European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T005805.20060516 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 Mai 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0058/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99936309.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61N 1/32 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | B | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zur Bion- oder Orgontherapie sowie Verfahren zu deren Herstellung | ||||||||
Name des Anmelders: | Vollert, Kai | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | Die Ausführbarkeit einer auf eine Vorrichtung für die Anwendung in einer bestimmten Therapie gerichteten Erfindung setzt die Ausführbarkeit dieser Therapie voraus. | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausführbarkeit der Erfindung - nein | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Europäische Patentanmeldung Nr. 99 936 309.6 (veröffentlicht mit den Nr. WO-A-99 61099 und EP-A-1 023 105) wurde gemäß Artikel 97 (1) EPÜ von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. In der Entscheidung hat die Prüfungsabteilung die Erfindung als nicht ausführbar im Sinne von Artikel 83 EPÜ angesehen.
II. Der Anmelder (Beschwerdeführer) hat gegen diese Entscheidung die am 6. Juli 2004 eingegangene Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde am 7. Juli 2004 entrichtet. Die Beschwerdebegründung ging am 8. Dezember 2004 ein.
III. Eine vom Beschwerdeführer hilfsweise beantragte mündliche Verhandlung fand am 16. Mai 2006 statt.
Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte der Beschwerdeführer, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis der folgenden Unterlagen zu erteilen:
Hauptantrag:
Ansprüche: 1 bis 15 eingereicht mit Schreiben vom 2. September 2003;
Beschreibung: Seiten 1 bis 14 in der veröffentlichten Fassung;
Figuren: Seiten 1/2 bis 2/2 in der veröffentlichten Fassung.
Erster Hilfsantrag:
Beschreibung: Seite 2 ersetzt durch Seite 2a eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 7. Dezember 2004;
Sonstige Unterlagen wie beim Hauptantrag.
Zweiter Hilfsantrag:
Ansprüche: 1 bis 10 eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 16. Mai 2006;
Beschreibung und Figuren wie beim Hauptantrag.
IV. Der geltende Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag sowie dem ersten und zweiten Hilfsantrag lautet:
"1. Vorrichtung für die Anwendung in der Bion- oder Orgontherapie, bestehend im wesentlichen aus
- einer bestimmten Menge an zuvor natürlichem oder künstlichem UV-Licht ausgesetztem Quarzmehl (105) und
- einer Einrichtung zur Aufnahme des Quarzmehls (105), dadurch gekennzeichnet, dass
diese Einrichtung einen Grundkörper (100) umfasst, der die Form einer Kompresse, Manschette, Bandage oder dgl. aufweist, wobei dieser aus einem Kunststoff, Kautschuk oder ähnlichem Material besteht und das Quarzmehl mit diesem Kunststoff, Kautschuk oder ähnlichem Material vermischt ist."
Zudem enthalten alle Anträge weitere unabhängige Ansprüche, die auf eine Vorrichtung zur Durchführung einer Orgontherapie sowie auf ein Verfahren zur Herstellung von einer Vorrichtung für die Anwendung in der Bion- oder Orgontherapie gerichtet sind.
Darüber hinaus enthalten der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag einen weiteren unabhängigen Anspruch, der auf einen Bion-Akkumulator zur Durchführung einer Orgontherapie gerichtet ist.
Entscheidungsgründe
1. Die Entscheidung wurde am 6. Mai 2004 dem Anmelder, jedoch erst am 3. August 2004 gemäß Regel 81(1) EPÜ dem vom Anmelder bestellten Vertreter zugestellt. Die am 8. Dezember 2004 eingereichte Beschwerdebegründung wurde somit innerhalb der von Artikel 108 EPÜ vorgeschriebenen, ab dem letzteren, für die Berechnung der Frist maßgeblichen Zustellungsdatum (unter Berücksichtigung der Zustellungsfiktion nach Regel 78 EPÜ) laufenden Viermonatsfrist eingereicht.
Die Beschwerde erfüllt auch sonst die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64 EPÜ und ist somit zulässig.
2. Hauptantrag
2.1 Offenbarung der Erfindung (Artikel 83 EPÜ)
In der angefochtenen Entscheidung wurde von der Prüfungsabteilung festgehalten, dass in der Anmeldungsbeschreibung die "Orgontherapie" als Therapie, durch welche "eine schnelle Genesung von aller Art" bewirkt werden kann, beschrieben wird. Die Aufgabe der Erfindung sei laut Beschreibung, "eine Vorrichtung sowie ein Verfahren zur Durchführung einer Orgontherapie zu schaffen, die einen hohen Wirkungsgrad aufweisen". Der Fachmann erwarte daher, dass beim Ausführen der Erfindung "eine schnelle Genesung von aller Art" erreicht werde. Seit ihrem Beginn beschäftige die medizinische Forschung sich jedoch ohne Erfolg mit dieser Aufgabe. Aus diesem Grund war die Prüfungsabteilung der Ansicht, dass die Aufgabe so umfangreich sei, dass ihre wiederholbare Lösung eindeutig nachgewiesen werden müsse, wozu der Anmelder jedoch letztendlich nicht in der Lage war.
Zwar ist nach Meinung der Kammer die Aussage "eine schnelle Genesung von aller Art" nicht dahingehend zu verstehen, dass sämtliche Genesungen von der Orgontherapie bewirkt werden sollen, sondern eher, wie vom Beschwerdeführer argumentiert, dass mit der Orgontherapie die verschiedensten Genesungen erreicht werden können. Die Aussage wirft aber dennoch Fragen zur Ausführbarkeit auf, da die Orgontherapie damit therapeutische Wirkungen weitgehend unabhängig von den jeweils vorliegenden spezifischen physiologischen Ursachen behauptet.
2.2 Konkret befasst sich die Anmeldung unter anderem damit, in der Bion- oder Orgontherapie zum Einsatz kommende so genannte "Quarztütchen", Kunststofftütchen mit darin eingeschweißtem, so genanntem "informiertem Quarzmehl" widerstandsfähiger gegen mechanische Belastungen zu gestalten (vgl. Seite 2, Zeilen 3 bis 17). Darüber hinaus befasst sich die Anmeldung mit einer Weiterentwicklung eines so genannten "Bion-Akkumulators", der eine einfachere Handhabung ermöglichen soll.
Die Erfindung gemäß der Anmeldung liegt somit nach Meinung der Kammer in einer Weiterentwicklung der Bion- bzw. Orgontherapievorrichtungen.
2.3 Nach Artikel 83 EPÜ ist eine Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Insbesondere ergibt sich aus dem Erfordernis der Vollständigkeit, dass bei einer Erfindung im Sinne einer Lehre zum Handeln mittels Maßnahmen, die zu einem vorgegebenen Ergebnis führen, ein zwingender kausaler Zusammenhang zwischen den offenbarten Maßnahmen und dem Ergebnis gegeben sein muss. Nur dann ist der Fachmann in der Lage, mit den angegebenen Mitteln in zuverlässiger, wiederholbarer Weise zum vorgegebenen Ergebnis zu gelangen.
Im vorliegenden Fall ist es nach Auffassung der Kammer unabdingbar, damit eine Weiterentwicklung von Bion- bzw. Orgontherapievorrichtungen als Erfindung ausführbar ist, dass die zugrunde liegenden Bion- bzw. Orgontherapien grundsätzlich ausführbar sind.
Die Ausführbarkeit der Bion- bzw. Orgontherapie an sich als Mittel zur Erzielung von Genesungen aller Art erfordert zum einen, dass die therapeutische Wirkung der Bion- bzw. Orgontherapie als Ergebnis nachweisbar ist und zum anderen, dass sämtliche Maßnahmen, die eindeutig kausal für die therapeutischen Wirkung verantwortlich sind, angegeben oder sonstig bekannt sind. Nur dann ist sichergestellt, dass ein Fachmann ohne weiteres in reproduzierbarer Weise zum vorgegebenen Ergebnis gelangt.
In der Regel ist ein derartiger kausaler Zusammenhang zwischen offenbarten Maßnahmen und therapeutischer Wirkung anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Überlegungen nachweisbar oder zumindest plausibel.
Im Fall der Bion- bzw. Orgontherapie jedoch gibt es trotz der Tatsache, dass sie seit Jahrzehnten in der wissenschaftlichen Welt diskutiert wird und auch ihre Anhänger findet, keinen den allgemein anerkannten naturwissenschaftlichen Kriterien entsprechenden Nachweis darüber, ob Orgonenergie bzw. Bione tatsächlich existieren, ob und wie diese beherrschbar wären, oder ob und in welcher Art Wechselwirkungen mit pathologischen Zuständen von Patienten auftreten. Vielmehr handelt es sich um ein nach wie vor umstrittenes Grenzgebiet der Wissenschaft.
Zudem erscheinen die in der Anmeldung behaupteten Genesungen der verschiedensten Art auf Grund der völlig unterschiedlichen Gegebenheiten der pathologischen Zustände mit einem undifferenzierten Einsatz der Bion- bzw. Orgontherapie grundsätzlich naturwissenschaftlich wenig plausibel.
Um so weniger erscheint die behauptete therapeutische Wirkung durch Aufladen von Quarzmehl mit Orgonenergie mittels kosmischer Strahlung, was laut Beschwerdeführer mit einem Aussetzen des Quarzmehls natürlichem oder künstlichem UV-Licht gleichgestellt werden kann, naturwissenschaftlich plausibel.
Wenn aber keine allgemein plausiblen naturwissenschaftlichen Erklärungen möglich sind, oder wenn gar, wie im vorliegenden Fall, die naturwissenschaftliche Gemeinschaft der Bion- bzw. Orgontherapie und den zugrunde liegenden Prinzipien überwiegend ablehnend gegenübersteht, dann liegt es beim Anmelder, den kausalen Zusammenhang zwischen angegebenen Maßnahmen und therapeutischer Wirkung zweifelsfrei nachzuweisen. Sollen jedoch naturwissenschaftlich unerklärliche Zusammenhänge mit Hilfe von Versuchen nachgewiesen werden, so sind nach Auffassung der Kammer die üblichen naturwissenschaftlichen Standards bei der Durchführung und Auswertung solcher Versuche einzuhalten.
2.4 Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer einige Studien und Gutachten bezüglich der therapeutischen Wirkung der Bion- bzw. Orgontherapie, insbesondere einer erfindungsgemäßen Quarzmehl-Kompresse ("Bion-pad"), vorgelegt.
Nach Meinung der Kammer belegen die vorgelegten Unterlagen jedoch nicht, dass die geltend gemachten Genesungswirkungen tatsächlich kausal auf die Bion- oder Orgontherapie bzw. die Kompresse zurückzuführen sind.
Tatsächlich erscheinen behauptete therapeutische Wirkungen an Patienten nur dann als Nachweis einer naturwissenschaftlich nicht erklärten Therapie geeignet, wenn zum einen die therapeutische Wirkung eindeutig nachgewiesen wird, und zum anderen sich die Wirkung eindeutig auf die eingesetzten Maßnahmen zurückführen lässt, wobei nicht zuletzt mögliche andere Einflüsse im wesentlichen ausgeschlossen werden müssten.
Gerade für den Nachweis eines eindeutigen Kausalzusammenhangs bei dem Einsatz unbekannter Energie oder Materie erscheinen behauptete Wirkungen am Menschen, auf Grund der schweren Beherrschbarkeit als zu beobachtendes System sowie der zum Teil unvermeidbaren Subjektivität bei der Ermittlung der erfahrenen Wirkung, wenig geeignet.
Im vorliegenden Fall der Quarzmehl-Kompressen wurden zusätzliche Beeinflussungen, wie etwa den Patienten parallel zugeführte sonstige therapeutische Maßnahmen oder psychosomatische Faktoren, in den Studien nicht systematisch ausgeklammert, so dass ein eindeutiger kausaler Zusammenhang zwischen der Anwendung der Kompresse und der jeweils behaupteten therapeutischen Wirkung dadurch nicht nachgewiesen wird.
2.5 Nach Ansicht des Beschwerdeführers wird die therapeutische Wirkung der Bion- oder Orgontherapie als solche mit der Anmeldung gar nicht beansprucht, und könnte im übrigen als Therapie auch nicht beansprucht werden, so dass ihr wissenschaftlicher Nachweis im vorliegenden Fall unerheblich ist. Vielmehr gehe es in der Anmeldung um eine Verbesserung der Quarzmehltütchen, um ein Entweichen des Quarzmehls zu verhindern, und damit um eine Lehre, die eindeutig für einen Fachmann ausführbar sei.
In diesem Zusammenhang führte der Beschwerdeführer als Beispiel an, dass bei einer auf einen Ohrring gerichteten Erfindung, mit der beispielsweise dessen Befestigungsmechanismus verbessert werden soll, die Motivation für die Verwendung des Ohrrings auch nicht wissenschaftlich nachzuweisen sei.
Dieses Beispiel ist nach Auffassung der Kammer insofern nicht zutreffend, als in der Anmeldung die Angaben über den Zweck der Kompresse bzw. des Bion-Akkumulators, und somit die geforderte Eignung für die Anwendung in der Bion- oder Orgontherapie, eine entscheidende Rolle spielen. Dies zeigt sich auch daran, dass die Ansprüche sich sowohl auf eine Vorrichtung für die Anwendung in der Bion- oder Orgontherapie als auch auf eine Vorrichtung zur Durchführung einer Orgontherapie richten. Wäre die Erfindung beispielsweise, wie etwa beim obigen Beispiel, lediglich auf eine Kompresse gerichtet, ohne Zweckangabe und somit für jede beliebige Verwendung, so hätte sich die Frage nach der Ausführbarkeit der Orgontherapie in der Tat nicht gestellt. Wäre andererseits eine Erfindung auf einen Ohrring für die Anwendung in der Orgon- oder Biontherapie, oder sonst einer Therapie, oder für die Verwendung unter irgendwelchen sonstigen Umständen, unter denen die vom Verwendungszweck vorgegebene Wirkung nicht nachvollziehbar wäre, gerichtet, so würde sich die Frage nach der Ausführbarkeit genau wie im vorliegenden Fall stellen und ggf. ein wissenschaftlicher Nachweis erforderlich werden.
2.6 Auch das weitere vom Beschwerdeführer vorgebrachte Argument, ein mit der Bion- bzw. Orgontherapie vertrauter Fachmann hätte mit dem Ausführen der Erfindung keine Schwierigkeiten, kann nicht überzeugen. Zwar wäre dieser Fachmann vermutlich mit sämtlichen Aspekten der Bion- bzw. Orgontherapie sowie mit Konzepten wie "angereichtes/informiertes Quarzmehl", "Bion-Akkumulator" o.ä. vertraut, und die Erfindung somit für ihn ausreichend deutlich. Der zwingende, eindeutige kausale Zusammenhang zwischen den angegebenen Maßnahmen und dem behaupteten Ergebnis einer Erfindung, welcher sich aus dem Erfordernis der Vollständigkeit ergibt, muss jedoch mit naturwissenschaftlich anerkannten Methoden feststellbar sein und kann sich nicht nur auf die Überzeugungen von Anhängern dieser Therapieform stützen.
2.7 Aus den oben dargelegten Gründen ist nach Auffassung der Kammer die Offenbarung der Erfindung nicht derart ausreichend deutlich und vollständig, dass der Fachmann sie ausführen kann. Die Anmeldung erfüllt folglich die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht.
Der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar.
3. Erster Hilfsantrag
Die Änderungen der Beschreibung gemäß dem ersten Hilfsantrag können nichts an der obigen Beurteilung der Kammer ändern, so dass auch die geänderte Anmeldung die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllt.
Der erste Hilfsantrag ist folglich ebenfalls nicht gewährbar.
4. Zweiter Hilfsantrag
Im zweiten Hilfsantrag wurden im Hinblick auf Bedenken der Kammer bezüglich der Einheitlichkeit der Erfindung alle auf den Bion-Akkumulator gerichteten Ansprüche gestrichen. Die Erfindung bezieht sich jedoch weiterhin auf eine Vorrichtung für die Anwendung in der Bion- oder Orgontherapie und auf eine Vorrichtung zur Durchführung einer Orgontherapie, wie sie vorstehend zum Hauptantrag abgehandelt wurden. Die Anmeldung erfüllt somit nach wie vor nicht die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ.
Aus diesem Grund ist auch der zweite Hilfsantrag nicht gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.