European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T143504.20060208 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 Februar 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1435/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 97103390.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | B62D 21/11 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Fahrschemel für eine gelenkte Achse eines Kraftfahrzeuges | ||||||||
Name des Anmelders: | ADAM OPEL AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ZF Lemförder Metallwaren AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (bejaht) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 794 106 wurde mit der am 18. Oktober 2004 zur Post gegebenen Entscheidung von der Einspruchsabteilung zurückgewiesen. Dagegen wurde von der Einsprechenden am 20. Dezember 2004 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 18. Februar 2005 eingereicht.
II. Es wurde am 8. Februar 2006 mündlich verhandelt.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung neu vorgelegten Hauptantrags.
Der Wortlaut des Anspruchs 1 nach Hauptantrag lautet wie folgt:
"Fahrschemel für eine gelenkte Achse, insbesondere Vorderachse eines Kraftfahrzeuges, mit einem ein Gehäuse (1) eines Zahnstangengelenkgetriebes bildenden Querträger, an den Enden des Querträgers angelenkten Radführungsglieder (12) sowie Mitteln zur Befestigung des Fahrschemels an einem Fahrzeugkörper, wobei das Gehäuse (1) des Zahnstangengelenkgetriebes als rohrförmiges Gehäuse ausgebildet ist und den Mittelteil des Querträgers bildet, mit den Enden des rohrförmigen Gehäuses (1) jeweils ein Trägerteil (2,3) fest verbunden ist, welches Lager (11) für die Anlenkung der Radführungsglieder (12) sowie Aufnahmen (13) für die Mittel zur Befestigung des Fahrschemels aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß die Aufnahmen (13) an den äußeren Endbereichen der gabelförmigen Trägerteile (2,3) angeordnet sind und wobei der Fahrschemel dreiteilig aus dem Gehäuse (1) und den je zwei Trägerteilen (2,3) ausgebildet ist, wobei das Gehäuse und die zwei Trägerteile (2,3) getrennt voneinander bearbeitet sind und nach deren separater Herstellung verbunden sind, wobei die Verbindung zwischen dem Gehäuse (1) und den Trägerteilen (2,3) durch jeweils vorbereitete zueinanderpassende Anschlußstücke (4), die bei beidseitigen Metallteilen als Schweißstutzen oder als klebbare Muffenverbindung ausgeführt sind."
Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag, den neuen Hauptantrag als verspätet eingereicht nicht in das Verfahren zuzulassen und das Patent im vollen Umfang zu widerrufen.
III. Die Beschwerdeführerin erachtete den neu gestellten Hauptantrag als unzulässig, da er in unbegründeter Weise verspätet eingereicht worden sei und zudem auch Merkmale aus der Beschreibung enthalte. Die Beschwerdegegnerin habe zudem ausreichend Gelegenheit gehabt, mehrere Hilfsanträge während des schriftlichen Verfahrens vorzulegen. Zum Gegenstand des Anspruchs 1 selbst war die Beschwerdegegnerin der Auffassung, dieser weise keine erfinderische Tätigkeit auf. D2 (WO-A-90/05083) offenbare als nächstliegender Stand der Technik sämtliche Merkmale des Oberbegriffs und weiterhin auch äußere Endbereiche eines gabelförmigen Trägerteils 7,8,9 (Fig.1 und 2), an denen Aufnahmen 22,20 für die Mittel zur Befestigung des Fahrschemels angeordnet seien. Somit sei als neues Merkmal gegenüber D2 lediglich anzusehen, daß der Fahrschemel dreiteilig aus dem Gehäuse und den beiden Trägerteilen bestehe, die dann mittels Schweißstutzen oder mittels einer klebbaren Muffenverbindung miteinander verbunden seien. Diese Merkmale könnten aber im Hinblick auf den weiteren Stand der Technik D1 (EP-A-143 558) und D3 (US-A-4 060 011) keine erfinderische Tätigkeit begründen. Es sei zunächst generell festzustellen, daß die Bearbeitung eines dreiteiligen Fahrschemels kostengünstiger sei als die Bearbeitung eines aus einer einzigen Guß-Baueinheit bestehenden Fahrschemels, für dessen Bearbeitung entsprechend aufwendig große Anlagen und Grundflächen bereitgestellt werden müssen. Im Hinblick auf die entstehenden Bearbeitungsvorteile würde der Fachmann z.B. eine Kombination von D2 mit D3 in Erwägung ziehen. D3 zeige nämlich einen dreiteiligen Fahrschemel, bestehend aus einem Mittelteil 11 und einem an den beiden Enden angeordneten jeweiligen Trägerteil 14,15,16. Die Trägerteile seien, wie aus der Figur ersichtlich, nachträglich mittels einer Verschraubung oder mittels Schweißens mit dem Mittelteil 11 des Querträgers verbunden. Zu D1 meinte die Beschwerdeführerin, dieses Dokument zeige auch ein an beiden Enden des Querträgers 12 angeordnetes Trägerteil 45 (Figuren 1, 2 und 5), welches über ein weiteres Anschlußstück 19 mittels aus der Figur ersichtlichen Verstärkungsrippen mit dem Mittelteil 11 verbunden sei. Obwohl auch aus D1 die genaue Art der beanspruchten Verbindungsart nicht zu entnehmen sei, gleichwohl handle es sich bei dieser beanspruchten Verbindungsart durch Schweißstutzen oder klebbare Muffen um fachübliche Maßnahmen, die als wohl bekannte technische Varianten der in D1 und D3 offenbarten Möglichkeiten zum Herstellen einer Verbindung, keine erfinderische Tätigkeit begründen könnten. Demzufolge würde auch die naheliegende Kombination von D2 mit D1 zum Anspruchsgegenstand führen.
IV. Die Beschwerdegegnerin sah die Zulässigkeit des neuen Hauptantrags als gegeben an, da die gegenüber dem erteilten Anspruch 1 neu hinzugefügten Merkmale im Wesentlichen aus den erteilten Ansprüchen 2 und 5 hervorgingen, womit weder die Kammer noch die Beschwerdeführerin mit einem unbekannten Sachverhalt konfrontiert würden.
Die Beschwerdegegnerin legte zum Gegenstand des Anspruchs 1 selbst dar, D2 offenbare zum einen eindeutig nicht, daß (i) "die Aufnahmen an den äußeren Enden der gabelförmigen Trägerteilen angeordnet sind", da das Trägerteil 7,8,9 nicht als gabelförmig anzusehen sei. Insbesondere wies die Beschwerdegegnerin darauf hin, daß bei Radaufhängungen der Begriff "gabelförmig" üblicherweise zwei von einem Träger- oder Ausgangsteil abgabelnde oder abzweigende Abschnitte bedeutet. Somit sei die Gesamtheit der drei Trägerarme nicht als gabelförmig anzusehen, auch deswegen nicht, weil nicht alle Trägerarme 7,8,9 in derselben Ebene liegen würden. Zum anderen sei in D2 auch ein einstückiges Trägerteil offenbart, welches als Leichtmetall-Gußgehäuse ausgebildet sei, womit auch (ii) die Dreiteiligkeit des beanspruchten Querträgers mit separat hergestelltem Gehäuse und separat hergestellten Trägerteilen, die nachträglich mit dem Gehäuse über Schweißstutzen oder über klebbare Muffenverbindungen verbunden sind, nicht gegeben sei. Die Beschwerdegegnerin sah allein schon durch die Kombination des obigen Merkmals (ii) mit den Oberbegriffsmerkmalen des Anspruchs 1 das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit als gegeben an. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil es für den Fachmann insbesondere nicht naheliegend gewesen wäre, ausgehend von D2 und im Hinblick auf den weiteren Stand der Technik D1 und D3 zu einem dreiteiligen Querträger gemäß dem Merkmal (ii) zu gelangen. Dies ergebe sich daraus, daß weder D1 noch D3 dreiteilige Querträger zeigten, noch würden sie eine Schweißverbindung oder klebbare Muffenverbindung der Trägerteile mit dem Gehäuse offenbaren. Schließlich sei auch hinsichtlich der unterschiedlichen Ausbildung und Struktur der Querträger, ein Gußteil in D1 und andererseits aber blechartige Teile in D1 und D3, die Kombination von D2 mit D1 oder mit D3 als nicht naheliegend anzusehen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ in Verbindung mit den Regeln 1 (1) sowie 64 EPÜ und ist somit zulässig.
2. Zur Frage der Zulassung des erst in der mündlichen Verhandlung seitens der Beschwerdegegnerin neu vorgelegten Hauptantrags ist festzustellen, daß der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 aus den Merkmalen der erteilten Ansprüche 1, 2 und 5 hervorgeht, mit den zusätzlichen Merkmalen aus Spalte 2, Zeilen 20-23 in der Beschreibung der Patentschrift. Diese Merkmale wurden allesamt ursprünglich in der nun beanspruchten Form offenbart, womit die Anforderungen von Art. 123 (2) EPÜ erfüllt sind. Den Erfordernissen der Klarheit (Art. 84 EPÜ) ist durch die hinzugefügten Merkmale ersichtlich auch Genüge getan. Darüberhinaus stellen die genannten, aus der Beschreibung stammenden Merkmalen des Anspruchsgegenstands einen Teil der allgemeinen erfinderischen Idee dar (Patentschrift, Spalte 1, Zeilen 47-53), da sie die spezifische Art der Verbindung zwischen separaten Trägerteilen und Gehäuse zur Wiederherstellung eines einheitlichen Querträgers angeben.
Damit ist die Kammer der Auffassung, daß der Anspruchsgegenstand zumindest unter formellen Gesichtspunkten ohne weiteres als unmittelbar klar gewährbar anzusehen ist.
Aus den erwähnten Tatsachen ist zudem gleichermaßen zu ersehen, daß die durchgeführten Änderungen des Anspruchsgegenstands für die Beschwerdeführerin keine Überraschung darstellen konnten, da sie lediglich eine präzisere Formulierung der ursprünglichen erfinderischen Idee darstellen, womit durch das Vorlegen des neuen Hauptantrags auch keine grundlegende Änderung des dem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalts erfolgt ist. Somit hat auch der neu vorgelegte, beanspruchte Gegenstand keine neuen Fragen aufgeworfen, sowohl bezüglich der Form als auch bezüglich des technischen Sachverhalts, die im Sinne von Art. 10 b (3) VOBK eine Vertagung der mündlichen Verhandlung erfordert hätten.
3. Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
4. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit erscheint es sinnvoll, sich zunächst auf das unter Punkt IV genannte Merkmal (ii) in Verbindung mit den Merkmalen des Oberbegriffs zu beschränken, weil dieses Merkmal die wesentliche erfinderische Idee widerspiegelt, wie sie auf Spalte 1, Zeilen 42-57 der Beschreibung dargelegt ist. Somit stellt sich die Frage, ob für den Fachmann dieses Merkmal ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik D2 nahegelegen hätte.
5. Es trifft im allgemeinen sicherlich zu, daß die möglichen Ausbildungen eines bekannten technischen Gegenstandes entweder als Einheit oder als mehrteilige Struktur dem Fachmann in vielen Bereichen der Technik wohlbekannte Alternativen sind, die sich je nach Bedarf den spezifischen technischen Anforderungen entsprechend anbieten. Jedoch hat auch dieser generelle Grundsatz nicht uneingeschränkt Gültigkeit, da es in Abhängigkeit vom spezifischen Fall aus verschiedenen Gründen hiervon Abweichungen geben kann. Im hier vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, daß gemäß D2 der Querträger als eine einstückige "Zahnstangenlenkungs-Hilfsrahmen-Baueinheit aus Leichtmetallguß" (D2, Seite 2, Absatz 4) ausgeführt ist, und dies gerade als das wesentliche Merkmal der technischen Lehre von D2 anzusehen ist (D2, Seite 2, Absatz 1-4), welches die Lösung der in D2 gestellten Aufgabe darstellt. Angesichts dieser Feststellung würde der Fachmann ausgehend von D2 eine bauliche Umgestaltung des dort offenbarten Querträgers durch eine technische Maßnahme, die der Lehre von D2 offensichtlich widerspricht, nicht in Betracht ziehen. Gerade eine solche Maßnahme ist aber durch das obige Merkmal (ii) impliziert.
6. Folglich ist die Kammer der Auffassung, daß dieses Merkmal ausgehend von D2 für den Fachmann nicht naheliegend gewesen wäre, selbst unter der Annahme, der weitere Stand der Technik D1 und D3 würde eindeutig das Merkmal (ii) offenbaren. Dies ist aber auch nicht der Fall, weil in D1 das Bauteil 19 (D1, Figuren 1, 2), welches sowohl die Aufnahmen für die Befestigung des Fahrschemels als auch die Lager für die Anlenkung der Radführungsglieder trägt (D1, Seite 4, zweiter Absatz), und somit dem erfindungsmäßigen Trägerteil entspricht, einstückig mit dem zentralen Gehäuseteil 12 ausgebildet ist (D1, Seite 4, zweiter Absatz). Aus D3 ist ebensowenig klar ersichtlich wie die Teile 14,15,16 (Figur; Spalte 1, Zeile 56-Spalte 2, Zeile 4) mit dem Gehäuse 11 verbunden sind, und sicherlich ist daraus kein Zusammenfügen dieser Teile mit dem Gehäuse mittels eines Schweißstutzens oder einer klebbaren Muffenverbindung entnehmbar.
Insgesamt ergibt sich also aus den obigen Gründen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von D2 für den Fachmann unter Berücksichtigung des weiteren Standes der Technik D1 und D3 nicht nahegelegen hat (Art. 56 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Basis der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Hauptantrag mit Ansprüchen 1-5 sowie Beschreibung jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2006;
- Zeichnung wie erteilt.