T 1287/04 (Internetbasierte Datenbank / TRANSACTION & MANAGEMENT) of 30.3.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T128704.20070330
Datum der Entscheidung: 30 März 2007
Aktenzeichen: T 1287/04
Anmeldenummer: 01117970.2
IPC-Klasse: G06F 17/60
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung und Verfahren zur Speicherung von Daten und zur gezielten Zugriffssteuerung auf diese Daten
Name des Anmelders: TransAction & Management GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(2)
European Patent Convention 1973 Art 52(3)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 92
European Patent Convention 1973 Art 111
European Patent Convention 1973 Art 113
European Patent Convention 1973 Art 162(2)
European Patent Convention 1973 R 45
European Patent Convention 1973 R 67
European Patent Convention 1973 R 68(2)
Schlagwörter: Nichtdurchführung einer Recherche
Begründungsmangel (bejaht)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (bejaht)
Zurückverweisung an 1. Instanz
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1242/04
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0698/11

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung EP-A-1 280 078, Anmeldenummer 01 117 970.2 (Anmeldetag 24. Juli 2001), betrifft im Wesentlichen eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Speicherung von Daten, insbesondere zur Speicherung von Angebots- und Suchprofildaten, und zur Zugriffssteuerung auf diese Daten. Hierbei sind ein Datensatz der Angebotsprofildaten jeweils einem Benutzer einer ersten Benutzergruppe (Verkäufer) und ein Datensatz der Suchprofildaten einem Benutzer einer zweiten Benutzergruppe (Käufer) zugeordnet.

II. Die Recherchenabteilung teilte der Anmelderin in einer Erklärung nach Regel 45 EPÜ mit, dass sinnvolle Ermittlungen über den Stand der Technik auf der Grundlage der Patentansprüche nicht möglich seien, da sich die Ansprüche nur auf nichttechnische Sachverhalte, die nach Artikel 52 (2) und (3) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen seien, oder auf allgemein bekannte Merkmale zu deren technologischen Umsetzung bezögen. Es fehle daher eine technische Aufgabe, deren Lösung eine erfinderische Tätigkeit beinhalten könnte. Sollten die Mängel behoben werden, könne eine Recherche jedoch noch im Zuge der Prüfung durchgeführt werden.

III. Nach Erhalt dieser Mitteilung, aber noch vor Erhalt des ersten Bescheids der Prüfungsabteilung reichte die Anmelderin eine schriftliche Stellungnahme mit geänderten Ansprüchen ein. Sie bestritt darin das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach Artikel 52 (2) EPÜ. Die Erfindung löse vielmehr die technische Aufgabe, eine Vorrichtung und ein Verfahren zur gezielten Zugriffssteuerung auf Daten in einem Datenspeicher zu schaffen, um die gespeicherten Daten mit einem vorgegebenen Suchprofil automatisiert zusammenzuführen. Soweit die Prüfungsabteilung ebenfalls der Auffassung sei, dass der Anmeldungsgegenstand die Patentfähigkeit gemäß Artikel 52 EPÜ erfülle, gehe die Anmelderin davon aus, dass eine erneute Recherche von Amts wegen veranlasst werde.

IV. Die Prüfungsabteilung teilte daraufhin der Anmelderin mit Bescheid vom 19. Dezember 2002 ohne weitere Begründung mit, sie erachte eine Recherche zum Stand der Technik gegenwärtig nicht für "zweckmäßig". Die Ansprüche der Anmeldung beträfen Gegenstände, die gemäß Artikel 52 (2) und (3) EPÜ als vom Patentschutz ausgeschlossen betrachtet worden seien und dies immer noch würden. Sie beanstandete in diesem Prüfungsbescheid, dass die Erfindung kein technisches Problem löse, zu dessen Überwindung eine erfinderische Tätigkeit erforderlich gewesen wäre. Die Aufgaben, die sich die Anmeldung offenbar stelle, schienen keine technische, sondern nur eine verwaltungsmäßige bzw. organisatorische Lösung zu erfordern. Selbst wenn dieser Einwand nicht greifen sollte, könne die Verwendung trivialer technischer Merkmale, wie sie bei der Anmeldung vorlägen, nicht als erfinderisch angesehen werden.

V. Die Anmelderin nahm hierzu in einem auf den 26. Juni 2003 datierten Schreiben Stellung und reichte geänderte Ansprüche ein, mit unabhängigen Ansprüchen 1 und 20 wie folgt:

"1. Vorrichtung zur Speicherung von Daten und zur gezielten Zugriffssteuerung auf diese Daten,

mit einem Datenspeicher, in dem mehrere Datensätze von Angebotsprofildaten abgespeichert sind, wobei ein Datensatz der Angebotsprofildaten jeweils einer Benutzerschnittstelle einer ersten Benutzergruppe zugeordnet ist,

mit einer Vergleichseinrichtung zur Feststellung einer Übereinstimmung zwischen den Datensätzen der Angebotsprofildaten und einem der Vergleichseinrichtung zugeführten Datensatz von Suchprofildaten, wobei der Datensatz der Suchprofildaten einer Benutzerschnittstelle einer zweiten Benutzergruppe zugeordnet ist, und

mit einer Zugriffskontrolleinrichtung, die den Zugriff auf in dem Datenspeicher gespeicherte Daten über Zugriffsrechtedaten steuert, die jeweils der Benutzerschnittstelle der ersten Benutzergruppe bzw. der Benutzerschnittstelle der zweiten Benutzergruppe zugeordnet sind,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Zugriffskontrolleinrichtung der Benutzerschnittstelle der ersten Benutzergruppe einen Zugriff zum Ändern derjenigen Zugriffsrechtedaten automatisch freigibt, die der Benutzerschnittstelle der zweiten Benutzergruppe zugeordnet sind und die den Zugriff auf die Angebotsprofildaten der Benutzerschnittstelle der ersten Benutzergruppe steuern, wenn die Vergleichseinrichtung eine Übereinstimmung zwischen einem Datensatz von Angebotsprofildaten der Benutzerschnittstelle der ersten Benutzergruppe und einem Datensatz von Suchprofildaten der Benutzerschnittstelle der zweiten Benutzergruppe feststellt."

"20. Verfahren zur Speicherung von Daten und zur gezielten Zugriffssteuerung auf diese Daten, umfassend:

Abspeichern mehrerer Datensätze von Angebotsprofildaten, wobei ein Datensatz der Angebotsprofildaten jeweils einer Benutzerschnittstelle einer ersten Benutzergruppe zugeordnet ist,

Vergleichen zwischen den Datensätzen der Angebotsprofildaten und einem der Vergleichseinrichtung zugeführten Datensatz von Suchprofildaten zur Feststellung einer Übereinstimmung, wobei der Datensatz der Suchprofildaten einer Benutzerschnittstelle einer zweiten Benutzergruppe zugeordnet ist, und

Steuerung des Zugriffs auf in dem Datenspeicher gespeicherte Daten über Zugriffsrechtedaten, die jeweils der Benutzerschnittstelle der ersten Benutzergruppe bzw. der Benutzerschnittstelle der zweiten Benutzergruppe zugeordnet sind,

gekennzeichnet durch

eine automatische Freigabe des Zugriffs der Benutzerschnittstelle der ersten Benutzergruppe zum Ändern derjenigen Zugriffsrechtedaten, die einer Benutzerschnittstelle der zweiten Benutzergruppe zugeordnet sind und die den Zugriff auf die eigenen Angebotsprofildaten der betreffenden Benutzerschnittstelle der ersten Benutzergruppe steuern, wenn eine Übereinstimmung zwischen einem Datensatz von Angebotsprofildaten der betreffenden Benutzerschnittstelle der ersten Benutzergruppe und einem Datensatz von Suchprofildaten der betreffenden Benutzerschnittstelle der zweiten Benutzergruppe besteht."

VI. Die Anmelderin erklärte in ihrer Stellungnahme, sie habe, nachdem bisher keine Recherche seitens des Amtes erfolgt sei, eine eigene Recherche im Stand der Technik in Auftrag gegeben, bei der drei Druckschriften ermittelt worden seien, die alle zur Erteilung eines europäischen Patents geführt hätten. Im Hinblick auf diesen Stand der Technik bestehe die durch die Erfindung objektiv gelöste technische Aufgabe in der Schaffung einer internet-basierten Datenbank, über die Angebotsprofildaten von einem Verkäufer und Suchprofildaten von einem Käufer miteinander verglichen würden. Bei der Erfindung sei der Detaillierungsgrad, mit dem die Angebotsprofildaten dem Käufer zur Verfügung stünden, seitens des Verkäufers steuerbar. Insbesondere diese Steuerung der Zugriffsrechtedaten verleihe der Erfindung technischen Charakter und leiste einen erfinderischen Beitrag zum Stand der Technik.

VII. In einem Ladungsbescheid wiederholte die Prüfungsabteilung ihre negative Beurteilung der Anmeldung. Eine Recherche sei zurecht nicht in Betracht gezogen worden, weil aufgrund der technischen Einfachheit der beanspruchten Gegenstände, beziehungsweise des Mangels an nicht nahe liegenden technischen Merkmalen, davon auszugehen sei, dass diese dem Stand der Technik angehörten und daher eine sinnvolle Ermittlung dieser grundlegenden technischen Merkmale nicht möglich gewesen sei.

Sie nehme zwar den von der Anmelderin zitierten Stand der Technik zur Kenntnis, sei aber der Meinung, dass dieser zur Beurteilung der erhobenen Einwände nicht von Bedeutung sei.

Die beanspruchte manuelle Eingabe bzw. Änderung von Zugriffsrechten für eine Datenbank, die im Falle einer Übereinstimmung zweier Datensätze erfolgen könne, beschreibe nur administrative Tätigkeiten unter Verwendung allgemein technischer Geräte. Die Überprüfung einer Übereinstimmung von Daten sei als trivial anzusehen und dem Fachmann bekannt. Auch die von der Anmelderin angegebene Aufgabe beschreibe lediglich eine administrative Änderung von Zugriffsrechten unter Verwendung allgemein bekannter technischer Hilfsmittel. Sowohl die genutzten Geräte als auch die von diesen ausgeführten Tätigkeiten würden allgemein bekannte Verfahren und Systeme betreffen, die nur zur Lösung eines administrativen Problems implementiert würden. Ein Fachmann würde ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 20 gelangen.

VIII. Nachdem ein Antrag auf Terminverschiebung abgelehnt worden war, beantragte die Anmelderin eine Entscheidung nach Lage der Akten. Die Prüfungsabteilung hat die Anmeldung daraufhin schriftlich in einer auf den 11. Juni 2004 datierten Entscheidung nur unter Bezugnahme auf das schriftliche Verfahren, ohne weitere inhaltliche Begründung, zurückgewiesen. Die Begründung hat den folgenden Wortlaut:

"Im Bescheid/In den Bescheiden vom 19.12.2002, 28.10.2003 wurde dem Anmelder mitgeteilt, dass und aus welchen Gründen die Anmeldung nicht die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.

Der Anmelder hat auf den letzten Bescheid keine Stellungnahme oder Änderungen eingereicht, sondern mit einer am 06.05.2004, also fristgerecht eingegangenen Eingabe, Entscheidung nach Lage der Akten beantragt.

Die europäische Patentanmeldung wird daher aufgrund des Art. 97 (1) EPÜ zurückgewiesen."

IX. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) hat am 21. August 2004 unter Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und beantragt, die Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein europäisches Patent auf der Grundlage der geltenden Anmeldungsunterlagen mit den geänderten Patentansprüchen vom 26. Juni 2003 zu erteilen.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2004 hat die Beschwerdeführerin die Beschwerde näher begründet und neue Beschreibungsseiten 1 bis 4b eingereicht. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

X. In der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre Absicht mit, die Angelegenheit an die erste Instanz zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens unter Durchführung einer Recherche zurückzuverweisen. Die beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr könne jedoch voraussichtlich wegen fehlender Billigkeit nicht zurückerstattet werden.

Die Sach- und Rechtslage wurde in einer mündlichen Verhandlung am 30. März 2007 mit der Beschwerdeführerin erörtert. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung über die Beschwerde von der Kammer verkündet.

XI. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 11. Juni 2004 aufzuheben, ein europäisches Patent auf der Grundlage der geltenden Anmeldungsunterlagen mit den Patentansprüchen vom 26. Juni 2003 sowie den neuen Beschreibungsseiten 1 bis 4b zu erteilen und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

XII. Die Beschwerdeführerin begründete den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr mit wesentlichen Verfahrensmängeln.

Im Anmeldeverfahren sei kein europäischer Recherchenbericht erstellt und damit keine vollständige erstinstanzliche Prüfung durchgeführt worden, was einen wesentlichen Verfahrensmangel darstelle. Die Bedingungen für einen europäischen Recherchenbericht seien aber erfüllt gewesen. Die Ausnahmen für eine unvollständige Recherche gemäß Regel 45 EPÜ träfen nur dann zu, wenn aufgrund des Inhalts und der Ansprüche der europäischen Patentanmeldung eine sinnvolle Ermittlung des Standes der Technik nicht möglich sei. Die vorliegende Anmeldung weise derart gravierende Mängel nicht auf. Der Anspruchsgegenstand sei deutlich unter Angabe von Merkmalen definiert, denen unter Heranziehung der geltenden Rechtsprechung und Praxis des europäischen Patentamtes ohne weiteres technischer Charakter bescheinigt werden könne. Schließlich seien auf dem gleichen Gebiet schon mehrere europäische Patente erteilt worden.

Die Ausnahmen für eine unvollständige Recherche gemäß Regel 45 EPÜ lägen daher nicht vor. Es hätte daher eine zusätzliche Recherche durchgeführt werden müssen.

In Bezug auf die im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Beanstandungen der fehlenden erfinderischen Tätigkeit habe sie in den schriftlichen Bescheidserwiderungen vom 19. Juni 2002 und 26. Juni 2003 zu der Regel 45-Erklärung vom 18. April 2002 und dem Prüfungsbescheid vom 19. Dezember 2002 Stellung genommen. Sie habe darin ausführlich dargelegt, warum der Anmeldungsgegenstand die Erfordernisse der Technizität, Neuheit und erfinderischen Tätigkeit erfülle. Durch die zweiteilige Anspruchsfassung sei es für die Prüfungsabteilung sofort und zweifelsfrei erkennbar gewesen, welche technischen Merkmale der Erfindung den neuen und erfinderischen Beitrag zum Stand der Technik bilden und daher nach Auffassung der Anmelderin keinesfalls dem allgemeinen Fachwissen zugerechnet werden sollten.

Die Prüfungsabteilung habe die Beanstandungen nur in sehr pauschaler Weise, ohne näheres Eingehen auf die Argumente der Beschwerdeführerin aufrechterhalten und auch keinen Nachweis für den von ihr angezogenen, aber von der Beschwerdeführerin bestrittenen Stand der Technik erbracht. Hierdurch habe sie der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör in eklatanter Weise verweigert. Da die Zurückweisungsentscheidung keine eigene Begründung, sondern nur einen Verweis auf diese Prüfungsbescheide enthalte, liege außerdem auch ein Begründungsmangel vor. In ähnlich gelagerten Fällen habe das deutsche Bundespatentgericht in den Beschlüssen 34 W(pat) 110/87 und 30 W(pat) 49/02 die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sei daher rechtens. Daran ändere auch nichts, dass die Beschwerdeführerin die Gelegenheit zu einer mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung nicht wahrgenommen und einen Antrag auf Entscheidung nach Lage der Akten gestellt habe. Aufgrund der vorhergehenden pauschal negativen Prüfungsbescheide musste die Beschwerdeführerin mit einem negativen Ausgang des Verfahrens und erhöhten Kosten für die Anfahrt von München zur Zweigstelle Den Haag rechnen, wo die mündliche Verhandlung stattfinden sollte. Es könne der Beschwerdeführerin nicht zur Last gelegt werden, die für sie kostenmäßig günstigere Verfahrensvariante einer schnellen Klärung der Rechtslage durch die Beschwerdekammern gewählt zu haben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie die Erfordernisse der Regeln 1 und 64 EPÜ und ist daher zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet.

2. Die Beschwerdeführerin hat das Fehlen eines europäischen Recherchenberichts und einer vollständigen erstinstanzlichen Prüfung als wesentlichen Verfahrensmangel gerügt. Nach ihrer Meinung sei die Anmeldung nämlich nicht, wie von den Recherchen- und Prüfungsabteilungen behauptet, mit gravierenden Mängel behaftet, die einer vollständigen Recherche entgegenstünden. Was die Patentfähigkeit

des Anmeldungsgegenstandes betreffe, seien ihre Ausführungen vom 26. Juni 2003 von der Prüfungsabteilung weder in ihren Bescheiden noch in ihrer Entscheidung berücksichtigt worden.

3. Die Voraussetzungen für eine unvollständige Recherche haben in der Tat weder zum Zeitpunkt des Erlasses der Erklärung nach Regel 45 EPÜ, noch später im Prüfungsverfahren vorgelegen.

3.1 Voraussetzung für das Verfahren nach Regel 45 EPÜ ist, dass "die europäische Patentanmeldung den Vorschriften dieses Übereinkommens so wenig entspricht, dass es nicht möglich ist, auf der Grundlage aller oder einiger Patentansprüche sinnvolle Ermittlungen über den Stand der Technik durchzuführen".

3.2 Grundsätzlich ergibt sich aus dem gesamten Verfahrenssystem des EPÜ die Pflicht zur Erstellung einer Recherche: wenn der Anmeldetag feststeht und die Anmeldung nicht nach Artikel 90 (3) EPÜ als zurückgenommen gilt, ist ein europäischer Recherchenbericht zu erstellen (Artikel 92 EPÜ).

Seit 1979 müssen europäische Patentanmeldungen auf allen Gebieten der Technik unbeschränkt behandelt werden (siehe Artikel 162 (2) EPÜ und den Beschluss des Verwaltungsrates vom 21. Dezember 1978, ABl. EPA 1979, 7). Das schließt eine Ungleichbehandlung bestimmter Gebiete der Technik bei Recherche und Sachprüfung aus. Eine der Regel 39 PCT entsprechende Bestimmung, auf gewissen Gebieten keine Recherche durchführen zu müssen, findet sich im EPÜ nicht. Eine Beschränkung der Recherche und Sachprüfung wäre nur für Gebiete zulässig, die nicht dem Gesamtgebiet der Technik zuzurechnen sind.

3.3 Von der grundsätzlichen Verpflichtung des Artikels 92 EPÜ, einen Recherchenbericht - mit dem in Regel 44 EPÜ vorgesehenen Inhalt - zu erstellen, sind im EPÜ nur die folgenden Ausnahmen vorgesehen: Regel 46 EPÜ bei Nichteinheitlichkeit der Erfindung und Regel 45 EPÜ bei Mängel der Anmeldung, die es unmöglich machen, sinnvolle Ermittlungen über den Stand der Technik durchzuführen.

3.4 Ermittlungen über den Wissensstand außerhalb des Gesamtgebiets der Technik, wie beispielsweise die Recherche von rein wirtschaftlichen oder rechtlichen Aspekten eines Geschäftsverfahrens, sind in aller Regel nicht sinnvoll, da die Ergebnisse solcher Ermittlungen für die Frage der Patentierbarkeit des Anspruchsgegenstandes irrelevant wären. Recherchen und Sachprüfungen außerhalb des Bereichs der Technik könnten vom EPA auch nicht vollständig und zuverlässig durchgeführt werden, da nur die technische Vorbildung der Prüfer, nicht aber die Fachkunde, die für die Recherche und Sachprüfung auf außertechnischen Gebieten erforderlich wäre, organisatorisch gewährleistet wird (siehe Artikel 18 (2) EPÜ).

3.5 Keinesfalls kann aber die Trivialität oder das Naheliegen der technischen Aspekte einer Erfindung als Grund für eine unvollständige Recherche unter Regel 45 EPÜ herangezogen werden (siehe T 1242/04 - Bereitstellung produktspezifischer Daten/MAN, Punkt 9 der Entscheidungsgründe, zur Veröffentlichung im ABl. EPA vorgesehen). Die Ermittlung und die Zitierung eines oder einiger weniger Dokumente zum Stand der Technik sind bei trivialen Gegenständen immer möglich. Sie sind auch sinnvoll, um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Prüfungsverfahren nicht von vornherein die Grundlage zu entziehen und eine Entscheidung über die Patentfähigkeit der Erfindung zu ermöglichen, die zutreffend und überzeugend begründet werden kann. Nicht zuletzt steht der Pflicht zur Zahlung einer Recherchengebühr ein Anspruch auf eine faire Gegenleistung in Form einer Recherche gegenüber, dem sich die Recherchenbehörde nur unter den gesetzlich bestimmten eng auszulegenden Voraussetzungen der Regel 45 EPÜ entziehen darf.

3.6 Die vorliegende Erfindung betrifft im Wesentlichen ein elektronisches Handelssystem und ist damit einem modernen Gebiet der Technik zuzurechnen. Die Ansprüche beziehen sich auf die Speicherung von Daten in einem Datenspeicher (elektronische Datenbank) und auf die gezielte Zugriffssteuerung auf diese Daten, so dass dem Anspruchsgegenstand ohne Zweifel Technizität zuzubilligen ist. Ein Ausschlusstatbestand nach Artikel 52 (2) und (3) EPÜ liegt daher, entgegen der von der Recherchenabteilung erklärten Auffassung, nicht vor.

Der Umstand, dass die Erfindung auf dem Gebiet elektronischer Handelssysteme liegt und damit in den Ansprüchen auch handelsrechtliche Aspekte zum Tragen kommen, ändert an dem technischen Gesamtcharakter des Anspruchsgegenstandes nichts.

Es liegen auch keine anderen Gründe vor, die eine Recherche ausschließen könnten. Die Erfindung ist, insbesondere was die technischen Aspekte der Erfindung betrifft, so deutlich und vollständig offenbart, dass sie vom fachkundigen Leser ohne große Mühe verstanden werden kann. Ermittlungen über den Stand der Technik sind in Bezug auf diese technischen Aspekte ohne weiteres möglich.

Die Durchführung der Recherche liefert die Grundlage für die materielle Prüfung der Erfindung und ist daher sinnvoll. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Regel 45 EPÜ sind bei der vorliegenden Anmeldung somit nicht gegeben.

3.7 Wenn die gesetzlichen Ausnahmen von Artikel 92 EPÜ nicht oder nicht für den gesamten Anmeldungsgegenstand vorliegen, im vorliegenden Fall also die Erklärung nach Regel 45 EPÜ zu Unrecht ergangen ist, ist die Recherche in der Regel nachzuholen bzw. zu ergänzen. Daher weisen die Prüfungsrichtlinien die Prüfungsabteilung an, in diesen Fällen eine "zusätzliche Recherche" zu veranlassen (siehe Kapitel B-III, 4.2 in der Fassung Juli 1999 bzw. Kapitel B-II, 4.2 in der Fassung Juni 2005). Allenfalls wäre unter diesen Umständen zu fragen, ob sich in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Recherche im dokumentierten Stand der Technik erübrigt.

Nach Auffassung der Kammer wäre dies im Rahmen der Sachprüfung auf die Patentierbarkeitserfordernisse nur dann zulässig, wenn ausschließlich technische Aspekte vorliegen, die prima facie keines druckschriftlichen Bekanntheitsnachweises bedürfen, insbesondere weil sie vollständig dem notorischen Fachwissen zugerechnet werden müssen oder unstreitig als allgemeines Fachwissen anzusehen sind (siehe T 1242/04, a.a.O.).

Ein solcher Sonderfall ist bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht gegeben, da der Anmeldungsgegenstand über die bloße Automatisierung einer nichttechnischen Lehre mithilfe konventioneller Hardware-Komponenten hinausgeht und die pauschale Berufung auf allgemeines Fachwissen streitig ist. Die zusätzliche Recherche ist daher zu Unrecht unterblieben.

4. Ob dieser Fehler unter den gegebenen Umständen ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne von Regel 67 EPÜ ist, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, kann dahingestellt bleiben, da jedenfalls die Zurückweisungsentscheidung einen gravierenden Begründungsmangel aufweist, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt.

4.1 Beschwerdefähige Entscheidungen sind nach Regel 68 (2) EPÜ zu begründen. Anstelle eine Begründung für die Zurückweisung der Anmeldung zu geben, verweist die Entscheidung der Prüfungsabteilung auf die Bescheide vom 19. Dezember 2002 und 28. Oktober 2003.

4.2 In diesen Bescheiden wurde beanstandet, dass der Anspruchsgegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Begründung hierfür erschöpfte sich im wesentlichen in der wiederholten Behauptung, die technischen Merkmale der Erfindung seien, soweit vorhanden, "trivial".

4.3 Zwar ist der Prüfungsabteilung darin wohl zuzustimmen, dass am Anmeldetag technische Merkmale wie das Vorhandensein eines Datenspeichers, einer Benutzerschnittstelle, einer Vergleichseinrichtung oder einer Zugriffskontrolleinrichtung für sich genommen notorisch waren. Daraus folgt aber natürlich nicht, dass ein Anspruchsgegenstand, der solche Merkmale im Rahmen einer technischen Lehre sinnvoll verknüpft, als Ganzes ohne weitere Begründung dem allgemeinen Fachwissen zuzurechnen oder durch dieses in trivialer Weise nahe gelegt wäre.

Die Anmelderin hat sich im vorliegenden Fall ausdrücklich unter Angabe von Gründen gegen die pauschale Abwertung ihrer Erfindung durch die Prüfungsabteilung gewehrt. Die beanspruchte Datenspeicherung und Zugriffssteuerung ist in der Tat zu komplex, um ohne konkreten Stand der Technik eine Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in nachvollziehbarer Weise begründen zu können.

4.4 Der trotz der Einwände der Anmelderin fehlende Nachweis des relevanten Standes der Technik, die sich in Behauptungen erschöpfende Begründung für das Fehlen der erfinderischen Tätigkeit und die unzureichende Auseinandersetzung mit den von der Anmelderin vorgebrachten Argumenten verletzen das in Artikel 113 EPÜ verankerte Recht auf rechtliches Gehör. Eine sofortige Zurückweisungsentscheidung war bei dieser Sachlage unzulässig, auch wenn die Anmelderin im vorliegenden Fall eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragt hatte. Einen derartigen Antrag kann die Prüfungsabteilung nicht von ihrer Verpflichtung entbinden, Einwände gegen die Patentfähigkeit zu begründen und diese Gründe vor einer Zurückweisungsentscheidung, gegebenenfalls unter Fortsetzung der Prüfung im schriftlichen Verfahren, mitzuteilen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die bloße Bezugnahme auf mehrere Bescheide des vorhergehenden Verfahrens eine Begründung im Sinne der Regel 68 (2) EPÜ ist. Die Prüfungsbescheide geben aus den oben genannten Gründen jedenfalls keine ausreichende Begründung für die Zurückweisung der Anmeldung.

4.5 Ein Begründungsmangel ist regelmäßig ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne von Regel 67 EPÜ und rechtfertigt bei Billigkeit die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Das Fernbleiben der Anmelderin von der mündlichen Verhandlung, die vor der Prüfungsabteilung in Den Haag hätte stattfinden sollen, lässt im vorliegenden Fall die Rückzahlung nicht als unbillig erscheinen, da sie aufgrund des schriftlichen Verfahrens nicht darauf vertrauen konnte, mit ihren Argumenten gehört zu werden. Das Verhalten der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren kann daher nicht als Verfahrensmissbrauch gewertet und auch unter dem Gesichtpunkt der allgemeinen Mitwirkungspflicht eines Anmelders an einer effizienten Verfahrensdurchführung nicht beanstandet werden.

Dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ wird daher stattgegeben.

5. Da die Prüfungsabteilung keine zusätzliche Recherche veranlasst und den von ihr geltend gemachten, aber bestrittenen Stand der Technik nicht nachgewiesen hat, kann die Prüfung auf Patentfähigkeit nicht als abgeschlossen gelten. Daher ist die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung mit der Maßgabe zurückzuverweisen, eine zusätzliche Recherche zu veranlassen und auf der Grundlage der geltenden Ansprüche die Prüfung fortzusetzen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Maßgabe, eine zusätzliche Recherche zu veranlassen und die Prüfung auf dieser Grundlage fortzusetzen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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