T 1261/04 () of 14.2.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T126104.20070214
Datum der Entscheidung: 14 Februar 2007
Aktenzeichen: T 1261/04
Anmeldenummer: 98101428.5
IPC-Klasse: D01H 4/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Auflösewalze für eine Offenend-Spinnmaschine
Name des Anmelders: Rieter Ingolstadt Spinnereimaschinenbau AG
Name des Einsprechenden: Saurer GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 28. Januar 1998 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 28. Februar 1997 eingereichte Patentanmeldung Nr. 98 101 428.5 wurde das europäische Patent Nr. 0 861 930 erteilt.

II. Gegen die Patenterteilung legte die Einsprechende am 4. September 2003 Einspruch ein und beantragte den Widerruf des Patents. Die Einsprechende stützte ihren Einspruch auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ.

III. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent mit ihrer am 10. September 2004 zur Post gegebenen Entscheidung. Die Einspruchsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass die Auflösewalze nach Anspruch 1 durch den Stand der Technik gemäß

D1 WO-A-96/22 410 und

D2 JP GM 48-29130/73

nahegelegt war (Artikel 56 EPÜ) und das Verfahren nach Anspruch 20 im Wesentlichen die gleichen Merkmale wie die Vorrichtung nach Anspruch 1 enthält, und dementsprechend ebenfalls keinen Bestand haben könnte.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 27. Oktober 2004 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt. Mit der am 11. Januar 2005 eingereichten Beschwerdebegründung hat sie ihren Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung weiterverfolgt, Hilfsanträge I bis III eingereicht und hilfsweise eine mündliche Verhandlung beantragt.

V. Die Beschwerdekammer hat in ihrer Mitteilung vom 30. Januar 2006 auf die in einer mündlichen Verhandlung zu klärenden, strittigen Punkte hingewiesen, insbesondere darauf, dass das Merkmal einer vollständigen Beschichtung in den Ansprüchen des Hauptantrags nicht vorhanden sei, wovon die Beschwerdeführerin auszugehen schien.

VI. Am 14. Februar 2007 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der des weiteren die bereits im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen

D3 DE-A-24 33 769

D4 DE-A-40 38 352

D5 DE-A-43 14 161

D6 Schmolke, K.-H.; Hartstoffschichten für Auflösewalzen von Rotor-Spinnmaschinen und deren Einfluss auf die Garnqualität und Lebensdauer; Melliand Textilberichte 1991(4), Seite 241 bis 247

D7 US-A-4 211 583

D8 DE-A-2 211 911

in der Diskussion und der Entscheidungsfindung berücksichtigt wurden.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in Form eines neu eingereichten Hauptantrags.

Die Einsprechende beantragte die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Auflösewalze zum Vereinzeln von Fasern an einer Offenend-Spinnmaschine, mit einem zylinderförmigen Garniturträger, der auf seiner Mantelfläche eine Garnitur trägt, die aus einem vorgeformten Garniturdraht besteht, dadurch gekennzeichnet, dass der Garniturdraht (3) als freie Spirale gleichmäßig von allen Seiten beschichtet ist und so vorgeformt ist, dass er in der Ebene, in der die Zähne (23) des Garniturdrahtes (3) liegen, spiralförmig gebogen ist, bevor er auf den Garniturträger (12) aufgebracht ist und die Beschichtung eine chemisch aufgebrachte Nickelschicht ist, in die Hartstoffkörner eingebracht sind."

Anspruch 17 lautet wie folgt:

"Verfahren zum Herstellen eines spiralförmig vorgeformten Garniturdrahtes, insbesondere für eine Auflösewalze gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 16, wobei nach dem Ausformen der Zähne der Garniturdraht in der Ebene in der die Zähne liegen, spiralfömig verformt wird und der Draht mit im Abstand zueinander angeordneten Windungen als freie Spirale einem den Garniturdraht gleichmäßig von allen Seiten beschichtenden chemischen Beschichtungsvorgang unterzogen wird, bei welchem eine Nickelschicht aufgebracht wird, in die Hartstoffkörner eingebracht werden, und anschließend auf eine Auflösewalze aufgewickelt wird."

VII. Die Beschwerdeführerin war der Auffassung, der Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 sei unbestritten neu und beinhalte eine erfinderische Tätigkeit. D1 bilde den nächstliegenden Stand der Technik und offenbare den Oberbegriff des Anspruchs 1 entsprechend einem vorgeformten Garniturdraht für eine Auflösewalze.

Als Vorteil der Erfindung könne die gleichmäßige chemische Beschichtung genannt werden, wodurch die Beschichtung stabiler sei und ein Abplatzen der Schicht vermieden werde. Nur dadurch, dass der Draht als freie Spirale dem Beschichtungsvorgang unterzogen werde, sei eine derartig gleichmäßige und allseitige Beschichtung überhaupt möglich. Die Standzeit des Garniturdrahts werde dadurch wesentlich verlängert.

Diese Vorteile, sowie die gewählten Merkmale in ihrer Gesamtheit seien weder aus einem einzelnen Dokument noch aus einer Kombination der zitierten Dokumente ersichtlich. Daher sei sowohl Neuheit als auch eine erfinderische Tätigkeit gegeben. Eine Nickel-Diamant-Beschichtung sei sehr teuer, und daher würde der Fachmann die Beschichtung normalerweise auf die notwendigen Teile beschränken. Die Notwendigkeit zur gleichmäßigen Beschichtung sowohl der Zähne als auch der Zahnfüße um eine höhere Stabilität und Standzeit der Auflösewalze zu erhalten, sei aus dem Stand der Technik nicht ersichtlich.

VIII. Die Beschwerdegegnerin war der Meinung, die beanspruchten Gegenstände seien nicht erfinderisch, da aus D1 die Merkmale des Oberbegriffs bekannt seien und der Unterschied zu diesem Stand der Technik nur darin liege, dass der Garniturdraht als freie Spirale von allen Seiten beschichtet sei, sowie dass es sich um eine chemische Beschichtung handele. Die Nachteile aller anderen Beschichtungstechniken seien jedoch hinlänglich bekannt und für Nickel/Diamantbeschichtungen sei es üblich mit chemischen Beschichtungstechniken zu arbeiten. Die Beschichtung von allen Seiten sei angesichts der ungleichen Beanspruchung der verschiedenen Seiten nicht erforderlich, falls gewünscht aber machbar. Daher seien die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Im kennzeichnenden Teil des erteilten unabhängigen Anspruchs 1 wurde in Zusammenhang mit der Beschichtung des Garniturdrahts das Merkmal "als freie Spirale gleichmäßig von allen Seiten" eingefügt. Eine dementsprechende Einfügung wurde auch im kennzeichnenden Teil des unabhängigen Anspruchs 17, der das Verfahren betrifft, durchgeführt.

Diesen Einfügungen liegt die Offenbarung auf Seite 7, Zeilen 10 - 12 der ursprünglichen Anmeldung zugrunde. Damit sind die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt. Es handelt sich zudem um eine Einschränkung des Schutzbereichs, daher sind auch die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ erfüllt. Der aus der Beschreibung übernommene Wortlaut ist in sich klar und führt auch in Verbindung mit den weiteren Merkmalen der Ansprüche nicht zu Unklarheiten. Daher sind auch die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.

Die Kammer weist darauf hin, dass der Ausdruck "Spirale" falsch gewählt wurde, da es sich eindeutig um eine Schraubenform des Garniturdrahtes handelt. Die Verwendung dieses technisch inkorrekten Begriffs führt jedoch für den Fachmann nicht zu Unklarheiten, da sich insbesondere aus Figur 3 ergibt, dass "Spirale" im Sinne des Patents "schraubenförmig" bedeutet. Deshalb waren keine weiteren Änderungen notwendig.

3. Neuheit und erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1

3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents betrifft eine Auflösewalze für eine Offenend-Spinnmaschine. Nächstliegender Stand der Technik ist D1. Diese beschreibt eine Vorreißerwalze an einer Karde, weist aber ausdrücklich daraufhin, dass die gesamte Beschreibung auch auf für andere mit Sägezahndraht bezogene Walzen kleineren Durchmessers anwendbar ist, wie z.B. für die Auflösewalzen einer Offen-End-Spinnmaschine (Seite 8, Zeile 30).

3.2 D1 offenbart im Hinblick auf den Anspruch 1 eine Auflösewalze zum Vereinzeln von Fasern an einer Offenend-Spinnmaschine (Seite 8, Zeile 26 - 30), mit einem zylinderförmigen Garniturträger (Figuren 2/3, Seite 4, Zeile 1 - 3), der auf seiner Mantelfläche eine Garnitur trägt, die aus einem vorgeformten Garniturdraht besteht (Figuren 2/3), wobei der Garniturdraht beschichtet ist und die Beschichtung eine Nickelschicht sein kann, in die Hartstoffkörner eingebracht sind (Seite 1, Zeile 22 - 25 und Seite 7, Zeile 1 - 6), wobei der Garniturdraht so vorgeformt ist, dass er in der Ebene, in der die Zähne des Garniturdrahtes liegen, spiralförmig gebogen ist, bevor er auf den Garniturträger aufgebracht wird (Seite 4, Zeile 14 - 21).

3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung der D1 somit darin, dass

"der Garniturdraht als freie Spirale gleichmäßig von allen Seiten beschichtet ist" und darin, dass

"die Beschichtung eine chemisch aufgebrachte Nickelschicht ist, in die Hartstoffkörner eingebracht sind".

Diese Merkmale können - obgleich als Verfahrensmerkmal formuliert - auch an der Auflösewalze festgestellt werden.

3.4 Ausgehend von der Lehre der D1 soll dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde liegen, eine Auflösewalze bereitzustellen, die einen Garniturdraht enthält, der verschleißfest ist.

3.5 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent vor, einen aus D1 bekannten Garniturdraht zu verwenden, wobei eine allseitige, chemische Nickel/Diamant-Beschichtung zu wählen ist, um die Zähne und den Zahnfuß gleichmäßig zu härten, wodurch wiederum ein Abplatzen der Schicht verhindert werden kann und die Standzeit des Garniturdrahtes somit erhöht wird.

3.6 Um zu der vorliegenden Lösung zu gelangen, musste der Fachmann ausgehend von D1 daher:

a) bei der Materialauswahl für die Beschichtung gezielt die Nickel/Diamant-Beschichtung auswählen.

- In Bezug auf die Wahl des Materials zur Beschichtung werden in D1 Metallcarbide, Metalloxide und Metallnitride als vorteilhaft genannt (Seite 3, Zeile 10 - 19). Eine Nickel/Diamant - Beschichtung wird in D1 zwar als aus dem Stand der Technik bekannte Beschichtung genannt (Seite 1, Zeile 23 - 25 und Seite 7, Zeile 4 - 6), aber nicht als vorteilhaft herausgestellt.

b) erkennen, dass für eine derartige Beschichtung die chemische Beschichtung vorteilhaft ist.

- Dieser Schritt kann in Folge der zuvor ausgewählten Nickel/Diamant-Beschichtung, die am besten chemisch aufgebracht wird, dem allgemeinen Fachwissen zugeordnet werden. D1 verweist in Bezug auf die Wahl des Beschichtungsverfahrens darauf, dass jedes geeignete Verfahren Verwendung finden kann (Seite 3, Zeile 21/22). Jedoch werden als bevorzugte Verfahren Sprüh- oder Plasmaspritz-Verfahren genannt (Seite 3, Zeile 26 - 28).

c) eine allseitige und gleichmäßige Beschichtung für erforderlich halten.

- D1 weist den Fachmann jedoch ausdrücklich daraufhin, dass es vorteilhaft ist, nur ausgewählte Teile des Garniturdrahts zu beschichten, insbesondere die beteiligten Oberflächen (siehe z.B. Seite 2, Zeile 29 - 34, Seite 3, Zeilen 6 - 11). Gemäß D1 ist der Garniturdraht daher während des Beschichtens auf einen Wickelkörper aufgebunden (Seite 4, Zeile 1 - 21) und liegt somit nicht als freie Spirale vor. Ausgehend von D1 würde der Fachmann üblicherweise eine Nickel/Diamant-Beschichtung auf die Teilbereiche beschränken, wo deren Einsatz sinnvoll und notwendig ist, da die Verwendung von Diamant-Hartstoffkörnern relativ teuer ist und des weiteren eine partielle Beschichtung den Vorteil hätte, dass die Spirale leichter auf die Walze aufgezogen werden könnte.

3.7 D1 weist daher in verschiedener Hinsicht in eine andere Richtung. Insbesondere Punkt c) würde daher den Standardüberlegungen des Fachmanns entgegenstehen. Um jedoch eine allseitige, gleichmäßige und damit vollständige Beschichtung zu erhalten, ist es erforderlich, den vorgeformten Garniturdraht in Form einer freien Spirale zu beschichten.

3.8 Die Vorteile in Bezug auf Stabilität und Dauerhaftigkeit und damit der Standzeit des Garniturdrahts, die durch einen derartigen Verfahrensschritt und die dadurch erzielte Beschichtung zu erhalten sind, sind auch aus dem sonstigen vorliegenden Stand der Technik nicht ersichtlich:

D2, D4, D5 und D8 bestätigen die Offenbarung der D1, dass eine partielle Beschichtung des Drahtes ausreichend ist.

D3 offenbart einen Sägezahndraht mit spiralförmigen Windungen, dessen Durchmesser der Walze angepasst ist. Ein Härten oder eine sonstige Oberflächenbehandlung sind nicht vorgesehen.

D6 bestätigt, dass durch Nickel-Diamant-Beschichtungen alle Konturen gleichmäßig und mit der gleichen Schichtdicke versehen werden können. Jedoch wird nicht auf Garniturdrähte des beanspruchten Typs eingegangen.

D7 offenbart einen Hochtemperatur-Chromdiffusions-Prozess, bei dem die gesamte Oberfläche des Garniturträgers in Form eines Drahtes mit helicalen Windungen dem Verfahren unterzogen wird. Damit ist dies die einzige Offenbarung in Bezug auf eine "Beschichtung als freie Spirale". Da jedoch ausgehend von D1 der Chromdiffusionsprozess einer solchen Kombination zugrunde liegen würde, kommt der Fachmann auch hier nicht ohne erfinderische Tätigkeit zum beanspruchten Gegenstand.

Der Fachmann konnte folglich dem vorliegenden Stand der Technik eine Kombination der beanspruchten Merkmale nicht entnehmen. Somit ist die erfindungsgemäße Lösung der Aufgabe nicht nahegelegt (Artikel 56 EPÜ).

4. Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 17

4.1 Die oben für den Gegenstand des Anspruchs 1 gegebenen Erwägungen sind aus den gleichen Gründen für das Verfahren nach Anspruch 17 zutreffend.

5. Zusammenfassend kommt die Kammer aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 des Hauptantrags keine naheliegende Lösung der patentgemäßen Aufgabe darstellt und damit jeweils auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das europäische Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

Ansprüche 1 - 19 vom 14.02.2007

Beschreibung: Spalten 1 - 9 mit Einfügung in Spalte 2 gemäß Beiblatt vom 14.02.2006

Zeichnungen: Fig. 1 - 3, wie erteilt.

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