T 0064/05 () of 6.9.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T006405.20070906
Datum der Entscheidung: 06 September 2007
Aktenzeichen: T 0064/05
Anmeldenummer: 99904866.3
IPC-Klasse: C09J 7/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Selbstklebebonrolle
Name des Anmelders: Bizerba GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Mettler-Toledo (Albstadt) GmbH
Scandstick AB
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Hauptantrag: Neuheit, erfinderische Tätigkeit (ja)
Offenkundige Vorbenutzung: Zulassung erstmals im Beschwerdeverfahren eingereichter Beweismittel (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Erteilung des Europäischen Patents Nr. 1 053 289 auf die Europäische Patentanmeldung Nr. 99 904 866.3, angemeldet am 5. Februar 1999 als Internationale Anmeldung PCT/EP99/00788 im Namen der Firma Bizerba GmbH & Co. KG, wurde am 14. August 2002 im Patentblatt 2002/33 bekannt gemacht.

Das Patent mit dem Titel "Selbstklebebonrolle" war mit neunzehn Ansprüchen erteilt worden, von denen der Anspruch 1 wie folgt lautete:

"1. Selbstklebebonrolle in Form eines bedruckbaren Endlosstreifens (50), von dem einzelne selbstklebende Klebebons (2) abtrennbar sind, wobei der Endlosstreifen (50) trägerbandlos ist und eine Streifenoberfläche (49) mit einer Haftschicht (8) und eine dieser Streifenober fläche (49) gegenüberliegende bedruckbare Streifenober fläche (6), die mit einer Antihaftschicht versehen ist, aufweist, so daß der Endlosstreifen zu einer Rolle (1) aufwickelbar ist, wobei der Endlosstreifen (50) so ausgebildet ist, daß selbstklebende Klebebons (2) an einer Abreißkante oder Schneidkante abtrennbar sind,

dadurch gekennzeichnet, daß die der bedruckbaren Strei fenoberfläche (6) gegenüberliegende Streifenoberfläche (49) mindestens einen sich in einer Längsrichtung (56) des Endlosstreifens (50) erstreckenden kleberfreien Streifen (7, 17, 27) aufweist, welcher an einem Rand (32) oder in der Nähe eines Randes (32) der mit der Haftschicht (8) versehenen Streifenoberfläche (49) angeordnet ist und so dimensioniert ist, daß ein von einem abgewickelten Endlosstreifen abzutrennender bzw. abgetrennter selbstklebender Klebebon an dem oder den kleberfreien Streifen angefaßt werden kann."

Die Ansprüche 2 bis 19 waren direkt oder indirekt vom Anspruch 1 abhängig.

II. Gegen das Patent legten die Firmen:

I Mettler-Toledo (Albstadt) GmbH am 28. November 2002

und

II Scandstick AB am 12. Mai 2003

Einspruch ein und beantragten den vollständigen Widerruf des Patents. Die Einsprüche wurden darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ).

Zur Stütze ihrer Argumentation zitierten die Einsprechenden unter anderem folgende Dokumente:

E7 US-A 5 782 496

E8 GB-A 2 013 613

E10 EP-A 0 747 871

Die Einsprechende I bezweifelte ferner die Berechtigung des aus der früheren Anmeldung DE 298 01 957 U hergeleiteten Prioritätsanspruchs und hielt demgemäß das Dokument E7 für einen vorveröffentlichten Stand der Technik.

Außerdem machte sie unter Vorlage der Dokumente

E2 Zeichnung 2-86-201-053-00A3 vom 05.03.1987

E3 "Thermopapier-Freigabe-Datenblatt" vom 30.08.1989

E4 Übersicht "Thermopapier für Laden- und Industriewaagen" vom 20.05.1992 und

E5 17 Rechnungen für Lieferungen von Selbstkleberollen im Zeitraum von März 1994 bis Dezember 1997

offenkundige Vorbenutzung geltend.

III. Mit ihrer am 2. November 2004 mündlich verkündeten und am 30. November 2004 schriftlich begründeten Entscheidung widerrief die Einspruchsabteilung das Patent. Der Entscheidung lagen die erteilten Ansprüche 1 bis 19 zugrunde.

Die Einspruchsabteilung erkannte darin den Prioritätsanspruch sowie die Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber dem genannten Stand der Technik an, hielt jedoch die beanspruchte Selbstklebebonrolle im Hinblick auf E10 nicht für erfinderisch.

In ihrer Argumentation zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegenüber E10 bezog sich die Einspruchsabteilung insbesondere auf das in Figur 9 schematisch dargestellte Klebeband, dessen Position mit dem Bezugszeichen 42 in der Beschreibung als "adhesive free corner or edge ... to aid in peeling the label from the roll" definiert wurde (Spalte 7, Zeilen 31 bis 33).

Sie vertrat unter Bezug auf einschlägige Lexika die Auffassung, dass das Wort "edge" auch als "Rand" ausgelegt werde müsse und argumentierte, dass damit E10 bereits die Idee offenbare, einen Randabschnitt der klebenden Oberfläche einer trägerbandlosen Selbstkleberolle von Klebemittel freizuhalten, um ein Anfassen der Etiketten ohne Berührung der Klebefläche zu ermöglichen. Der Fachmann werde daher durch die Lehre von E10 angeregt, an der Randzone des aufgerollten Endlosstreifens in Längsrichtung einen kleberfreien Streifen vorzusehen, um Klebebons beliebiger Länge klebfrei anfassen und von der Rolle abtrennen zu können.

IV. Am 14. Januar 2005 legte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein. Die Beschwerdebegründung wurde am 16. März 2005 eingereicht.

In erster Linie verteidigte die Beschwerdeführerin das Patent in der erteilten Fassung und beantragte hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis zweier Anspruchssätze gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2.

In der mündlichen Verhandlung, die am 6. September 2007 stattfand, ersetzte die Beschwerdeführerin den Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 und 2 durch einen einzigen Satz von Ansprüchen 1 bis 10 als Basis für einen neuen Hauptantrag. Der Einreichung des neuen Hauptantrags war der Hinweis der Kammer vorausgegangen, dass der Gegenstand des erteilten - formal von Anspruch 1 abhängigen - Anspruchs 10 und der direkt oder indirekt darauf Bezug nehmenden Ansprüche 11 bis 17 nicht mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 vereinbar seien.

Der geänderte Anspruchssatz leitet sich von den erteilten Ansprüchen 1 bis 19 ab, wobei folgende Änderungen vorgenommen wurden:

- Streichung des Bezugszeichens (56) in den Ansprüchen 1 und 3;

- Streichung der Bezugszeichen (58) und (62) im Anspruch 5;

- Streichung der Ansprüche 7 und 10 bis 17;

- Umnummerierung der Ansprüche 8, 9 und 18, 19 in "7 bis 10";

- Rückbeziehung des (umnummerierten) Anspruchs 7 auf Anspruch 6.

V. Im schriftlichen Beschwerdeverfahren machte die Einsprechende I erstmals offenkundige Vorbenutzung des beanspruchten Gegenstandes in Form von Thermoetiketten der Firma Zweckform und von Kleberollen der Firma Print Inform GmbH & Co. KG geltend und stützte ihr diesbezügliches Vorbringen auf die Beweismittel E15 bis E20.

Mit Schreiben vom 28. März 2006 zog sie ihren Einspruch zurück. Die Partei ist daher sachlich nicht mehr am Verfahren beteiligt.

Die Einsprechende II (nachfolgend: "Beschwerdegegnerin") verteidigte die in der angefochtenen Entscheidung auf die Druckschrift E10 gestützte Begründung der mangelnden erfinderischen Tätigkeit unter Vorlage einer Reihe von Lexikaauszügen (E14a bis d), die die Auffassung der Einspruchsabteilung bestätigen, dass das Wort "edge" sowohl "Rand" als auch "Kante" bedeuten kann.

VI. In der mündlichen Verhandlung wurden im wesentlichen die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Hauptantrags diskutiert. Dabei regte die Kammer eine Diskussion der Neuheit im Hinblick auf E8 an und begründete ferner ihre Position, dass die von der nicht mehr am Verfahren beteiligten Einsprechenden I mit Schriftsatz vom 22. September 2005 verspätet eingereichten Beweismittel E15 bis E20 als Stütze für die geltend gemachten Vorbenutzungen (siehe Punkt V) nicht relevanter seien als der im Verfahren befindliche Stand der Technik. Letzterer Punkt wurde von der Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin nicht weiter kommentiert.

VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Neuheit

Der beanspruchte Gegenstand sei gegenüber der in E8 beschriebenen Etikettenrolle schon deshalb neu, da Anspruch 1 fordere, dass die mit einer Haftschicht (8) versehene Streifenoberfläche (49) der bedruckbaren Streifenoberfläche (6) gegenüberliegen müsse (Hervorhebung durch die Kammer).

Demgegenüber zeige die Figur 6 von E8 in Verbindung mit der Erklärung auf Seite 2, Zeilen 71 bis 96 einen Etikettenabschnitt, bei dem die bedruckbare Fläche (82) auf der Vorderseite (74) und der Klebestreifen (80) auf der Rückseite des Etiketts (78) seitlich versetzt sind, also einander nicht gegenüberliegen.

b) Erfinderische Tätigkeit

Aufgabe der Erfindung sei die Bereitstellung einer Selbstklebebonrolle in Form eines bedruckbaren Endlosstreifens, von der sich Klebebons in beliebiger Länge abtrennen lassen, ohne dass die klebende Fläche des Bons angefasst werden muss.

Diese Aufgabe werde dadurch gelöst, dass sich auf der der bedruckbaren Oberfläche gegenüberliegenden Klebefläche randseitig ein kleberfreier Streifen in Längsrichtung des Endlosstreifens erstreckt. Durch diese Längsausrichtung werde gewährleistet, dass ein seitliches Anfassen und Abreißen eines Bons vom Endlosstreifen über eine Abriss- oder Schneidkante in jeder beliebigen Länge erfolgen könne, ohne mit dem Kleber in Berührung zu kommen.

Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit müsse E10 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden.

Die darin beschriebene Anordnung von Klebeetiketten in Form eines aufgerollten Endlosstreifens lege die beanspruchte Erfindung nicht nahe, da sie dem Fachmann keinerlei Hinweise liefere, einen kleberfreien Rand in Längsrichtung vorzusehen. Die auf Lexika gestützte Interpretation der Einspruchsabteilung des Wortes "edge" als "Rand" oder "Kante", derzufolge das Bezugszeichen 42 in Figur 9 auch als Randstreifen verstanden werden müsse, sei nicht korrekt.

Vielmehr müsse der Begriff "edge" in unmittelbarem Zusammenhang mit der Figur 9 und nicht im Lichte seines rein sprachlichen Bedeutungsumfangs ausgelegt werden. In der Figur 9 sei an der Stelle mit dem Bezugszeichen 42 eindeutig eine Ecke erkennbar. Eine andere Auslegung des Begriffs "edge" als "Ecke" entspreche daher nicht dem Offenbarungsgehalt in E10.

Gemäß der Erläuterung in Spalte 7, Zeilen 31 bis 33 diene die kleberfreie Ecke der Erleichterung des Abziehens ("peeling") des Etiketts von der Rolle. Das Problem des Abziehens, das heißt des Ablösens und Erfassens eines Etikettenendes, trete jedoch in der Regel nur einmal, nämlich beim Einlegen der Rolle in den Drucker auf und unterscheide sich daher grundlegend von dem erfindungsgemäß zu lösenden Problem des mehrmaligen klebefreien Anfassens des Endlosstreifens zum Zwecke des fortlaufenden Abreißens von Etiketten beliebiger Länge.

VIII. Die von der Beschwerdegegnerin und der (nicht mehr am sachlichen Verfahren beteiligten) Einsprechenden I vorgetragenen Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Neuheit - schriftliches Vorbringen der Einsprechenden I

Der beanspruchte Gegenstand werde bereits durch folgende Vorbenutzungen vorweggenommen:

- Linerless-Selbstklebbebonrollen der Firma Zweckform Büro-Produkte GmbH seien unter der Produktbezeichnung "Haftetiketten Linerless Solokett" am 16.12.1997 an die Einsprechende I geliefert worden;

Beweis: Kopie der Rechnung vom 17.12.1997 (E15), Digitalaufnahme der Selbstklebebonrolle (E16) sowie von der Selbstklebebonrolle abgetrenntes Stück des Endlosstreifens (E17).

- Am 2. Februar 1998 sei bei der Einsprechenden I ein Schreiben der Zweckform Büro-Produkte GmbH (E18a) eingegangen, dem ein Firmenprospekt mit der Bezeichnung "Sparte VARIO-KETT" beilag (E18b). Den Prospektangaben entnehme der Fachmann unter der Überschrift "1. Kundenindividuelle Klebstoff-Beschichtungen" selbstklebende Etiketten mit klebstofffreien Zonen längs oder quer zur Laufrichtung.

- Seit mehr als 15 Jahren befänden sich auf dem deutschen Markt Kleberollen mit kleberfreien Randstreifen, die von der Firma Print Inform GmbH & Co. KG hergestellt und vertrieben würden;

Beweis: Digitalaufnahme E19 und Produktprobe E20.

b) erfinderische Tätigkeit

Nächstliegender Stand der Technik sei E10. Der Auffassung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung, dass E10 in Figur 9 die Idee offenbare, einen Teil der klebenden Oberfläche von Klebemitteln freizuhalten, um ein Anfassen des Etiketts zu ermöglichen werde beigetreten.

Die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass in E10 nur die Erleichterung des Peeling zum besseren Anfassen erwähnt sei, während erfindungsgemäß dem kleberfreien Anfassen ein Abtrennen des Klebebons vom Endlosstreifen folgen müsse, könne die Argumentation der Einspruchsabteilung nicht entkräften, da beide Effekte die gleichen kleberfreien Zonen erforderten. Die Tätigkeit des Abtrennens sei zudem keine Eigenschaft des Klebebons, sondern eine Handlungsweise des Benutzers.

Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei auch eine Kombination von E10 mit E8 in Betracht zu ziehen, da sich das kleberfreie Anfassen eines Etiketts in Längsrichtung aus der in Figur 6 von E8 gezeigten breiten kleberfreien Randzone ableiten lasse.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 10 des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags.

X. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulassung der von der Einsprechenden I im Beschwerdeverfahren erstmals eingereichten Beweismittel E15 bis E20 zum Verfahren

Abgesehen von der Tatsache, dass es die Einsprechende I versäumt hat, eine eindeutigen Zusammenhang zwischen der mit 12.12.1997 datierten Rechnung E15, und der behaupteten öffentlichen Zugänglichmachung einer Kleberolle gemäß der Digitalaufnahme E16 und der Produktprobe E17 lückenlos nachzuweisen, und dies aufgrund ihres Rückzugs vom Einspruchs-Beschwerdeverfahren auch nicht mehr nachholen konnte, kann die Kammer den Beweismitteln E16 und E17 keine Details entnehmen, die für die Beurteilung der Neuheit und/oder erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes relevanter wären, als der im Verfahren befindliche Stand der Technik. So lassen sich aus E16 keinerlei Einzelheiten über die Oberflächenstruktur des Endlosstreifens ableiten. Auch ergibt sich aus der Zusammenschau von E16 und E17 lediglich, dass der Endlosstreifen auf der Klebeseite einen etwa 1 mm breiten kleberfreien Randstreifen aufweist, der aber für ein kleberfreies Anfassen deutlich zu schmal ist.

Ebenso fehlt ein zweifelsfreier Nachweis der öffentlichen Zugänglichkeit der Klebeetiketten "Solo-Kett Linerless" der Firma Zweckform vor dem Prioritätszeitpunkt, da die Informationsbroschüre E18b "VARIO-KETT" undatiert ist und ferner nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann, ob sie Bestandteil der Anlagen war, auf die im Schreiben vom 26. Januar 1998 (E18a) der Firma Zweckform Büro-Produkte GmbH an die Einsprechende I rechts unten hingewiesen wird.

Zudem wird in der mittlere Spalte auf der dritten Seite der Broschüre (erster Absatz) lediglich von "Klebstofffreien oder klebstoffreduzierten Zonen" der Thermoetiketten Solo-Kett Linerless gesprochen und nichts über die Ausgestaltung dieser Zonen ausgesagt. Diesbezüglich ist daher kein über E10 hinausgehender Offenbarungsgehalt erkennbar.

Die Haftnotizrollen gemäß E19 und E20 sind deshalb nicht relevant, da zum einen die Behauptung der Einsprechenden I, sie seien bereits seit mehr als 15 Jahren auf dem Markt, nicht belegt wurde und da zum anderen die der mit einem breiten kleberfreien Rand versehenen Klebeober fläche gegenüberliegende Fläche für Notizen, aber nicht für eine Bedruckung vorgesehen ist.

Die Beweismittel E15 bis E20 werden daher gemäß Artikel 114(2) EPÜ nicht zum Verfahren zugelassen.

3. Neuheit

3.1 Neuheit gegenüber E8

Die Diskussion der Neuheit konzentrierte sich in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen auf die Frage, ob die Figur 6 in E8 einen Etikettenabschnitt mit einer Oberflächenstruktur beschreibt, die vom Anspruch 1 des Hauptantrags umfasst wird.

Folgende wesentliche Details sind aus der Figur 6 in Verbindung mit Seite 2, Zeilen 87 bis 101 erkennbar:

- Das Etikett (70) hat eine Vorderseite (74) und eine Rückseite (78);

- die Vorderseite weist eine Zweiteilung in einen sich in Längsrichtung erstreckenden bedruckbaren unbeschichteten Oberflächenstreifen (82) und einen sich parallel dazu erstreckenden nicht bedruckbaren Streifen mit einer Antihaftschicht (76) auf;

- die Rückseite besitzt einen dem bedruckbaren Oberflächenstreifen (82) deckungsgleich gegenüberliegenden unbeschichteten und nicht klebenden Oberflächenstreifen (78) und eine der Antihaftschicht (76) deckungsgleich gegenüberliegende Klebeschicht (80).

Demgegenüber fordert Anspruch 1 folgendes:

- die (Rück-)Seite des Endlosstreifen (50) der Selbstklebebonrolle ist durch eine Streifenoberfläche (49) gebildet, die mit einer Haftschicht versehen ist;

- die dieser Streifenoberfläche (49) auf der (Vorder-)Seite des Endlosstreifen (50) gegenüberliegende Streifenoberfläche (6) ist bedruckbar und mit einer Antihaftschicht versehen.

Diese Anordnung unterscheidet sich von der gemäß Figur 6 von E8, bei der dem bedruckbaren Oberflächenstreifen (82) der Vorderseite (74) des Etiketts auf dessen Rückseite (78) ein Oberflächenstreifen gegenüber liegt, der frei von Haftschichtmaterial ist.

Daraus folgt, dass die Offenbarung von E8 für den Gegenstand des vorliegenden Hauptantrags nicht neuheitsschädlich ist.

3.2 Die Neuheit gegenüber dem weiteren Stand der Technik wurde von den Parteien im Beschwerdeverfahren nicht bestritten und auch die Kammer sieht keinen Grund zu einer anderen Auffassung.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Der Erfindungsgegenstand

Das Patent betrifft eine selbstklebende, bedruckbare Klebebonrolle aus einem aufgewickelten trägerbandlosen Endlosstreifen. Die klebende Seite des Endlosstreifens ist mit einer Haftschicht versehen. Die nichtklebende Seite des Endlosstreifens ist bedruckbar und trägt eine Antihaftschicht, die gewährleistet, dass im aufgewickelten Zustand Haftschicht und Antihaftschicht aufeinander liegen und ein problemloses Abrollen des Endlosstreifens von der Rolle ermöglichen.

Die Selbstklebebons sollen in beliebiger Länge über eine Scheid- oder Abreißkante von der Rolle abtrennbar sein, ohne dass beim Schneid/Abreißvorgang vom Drucker, in den die Rolle eingelegt ist, die Finger des Bedienungspersonals mit der Klebefläche in Berührung kommen (Patentschrift, Paragraphen [0001], [0009] und [0017]).

Gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags ist auf der klebenden Seite des Endlosstreifens am Rand oder in der Nähe des Randes in Längsrichtung mindestens ein kleberfreier Streifen angeordnet, der (in der Breite) so dimensioniert ist, dass der Endlosstreifen zum Zwecke der Abtrennung an dieser kleberfreien Zone angefasst werden kann.

4.2 Nächstliegender Stand der Technik

Der nächstliegende Stand der Technik wird durch E10 repräsentiert.

E10 beschreibt ein kontinuierliches Band (Endlosstreifen) in Form einer Folge von zu einer Rolle aufgewickelten trägerbandlosen Selbstklebeetiketten. Die Etiketten besitzen eine mit einer Klebeschicht (40) überzogene Oberfläche (dort als zweite Oberfläche (32) bezeichnet), und eine mit einer Antihaftschicht (38) versehene bedruckbare erste Oberfläche (30), wobei im aufgerollten Zustand Klebeschicht und Antihaftschicht aufeinander liegen (Ansprüche 1, 2 in Verbindung mit Spalte 2, Zeilen 6 bis 11).

Individuelle Etiketten können beispielsweise über eine Schneidkante von der in einen Dispenser eingelegten Rolle abgetrennt werden (Spalte 4, Zeilen 52 bis 55).

Gemäß einer in Figur 9 dargestellten Ausführungsform, die der beanspruchten Rolle am nächsten kommt, befindet sich auf der Klebeseite des Etikettenstreifens eine kleberfreie Ecke mit dem Bezugzeichen (42), die gemäß Spalte 7, Zeilen 31 bis 33 der Erleichterung des Abziehens des Etiketts von der Rolle dient.

4.3 Aufgabe und Lösung

Das gegenüber dem Selbstklebeetikettenband gemäß E10 zu lösende Problem besteht darin, eine Selbstklebebonrolle aus einem bedruckbaren Endlosstreifen bereitzustellen, von der Bons beliebiger Länge abgetrennt werden können, ohne dass die Klebefläche angefasst werden muss.

Die Erfindung löst diese Aufgabe durch das Vorsehen eines kleberfreien Bereichs in Form eines kontinuierlichen Streifens, der sich im Randbereich in Längsrichtung des Endlosstreifens erstreckt und so dimensioniert ist, dass ein abzutrennender Klebebon daran angefasst werden kann.

4.4 Naheliegen

Die von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung geführte (Punkt III) und von den Einsprechenden aufgegriffene (Punkt VIII b)) Argumentation, dass der Fachmann aufgrund der erweiterten Bedeutung des Wortes "edge" in Verbindung mit Figur 9 in E10 eine Längsanordnung einer kleberfreien Randzone in naheliegender Weise zur Lösung des Problems in Betracht ziehen würde, ist nach Überzeugung der Kammer nicht stichhaltig.

Selbst wenn man die gemäß Figur 9 in E10 vorgesehene als "edge" bezeichnete kleberfreie Zone als "Rand" oder "Kante" interpretiert, dient diese ausschließlich dazu, das vollständige Verkleben des vorderen Endes eines Etiketts mit der Rollenoberfläche zu verhindern und damit das Anheben und nachfolgende Ablösen des Etiketts von der Rolle zu erleichtern.

Dies ist beispielsweise bedeutsam für das Anheben des vorderen Endes eines ersten Etiketts - zum Beispiel für das Einlegen einer neuen Rolle in einen mit einer Schneidkante versehenen Spender (Spalte 4, Zeilen 52 bis 55: "... if the roll is mounted in a dispenser having a cutting edge ...") - oder alternativ für das Anheben eines auf ein abgetrenntes Etikett folgenden weiteren Etiketts. Bei ersterer Möglichkeit - die die Abtrennung unterschiedlich langer Etiketten zuließe - wäre jedoch nur eine einzige klebefreie Zone am Rollenanfang erforderlich, während bei der zweiten Variante alle auf der Rolle befindlichen Etiketten eine definierte Länge haben müssten, wobei das hintere Ende des einen Etiketts - zweckmäßig mittels einer Perforierung, siehe Figur 1 - an das vordere mit einer kleberfreien Ecke/Kante versehene Ende des Folgeetiketts anstößt.

Für beide Varianten würde der Fachmann jedoch im Rahmen der Offenbarung in E10 bei Kenntnis der Ausgestaltung gemäß Figur 9 die klebefreie Zone als Ecke oder allenfalls als Kante bzw. Rand interpretieren, der sich an einem Ende des Etiketts in Querrichtung erstreckt.

Demgegenüber soll erfindungsgemäß ein längsseitiges kleberfreies Anfassen von bedruckbaren Bons ermöglicht werden, wobei die Bons in Abhängigkeit von der Bedruckung in ihrer Länge variabel sein können. Da die Bons über eine Schneid- oder Abreißkante eines Druckers von der Rolle abgetrennt werden, wird der Benutzer den bedruckten Bon möglichst in Höhe dieser Kante seitlich anfassen um ein exaktes Abreißen zu bewirken und ein unkontrolliertes Einreißen des Bons zu vermeiden, so dass die seitliche Anfassposition ebenfalls, in Abhängigkeit von der Länge des Bons variiert und somit nicht vorbestimmbar ist (was für sich in Querrichtung erstreckende kleberfreie Anfasszonen aber notwendig wäre).

E10 enthält keinen Hinweis, der den Fachmann veranlassen würde, eine klebefreie Zone am Ende eines Etiketts über die gesamte Länge des Endlosstreifens randseitig vorzusehen um das Problem der variablen Anfass- und Abtrennbarkeit zu lösen.

Der beanspruchte Gegenstand ist auch nicht durch eine Kombination von E10 mit E8 nahegelegt.

E8 befasst sich gar nicht mit der Problematik des Abtrennens von Klebeetiketten über eine Schneid/Abreißkante, sondern mit der Bereitstellung von Klebeetiketten die sich leicht von einer Rolle abspulen lassen, ohne dass die Klebeseite mit einem zusätzlichen Trennstreifen abgedeckt werden muss.

Die in den Figuren 1 und 3 dargestellte beidseitige Anbringung einer den streifenförmigen Klebezonen 22, 24 direkt gegenüberliegenden Antihaftstreifen 16, 18 dient ausschließlich dem Zweck, das Abrollen zu erleichtern, da - wie in Figur 3 schematisch dargestellt (siehe Beschreibung Seite 1, Zeilen 104 bis 109) - im aufgerollten Zustand die Klebeschicht auf der Antihaftschicht zu liegen kommt.

Dasselbe Ziel wird auch mit dem Klebeetikett in der Ausgestaltung gemäß Figur 6 mit einer einseitig aufgetragenen Klebeschicht 80 und einer gegenüberliegenden Antihaftschicht 76 verfolgt (Seite 2, Zeilen 87 ff und insbesondere Zeilen 109 bis 114). Auch hier erhält der Fachmann keinen Hinweis dass mit der verbleibenden kleberfreien zweiten Randzone das randseitige Anfassen zum Zwecke des Abreißens von Etiketten beliebiger Länge erleichtert werden soll.

Der beanspruchte Gegenstand ist daher aus E10 allein oder in Kombination mit E8 nicht nahegelegt.

An dieser Beurteilung vermögen auch die weiteren Dokumente des Standes der Technik nichts zu ändern. Dasselbe trifft auch auf die vor der Erstinstanz geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung (Beweismittel E2 bis E5) zu; diesbezüglich schließt sich die Kammer den Ausführungen in den Gründen III der angefochtenen Entscheidung an.

5. Die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ stehen daher der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags nicht entgegen.

6. Bei der für die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrags erforderlichen Anpassung der Beschreibung und der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass im Beschreibungsteil die die Figuren 5 und 6 betreffenden Passagen und in den Zeichnungen die Figuren 5 und 6 gestrichen werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 10 des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags;

- noch anzupassende Beschreibung;

- noch anzupassende Zeichnungen.

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