European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T007205.20060516 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 Mai 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0072/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98920441.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | D03D 47/30 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zum Strecken und Spannen eines Schussfadens und Webmaschine mit einer solchen Vorrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | TEXTILMA AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Tsudakoma Kogyo Kabushiki Kaisha | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. 0 993 514 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.
II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent in Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ angegriffen worden.
III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der in Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 (1) und (2) EPÜ genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehe im Hinblick auf den Stand der Technik nach
D4 = JP-A-6-43188.
IV. Mit der Beschwerde verfolgte die Beschwerdeführerin die Aufrechterhaltung des Patents in eingeschränkter Form mit den Ansprüchen gemäß einem Hauptantrag oder gemäß einem von mehreren Hilfsanträgen, von denen sie den Hilfsantrag 2 (Beilage 3) im Laufe des schriftlichen Verfahrens zu ihrem einzigen Antrag erhob. Hilfsweise beantragte sie eine mündliche Verhandlung.
V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) teilte mit, sie halte die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage des Antrages gemäß Beilage B3 für gerechtfertigt. Ergänzende Recherchen ihrerseits hätten auch keinen weiteren einschlägigen Stand der Technik ergeben.
VI. Im mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung versandten Bescheid teilte die Beschwerdekammer ihre vorläufige Meinung über die Zulässigkeit der Änderungen unter Artikel 84 und 123 (2) EPÜ und über die Neuheit (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ) des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß dem damals einzigen Antrag mit und wies auf den Amtsermittlungsgrundsatz (Artikel 114 (1) EPÜ) hin
VII. Am 16. Mai 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Beschwerdegegnerin war nicht erschienen, wie sie mit Schreiben vom 10. Mai 2006 angekündigt hatte.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte schließlich die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 6 und der Beschreibungsspalten 1 bis 3 des Patents, beides eingereicht während der mündlichen Verhandlung, sowie der Figuren 1 bis 7 des Patents wie erteilt.
IX. Der in der mündlichen Verhandlung eingereichte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Vorrichtung zum Strecken und Spannen eines Schussfadens für eine Düsenwebmaschine, mit einem Element zur Erzeugung eines Luftstromes, der im wesentlichen quer zur Schussrichtung gerichtet und dazu bestimmt ist, einen Schussfaden auszulenken, und mit einem geschlossenen Kanal zur Aufnahme des ausgelenkten Schussfadens, der im Abstand vom Element angeordnet ist, wobei das Element eine Düse (6) ist, die mindestens einen Luftstrahl erzeugt und die Düse (6) in der Schussrichtung bezüglich dem Kanal (8) einstellbar angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Düse (6) bezüglich der Mündung des Kanals (8) um einen einstellbaren Winkel (alpha) gegen die Schussrichtung des Schussfadens schwenkbar ist, wobei die Düse (6) zwei Düsenlöcher (14) aufweist, um zwei parallele oder divergierende Luftstrahlen zu erzeugen."
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 123 (2) EPÜ
Der Oberbegriff des Anspruchs 1 ist unverändert gegenüber dem Anspruch 1 des Patents wie erteilt, der mit dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 identisch ist. Die Merkmale im kennzeichnenden Teil beruhen auf den ursprünglichen und erteilten Ansprüchen 2 und 3, wobei aus dem Anspruch 3 nur eine der beiden als Alternativen ("oder") offenbarten und beanspruchten Ausführungsformen, nämlich das Merkmal "Düse (...) schwenkbar", in das Kennzeichen des Anspruchs 1 übernommen wurde. Zusätzlich wurde präzisiert, dass die Düse um einen einstellbaren Winkel (alpha) gegen die Schussrichtung des Schussfadens schwenkbar ist. Dieses Merkmal ist der Figur 3 im Zusammenhang mit der ursprünglichen Beschreibung Seite 3, Zeilen 26/27, S. 4, Z. 11-15 und S. 5, Z. 15-23 (in der Patentschrift entsprechend Spalte 2, Z. 30/31, 46-49, Sp. 3, Z. 27-34) direkt und zweifelsfrei zu entnehmen.
Anspruch 2 entspricht der zweiten Alternative des ursprünglichen und erteilten Anspruchs 3, der durch die Konjunktion "und" die Grundlage für die Kombination einer einstellbar schwenkbaren und versetzbaren Düse bietet. Ansprüche 3 bis 6 entsprechen den ursprünglichen und erteilten Ansprüchen 4 bis 7.
Die Änderungen der Beschreibung betreffen neben sprachlichen Korrekturen die Würdigung des nächstliegenden Standes der Technik und die Richtigstellung der Lösung der Aufgabe des Patents in Spalte 1 sowie in Spalte 3 die Berichtigung eines Fehlers im Sinne der Regel 88 EPÜ, zweiter Satz, in den Erläuterungen zum Ausführungsbeispiel der Figur 6.
Das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ ist daher erfüllt.
3. Artikel 123 (3) EPÜ
Die in den Anspruch 1 aufgenommenen zusätzlichen Merkmale schränken den Schutzbereich des Anspruchs weiter ein, so dass das Erfordernis des Artikels 123 (3) EPÜ ebenfalls erfüllt ist.
4. Artikel 84 und Regel 57a EPÜ
Nach Klarstellung des Anspruchs und Wiedereinführung der ursprünglichen Begriffe hat die Kammer bezüglich der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ keine Bedenken. Auch sind die Änderungen im Anspruch durch die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ veranlasst, so dass das Erfordernis der Regel 57a EPÜ ebenfalls erfüllt ist.
5. Artikel 54 (1) und (2) EPÜ
5.1 Die Einspruchsabteilung hatte das Patent mit der Begründung widerrufen, auch unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren bereits vorgenommenen Änderungen, die im wesentlichen auf der kompletten Aufnahme der Merkmale des ursprünglichen und erteilten Anspruchs 3 in den erteilten Anspruch 1 beruhen, sei der damit beanspruchte Gegenstand durch die aus D4 in Figur 1 und 3 bekannte Vorrichtung vorweggenommen. Die Einspruchsabteilung sah insbesondere das Merkmal "gegen die Schussrichtung des Schussfadens versetzbar" als offenbart an. Ferner zeige auch Figur 2A und 2B eine gegen die Schussrichtung des Schussfadens schwenkbare Düse.
5.2 Anspruch 1 in der geltenden Fassung enthält die kennzeichnenden Merkmale, dass die Düse um einen einstellbaren Winkel gegen die Schussrichtung des Schussfadens schwenkbar ist und zwei Düsenlöcher aufweist, um zwei parallele oder divergierende Luftstrahlen zu erzeugen.
In D4 ist vorgesehen, dass beim Weben mit Fäden unterschiedlicher Materialien die Düse aus der Fangposition (Figur 2A) in Schussrichtung des Fadens (Figur 2B) geschwenkt werden kann, um einen Schussfaden, der eine geeignete Flexibilität besitzt und deshalb nicht mittels einer Streck- und Spannvorrichtung gespannt werden muss, nicht in den Fang- und Spannkanal abzulenken. Für Schussfäden hoher Flexibilität, die gestreckt und gespannt gehalten werden müssen, wird die Düse dann wieder "entgegen" der Schussrichtung zurück in die Fangposition (Figur 2A) geschwenkt, jedoch nicht um einen einstellbaren Winkel aus einer Fangposition gegen die Schussrichtung des Schussfadens. Den gleichen Zweck erfüllt die Düse in Abbildung 3, bei der zwei Düsenlöcher vorgesehen sind, die mittels eines Ventils selektiert den Luftstrom in eine von zwei durch die Düsenlöcher definierte Richtungen lenken.
Somit unterscheidet sich die Vorrichtung nach Anspruch 1 von der bekannten durch die kennzeichnenden Merkmale.
Auch enthält keine der weiteren Entgegenhaltungen aus dem Einspruchsverfahren alle Merkmale des Anspruchs 1, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu ist (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).
6. Artikel 56 EPÜ
6.1 Die Vorrichtung der D4 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar und offenbart eine Vorrichtung zum Strecken und Spannen eines Schussfadens gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Ausgehend von dieser Vorrichtung liegt dem Gegenstand des Patents die Aufgabe zugrunde, die bekannte Vorrichtung zum Strecken und Spannen eines Schussfadens zu verbessern (siehe auch Absatz [0004] des Patents).
6.2 Gelöst wird die Aufgabe durch die Kombination der Merkmale des Anspruchs 1. Die um einen einstellbaren Winkel ermöglichte Schwenkbarkeit der Düse bezüglich der Mündung des Kanals vereinfacht die aufwändige Justierung der beiden Luftströme zur Förderung und zum Ablenken des Schussfadens (siehe auch Sp. 2, Z. 35-46 des Patents). Außerdem wird unabhängig von der Fadenart ein sicheres Ablenken und Spannen des Fadens im Kanal durch die aus den beiden Düsenlöchern austretenden Luftströme, mittels derer ein Luftvorhang gebildet wird, gewährleistet (siehe auch Absatz [0006] des Patents).
6.3 In den Ausführungsbeispielen der Vorrichtungen nach D4 sind eine Schwenkbarkeit der Düse bzw. eine mit zwei Düsenlöchern ausgestattete Düse zu einem unterschiedlichen Zweck und in unterschiedlicher Anordnung offenbart (vgl. 5.2). Darüber hinaus enthält D4 weder einen Hinweis auf die dem Patent zugrunde liegende Problemstellung noch auf deren Lösung, der die für die unterscheidenden Merkmale des Anspruchs 1 notwendigen Änderungen der Vorrichtung in offensichtlicher Weise nahelegen könnte.
6.4 Der übrige im Einspruchsverfahren zitierte Stand der Technik liegt der Erfindung ferner als D4 und auch das allgemeine Fachwissen gibt keinen Anstoß für die im Patent gewählte Lösung, so dass die Erfindung auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
7. Artikel 113 (1) EPÜ
Die Beschwerdegegnerin hat nach der außeramtlichen Einigung der Parteien in Kenntnis der im Verfahren befindlichen Tatsachen und Beweismittel auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verzichtet. An den Tatsachen und den Beweismitteln ist keine Änderung eingetreten, so dass die Beschwerdegegnerin über die in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen zusätzlichen Änderungen an der von ihr bereits ausdrücklich gebilligten Anspruchsfassung nicht überrascht sein konnte. Das rechtliche Gehör (Artikel 113 (1) EPÜ) ist daher nicht verletzt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die 1. Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:
- Ansprüche 1 bis 6 und Beschreibung Spalten 1 bis 3, je wie überreicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer;
- Figuren 1 bis 7 wie erteilt.