T 0267/05 () of 22.5.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T026705.20070522
Datum der Entscheidung: 22 Mai 2007
Aktenzeichen: T 0267/05
Anmeldenummer: 99104802.6
IPC-Klasse: C09J 7/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Klebeband zur Bündelung von Kabeln
Name des Anmelders: certoplast Vorwerk & Sohn GmbH
Name des Einsprechenden: tesa AG
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit - ja
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag - nein, Hilfsantrag I - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0279/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 942 057 auf die am 11. März 1999 angemeldete europäische Patentanmeldung Nr. 99104802.6 der certoplast Vorwerk & Sohn GmbH wurde am 16. Januar 2002 bekannt gemacht (Patentblatt 2002/03).

Das erteilte Patent enthielt sieben Ansprüche, wobei Anspruch 1 wie folgt lautete:

"1. Klebeband, insbesondere Wickelband zur Bündelung von Kabeln in Automobilen, mit einem bandförmigen Spinnvliesträger auf Polyesterbasis, und mit einer ein- oder beidseitig aufgebrachten Kleberbeschichtung, wobei die Reißdehnung des Spinnvliesträgers unterhalb von 50% liegt."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 betrafen bevorzugte Ausführungsformen des Klebebandes gemäß Anspruch 1.

II. Gegen die Erteilung des Patents legte die Firma tesa AG, gestützt auf die Einspruchsgründe gemäß den Artikeln 100 a) und b) EPÜ, am 16. Oktober 2002 Einspruch ein und beantragte, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Die Einsprechende stützte sich auf folgende Entgegenhaltungen:

D1: DE - 195 23 494 A1;

D2: Fachbuch "Vliesstoffe" herausgegeben von Joachim Lünenschloß und Wilhelm Albrecht, Georg Thieme Verlag Stuttgart, 1982, Seiten 48, 49, 106 bis 119 sowie Seiten 221 bis 223 und 230;

D3: DE - 94 01 037 U1;

D4: Neumüller, Otto-Albrecht: Römpps Chemie Lexikon, Stuttgart: Franckh., Bd. 2. Cm-G, 8. neubearb. u. erw. Auflage, 1981, Seiten 1302 - 1303;

D5: Schreiben der Fa. Freudenberg an die Firma Beiersdorf vom 11. Oktober 1976 und

D6: Datenblatt des Polyesterspinnvlieses Lutradur LD 7250 der Firma Freudenberg.

III. Mit der am 25. November 2004 mündlich verkündeten und am 23. Dezember 2004 schriftlich begründeten Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.

Die Einspruchsabteilung stellte in ihrer Entscheidung fest, dass keine der Entgegenhaltungen D1, D2 oder D3 explizit ein Klebeband mit einem bandförmigen Spinnvliesträger auf Polyesterbasis mit einer Reißdehnung unterhalb 50% und mit einer ein- oder beidseitig aufgebrachten Kleberbeschichtung offenbart.

Die Einspruchsabteilung sah die Aufgabe der vorliegenden Erfindung darin, ein Klebeband, insbesondere ein Wickelband zur Bündelung von Kabeln in Automobilen, weiterzuentwickeln, so dass bei verminderter Reißdehnung die Haftung der Klebebeschichtung und damit die Herstellung vereinfacht ist. Die Lösung dieser Aufgabe durch das beanspruchte Klebeband mit einem Spinnvliesträger auf Polyesterbasis sei aus dem Stand der Technik gemäß D1 - D3 nicht herleitbar. Im Gegenteil, D1 sei auf die Verwendung von Klebebändern auf Polypropylenbasis gerichtet und rate von der Verwendung von Klebebändern auf Basis von Polyesterspinnvliesen ab.

IV. Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 25. Februar 2005 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung wurde nachgereicht und ging am 2. Mai 2005 ein.

Die Beschwerdeführerin betonte, dass die Reißdehnung und Handreißbarkeit eines Vlieses zwei Eigenschaften seien, die nicht in unmittelbar direkter Beziehung stehen, und bot an, diese Tatsache durch einen Sachverständigen bestätigen zu lassen.

Ferner bot sie auch einen Zeugen, beziehungsweise die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung an, um die Vorbenutzung gemäß D5 weiter zu substantiieren.

V. In ihrer Stellungnahme vom 23. August 2005 widersprach die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) dem Vorbringen der Beschwerdeführerin.

VI. Mit Bescheid vom 12. Juli 2006 teilte die Kammer den Parteien mit, dass es in der Verantwortung der Parteien liege, welche Beweismittel sie in das Verfahren einführen, und dass nach derzeitiger Aktenlage die angebotene Zeugenvernehmung nicht erforderlich scheine.

VII. Daraufhin reichte die Beschwerdeführerin am 20. Oktober 2006 ein mit 17. Oktober 2006 datiertes Gutachten von Dr. Klaus Külper ein:

D7: "Sachverständigengutachten zur Relation "Reißdehnung" <-> "Handeinreißbarkeit".

VIII. Die Beschwerdegegnerin reichte am 23. April 2007 zwei geänderte Anspruchssätze als Hilfsanträge I und II ein. Anspruch 1 des Hilfsantrages I lautet:

"1. Verwendung eines Klebebandes, mit einem bandförmigen Spinnvliesträger auf Polyesterbasis, und mit einer ein- oder beidseitig aufgebrachten Kleberbeschichtung, wobei die Reißdehnung des Spinnvliesträgers unterhalb von 50% liegt, als Wickelband zur Bündelung von Kabeln in Automobilen."

Anspruch 1 des Hilfsantrages II lautet:

"1. Verwendung eines Klebebandes, mit einem mittels eines Kalenders kalt oder thermisch verfestigten und geprägten bandförmigen Spinnvliesträgers auf Polyesterbasis, und mit einer ein- oder beidseitig aufgebrachten Kleberbeschichtung, wobei die Reißdehnung des Spinnvliesträgers unterhalb von 50% liegt, als Wickelband zur Bündelung von Kabeln in Automobilen."

IX. Die im schriftlichen Verfahren und während der mündlichen Verhandlung von 22. Mai 2007 vorgetragenen Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Die Dokumente D1 und D5 seien neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1. D1 offenbare Klebebänder aus Spinnvlies auf der Basis von Polyester und daher alle Merkmale des Anspruchs 1 mit Ausnahme der Einschränkung, dass die Reißdehnung des Spinnvliesträgers unterhalb von 50% liegt. Dieses Merkmal könne allerdings die Neuheit gegenüber D1 gemäß den für das EPÜ geltenden Auswahlkriterien nicht begründen.

b) Die durch D5 in Kombination mit D6 belegte Klebeband-Konzeption nehme die beanspruchte Erfindung ebenfalls vorweg.

c) Schließlich sei der beanspruchte Gegenstand nicht erfinderisch gegenüber D1 und D2 bzw. gegenüber D3 und D2. Insbesondere stelle der Hinweis in D1 auf die angeblich fehlende Handeinreißbarkeit von Polyesterspinnvliesen kein begründetes Vorurteil dar, und D2 offenbare bereits alle vorteilhaften Eigenschaften eines Polyesterspinnvlieses als Trägermaterial für Klebebänder, die sich als Kabelbinder für den Einsatz in Automobilen eignen.

d) Bezüglich des Hilfsantrags I habe die Beschwerdeführerin keine formalen Einwände, jedoch mache sie die gleichen sachlichen Einwände wie für den Hauptantrag geltend.

X. Die Beschwerdegegnerin hat schriftlich und mündlich im wesentlichen folgendes vorgetragen:

a) Die Beschwerdegegnerin bestreitet die Zugehörigkeit von D5 und D6 zum Stand der Technik. Diese offenbarten auf keinen Fall ein Klebeband mit allen Merkmalen des Anspruchs 1.

b) D1 offenbare ein Klebeband, welches als Träger ein Spinnvlies aus Polypropylen mit einer Reißdehnung von 55 bis 85% verwendet, und unterscheide sich somit in zwei Merkmalen vom beanspruchten Gegenstand.

c) Die Beschwerdegegnerin sieht D1 als nächstliegenden Stand der Technik an. Die Erfindung unterscheide sich von D1 durch den Einsatz eines Spinnvliesträgers aus Polyester und durch die geringer als 50% eingestellte Reißdehnung. Dadurch werde die Aufgabe gelöst, bei verminderter Reißdehnung und damit einhergehender guter Handeinreißbarkeit die Haftung der Kleberbeschichtung gegenüber einem Polypropylenträger zu verbessern und damit die Herstellung des Klebebandes zu vereinfachen und zugleich eine besondere Eignung für den Automobilbereich zu erreichen. Da D1 von Polyester als Trägermaterial ausdrücklich abrate, liege die Erfindung gegenüber einer Kombination von D1 mit D2 und/oder D3 nicht nahe.

XI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 942 057.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang der am 23. April 2007 eingereichten Hilfsanträge I oder II.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

HAUPTANTRAG

2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ).

2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 bezieht sich auf ein Klebeband mit folgenden Merkmalen:

- (a) einem bandförmigen Spinnvliesträger auf Polyesterbasis,

- (b) einer ein- oder beidseitig aufgebrachten Kleberbeschichtung, wobei

- (c) die Reißdehnung des Spinnvliesträgers unterhalb von 50% liegt.

Die zusätzliche Angabe im Anspruch 1 "... insbesondere Wickelband zur Bündelung von Kabeln in Automobilen..." ist eine den Schutzbereich nicht beschränkende Zweckangabe.

2.2 Die Beschwerdeführerin bestritt die Neuheit dieses Anspruchs im Hinblick auf Dokument D1 und auf die offenkundige Vorbenutzung gemäß D5.

2.2.1 D1 betrifft im Wesentlichen ein Klebeband, welches als Träger ein Spinnvlies aus Polypropylen aufweist (siehe Anspruch 1). Die Erfindung von D1 ist daher für den jetzt beanspruchten Gegenstand nicht neuheitsschädlich.

Darüber hinaus würdigt D1 in seiner Einleitung auf Spalte 1, Zeilen 35 - 39, dass Klebebänder aus Spinnvliesen auf der Basis von Polyester schon bekannt waren.

Diese bekannten Klebebänder weisen daher die Merkmale (a) und (b) des Anspruchs 1, jedoch nicht Merkmal (c) auf, da keine Angaben über die Reißdehnung des Trägers gemacht werden.

Die Beschwerdeführerin akzeptierte zwar, dass die Reißdehnung in D1 nicht offenbart ist, merkte jedoch an, dass jedes Vlies eine gewisse Reißdehnung aufweise, und folglich in D1 ein Polyesterspinnvlies "mit irgendeiner Reißdehnung" mit erfasst sei. Sie betrachtete die beanspruchte Reißdehnung von unterhalb von 50% als eine "Auswahlerfindung", welche die Kriterien gemäß der Entscheidung T 0279/89 vom 3. Juli 1991 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) nicht erfülle.

Die Kammer kann dieser Argumentation nicht folgen. Tatsache ist, dass in D1, weder explizit noch implizit, Klebebänder mit einer Reißdehnung unterhalb von 50% offenbart sind. Es ist zwar richtig, dass Klebebänder eine Reißdehnung aufweisen müssen, die Schlussfolgerung der Beschwerdeführerin, dass daher D1 jede mögliche Reißdehnung offenbart, ist jedoch falsch. In D1 ist an keiner Stelle, auch nicht implizit, ein numerischer Bereich für die Reißdehnung beschrieben. Daher sind die in T 0279/89 angegebenen die Neuheit von Parameterbereichen zerstörenden Kriterien (kein enger Teilbereich, zu geringer Abstand vom beispielhaft belegten bekannten Bereich, willkürlicher Auswahlbereich) hier nicht anwendbar und dem Merkmal der Reißdehnungsbeschränkung kommt gegenüber dem Fehlen jeder diesbezüglicher Information unterscheidender Charakter zu.

Demnach ist der beanspruchte Gegenstand im Hinblick auf D1 neu (Artikel 54 EPÜ).

2.2.2 Die Frage, ob die offenkundige Vorbenutzung D5 zweifelsfrei nachgewiesen und neuheitsschädlich ist, war im Beschwerdeverfahren sehr umstritten.

Wie nachstehend dargelegt, kommt die Kammer zum Ergebnis, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptanspruchs in nahe liegender Weise aus dem aus D1 bekannten Stand der Technik ergibt, so dass die Frage, ob D5 die Neuheit des Anspruchs 1 des Hauptantrages vorwegnimmt, dahingestellt bleiben kann.

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

3.1 Nächstliegender Stand der Technik.

Die im Punkt 2.2.1 erwähnten aus D1 bekannten Klebebänder aus Spinnvliesen auf der Basis von Polyester (siehe Spalte 1, Zeilen 35 - 37) stellen den nächstliegenden Stand der Technik dar. Sie werden zur Ummantelung von Spulen zum Schutz gegen äußere Einwirkung wie beispielsweise Schmutz eingesetzt (siehe Spalte 1, Zeilen 37 - 39).

3.2 Aufgabe und Lösung.

3.2.1 Die jetzt beanspruchten Klebebänder unterscheiden sich von den bekannten Klebebändern dadurch, dass sie eine Reißdehnung des Trägers unterhalb 50% aufweisen.

3.2.2 Gemäß der Beschwerdegegnerin werden die jetzt beanspruchten Klebebänder insbesondere als Wickelband zur Bündelung von Kabeln in Automobilen eingesetzt. Sie betonte insbesondere, dass für diesen Zweck die beanspruchten Klebebänder gegenüber Klebebändern auf Basis von Polypropylen vorteilhafte Eigenschaften zeigen.

3.2.3 Der Gegenstand des Anspruchs ist jedoch nicht auf eine bestimmte Verwendung beschränkt, und die in D1 als Erfindung beanspruchten Klebebänder auf Basis von Polypropylen stellen nicht den nächstliegenden Stand der Technik dar. Daher können die geltend gemachten Vorteile des beanspruchten Klebebandes für die Formulierung der dem Anspruchsgegenstand zugrunde liegenden Aufgabe nicht berücksichtigt werden.

3.2.4 Somit wird die gegenüber D1 zu lösende Aufgabe darin gesehen, weitere alternative Klebebänder aus Spinnvliesen auf der Basis von Polyester zur Verfügung zu stellen.

3.2.5 Diese Aufgabe wurde durch die beanspruchten Klebebänder, wobei die Reißdehnung des Trägers unterhalb von 50% liegt, gelöst.

3.3 Naheliegen.

3.3.1 Die im Unterschied zu D1 gemäß Anspruch 1 explizit genannte Reißdehnung unterhalb von 50% betrifft die Konkretisierung einer bestimmten mechanischen Eigenschaft, die mit keinem im beanspruchten Umfang auftretenden technischen Effekt verbunden ist, der über die - aus sich selbst verständliche und daher vom Fachmann zu erwartende - Eigenschaftslimitierung hinausgeht.

3.3.2 In Abwesenheit eines solchen technischen Effekts stellen die beanspruchten Klebebänder aber nur eine für den Fachmann nahe liegende Alternative zu den bekannten Klebebändern dar und sind deshalb nicht erfinderisch. Der Fachmann hätte z.B. keinen Grund anzunehmen, dass diese Klebebänder sich nicht auch, wie in D1 offenbart, zur Ummantelung von Spulen eignen.

3.3.3 Die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass durch die verminderte Reißdehnung die beanspruchten Klebebänder wegen der besseren Handeinreißbarkeit eine einfachere Handhabbarkeit aufweisen. Daher wären sie als erfinderisch anzusehen.

3.3.4 Dieses Argument kann zwar für eine mögliche Verwendung der Klebebänder bei der Bandagierung von Kabelbäumen, die weiterhin in der Fahrzeugindustrie noch manuell gefertigt werden, zutreffen, ist jedoch für das generelle Anwendungsprofil der beanspruchten Klebebänder, wie es Anspruch 1 umfasst, nicht relevant.

3.4 Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

HILFSANTRAG I.

4. Neuheit (Artikel 54 EPÜ).

4.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags I wurde auf die Verwendung des Klebebandes des Hauptantrages "als Wickelband zur Bündelung von Kabeln in Automobilen" abgestellt.

4.2 Eine solche Verwendung ist aus keinem der zitierten Dokumente bekannt.

4.2.1 In D1 wird ausdrücklich gesagt, dass eine Verwendung von Klebebändern aus Spinnvliesen auf der Basis von Polyester zur Bandagierung von Kabelbäumen nicht erfolgt (siehe Spalte 1, Zeilen 40 - 41).

4.2.2 In D5 wird keine Verwendung von den Klebebändern erwähnt.

4.3 Der beanspruchte Gegenstand ist somit gegenüber dem zitierten Stand der Technik neu (Artikel 54 EPÜ).

5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

5.1 Nächstliegender Stand der Technik.

5.1.1 Aufgrund der Abgrenzung des beanspruchten Gegenstandes auf die Verwendung des Klebebandes als Wickelband zur Bündelung von Kabeln in Automobilen stellen die in D1 offenbarten Klebebänder zur Ummantelung von Spulen nicht mehr den nächstliegenden Stand der Technik dar.

5.1.2 Als nächstliegender Stand der Technik für den nunmehr beanspruchten Gegenstand kommen daher nur Klebebänder, die bereits für die gleiche Verwendung bekannt waren in Frage, nämlich Klebebänder gemäß D3, welche als Trägermaterial ein Polyesternähvlies verwenden und solche gemäß D1, welche als Trägermaterial ein Spinnvlies aus Polypropylen verwenden.

5.1.3 Entgegenhaltung D3.

D3 beschreibt ein Klebeband bestehend aus einem bandförmigen textilen Träger und einer auf den Träger aufgebrachten Klebebeschichtung, wobei der Träger aus einem Nähvlies besteht, das aus einem Vliesmaterial mit einer Vielzahl parallel zueinander verlaufender, eingenähter Nähte gebildet ist (siehe Anspruch 1). Das Vliesmaterial besteht vorzugsweise aus Polyesterfasern (Anspruch 4). Solche Klebebänder besitzen verbesserte Geräuschdämm-Eigenschaften, so dass sie vorteilhaftweise zur Bandagierung von Kabelbäumen eingesetzt werden können (siehe Seite 2, erster Absatz).

5.1.4 Entgegenhaltung D1.

D1 bezieht sich auf ein Klebeband mit einem Spinnvlies als Träger, das zur Bandagierung von Kabelbäumen verwendet wird, wobei der Träger mit einem Kleber beschichtet ist (siehe Spalte 1, Zeilen 3 - 6). Gemäß D1 sind die Klebebänder von D3 nachteilig im Herstellungsverfahren sowie wegen der unterschiedlichen Materialen der Nähte beim Recycling (siehe Spalte 1, Zeilen 7 - 34).

D1 schlägt zur Vermeidung dieser Nachteile ein Klebeband vor, welches als Träger ein Spinnvlies aus Polypropylen und eine Reißdehnung von 55% bis 85%, insbesondere 70% aufweist (siehe Anspruch 1). Diese Klebebänder besitzen gute Dämpfungseigenschaften und eine ausreichende Festigkeit (siehe Spalte 2, Zeile 58 - Spalte 3, Zeile 8).

5.1.5 Die Kammer sieht D1 als nächstliegendes Dokument an, insbesondere, weil D1 schon eine Weiterentwicklung des Klebebandes gemäß D3 darstellt. Die Kammer kommt jedoch ausgehend von D3 als nächstliegendem Stand der Technik zu dem selben Ergebnis bezüglich der erfinderischen Tätigkeit (siehe folgender Punkt 5.5).

5.2 Aufgabe und Lösung.

5.2.1 Die Klebebänder, die gemäß vorliegendem Anspruch 1 zur Bündelung von Kabeln in Automobilen verwendet werden, unterscheiden sich von den Klebebändern gemäß D1 durch folgende Merkmale:

- i) anstelle von Polypropylen wird als Basismaterial für den Spinnvliesträger Polyester verwendet, und

- ii) der Spinnvliesträger ist mit einer Reißdehnung ausgerüstet, die unterhalb von 50% liegt, während D1 Reißdehnungen von 55% bis 85% fordert.

5.2.2 Die beanspruchten Klebebänder zeigen gute Festigkeitseigenschaften, eine einfache Herstellung und Wiederverwertbarkeit, so dass sie sich als Wickelband zur Bündelung von Kabeln in Automobilen eignen.

5.2.3 Gegenüber D1 kann die der Erfindung zugrunde liegende technische Aufgabe darin gesehen werden, alternative Klebebänder zur Verfügung zu stellen, die sich zur Verwendung bei der Bündelung von Kabelbäumen eignen.

5.2.4 Diese Aufgabe ist nach Auffassung der Kammer durch die verwendeten Klebebänder glaubhaft gelöst. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht bestritten, dass die oben definierte Aufgabe als gelöst zu betrachten ist.

5.3 Naheliegen.

5.3.1 Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob der Fachmann, der mit der vorstehend definierten Aufgabe konfrontiert ist, ausgehend von den Klebebändern aus D1, auf Grund der im Verfahren befindlichen Dokumente in nahe liegender Weise zu den beanspruchten Klebebändern gekommen wäre.

5.3.2 Aus dem Dokument D1 ist kein Hinweis bezüglich einer möglichen Verwendung von Spinnvliesen auf Polyesterbasis zu entnehmen. Im Gegenteil, in D1 wird ausdrücklich von der Verwendung von Spinnvlies auf Basis von Polyestern bei der Bandagierung von Kabelbäumen abgeraten. Auf Spalte 1, Zeilen 42 - 49 von D1 wird erwähnt, dass solche Spinnvliese auf Polyesterbasis nicht handeinreißbar sind. Dies ist ein wesentlicher Nachteil, da bei der Bandagierung von Kabelbäumen ein großer Teil der Arbeit von Hand durchgeführt wird und bei fehlender Handeinreißbarkeit einzelne Streifen des Klebebandes nicht ohne zusätzliche Hilfsmittel wie Messer oder Schere einfach mit der Hand von der Vorratsrolle abgetrennt werden können.

5.3.3 Die Kammer stimmt zwar den Ausführungen der Beschwerdeführerin (siehe Gutachten D7) zu, dass Reißdehnung und Handeinreißbarkeit eines Vlieses zwei Eigenschaften sind, die nicht in unmittelbarer direkter Beziehung stehen müssen, erkennt aber anderseits an, dass, wie Dokument D6 zeigt, in der Praxis eine gewisse Parallelität besteht, demzufolge sich bei einem Lutradur-Polyesterspinnvlies des Standes der Technik sich die Höchstdehnungen in Längsrichtung (30,0%) und Querrichtung (36,0%) nicht wesentlich unterscheiden. Daraus folgt, dass bei der bestehenden Beweislage eine Relevanz des Merkmals der limitierten Reißdehnung für die Eigenschaft der Handeinreißbarkeit nicht ohne weiteres verneint werden kann.

Ähnlich gilt auch für das - wegen dessen fehlender Handeinreißbarkeit - in D1 festgestellte "Vorurteil" gegen die Verwendung von Polyester als Material für des Spinnvlieses, dass eine objektive Plausibilität dafür zwar bestritten wurde, dass dadurch aber jedenfalls in D1 eindeutig kein Hinweis auf diese Verwendung gegeben ist.

5.3.4 Es ist nun zu untersuchen, ob die anderen im Verfahren befindlichen Dokumente solchen Hinweis enthalten.

5.3.5 Entgegenhaltung D2 ist ein Fachbuch für Vliesstoffe. Aus Tabelle 2.1 (Seite 111) entnimmt der Fachmann, dass Polyesterspinnvliese mit einer Reißdehnung im beanspruchten Bereich zum Anmeldezeitpunkt des angegriffenen Patentes schon bekannt waren (siehe Spinnvlies "Reemay" auf Basis von Polyester mit einer Reißdehnung im Bereich von 47% bis 107%), was auch von der Beschwerdegegnerin nie bestritten wurde.

Aus D2 entnimmt der Fachmann auch die physikalischen Eigenschaften von Spinnvliesstoffen aus Polyester sowie ihre wichtigsten Einsatzgebiete (Seite 112, rechte Spalte bis einschließlich Seite 115, linke Spalte).

D2 gibt dem Fachmann jedoch keinen Hinweis auf einen möglichen Austausch des bekannten Polypropylen-Spinnvliesträgers mit einer Reißdehnung von 55 bis 85% gegen einen Polyester-Spinnvliesträger mit einer Reißdehnung unterhalb von 50%, um die gestellte Aufgabe zu lösen. Der Fachmann, der eine Modifikation des in D1 behandelten Klebebandes sucht, würde im Hinblick auf die Aussage in D1 eher weiterhin Polypropylen als Basismaterial verwenden und nicht auf Polyester zurückgreifen. Außerdem findet er auch in D2 keinen Anreiz die Reißdehnung zu verringern.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die bloße Tatsache, dass Polyester-Spinnvliesträger mit der geforderten Reißdehnung bekannt waren, keinen Ansporn für den Fachmann darstellt, anspruchsgemäß zu verfahren.

5.4 In Anbetracht dieses Standes der Technik hatte der Fachmann, der die gestellte Aufgabe lösen wollte, keinerlei Veranlassung den bekannten Polypropylen-Spinnvliesträger von D1 durch einen Polyester-Spinnvliesträger mit einer niedrigen Reißdehnung zu ersetzen.

5.5 Zu keinem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis gelangt man, wenn man von D3 als nächstliegendem Stand der Technik ausgeht.

Wie oben dargestellt (siehe 5.1.3), ist ein wesentliches Merkmal des Klebebandes gemäß D3 die Verwendung eines Nähvlieses, welches durch die Verwendung unterschiedlicher Materialien für das Recycling nachteilig ist. Der Fachmann findet in keinem der zitierten Dokumente einen Hinweis, dieses wesentliche Merkmal des Klebebandes von D3 bei dem beanspruchten Spinnvlies zu ersetzen.

5.6 Zusammenfassend ergibt sich, dass der beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent aufrecht zu erhalten mit den Ansprüchen 1 - 7 gemäß Hilfsantrag I vom 23. April 2007 und einer noch anzupassenden Beschreibung.

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