T 0342/05 () of 4.5.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T034205.20070504
Datum der Entscheidung: 04 Mai 2007
Aktenzeichen: T 0342/05
Anmeldenummer: 97118877.6
IPC-Klasse: A47B 95/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Herstellen einer Profilleiste, insbesondere einer Kantenleiste für die Möbelindustrie
Name des Anmelders: W. Döllken & Co GmbH
Name des Einsprechenden: REHAU AG & Co.
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Deutliche und vollständige Offenbarung (ja)
Klarheit (ja)
Unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/03
G 0002/03
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 857 442 widerrufen worden ist, Beschwerde eingelegt.

Im Einspruchsverfahren war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, Artikel 54 EPÜ, und mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ), Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ angegriffen worden. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehe.

II. Am 4. Mai 2007 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, und das Patent auf der Grundlage des Hauptantrags, in der mündlichen Verhandlung eingereicht, oder des Hilfsantrags I, am 2. April 2007 eingereicht, aufrechtzuerhalten.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Im Beschwerdeverfahren wurde insbesondere auf folgende Dokumente Bezug genommen:

E1: GB-A-606 594

E4: DE-U-90 15 079.1

E9: DE-A-38 02 396

VI. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 8 gemäß Hauptantrag lauten wie folgt:

"1. Verfahren zum Herstellen einer Kantenleiste für die Möbelindustrie aus Kunststoff, wonach

- als Leistenkern eine durchsichtige Kunststoffleiste (1) erzeugt wird, wonach

- eine Dekorbeschichtung (2) oder Farbbeschichtung auf lediglich die Unterseite der Kunststoffleiste (1) aufgebracht wird, und wonach

- längsrandseitige Sichtkanten (4) der Kunststoffleiste (1) nachträglich profiliert werden."

"8. Kantenleiste für die Möbelindustrie aus Kunststoff, mit einem Leistenkern aus einer durchsichtigen Kunststoffleiste (1) und mit einer Dekorbeschichtung (2) oder Farbbeschichtung auf lediglich der Unterseite der Kunststoffleiste (1), wobei längsrandseitige Sichtkanten (4) der Kunststoffleiste (1) nachträglich profiliert sind."

VII. Die Beschwerdeführerin hat zum Hauptantrag im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Artikel 83 EPÜ

Ein Fachmann wisse, was und auf welche Weise nachträglich profiliert werde solle. Auch wenn die verbliebene Figur des Streitpatents keine Profilierung der Kantenleiste zeige, sei dem Fachmann klar, wie er die längsrandseitigen Sichtkanten der Kunststoffleiste profilieren könne. Die Beschreibung liefere dazu genügend Informationen. Der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Widerspruch zwischen der gestellten Aufgabe und der Prägung der Kunststoffleiste existiere nicht, da sich aus der Beschreibung klar ergebe, dass Prägung und Profilierung verschiedene, voneinander unabhängige Bearbeitungsschritte seien.

Artikel 84 EPÜ

Der Verfahrensschritt der nachträglichen Profilierung sei klar. Dieser Schritt könne vor, während oder nach der Montage der Kantenleiste am Möbelstück erfolgen, jedenfalls aber nach dem Aufbringen der Dekor- oder Farbbeschichtung. Damit erfülle Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ. Dies gelte in analoger Weise für Anspruch 8.

Artikel 123 (2) EPÜ

Eine Ausführungsform der Kantenleiste mit einer Beschichtung nur auf der Unterseite der Kunststoffleiste sei in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart. Somit enthielten die Ansprüche 1 und 8 keine Disclaimer im Sinne der von der Beschwerdegegnerin zitierten Entscheidungen G 1/03 und G 2/03 der großen Beschwerdekammer. Die Bedingungen des Artikels 123 (2) EPÜ seien somit erfüllt.

Neuheit

Die Kantenleiste des Dokuments E9 werde im Co-Extrusionsverfahren hergestellt und weise einen mehrschichtigen Aufbau auf, bei dem kein transparenter Leistenkern vorhanden sei. Transparent sei nur die Deckschicht, die man aber nicht als Leistenkern bezeichnen könne. Auch gebe es wegen dieses Herstellungsverfahrens keine nachträgliche Profilierung an den längsrandseitigen Sichtkanten der Kunststoffleiste. Somit sei sowohl der Gegenstand des Anspruchs 1 als auch der Gegenstand des Anspruchs 8 unterschiedlich gegenüber Dokument E9. Die Kantenleiste des Dokuments E1 sei beidseitig mit einer Dekorbeschichtung versehen. Es gebe in diesem Dokument auch keinen Hinweis auf eine längsrandseitige Profilierung der Sichtkanten der Leiste. Damit gebe es bei den Gegenständen der Ansprüche 1 und 8 jeweils zwei Unterschiede gegenüber Dokument E1. Die in diesem Dokument beschriebene obere Dekorbeschichtung könne nicht mit den gemäß Anspruch 2 des Streitpatents in die Kunststoffleiste eingelagerten Farbpartikeln gleichgesetzt werden.

Erfinderische Tätigkeit

Ausgehend von Dokument E1 komme der Fachmann nicht zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 8. Dieses Dokument beschreibe zwingend eine beidseitige Dekorbeschichtung der Kunststoffleiste. Ein Weglassen einer dieser beiden Schichten werde ebensowenig nahegelegt wie das nachträgliche Profilieren der Leiste, weil dies nämlich die oberseitige Beschichtung zerstören würde. Somit sei auch die Lehre des Dokuments E4 nicht auf Dokument E1 übertragbar. Die Kantenleiste des Dokuments E1 nur unterseitig zu beschichten, könne sich nur aus einer rückschauenden Betrachtung in Kenntnis des Streitpatents ergeben. Dokument E9 eigne sich nicht als Ausgangspunkt für die Erfindung, da in diesem Dokument ein prinzipiell anderer Ansatz zur Herstellung einer Kantenleiste mit einem mehrschichtigen Aufbau mit einem undurchsichtigen Träger gezeigt sei. Auch der dreidimensionale Effekt bei der Kantenleiste des Dokuments E9 lege keine Kombination mit Dokument E1 nahe.

VIII. Die Beschwerdegegnerin hat zum Hauptantrag im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Artikel 83 EPÜ

Das Streitpatent vermittele dem Fachmann keine ausreichende Information zur Ausführung des Verfahrens des Anspruchs 1. Insbesondere sei nicht klar, wie die nachträgliche Profilierung durchzuführen sei. Dies liege, neben fehlenden Informationen dazu, was auf welche Weise zu profilieren sei, und dem Wegfall von entsprechenden Figuren, auch an einem Widerspruch zwischen der gestellten Aufgabe und der in Absatz [0011] des Streitpatents beschriebenen Prägung. Eine Prägung verändere den optischen Eindruck der Kantenleiste, während gemäß der in Absatz [0007] des Streitpatents definierten Aufgabe der optische Eindruck unverändert bleiben solle.

Artikel 84 EPÜ

Aus den Ansprüchen 1 und 8 gehe nicht hervor, was die nachträgliche Profilierung bedeute. Art und Zeitpunkt der Profilierung seien nicht klar. Das verbliebene einzige Ausführungsbeispiel in Zusammenhang mit der Figur 1 zeige keine Profilierung. Somit entsprächen die Ansprüche 1 und 8 nicht den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ.

Artikel 123 (2) EPÜ

Das Merkmal, dass eine Dekor- oder Farbbeschichtung auf lediglich die Unterseite der Kunststoffleiste aufgebracht werde, sei in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung nicht offenbart. Das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1, auf das das Streitpatent nunmehr beschränkt sei, zeige keine nachträgliche Profilierung. Somit stelle diese Einschränkung einen nicht offenbarten Disclaimer dar, der andere Ausführungsformen mit beidseitiger Beschichtung ausschließe. Die in den Entscheidungen G 1/03 und G 2/03 der Großen Beschwerdekammer aufgeführten Bedingungen, unter denen solche Disclaimer nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstießen, seien hier nicht gegeben. Vielmehr seien diejenigen Bedingungen erfüllt, unter denen nicht offenbarte Disclaimer als nicht zulässig angesehen worden seien.

Neuheit

Das nachträgliche Profilieren könne nicht Gegenstand des Anspruchs 8 sein, da dieser ein Vorrichtungsanspruch sei. Damit sei Dokument E9, das alle Sachmerkmale des Anspruchs 8 zeige, neuheitsschädlich für den Gegenstand dieses Anspruchs. Aber dieses Dokument zeige sogar auch eine nachträgliche Profilierung, nämlich das Zusammendrücken der Ränder der Kantenleiste. Daraus folge, dass dieses Dokument auch neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 sei. Dokument E1 zeige eine durchsichtige Kunststoffleiste als Leistenkern, sowie eine Dekorbeschichtung auf der Unterseite der Leiste und eine zweite Dekorbeschichtung auf der Unterseite einer oberseitigen transparenten Deckschicht. Diese zweite Dekorbeschichtung entspreche den Dekorpartikeln, die gemäß Anspruch 2 des Streitpatents in die transparente Kunststoffleiste eingelagert seien. Somit zeige auch dieses Dokument alle Sachmerkmale des Anspruchs 8. Gehe man davon aus, dass es ein inhärentes Merkmal aller derartiger Kantenleisten sei, dass sie nachträglich profiliert würden, so zeige Dokument E1 auch alle Merkmale des Anspruchs 1.

Erfinderische Tätigkeit

Dokument E1 sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Die in diesem Dokument gezeigte Kantenleiste löse bereits die beim Streitpatent gestellte Aufgabe, die Dekorbeschichtung bei einer spanabhebenden Nachbearbeitung zu schützen und den optischen Gesamteindruck somit unverändert zu lassen, da die Oberseite der Leiste aus einer transparenten Deckschicht bestehe, auf deren Unterseite die dadurch geschützte Dekorbeschichtung aufgebracht sei. Dokument E4 zeige, dass eine solche spanabhebende Nachbearbeitung bei derartigen Leisten stets erforderlich sei. Auch das Streitpatent erkenne in Absatz [0002] diese Tatsache an. Somit lege bereits Dokument E1 alleine den Gegenstand der Ansprüche 1 und 8 nahe, in jedem Fall führe aber die Kombination mit Dokument E4 dazu. Auch die im Streitpatent angesprochene Tiefenwirkung sei aus dem Stand der Technik bekannt, nämlich aus Dokument E9, wo nur auf der Unterseite der transparenten Schicht eine Dekorbeschichtung angebracht sei, wodurch sich gemäß Spalte 4, Zeilen 19 bis 23 ein dreidimensionaler Effekt ergebe. Auch dies führe über die gestellte Aufgabe in Kombination mit Dokument E1 zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 8.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 83 EPÜ

Auch wenn im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht angegeben ist, welcher Art die nachträgliche Profilierung ist, so ist aus dem Anspruch klar, dass die längsrandseitigen Sichtkanten der Kunststoffleiste zu profilieren sind und dass dieser Verfahrensschritt nach dem Aufbringen der Dekor- oder Farbbeschichtung erfolgt. Aus der Beschreibung des Streitpatents erhält der Fachmann weiterhin die Angabe, dass diese nachträgliche Profilierung eine Anpassung durch spanabhebende Bearbeitung ist (vgl. Spalte 1, Zeilen 21 bis 30, Spalte 2, Zeilen 31 bis 33, und Spalte 4, Zeilen 35 bis 41), wobei sinnvollerweise mit dieser Anpassung nur eine formmäßige Anpassung an das Möbelstück, auf das die Kantenleiste angebracht wird, oder eine Anpassung an eine gewünschte Kantenleistenform (z.B. abgerundet, abgeschrägt, etc.) gemeint sein kann. Die von der Beschwerdegegnerin als Widerspruch bezeichnete Prägung gemäß Absatz [0011] des Streitpatents ist eindeutig als eine zusätzliche Oberflächengestaltung erkennbar, die mit dem nachträglichen Profilieren gemäß Anspruch 1 nichts zu tun hat. Die Zweifel, die sich bezüglich der Ausführbarkeit für einen Fachmann aus der Beschreibung in der erteilten Fassung wegen der dort noch gezeigten Ausführungsbeispiele mit beidseitiger oder zwischenliegender Beschichtung hätten ergeben können, sind durch die geänderte Fassung der Beschreibung ausgeräumt. Nach Ansicht der Kammer ist ein Fachmann deshalb in der Lage, das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag durchzuführen und die Kantenleiste des Anspruchs 8 gemäß Hauptantrag, demgemäß die längsrandseitigen Sichtkanten der Kunststoffleiste profiliert sind, auszuführen.

2. Artikel 84 EPÜ

Wie bereits oben unter Punkt 1 ausgeführt, ergibt sich aus dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, dass mit dem Verfahrensschritt der nachträglichen Profilierung ein Profilieren gemeint ist, das nach dem Aufbringen der Dekor- oder Farbbeschichtung auf die Unterseite der Kunststoffleiste erfolgt. Wann genau, also ob vor, während oder nach dem Anbringen der Kantenleiste am Möbelstück, dieser Verfahrensschritt durchgeführt wird, kann offen bleiben. Dies stellt keinen Klarheitsmangel dar.

Das entsprechende Merkmal des Anspruchs 8 gemäß Hauptantrag war als Verfahrensmerkmal in gleicher Form bereits im erteilten unabhängigen Vorrichtungsanspruch 11 vorhanden und kann deshalb im Einspruchs-Beschwerdeverfahren nicht unter Artikel 84 EPÜ beanstandet werden, da ein Mangel an Klarheit keinen Einspruchsgrund darstellt.

Durch die Anpassung der Beschreibung sind die Ansprüche 1 und 8 gemäß Hauptantrag auch durch die Beschreibung gestützt, sodass die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ als erfüllt anzusehen sind.

3. Artikel 123 (2) EPÜ

In die Ansprüche 1 und 8 gemäß Hauptantrag wurde das Merkmal aufgenommen, dass eine Dekor- oder Farbbeschichtung lediglich auf die Unterseite der Kunststoffleiste aufgebracht wird bzw. ist. Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (vgl. die veröffentlichte Fassung dieser Anmeldung) beschreibt in Spalte 1, Zeile 52, bis Spalte 2, Zeile 29, Spalte 2, Zeilen 52 bis 57, und Spalte 4, Zeilen 6 bis 9, sowie in Figur 1 eine Kantenleiste, bei der die den Kern bildende Kunststoffleiste nur auf ihrer Unterseite mit einer Dekor- oder Farbbeschichtung versehen ist. Alternative Ausführungsformen mit beidseitiger Beschichtung oder mit ihren beschichteten Seiten zusammengefügten zwei Kunststoffleisten stehen dem nicht entgegen. Im Zuge des Verfahrens wurden diese beiden alternativen Ausführungsformen gestrichen, da sie nicht den Erfordernissen des EPÜ entsprachen. Dies machte auch eine Einschränkung in den Ansprüchen 1 und 8 gemäß Hauptantrag notwendig, nämlich durch die Einfügung des Wortes "lediglich" eine Einschränkung auf eine Kunststoffleiste, die nur auf der Unterseite beschichtet wird bzw. ist. Da aber ein Ausführungsbeispiel in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gezeigt ist, bei dem nur die Unterseite beschichtet ist, kann diese Einschränkung keinen Disclaimer im Sinne der Entscheidungen G 1/03 (ABl. EPA 2004, 413) und G 2/03 (ABl. EPA 2004, 448) darstellen, sodass sich eine Diskussion über die in diesen Entscheidungen gefundenen Kriterien erübrigt.

Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 und 8 gemäß Hauptantrag nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen und somit dem Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ entsprechen.

4. Neuheit, Artikel 54 EPÜ

Der durchsichtige Leistenkern der in Dokument E1 gezeigten Kantenleiste ist beidseitig mit einer Dekorbeschichtung versehen (vgl. Figur 1). Es finden sich in diesem Dokument keine Hinweise darauf, dass man eine dieser beiden Beschichtungen weglassen könnte. Die Interpretation der Beschwerdegegnerin, dass die oberseitige Dekorbeschichtung, die gemäß Seite 1, Zeilen 62 bis 72 und Seite 2, Zeilen 126 bis 129 mit einer transparenten Kunststoffdeckschicht versehen ist, den in den Ansprüchen 2 und 9 gemäß Hauptantrag definierten Dekor- oder Farbpartikeln gleichzusetzen sei, so dass neben diesen Partikeln nur die unterseitige Beschichtung des durchsichtigen Leistenkerns vorhanden sei, kann die Kammer nicht nachvollziehen. In den Ansprüchen 1 und 2 und in entsprechender Weise auch in den Ansprüchen 8 und 9 gemäß Hauptantrag wird klar unterschieden zwischen dem Leistenkern, der unterseitigen Beschichtung des Leistenkerns und den in den Leistenkern eingelagerten Partikeln. In Dokument E1 wird klar unterschieden zwischen dem Leistenkern, den auf der Oberseite und der Unterseite des Leistenkerns aufgebrachten Beschichtungen und einer auf die oberseitige Beschichtung aufgebrachten Deckschicht. Somit kann man bei Dokument E1 nicht von einem Leistenkern sprechen, der nur auf der Unterseite beschichtet ist und in den als optionale zusätzliche Maßnahme Partikel eingelagert sein können. Die Kombination des Leistenkerns und der Deckschicht bei Dokument E1 insgesamt als Leistenkern und die dazwischen liegende obere Dekorschicht als eingelagerte Partikel zu bezeichnen, ist deshalb als eine willkürliche Interpretation anzusehen, um die Kantenleiste des Dokuments E1 in Einklang mit Anspruch 1 bzw. 8 gemäß Hauptantrag zu bringen. Eine solche Interpretation findet aber in Dokument E1 keine Stütze. Ein weiterer Unterschied der Gegenstände der Ansprüche 1 bzw. 8 gemäß Hauptantrag gegenüber Dokument E1 ergibt sich durch das Merkmal, dass die Kunststoffleiste längsrandseitig profiliert wird bzw. ist. Ein solches Merkmal ist in Dokument E1 nicht gezeigt, auch nicht implizit. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 8 sind demnach neu gegenüber Dokument E1.

Dokument E4 zeigt die Bearbeitung der längsrandseitigen Sichtkanten einer Kantenleiste zur Anpassung an das Möbelstück, auf das die Kantenleiste angebracht ist (vgl. Figuren 1 bis 3). Dieses Dokument macht aber keine Angaben über den Aufbau der Kantenleiste, insbesondere nicht darüber, ob und wo Dekorbeschichtungen vorhanden sind und ob der Leistenträger aus transparentem Kunststoff besteht. Somit ist die Neuheit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 8 gemäß Hauptantrag auch gegenüber Dokument E4 gegeben.

Dokument E9 zeigt eine Kantenleiste aus Kunststoff, die auch in der Möbelindustrie Verwendung finden kann (vgl. Spalte 1, Zeilen 3 bis 10, Spalte 3, Zeilen 57 bis 60, und Spalte 4, Zeilen 65 bis 68). Diese Kantenleiste besteht aus einem gefärbten Basisstreifen 11 (Leistenkern), einem darauf angebrachten Schmuckstreifen 12 (Dekorbeschichtung) und einer darauf angebrachten transparenten Deckschicht 14 (vgl. Figur 5 und Spalte 3, Zeile 62, bis Spalte 3, Zeile 4). Die Kantenleiste des Dokuments E9 hat somit keinen transparenten Leistenkern, auf dessen Unterseite eine Dekorbeschichtung angebracht ist. Vielmehr ist die Dekorbeschichtung 12 auf der Oberseite des gefärbten Leistenkerns 11 aufgebracht. Dokument E9 lässt keine Interpretation zu, die transparente Deckschicht als Leistenkern zu bezeichnen. Diese Funktion kommt eindeutig dem Basisstreifen 11 zu. Somit unterscheiden sich die Gegenstände der Ansprüche 1 und 8 gemäß Hauptantrag von Dokument E9 dadurch, dass auf der Unterseite des durchsichtigen Leistenkerns eine Dekorbeschichtung angebracht wird bzw. ist. Sie sind deshalb auch neu gegenüber diesem Dokument.

5. Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

In Dokument E1 finden sich keine Hinweise, die einen Fachmann dazu veranlassen könnten, bei der Kantenleiste dieses Dokuments die obere Dekorbeschichtung wegzulassen. Dokument E1 alleine kann somit den Gegenstand der Ansprüche 1 und 8 gemäß Hauptantrag nicht nahelegen. Auch die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe, den optischen Gesamteindruck einer Kantenleiste auch bei einer nachträglichen Profilierung zu wahren (vgl. Absatz [0007] des Streitpatents), kann nicht dazu führen, bei Dokument E1 nur unterseitig zu beschichten, da die oberseitige Beschichtung durch die noch darüber liegende Deckschicht schon geschützt ist.

Aus Dokument E4 ergibt sich lediglich die Profilierung der längsrandseitigen Seitenkanten einer Kantenleiste. Auch wenn man diese Anpassung, die nach Aufbringen der Leiste auf das Möbelstück, also nachträglich, erfolgt, bei der Kantenleiste des Dokuments E1 vornimmt, so ergibt sich daraus aber nicht auch das Weglassen der oberen Dekorbeschichtung. Dies wird auch durch eine Kombination der Dokumente E1 und E4 nicht nahegelegt.

Die Kantenleiste des Dokuments E9 wird durch ein Extrusionsverfahren hergestellt, bei dem die drei Schichten der Leiste, nämlich Basisstreifen, Deckschicht und dazwischenliegender Schmuckstreifen co-extrudiert werden (vgl. Spalte 3, Zeilen 62 bis 64). Es finden sich in Dokument E9 keine Hinweise darauf, dass man bei diesem Herstellungsprozess auf den Basisstreifen verzichten könnte. Somit kann Dokument E9 alleine nicht dazu anregen, eine Kantenleiste zu bilden, die einen transparenten Leistenkern mit unterseitiger Dekorbeschichtung aufweist. In Kombination mit Dokument E4 ergibt sich wiederum nur die Anpassung der längsrandseitigen Kanten der Leiste, nicht aber eine Änderung des dreischichtigen Aufbaus. Eine Kombination der Dokumente E1 und E9, unabhängig davon, welches Dokument man als Ausgangspunkt nimmt, wird von einem Fachmann nicht in Betracht gezogen werden, da eine Kombination der unterschiedlichen Konstruktionsarten, nämlich beidseitige Dekorbeschichtung eines transparenten Trägers einerseits und Dekorbeschichtung zwischen einem farbigen Träger und einer transparenten Deckschicht andererseits, eine sinnvolle Kombination nicht zulässt. An dieser Unvereinbarkeit kann auch der in Dokument E9 erwähnte dreidimensionale Effekt der Kantenleiste nichts ändern.

Schließlich ist noch anzumerken, dass es für die Betrachtung der erfinderischen Tätigkeit keine Rolle spielt, ob die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe durch die Dokumente E1 oder E9 bereits gelöst wird. Eine Aufgabe kann auch durch andere Maßnahmen gelöst werden, die gegenüber der bekannten Lösung erfinderisch sein können.

Die Kammer kommt somit zu der Schlussfolgerung, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 und 8 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

6. Die Ansprüche 2 bis 7 und 9 bis 14 gemäß Hauptantrag sind von Anspruch 1 bzw. 8 abhängige Ansprüche und erfüllen somit ebenso die Erfordernisse des EPÜ.

7. Bei dieser Sachlage erübrigt sich eine Diskussion des Hilfsantrags.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche 1 bis 14 gemäß Hauptantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung;

Beschreibung Spalten 1 bis 5, eingereicht am 2. April 2007;

Figur 1, wie erteilt.

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