European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T122004.20091029 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 October 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1220/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01106303.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | C04B 26/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verwendung von in Wasser redispergierbaren Polymerpulvern in Baukleber-Zusammensetzungen | ||||||||
Name des Anmelders: | Wacker Chemie AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Celanese Emulsions GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (Hauptantrag): nein Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag): nein - technische Aufgabe nicht über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst - Neuformulierung der Aufgabe notwendig - alternative Lösung naheliegend |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent No. EP 1 148 038 B zu widerrufen.
II. Der Entscheidung lagen die mit Schreiben vom 1. August 2003 eingereichten Ansprüche 1 bis 8 zugrunde. Die Einspruchsabteilung stützte sich insbesondere auf die beiden Dokumente D1 und D2:
D1: DE 196 54 152 A1;
D2: DE 197 11 712 A1;
D3: DE 197 33 166 A1;
D4: WO 95/20627;
D5: EP 0 761 697 A2.
III. Die Einspruchsabteilung befand, dass die im Anspruch 1 angegebene Verwendung von in Wasser redispergierbaren Polymerpulver gegenüber der technischen Lehre von D2 nicht neu sei, und dass sie im Hinblick auf D1 zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
IV. Gegen die Entscheidung legte der Beschwerdeführer (Patentinhaber) mit Schreiben vom 7. Oktober 2004 Beschwerde ein.
V. Am 29. Oktober 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Der Beschwerdeführer legte als Hauptantrag einen Satz von geänderten Ansprüchen 1 bis 8 vor. Hilfsweise stützte er sich auf die Ansprüche 1 bis 4 des mit Schreiben vom 11. Mai 2005 eingereichten Hilfsantrags.
VI. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"1. Verwendung von in Wasser redispergierbaren Polymerpulvern auf Basis von mit Schutzkolloiden stabilisierten Vinylesterpolymerisaten in Baukleber-Zusammensetzungen, dadurch gekennzeichnet, dass die Vinylester-Polymerisate 0.2 bis 1.5 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht der Vinylester-Polymerisate, Hilfsmonomereinheiten enthalten, welche sich von Monomeren mit einer höheren Wasserlöslichkeit als Vinylacetat ableiten, aus der Gruppe umfassend ethylenisch ungesättigte Mono- und Dicarbonsäuren sowie deren Anhydride, ethylenisch ungesättigte Carbonsäureamide und -nitrile, ethylenisch ungesättigte Sulfonsäuren und deren Salze, und als Schutzkolloide ein oder mehrere teilverseifte oder vollverseifte Polyvinylalkohole enthalten sind."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 des Hauptantrags sind auf besondere Ausführungsarten der Verwendung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags ausgerichtet.
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet wie folgt:
"1. Verwendung von in Wasser redispergierbaren Polymerpulvern auf Basis von mit Schutzkolloiden stabilisierten Vinylesterpolymerisaten in zementhaltigen Baukleber-Zusammensetzungen,
wobei als Vinylester-Polymerisate Vinylester-Ethylen-Copolymere, welche gegebenenfalls noch Fumarsäure- oder Maleinsäurediester enthalten, oder Vinylester-Ethylen-Vinylchlorid-Copolymere, oder Vinylacetat-Copolymere mit einem oder mehreren copolymerisierbaren Vinylestern, welche gegebenenfalls noch Ethylen enthalten, oder Vinylester-Acrylsäureester-Copolymerisate, welche gegebenenfalls noch Ethylen enthalten, verwendet werden, und
die Vinylester-Polymerisate 0.2 bis 1.5 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht der Vinylester-Polymerisate, Hilfsmonomereinheiten enthalten, welche sich von Monomeren mit einer höheren Wasserlöslichkeit als Vinylacetat ableiten,
dadurch gekennzeichnet, dass
als Schutzkolloide ausschließlich ein oder mehrere teilverseifte oder vollverseifte Polyvinylalkohole enthalten sind, und
und neben den Comonomeren der Basispolymerisate ausschließlich Hilfsmonomer enthalten sind aus der Gruppe umfassend ethylenisch ungesättigte Mono- und Dicarbonsäuren sowie deren Anhydride, ethylenisch ungesättigte Carbonsäureamide und -nitrile, ethylenisch ungesättigte Sulfonsäuren und deren Salze."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 des Hilfsantrags sind auf besondere Ausführungsarten der Verwendung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags ausgerichtet.
VII. Zur Begründung der Beschwerde führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, die beanspruchte Verwendung sei gegenüber dem Stand der Technik neu.
Das Dokument D2 beschreibe ein Verfahren zur Herstellung von in Wasser redispergierbaren Dispersionspulvern mittels Trocknung der entsprechenden Polymerdispersionen, wobei nach dem Trocknungsvorgang wasserlösliche Polymerpulver als Antiblockmittel, beispielsweise Polyvinylalkohol, zugegeben würden. In D2 werde weder die Mengenangabe für die Hilfsmonomereinheiten, noch die Verwendung als Baukleber beschrieben.
Dem Patent liege im wesentlichen die Aufgabe zugrunde, "redispergierbare Pulver zur Verfügung zu stellen, welche bessere und gleichmäßigere Haftzugfestigkeit nach allen Lagerungen, das heißt allen Witterungsbedingungen (Trocken, Nass, Frost-Tau) zeigen". Diese Aufgabe werde dadurch gelöst, dass eine Menge von 0,2 bis 1,5 Gew.-% der beanspruchten hydrophilen Hilfsmonomereinheiten im mit Polyvinylalkohol stabilisierten Basispolymerisat enthalten sei. Demgegenüber befasse sich D1 mit einer grundsätzlich anderen Aufgabe, nämlich Dispersionspulver auf Vinylesterbasis zugänglich zu machen, welche einen möglichst geringen Trocknungsaufwand erfordern und auch ohne Antiblockmittel blockstabil sind. Darüber hinaus sollten die Basisdispersionen der Pulver vernachlässigbaren Nassrückstand und Stippenanzahl aufweisen. D2 schlage ein Verfahren zur Herstellung von wässrigen Dispersionen auf Vinylesterbasis vor, wobei die Polymerisation in Gegenwart von Röstdextrinen und in Gegenwart von 0,1 bis 8,0 Gew.-% Acrylsäure oder Crotonsäure durchgeführt werde. Die technische Lehre von D1 habe den Fachmann nicht veranlassen können, zur Verbesserung der Nasshaftung von Bauklebern anstelle von Röstdextrinen Polyvinylalkohole als Schutzkolloide einzusetzen und zur Verbesserung der Wasserfestigkeit hydrophile Comonomere in definierten geringen Mengen in das Polymer einzubauen. Die beanspruchte Verwendung beruhe deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VIII. Der Beschwerdegegner (Einsprechende) widersprach den Argumenten des Beschwerdeführers. Mit Schreiben vom 10. September 2009 reichte er eine zusätzliche Entgegenhaltung D10 ein:
D10: EP 0099463 A1.
Der Beschwerdegegner argumentierte, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber jeder einzelnen Entgegenhaltung D1, D2 und D10 nicht neu sei. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag sei im Hinblick auf D10 nicht neu.
IX. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 8 des Hauptantrags, eingereicht während der mündlichen Verhandlung. Hilfsweise beantragte der Beschwerdeführer die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 4, wie mit Schreiben vom 11. Mai 2005 als Hilfsantrag eingereicht, jedoch ohne den Anspruch 5.
Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Änderungen - Artikel 123(2) und (3) EPÜ
1.1 Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag entspricht den zusammengelegten Ansprüchen 1, 2 und 4 der ursprünglich eingereichten Anmeldung. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 gemäß Hauptantrag entsprechen den Ansprüchen 3, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 der ursprünglich eingereichten Anmeldung.
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag entspricht den zusammengelegten Ansprüchen 1, 2, 3 und 4 der ursprünglich eingereichten Anmeldung, wobei zusätzlich spezifiziert wurde, dass die Baukleber-Zusammensetzungen zementhaltig sein müssen, und dass ausschließlich Hilfsmonomere aus der im Anspruch 1 angegebenen Gruppe enthalten sind. Baukleber, die neben dem Polymerpulver als weiteren Rezepturbestandteil Zement enthalten, werden auf Seite 11, Zeilen 27 - 30 der ursprünglich eingereichten Anmeldung beschrieben. Im Weiteren ist aus den Tabellen 1 und 2 auf den Seiten 17 und 18 der ursprünglich eingereichten Anmeldung eine Vielzahl von Beispielen von Vinylesterpolymerisaten zu entnehmen, die ausschließlich Hilfsmonomere aus den im Anspruch 1 angegebenen Gruppen enthalten.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 gemäß Hilfsantrag entsprechen den Ansprüchen 5, 6 und 9 der ursprünglich eingereichten Anmeldung.
1.2 Demnach erfüllen die geänderten Ansprüche sowohl des Hauptantrags, als auch des Hilfsantrags die Erfordernisse von Artikel 123(2) und (3) EPÜ.
2. Verspätet eingereichtes Dokument D10
2.1 Der Beschwerdegegner reichte das Dokument D10 mit Eingabe vom 10. September 2009 ein, also mehr als sechs Jahre nach dem Ablauf der Einspruchsfrist. Somit handelt es sich um ein verspätetes Vorbringen, das nach Artikel 114(2) EPÜ nicht berücksichtigt werden brauchte.
2.2 Die Kammer hat im vorliegenden Fall in Ausübung ihres Ermessens entschieden, das Dokument D10 deshalb zuzulassen, weil das neue Material prima facie hoch relevant ist, so dass erwartet werden konnte, dass es das Verfahrensergebnis ändern und die Aufrechterhaltung des Patents nicht zulassen würde. Bei der Zulassung von D10 wurde auch berücksichtigt, dass es sich bei diesem Dokument um eine europäische Patentanmeldung handelt, die vom Beschwerdeführer selbst stammt, und dass der Beschwerdeführer mehrere Wochen Zeit hatte, um seine Stellungnahme zu D10 vorzubereiten. Die in D10 enthaltenen technischen Tatsachen erforderten ferner keine weitere zusätzliche Sachaufklärung. Das Beschwerdeverfahren wurde demnach durch die Berücksichtigung des verspätet vorgebrachten Beweismittels nicht verzögert oder unzumutbar erschwert.
2.3 Das Dokument D10 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung von in Wasser redispergierbaren Polymerpulvern auf Basis von Vinylesterpolymerisaten, welche durch Schutzkolloide, insbesondere Polyvinylalkohol, stabilisiert werden (vgl. D10, Seite 1, erster Abschnitt; Anspruch 1). Die erhaltenen Dispersionen werden bevorzugt zur Herstellung redispergierender Pulver für den Einsatz im Bausektor als Kleber oder Zusatzmittel zu hydraulisch abbindenden Massen, beispielsweise als Zusatz oder als Bindemittel in Betonmischungen, also zementhaltigen Zusammensetzungen, verwendet (vgl. Seite 7, Zeile 25 bis Seite 8, Zeile 2; Seite 12, Zeilen 4 - 8). Das Beispiel 9 betrifft ein Polymerisat aus den Monomeren Vinylchlorid, Vinylacetat und Ethylen, das mit einem teilverseiften Polyvinylalkohol als Schutzkolloid stabilisiert ist (vgl. Seite 20, Tabelle, Beispiel 9, Komponenten (13), (14), (15) in Verbindung mit Seite 16, Tabelle; Seite 19, Tabelle, Beispiel 9, Komponente (4) in Verbindung mit Seite 15, Tabelle). Zusätzlich sind im Polymerisat je 0,75 % Acrylamid und Acrylsäure als Comonomere enthalten, insgesamt also 1,50 % von Hilfsmonomereinheiten aus der Gruppe der ethylenisch ungesättigten Carbonsäuren und der ethylenisch ungesättigten Carbonsäureamide (vgl. Seite 20, Tabelle, Beispiel 9, Komponenten (17) in Verbindung mit Seite 16, Tabelle). Die prozentualen Mengenangaben sind dabei als Gewichtsprozente zu verstehen, bezogen auf den Festgehalt der Dispersion (vgl. Seite 16, Tabelle, Kopfzeile "Polymer jeweils % (b)" in Verbindung mit Seite 12, Zeilen 9 - 13 und 17, "(b)"; Seite 11, letzte Zeile).
2.4 Unter dem "Festgehalt der Dispersion" ist im Beispiel 9 von D10 die Summe der Anteile des Copolymerisats und des Polyvinylalkohols zu verstehen. Letzterer beträgt 6,1 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht der bei den Reaktionsbedingungen flüssigen Monomeren (vgl. Seite 19, Tabelle, Beispiel 9, Komponente (4) in Verbindung mit Seite 15, Tabelle, erste Spalte, Komponente (4), sowie Seite 12, Zeilen 9 - 13 und 14 - 15). Wie der Beschwerdeführer an der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, ergibt sich unter der Annahme, dass im Beispiel 9 die Menge des Copolymerisats 100 Teile beträgt, ein Festgehalt der Dispersion von 106,1 Teilen. 1,5 % dieser Menge, oder 1,59 Gew.-%, entsprechen nach Auffassung des Beschwerdeführers der Menge der Hilfsmonomereinheiten Acrylamid und Acrylsäure. Demnach läge beim Beispiel 9 die Menge der Hilfsmonomereinheiten außerhalb des Bereichs von 0,2 bis 1,5 Gew.-%, die im Anspruch 1 des Patents angegeben ist.
2.5 Der Beschwerdegegner machte an der mündlichen Verhandlung geltend, eigene Berechnungen hätten einen Wert von 1,57 Gew.-% für die Menge der Hilfsmonomereinheiten im Beispiel 9 von D10 ergeben. Dieser Wert sei wegen der unvermeidlichen Messungenauigkeiten von der im Anspruch 1 des Patents genannten Obergrenze von 1,5 Gew.-% abgedeckt.
2.6 Die Kammer kann sich dem Argument des Beschwerdeführers nicht anschließen, wonach das Beispiel 9 lediglich eines von insgesamt 18 Beispielen in D10 darstelle und somit nicht ersichtlich sei, dass gerade das Polymer aus diesem Beispiel in Baukleber-Zusammensetzungen verwendet werden könne. Der Hinweis in D10 auf die Verwendung der redispergierbaren Pulver im Bausektor als Kleber oder Zusatzmittel zu hydraulisch abbindenden Massen (vgl. Seite 7, Zeile 27 bis Seite 8, Zeile 5) ist allgemein formuliert und bezieht sich grundsätzlich auf alle in D10 beschriebenen Polymerisate, insbesondere auf alle Beispiele. In D10 deutet nichts darauf hin, dass das Copolymerisat des Beispiels 9 als Komponente von Bauklebern ungeeignet sein könnte.
Obwohl der Hinweis des Beschwerdegegners auf allfällige Messungenauigkeiten nicht von der Hand zu weisen ist, geht die Kammer zu Gunsten des Beschwerdeführers davon aus, dass die Menge der Hilfsmonomereinheiten im Beispiel 9 von D10 höher ist als die im Anspruch 1 des Patents genannte Obergrenze von 1,5 Gew.-%.
3. Neuheit - Artikel 52(1) und 54 EPÜ
Anspruch 1 des Hauptantrags
3.1 Das Dokument D2 befasst sich mit der Herstellung von blockstabilen, in Wasser redispergierbaren Polymerpulvern, sowie der Verwendung von wasserlöslichen, pulverförmigen Schutzkolloiden als Antiblockmittel bei der Herstellung dieser Polymerpulver (D2, Seite 2, Zeilen 3 - 5; Anspruch 1). Gemäß D2 gehören Vinylesterpolymerisate zu den geeigneten Polymeren (Seite 3, Zeilen 19 - 20). Diese können 0,05 bis 10,0 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Monomerengemischs, Hilfsmonomere enthalten, beispielsweise aus der Gruppe der ethylenisch ungesättigten Carbonsäureamide (Seite 3, Zeilen 30 - 33). Im Ausführungsbeispiel wird die Copolymerisation eines Gemischs von 99,2 Gewichtsteilen Vinylacetat und 0,8 Gewichtsteilen N-Methylolacrylamid in Gegenwart von Polyvinylalkohol als Schutzkolloid beschrieben. Nach der Sprühtrocknung des Copolymerisats wird durch Trocknung ein redispergierbares Pulver erhalten (Seite 4, Zeilen 5 - 11, "Pulver 1"). Im weiteren geht aus D2 hervor, dass die redispergierbaren Pulver sich für den Einsatz in Klebemitteln und als Additive für hydraulisch abbindende Massen, beispielsweise Zement oder Gips, eignen (Seite 3, Zeilen 64 - 66).
3.2 In D2 wird somit die Verwendung von redispergierbaren Polymerpulvern auf der Basis von mit dem Schutzkolloid Polyvinylalkohol stabilisierten Polymerisaten von Vinylacetat offenbart. Das Vinylacetat-Polymerisat enthält 0,8 Gew.-% Hilfsmonomereinheiten aus der Gruppe der Mono-Carbonsäureamide, nämlich N-Methylolacrylamid. Wie dem Fachmann allgemein bekannt ist, weist N-Methylolacrylamid eine sehr viel höhere Wasserlöslichkeit auf (etwa 1880 g/l bei 20 ºC, vgl. z.B. MERCK Sicherheitsdatenblatt Artikel 820675) als Vinylacetat (etwa 20 g/l bei Normalbedingungen, vgl. Seite 2, Zeilen 42 - 43 des Patents).
3.3 Der Beschwerdeführer argumentierte, das gemäß D2 copolymerisierte N-Methylolacrylamid könne nicht unter dem Hilfsmonomerenbegriff "Carbonsäureamid" subsummiert werden, denn es erscheine im Text von D2 nicht unter dem Oberbegriff "Carbonsäureamid", sondern unter dem Begriff "vernetzbare Comonomere".
3.4 Die Kammer hält dieses Argument nicht für überzeugend. Wie aus dem systematischen Namen und der Strukturformel von N-Methylolacrylamid zu ersehen ist, handelt es sich bei dieser Verbindung um ein Amid, das von der Acrylsäure, also einer ethylenisch ungesättigten Carbonsäure, abgeleitet ist. Für den Fachmann bestehen deshalb keinerlei Zweifel, dass N-Methylolacrylamid unter die im Anspruch 1 angegebene Gruppe von Hilfsmonomeren fällt. An diesem Sachverhalt ändert der Umstand nichts, dass N-Methylolacrylamid in D2 als Beispiel für "geeignete, durch Säure vernetzbare Comonomere" (vgl. Seite 3, Zeilen 40 - 41) und im vorliegenden Patent als Beispiel für "nachvernetzende Comonomere" (vgl. Seite 3, Zeilen 6 - 10) genannt wird. Nach Auffassung der Kammer ist es unerheblich, dass
N-Methylolacrylamid als vernetzbares Comonomer verwendet werden kann; maßgebend ist allein die Struktur dieser Verbindung, die effektiv einem ethylenisch ungesättigten Carbonsäureamid entspricht.
3.5 Aus den oben angegebenen Gründen ergibt sich, dass die Verwendung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags im Hinblick auf das Dokument D2 nicht neu ist.
Anspruch 1 des Hilfsantrags
3.6 Das Dokument D2 beschreibt unter anderem ein redispergierbares Polymerpulver auf der Basis eines Copolymers aus 90 Gew.-Teilen Vinylacetat, 10 Gew.-Teilen Ethylen und 0,5 Gew.-Teilen Acrylamidopropansulfonsäure. Als Schutzkolloid dient Polymethacrylsäure (vgl. Seite 4, Zeilen 16 - 24, "Pulver 2"). Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem genannten Polymerpulver aus D2 mindestens dadurch, dass als Schutzkolloide ausschließlich teilverseifte oder vollverseifte Polyvinylalkohole eingesetzt werden und nicht, wie beim "Pulver 2" von D2, Polymethacrylsäure.
3.7 Gegenüber D10 unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 mindestens durch die Menge der Hilfsmonomereinheiten (vgl. oben, Ziffern 2.5 und 2.6).
3.8 Auch die übrigen im Verfahren zitierten Dokumente nehmen die Neuheit der Verwendung gemäß Anspruch 1 nicht vorweg. Die beanspruchte Verwendung ist somit neu, so dass die Bedingungen des Artikels 54(1), (2) erfüllt sind.
4. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
Anspruch 1 des Hilfsantrags
4.1 Die Erfindung betrifft die Verwendung von in Wasser redispergierbaren Polymerpulvern auf Basis von mit Schutzkolloiden stabilisierten Vinylesterpolymerisaten in zementhaltigen Baukleber-Zusammensetzungen.
4.2 An der mündlichen Verhandlung stimmten beide Verfahrensbeteiligten darin überein, dass der nächstliegende Stand der Technik durch das Dokument D2 repräsentiert werde, insbesondere durch das "Pulver 2" (vgl. Seite 4, Zeilen 16 - 24). Die Kammer hat ihrerseits keinen Einwand gegen diese Wahl.
4.3 Wie der Beschwerdeführer darlegte, bestand die technische Aufgabe im Hinblick auf D2 darin, redispergierbare Polymerpulver zur Verfügung zu stellen, welche bei der Verwendung in Baukleber-Zusammensetzungen bessere und gleichmäßigere Haftzugfestigkeit nach allen Lagerungen, das heißt allen Witterungsbedingungen (Trocken, Nass, Frost-Tau) zeigen.
4.4 Zur Lösung dieser technischen Aufgabe schlägt das Patent vor, Schutzkolloide gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags zu verwenden, dadurch gekennzeichnet, dass diese Schutzkolloide teilverseifte oder vollverseifte Polyvinylalkohole sind.
4.5 Es stellt sich die Frage, ob die angegebene Aufgabe durch die vorgeschlagene Maßnahme über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst wird.
4.6 Das Patent enthält umfangreiche Angaben zur anwendungstechnischen Prüfung von verschiedenen Baukleber-Zusammensetzungen. Zur Prüfung der Haftzugfestigkeit wurden Fliesenkleber aus 586 Teilen Quarzsand, 350 Teilen Portlandzement, 4 Teilen Cellulose und 60 Teilen Polymerpulver (entsprechend 6 Gew.-% der gesamten Trockenmasse), sowie 240 Teilen Wasser hergestellt (vgl. Seite 6, Zeilen 49 - 56). Die Haftzugfestigkeit dieser Fliesenkleber wurde gemäß DIN 18156 nach Lagerung der Fliesen gemessen, wobei vier verschiedene Lagerbedingungen eingehalten wurden:
(1) 28 Tage Trockenlagerung bei Normklima, (2) 7 Tage Trockenlagerung bei Normklima und 21 Tage Nasslagerung in Wasser bei 20 ºC, (3) 14 Tage bei Normklima, 14 Tage bei 70 ºC im Trockenschrank, 1 Tag bei Normklima, (4) 25 Frost-Tau-Zyklen mit Frostlagerung bei -15 ºC und Wasserlagerung bei 12 ºC (vgl. Seite 7, Zeilen 4 - 14, 43 - 47).
4.7 Aus den Messergebnissen ergibt sich, dass die Haftzugfestigkeit von der Art und der Menge der jeweils verwendeten Hilfsmonomereinheiten abhängt (vgl. Seiten 8 bis 9, Tabelle 2). Fliesenkleber, die Copolymerisate enthalten, welche entweder eine höhere Menge von Hilfsmonomereinheiten als 1,5 Gew.-%, oder überhaupt keine Hilfsmonomereinheiten enthalten, weisen bei allen Lagerungsbedingungen deutlich schlechtere Haftzugfestigkeiten auf als Fliesenkleber, die dem Anspruch 1 entsprechen. Dies gilt für alle untersuchten Arten von Hilfsmonomeren, nämlich Acrylamid, Acrylsäure, 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure, Vinylsulfonsäure, Maleinsäureanhydrid, Acrylamidoglykolsäure und Itaconsäure (vgl. Streitpatent, Seite 8, Tabelle 2, Beispiele 1 und 2 im Vergleich zu den Vergleichsbeispielen A und 3; Beispiele 4 und 5 im Vergleich zu den Vergleichsbeispielen A, 6 und 7; Beispiele 8 und 9 im Vergleich zu den Vergleichsbeispielen A, 10 und 11; Seite 9, Tabelle 2, Beispiele 12 und 13 im Vergleich zu den Vergleichsbeispielen A und 14; Beispiel 17 im Vergleich zu den Vergleichsbeispielen A und 18; Beispiele 19 und 20 im Vergleich zu den Vergleichsbeispielen A, 20 und 21).
Hingegen kann aus den Messdaten nicht erschlossen werden, dass die Haftzugfähigkeit von der Art des Schutzkolloids abhängt, da sich sämtliche Versuche auf dasselbe Schutzkolloid beziehen, nämlich ein Polyvinylalkohol mit einem Verseifungsgrad von 88 Mol-% und einer Viskosität von 4 mPa (vgl. Streitpatent, Seite 5, Zeilen 49 - 53). Bezüglich des Schutzkolloids ist der Anspruch 1 viel breiter gefasst, indem er sich allgemein auf "ein oder mehrere teilverseifte oder vollverseifte Polyvinylalkohole" bezieht.
4.8 Wenn Vergleichsversuche durchgeführt werden, um eine erfinderische Tätigkeit mit einer verbesserten Wirkung im gesamten beanspruchten Bereich nachzuweisen, muss der Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik so angelegt sein, dass die Wirkung überzeugend auf das Unterscheidungsmerkmal der Erfindung zurückgeführt wird. Hierfür ist es erforderlich, die Versuchsbedingungen so auszugestalten, dass sie bezüglich des Unterscheidungsmerkmals aussagekräftig sind (vgl. z.B.
T 0197/86, Leitsatz und Ziffer 6.1.3).
Nach Auffassung der Kammer genügen die vom Beschwerdeführer durchgeführten Versuche diesem Erfordernis nicht.
4.9 Aus diesen Gründen hält es die Kammer nicht für erwiesen, dass die vorgeschlagene Lösung die gestellte technische Aufgabe tatsächlich über den gesamten beanspruchten Bereich löst.
4.10 Unabhängig von den Versuchsergebnissen deutet nichts in der Beschreibung darauf hin, dass der Auswahl des Schutzkolloids eine besondere technische Bedeutung zukommen könnte. So werden teilverseifte oder vollverseifte Polyvinylalkohole in der Beschreibung lediglich als "geeignet" bezeichnet (vgl. Seite 4, Zeile 11), was impliziert, dass auch andere Schutzkolloide in Betracht kommen.
4.11 Unter den gegebenen Umständen ist es geboten, die technische Aufgabe neu zu formulieren, und zwar in dem Sinn, dass die Aufgabe darin bestand, eine Alternative zu den bekannten redispergierbaren Polymerpulvern zur Verfügung zu stellen. Diese Aufgabe wird nach Auffassung der Kammer durch die Verwendung der Schutzkolloide gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags überzeugend gelöst.
4.12 Es bleibt zu untersuchen, ob sich der Gegenstand gemäß Anspruch 1 in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, oder nicht. In diesem Zusammenhang ist maßgebend, ob der Fachmann eine Veranlassung hatte, das beim "Pulver 2" von D2 eingesetzte Schutzkolloid Polymethacrylsäure durch ein oder mehrere teilverseifte oder vollverseifte Polyvinylalkohole zu ersetzen.
4.13 Eine Anregung, derartige Polyvinylalkohole zu verwenden, ergibt sich aus dem Dokument D2 selbst. Dort wird beschrieben, dass bei der Herstellung der wässrigen Dispersionen als Dispergiermittel alle üblicherweise bei der Emulsionspolymerisation verwendeten Emulgatoren und/oder Schutzkolloide wie Polyvinylalkohol eingesetzt werden können (vgl. Seite 3, Zeilen 58 - 60). Eine weitere Anregung liefert das Beispiel "Pulver 1", bei dem im Unterschied zum "Pulver 2" Polyvinylalkohol als Schutzkolloid Verwendung findet.
4.14 In der mündlichen Verhandlung argumentierte der Beschwerdeführer, dass in den Beispielen "Pulver 1" bzw. "Pulver 2" von D2 die Komponenten Polyvinylalkohol bzw. Polymethacrylsäure nicht als Schutzkolloide, sondern als Antiblockmittel enthalten seien. Der Fachmann habe deshalb aus D2 nicht entnehmen können, wie die Wahl des Schutzkolloids zu treffen sei.
4.15 Die Kammer hält diesen Einwand nicht für überzeugend. Im Beispiel "Pulver 1" heißt es ausdrücklich, dass die Emulsionspolymerisation "in Gegenwart von Polyvinylalkohol als Schutzkolloid" durchgeführt werde (vgl. D2, Seite 4, Zeile 7). Auch wenn diese Angabe im Beispiel "Pulver 2" (vgl. D2, Seite 4, Zeilen 16 - 18) fehlt, ergibt sich unmittelbar aus dem technischen Zusammenhang, dass die im Reaktionsgemisch vorhandene Polymethacrylsäure tatsächlich die Funktion eines Schutzkolloids ausübt.
4.16 Aus allen diesen Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass es für den Fachmann im Hinblick auf die technische Lehre von D2 nahe lag, als Schutzkolloide teilverseifte oder vollverseifte Polyvinylalkohole einzusetzen. Die Verwendung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags beruht deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinn von Artikel 56 EPÜ.
Abhängige Ansprüche
5. Da die jeweiligen Ansprüche 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags nicht gewährbar sind, erübrigt es sich, auf die abhängigen Ansprüche näher einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.