T 0174/05 () of 28.6.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T017405.20060628
Datum der Entscheidung: 28 Juni 2006
Aktenzeichen: T 0174/05
Anmeldenummer: 98123858.7
IPC-Klasse: B60J 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sonnenrollo für ein Kraftfahrzeugdach
Name des Anmelders: ArvinMeritor GmbH
Name des Einsprechenden: Webasto Vehicle Systems International GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 010 559 wurde mit der am 30. November 2004 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wurde von der Einsprechenden am 7. Februar 2005 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 7. April 2005 eingereicht.

Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Sonnenrollo für ein Fahrzeugdach mit einem einer Dachöffnung (2) zugeordneten Deckel (4), mit einer unterhalb des Deckels angeordneten, auf eine Wickelspule (9) selbsttätig aufwickelbaren Rollobahn (8), wobei die Wickelspule (9) an dachseitigen Halterungen (10,11) drehbar angebracht ist, dadurch gekennzeichnet, dass die gegenüberliegenden Seitenränder der Rollobahn (8) in Rollo-Bewegungsrichtung verschiebbar in Führungsschienen (15) geführt, aber quer zur Rollo-Bewegungsrichtung gegen Herausziehen aus den Führungsschienen (15) festgelegt sind, dass die Führungsschienen (15) Führungsnuten mit einem gegenüber der Ebene der Rollobahn (8) abgewinkelten Führungsbereich (17) aufweisen und dass die Rollobahn (8) an ihren gegenüberliegenden Seitenrändern mit Randversteifungen (18) versehen ist, die zum Eingriff in die abgewinkelten Führungsbereiche (17) gegenüber der Ebene der Rollobahn (8) abknickbar sind, jedoch zum Aufwickeln der Rollobahn (8) auf die Wickelspule (9) in ihre gestreckte unabgeknickte Flachlage rückführbar sind."

II. Es wurde am 28. Juni 2006 mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent unverändert oder hilfsweise in geänderter Fassung auf der Basis des am 29. Mai 2006 eingereichten Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag aufrechtzuerhalten. Der Antrag, D5 (US-A-3 768 540) als verspätet zurückzuweisen, wurde zurückgenommen.

III. Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung, das Dokument D2 (JP-A-58 4627), umfassend die englische Übersetzung (D2') und der zugehörige Abstract (D3), stelle eine neuheitsschädliche Vorwegnahme des erteilten Anspruchsgegenstands dar. Zunächst sei der Oberbegriff des Anspruchs in D2 klar offenbart, insbesondere die auf der Wickelspule mittels des Elektromotors selbsttätig aufwickelbare Rollobahn. Weiter sei z.B. bezüglich der kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs festzustellen, dass D2 auch eine Rollobahn zeige, die (i) "an ihren gegenüberliegenden Seitenrändern mit Randversteifungen versehen ist, die zum Eingriff in die abgewinkelten Führungsbereiche gegenüber der Ebene der Rollobahn abknickbar sind, jedoch zum Aufwickeln der Rollobahn auf die Wickelspule in ihre gestreckte unabgeknickte Flachlage rückführbar sind". Dieses Merkmal (i) gehe aus Figur 5 hervor, die umgekehrt T-förmige Randversteifungen zeige, die der Fachmann offensichtlich zur Kleinhaltung der Wickelgröße entsprechend dimensionieren würde, und ergebe sich auch zwangsläufig aus der Flexibilität der Rollobahn, die eine Rückführung der abgeknickten Randversteifungen in die Flachlage erlaube. Die in den Figuren 5 und 2 gezeigte Führungsschiene habe auch einen angewinkelten Führungsbereich zur Führung der Randversteifungen, wobei unerheblich sei, ob und wie weit das den Hauptabschnitt der Rollobahn bildende Material in die Randversteifung hineinreiche. Zur Führung der Rollobahn seien die Randversteifungen selbstverständlich entweder durchgehend oder zumindest abschnittsweise über den Seitenrand der Rollobahn verteilt.

Bei der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchsgegenstands ging die Beschwerdeführerin von D1 (WO-A-96/01191) aus und sah diesen Gegenstand als sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Kombination mit D5 (US-A-3 768 540) ergebend. D5 offenbare zwar eine aufwickelbare Abdeckung, insbesondere für die Dachöffnung eines Anhängers, sei aber, wie aus Spalte 1, Zeilen 9-16 zu ersehen, auf beliebige Arten von Fahrzeugen anwendbar. Die Gemeinsamkeiten mit dem beanspruchten Gegenstand gingen so weit, dass sämtliche technische Merkmale des erteilten Anspruchs 1 daraus bekannt seien. Vor allem zeige D5 beispielsweise Randversteifungen in Form von nach unten stehenden, gegenüber der Abdeckung 12 (Figur 3) abgeknickten Flanschen 36, die im abgewinkelten Führungsbereich der Führungsnut 22 in der Schiene 16 geführt seien. Auch sei in Spalte 3, Zeilen 8-11 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zum Aufwickeln der Rollobahn auf die Wickelspule die Randversteifungen 36 in ihre gestreckte unabgeknickte Flachlage rückführbar seien. Schließlich entspreche auch die gestellte Aufgabe im vorliegenden Streitpatent, die Flatterbewegung der Seitenbereiche der Rollobahn zu reduzieren, dem technischen Problem, welches dem Dokument D5 zugrundeliegt, d.h. das Festbinden der Abdeckung an den Seitenrändern zu erzielen. Folglich würde der Fachmann aufgrund der gestellten Aufgabe in naheliegender Weise D1 mit D5 kombinieren und zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gelangen.

IV. Die Beschwerdegegnerin war der Ansicht, D2 könne die Neuheit des erteilten Anspruchsgegenstandes nicht vorwegnehmen. In der Tat offenbare zwar D2 ein Sonnenrollo sowie eine unterhalb des Deckels angeordnete Rollobahn. Weitere Merkmale des Oberbegriffs sowie des kennzeichnenden Teils des Anspruchs seien aber aus D2 nicht zu entnehmen. Vor allem sei die Rollobahn aus D2 nicht mit "Randversteifungen versehen, die zum Eingriff in die abgewinkelten Führungsbereiche gegenüber der Ebene der Rollobahn abknickbar sind, jedoch zum Aufwickeln der Rollobahn in ihre gestreckte unabgeknickte Lage rückführbar sind". Dies allein schon deswegen, weil D2 darüber nichts aussage und weil der erhebliche Querschnitt des Führungselements und der begrenzte Platz im Querglied 6 von D2 das Aufwickeln der Rollobahn verhinderten.

Zur erfinderischen Tätigkeit des Anspruchsgegenstands trug die Beschwerdegegnerin vor, das Dokument D1 entspreche zwar unstreitig dem Oberbegriff des Anspruchs 1, D5 sei aber kein gattungsgemäßer Stand der Technik. Weiter seien auch alle weiteren Merkmale des Anspruchs in ihrer Gesamtheit und in ihrer inneren Zugehörigkeit aus D5 nicht zu entnehmen. Insbesondere seien z.B. aus D5 kein Deckel und kein selbsttätiges Aufwickeln der Rollobahn auf die Wickelspule zu entnehmen. Zu betonen sei aber, dass die Seitenränder in der Führungsschiene nicht geführt seien, weil die seitlich überstehenden Seitenränder oder Kanten der Abdeckung 12 ersichtlich auf der Oberfläche 18 der Führungsschienen 16 gestützt, in den Nuten 22 der Führungsschienen aber nicht geführt seien. Somit könnten auch alle weiteren damit zusammenhängende Merkmale des Anspruchs nicht in D5 verwirklicht sein. Im Ergebnis könne also die Kombination von D1 mit D5 nicht zu den beanspruchten Merkmalen führen und wäre selbst aber auch nicht naheliegend, da D5 kein gattungsgemäßes Dokument sei und zudem auch nicht von derselben technischen Aufgabe wie die vorliegende Erfindung ausgehe.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ in Verbindung mit den Regeln 1 (1) sowie 64 EPÜ und ist somit zulässig.

2. Für die Frage der Neuheit des erteilten Anspruchsgegenstandes im Hinblick auf D2 ist unter anderem mitentscheidend, ob das besagte Merkmal (i) in D2 offenbart ist. Hierzu ist festzustellen, dass um das Aufwickeln der Rollobahn zu ermöglichen, allein die Flexibilität der Rollobahn nicht ausreicht, sondern auch, wie von der Beschwerdeführerin selbst auch zugestanden, eine entsprechend kleine Dimensionierung der umgekehrt T-förmigen Randversteifungen (D2, Figur 5) notwendig ist. Dies ist aber in D2 nicht offenbart. Vielmehr sprechen die relativen Abmessungen der Randversteifungen in Figur 5 eigentlich dafür, dass das Aufwickeln der Rollobahn samt ihrer Randversteifungen auf die Wickelspule mit der in D2 offenbarten Rollobahn prinzipiell nicht möglich ist. Selbst wenn dies aber durch eine passende Dimensionierung der Randversteifungen prinzipiell möglich wäre, ist jedoch nicht offenbart, dass dies beim Sonnenrollo aus D2 tatsächlich auch so vorgesehen ist. In der Tat kann z.B. die umgekehrt T-förmige Randversteifung auch nur über einen bestimmten Längenabschnitt an den beiden vorderen seitlichen Enden der Rollobahn vorgesehen sein, wobei dieser versteifte, seitliche Längenabschnitt der Rollobahn zur Führung derselben ständig in der Führungsschiene verbleibt. Dies kann sicherlich nicht ausgeschlossen werden, da an keiner Stelle der D2 zu entnehmen ist oder auch nur ein Hinweis gegeben wird, dass die Randversteifungen am Seitenrand durchgehend vorgesehen sind. Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neu (Artikel 54 (1) EPÜ).

3. Die Frage der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 stellt sich nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin ausgehend von D1, als einziges vorliegendes Dokument, welches unstreitig den nächstliegenden Stand der Technik gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 wiedergibt, im Zusammenhang mit der möglichen Kombination mit D5. Hierbei ist zunächst festzuhalten, dass unter den Parteien strittig ist, welche Merkmale des Anspruchs 1 aus D5 als bekannt anzusehen sind. Die Beschwerdegegnerin bestreitet insbesondere, dass überhaupt irgendein Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs in D5 offenbart werde. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass mehrere dieser Merkmale bei einer objektiven, dem spezifischen technischen Zusammenhang des Anspruchs 1 und dem Gesamtzusammenhang der Offenbarung Rechnung tragenden Auslegung des Anspruchs 1 aus D5 zu entnehmen sind. Somit sind z.B. zumindest entsprechend einem Teilmerkmal des Merkmals (i) des Anspruchs 1 die gegenüber der Abdeckung 12 nach unten stehenden, abgeknickten Flanschen 36 (Figur 3) als Randver steifungen zu betrachten, die gegenüber der Ebene der Rollobahn 12 abknickbar sind (Figur 3,6), jedoch zum Aufwickeln der Rollobahn auf die Wickelspule 14 in ihre gestreckte unabgeknickte Flachlage rückführbar sind (D2, Spalte 3, Zeilen 6-11).

Nun könnte man auf die weiteren kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs im einzelnen eingehen und diskutieren, ob sie auch in D5 verwirklicht sind. Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da es im vorliegenden Fall vielmehr darauf ankommt, ob die Kombination von D1 mit D5 für den Fachmann naheliegend wäre. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass, obwohl die Beschwerdeführerin, wie z.B. oben anhand des Merkmals (i) ausgeführt wurde, zurecht auf eine Vielzahl von technischen Gemeinsamkeiten zwischen dem Anspruchsgegenstand und D5 hingewiesen hat, D5 eine aufwickelbare Abdeckung für die Dachöffnung eines Anhängers und kein Sonnenrollo betrifft. Somit gehört D5 entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zum gattungsgemäßen Stand der Technik im engeren Sinne. Insofern stellt sich die Frage, ob und inwiefern der von D1 ausgehende Fachmann bei der gestellten Aufgabe, die Flatterbewegung der Seitenbereiche der Rollobahn zu verhindern, D5 überhaupt in Betracht ziehen würde.

4. Insbesondere ist zwischen der Aufgabe der vorliegenden Erfindung und dem den Ausgangspunkt von D5 bildenden technischen Problem keine unmittelbare Ähnlichkeit zu erkennen. Gemäß D5 ist beabsichtigt, eine äußere, aufwickelbare Abdeckung für Anwendungen jeglicher Art, inklusive beliebiger Fahrzeugtypen, zu schaffen (Spalte 1, Zeilen 9-16). Eine solche äußere Abdeckung erfordert notwendigerweise eine ausreichend steife Struktur, welche zum einen das Aufwickeln erlauben, aber zum anderen im abgewickelten Zustand eine stabile, konvexe Konfiguration annehmen soll (D5, Spalte 1, Zeilen 30-37; Spalte 2, Zeilen 24-28). Diese Eigenschaften spielen allesamt bei einer als Sonnenschutz dienenden Rollobahn, welche durch den Deckel der Dachöffnung von der Witterung geschützt ist, keine Rolle, da sie keine besondere Anforderungen hinsichtlich der Witterungsbeständigkeit erfüllen muss. Deshalb ist sie auch als dünne, sehr flexible Folie ausgebildet. Folglich würde der Fachmann, selbst bei Kenntnis der Offenbarung von D5, die dort dargelegte technische Lehre nicht in den engeren Kreis der möglichen Lösungen der im Streitpatent gestellten Erfindungsaufgabe miteinbeziehen.

Den Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach das Festbinden der Abdeckung als wesentliche Teilaufgabe von D5 (Spalte 1, Zeilen 38-43) äquivalent zur vorliegenden Erfindungsaufgabe sei, kann hiermit nicht gefolgt werden. Das Erzielen eines sicheren Festbindens der Abdeckung ist offensichtlich eine sehr allgemeine Aufgabe und muss nicht notwendigerweise zur Vermeidung der Flatterbewegungen der Abdeckung führen.

5. Schließlich bleibt noch festzuhalten, dass auch aus konstruktiven Gründen die Kombination von D1 mit D5 für den Fachmann nicht naheliegend wäre. Die Übertragung der Merkmale aus D5 auf die Vorrichtung gemäß D1 würde ersichtlich zu Schwierigkeiten führen, weil der überstehende Seitenrand der Abdeckung 12 (Figuren 3 und 6 in D5) mit der besonderen Ausbildung der Schiene im Sonnenrollo aus D1 nicht unmittelbar zu vereinbaren ist. Darüber hinaus würde das Wegfallen des überstehenden Seitenrandes im Widerspruch zur Lehre von D5 stehen, weil gerade durch den überstehenden Teil der Abdeckung in D5 eine besonders effektive Abdichtung der Dachöffnung erzielt wird (Spalte 3, Zeilen 34-42). Dies ist ja eines der Hauptziele, die durch die technische Lehre von D5 zu erreichen sind (D5, Spalte 1, Zeilen 38-43).

Dies macht wiederum deutlich, dass es sich bei D5 um sehr spezifische technische Maßnahmen handelt, die als Lösung einer von der Erfindungsaufgabe unterschiedlichen, besonderen Aufgabe zu betrachten sind. Zudem, wie der vorliegende Stand der Technik insgesamt belegt, handelt es sich bei diesen Maßnahmen auch nicht um gängige und fachübliche Maßnahmen.

Aus der Gesamtheit der angeführten Gründe ergibt sich, dass die Kombination der Dokumente D1 und D5 für den Fachmann nicht naheliegend ist. Folglich beruht der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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