European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T108204.20051026 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 October 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1082/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95109071.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61M 5/28 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorfüllbare partikelarme, sterile Einmalspritze für die Injektion von Präparaten und Verfahren zu ihrer Herstellung | ||||||||
Name des Anmelders: | Schott AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Daikyo Seiko, Ltd | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausführbarkeit (ja) Erfinderische Tätigkeit (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 2. September 2004, unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr, gegen die am 5. Juli 2004 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 0 709 105 in geändertem Umfang Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 8. November 2004 eingegangen.
Mit dem Einspruch war das gesamte Patent auf der Grundlage des Artikels 100 a) EPÜ (Mangel an erfinderischer Tätigkeit), des Artikels 100 b) EPÜ (unvollständige Offenbarung) und des Artikels 100 c) EPÜ (unzulässige Erweiterung) angegriffen worden.
Die Einspruchsabteilung vertrat die Auffassung, dass die vorgebrachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents im geänderten Umfang nicht entgegenstünden.
II. Von den im Beschwerdeverfahren herangezogenen Entgegenhaltungen war folgende Druckschrift für die vorliegende Entscheidung noch relevant:
D1 = EP - A - 0 556 034.
Außerdem wurde von der Beschwerdeführerin während des Beschwerdeverfahrens folgende Druckschrift vorgelegt:
D17= JP - A - 276 253 (mit englischer Übersetzung).
III. Am 26. Oktober 2005 wurde mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
IV. Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung hat folgenden Wortlaut:
"Vorfüllbare partikelarme, sterile Einmalspritze für die Injektion von Präparaten mit einem Füllvolumen kleiner als 5 ml, mit einem Spritzenkörper, der einen innen mit einer Gleitschicht versehenen Spritzenzylinder (1) mit einem offenen Ende zur Aufnahme eines Spritzenkolbens (4), der mittels einer Kolbenstange (3) im Spritzenzylinder bewegbar ist, eine Griffleiste (2) und der einen am Spritzenzylinder (1) angeformten, spitz zulaufenden Spritzenkopf (5) mit einer darin unmittelbar integrierten und unlösbar befestigten Injektionsnadel (6), die durch eine Schutzkappe (7) abgedeckt ist, derart, daß die Injektionsnadel (6) in die Schutzkappe (7) einsticht und damit verschlossen ist, während gleichzeitig die Innenseite der Kappe dichtend am Spritzenkopf (5) anliegt, wodurch auch die äußere Fläche der Injektionsnadel abgedichtet ist, aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß der Spritzenkörper aus einem Kunststoff besteht, der gammasterilisierbar und/oder ethylenoxidsterilisierbar ist, ohne daß sich chemische und physikalische Eigenschaften, insbesondere Sprödigkeit und Farbe funktionsbeeinträchtigend ändern, und bei dem die Wandungen des Spritzenzylinders (1) und des Spritzenkopfes (5) durch die Verwendung eines zyklischen Olefin-Copolymers (COC) in vorgegebener Wandstärke in bezug af die Wasserdampfdichtigkeit so ausgebildet sind, daß sie eine Durchlässigkeit von kleiner als 0,08 g/(m2 x d) bezogen auf eine Wandstärke von 500 µm aufweisen, wobei die Wandung zumindest im Bereich des Spritzenzylinders (1) glasig transparent ausgebildet ist, und daß die Schutzkappe gammasterilisierbar und/oder ethylenoxidsterilisierbar ist, ohne daß sich chemische und physikalische Eigenschaften funktionsbeeinträchtigend ändern."
V. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin folgendes vorgetragen:
Die Erfindung sei nicht ausführbar. Der Fachmann sei mit den in der Patentschrift enthaltenen Angaben nicht in der Lage ein COC auszuwählen, das die in dem Anspruch enthaltenen Parameter aufweise. Die Bezeichnung COC decke eine sehr breite Klasse von Polymeren. Außerdem seien die Bedingungen, unter denen die Wasserdampfdichtigkeit des auszuwählenden COC zu messen seien, nicht in der Patentschrift angegeben.
Die Druckschrift D17 sollte zugelassen werden, da sie als direkte Reaktion auf die Entscheidung der ersten Instanz in das Verfahren eingeführt worden und äußerst relevant sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auf keiner erfinderischen Tätigkeit. Von der in der Beschreibung der Patentschrift als bekannt angegebenen SGF Glasspritze ausgehend sei es die Aufgabe der Erfindung, die Spritze mit einer geeigneten Auswahl des Materials derart zu verbessern, dass die Sprödigkeit vermieden wurde, die Spritze gammasterilisierbar und/oder ethylenoxidsterilisierbar bleibe und noch eine ausreichende Wasserdampfdichtigkeit aufweise.
Die Leistung der Erfindung bestehe im Grunde darin, ein neues Material für die herkömmliche Spritze aus Glas bereitzustellen, das die nachteiligen Eigenschaften des Glases nicht aufweise. Die durch die Erfindung bereitgestellte Lösung sei aber durch die in den gattungsgemäßen D1 und D17 enthaltenen Angaben nahegelegt. Daraus sei nämlich zu entnehmen, dass COC auf dem Gebiet der medizinischen Behälter bekannt und aufgrund seiner günstigen bekannten Eigenschaften häufig verwendet sei. Im Einklang mit den Entscheidungen der Beschwerdekammern T 21/81 and T 130/89 beruhe daher der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. D1 führe nicht von der Erfindung weg. Im Gegenteil sei D1 klar auf die Verwendung von COC als bevorzugtes Material für die Spritze gerichtet (siehe Seite 3, Zeilen 38 - 43, Seite 9, Zeilen 26 - 30). Die von der Erfindung vorgeschlagene Sterilisierungsmethode sei auch aus D1 bekannt (siehe Seite 2, Zeile 22).
VI. Die Beschwerdegegnerin hat die Behauptungen der Beschwerdeführerin bestritten und im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die Erfindung sei ausführbar. Die Wasserdampfdichtigkeit des COC solle selbstverständlich unter den normalen Verwendungsbedingungen der Spritze bestimmt werden.
D17 sei nicht zuzulassen, da sie verspätet eingereicht und irrelevant für die Entscheidung sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. D1 führe von der Erfindung weg. Die Tabelle 2 zeige, dass COC weniger geeignet sei, um die von der Erfindung erstrebte Wasserdampfdurchlässigkeitsgrenze zu gewährleisten. Die Erfindung sei eine Auswahlerfindung. Aus D1 noch aus D17 sei weder ein COC bekannt, das gamma- bzw. ethylenoxidsterilisierbar sei, noch eine Spritze, deren Wände aus einer oder mehreren COC-Schichten bestehe.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Ausführbarkeit
Die Erfindung ist ausführbar. Das Patentschrift gibt insbesondere dem Fachmann ausreichende Anweisungen, um ein geeignetes COC auszuwählen.
Das geeignete COC soll nämlich eine Wasserdampfdurchlässigkeit aufweisen, die kleiner als 0,08 g/(m2 x d) bezogen auf die Wandstärke von 500 µm ist. Die Patentschrift enthält zwar keine spezifische Informationen, unter welchen Bedingungen die Wasserdampfdurchlässigkeit zu bestimmen ist, jedoch ist diese selbstverständlich unter den normalen Verwendungsbedingungen (insbesondere Temperaturbedingungen) der Spritze zu messen. Die Kammer ist auch zur Überzeugung gekommen, dass die Auswahl des geeigneten COC mit routinemäßigen Laborversuchen getroffen werden kann.
3. Zulässigkeit von D17
D17 ist äußerst relevant und wird ins Verfahren eingeführt. D17 beschreibt nämlich einen medizinischen Behälter, der eine der zwei verschiedenen Funktionen, die im Streitpatent (vgl. Absatz 0002) erwähnt sind, erfüllt. Außerdem ist eine Übersetzung der relevanten Passagen von D17 (die Zusammenfassung und Absatz 0015 der Beschreibung) gleichzeitig mit der Beschwerdebegründung am 8. November 2004 als direkte Reaktion auf die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang eingereicht worden. Gleich danach (am 9. November 2004) wurde eine vollständige Übersetzung und am 4. Oktober 2005 eine beglaubigte vollständige Übersetzung eingereicht. Die beiden vollständigen Übersetzungen sind inhaltlich gleich, während die frühere partielle Übersetzung sich von den vollständigen nur durch unbedeutende formelle Ausdrucksweisen unterscheidet.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Es ist unstreitig, dass der nächstliegende Stand der Technik durch die im angefochtenen Patent gewürdigte Glas-SCF-Spritze der Firma Becton Dickinson gebildet wird und dass diese Spritze sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aufweist (siehe Absätze 0003 und 0004 der Patentschrift), d. h., dass bekannt ist:
Eine vorfüllbare partikelarme, sterile Einmalspritze für die Injektion von Präparaten mit einem Füllvolumen kleiner als 5 ml, mit einem Spritzenkörper, der einen innen mit einer Gleitschicht versehenen Spritzenzylinder mit einem offenen Ende zur Aufnahme eines Spritzenkolbens, der mittels einer Kolbenstange im Spritzenzylinder bewegbar ist, eine Griffleiste und der einen am Spritzenzylinder angeformten, spitz zulaufenden Spritzenkopf mit einer darin unmittelbar integrierten und unlösbar befestigten Injektionsnadel, die durch eine Schutzkappe abgedeckt ist, derart, dass die Injektionsnadel in die Schutzkappe einsticht und damit verschlossen ist, während gleichzeitig die Innenseite der Kappe dichtend am Spritzenkopf anliegt, wodurch auch die äußere Fläche der Injektionsnadel abgedichtet ist, aufweist.
Darüber hinaus ist es selbstverständlich, dass die Wandung dieser Spritze glasig transparent ausgebildet ist.
Somit unterscheidet sich der Gegenstand nach Anspruch 1 von der bekannten Spritze allein dadurch, dass der Spritzenkörper aus einem Kunststoff besteht, der gammasterilisierbar und/oder ethylenoxidsterilisierbar ist, ohne dass sich chemische und physikalische Eigenschaften, insbesondere Sprödigkeit und Farbe funktionsbeeinträchtigend ändern, und bei dem die Wandungen des Spritzenzylinders und des Spritzenkopfes durch die Verwendung eines zyklischen Olefin-Copolymers (COC) in vorgegebener Wandstärke in Bezug auf die Wasserdampfdichtigkeit so ausgebildet sind, dass sie eine Durchlässigkeit von kleiner als 0,08 g/(m2 x d) bezogen auf die Wandstärke von 500 µm aufweisen und dass die Schutzkappe gammasterilisierbar und/oder ethylenoxid-sterilisierbar ist, ohne dass sich chemische und physikalische Eigenschaften funktionsbeeinträchtigend ändern.
4.2 Von der bekannten Spritze ausgehend ist die Aufgabe der Erfindung darin zu sehen, der auf die Auswahl des Materials (Glas) für die bekannte Spritze zurückzuführenden Bruch- und Verletzungsgefahr zu vermeiden, das Herstellungsverfahren zu vereinfachen und gleichzeitig die günstigen Eigenschaften einiger bekannter Gläser (Gammasterilisierbarkeit bzw. Ethylenoxidsterilisierbarkeit, Wasserdampfdichtigkeit, Transparenz) beizubehalten (siehe Beschreibung des angegriffenen Patents, Spalte 2, Absätze [006] und [0010]).
4.3 Zur Lösung dieser Aufgabe wird der Fachmann D1 berücksichtigen, da D1 zum gleichen Gebiet der Erfindung gehört (siehe Seite 2, erster Absatz).
D1 enthält die Anweisung, als Material für die Spritze ein zyklisches Olefin-Copolymer (COC) zu verwenden, weil diese Gruppe von Materialien besonders gute Eigenschaften in Bezug auf die Widerstandsfähigkeit, auf die Wasserdampfdichtigkeit und auf der Transparenz aufweist (siehe Seite 3, Zeilen 38 -43, Seite 9, Zeilen 26 bis 30). Außerdem zeigt D1, dass die Methode der Ethylenoxidsterilisierung auf dem Gebiet weit benutzt ist (siehe Seite 2, Zeilen 22 - 25).
Darüber hinaus kennt D17 die von der Erfindung vorgeschlagene Wasserdurchlässigkeitsgrenze. D17 schlägt nämlich für einen medizinischen Behälter (siehe: Abstract, letzter Absatz) vor, ein COC (norbornene Polymer, siehe Seite 8, Absatz 0015) anzuwenden mit einer Durchlässigkeit, die kleiner als 0,08 g/(m2 x d) bezogen auf die Wandstärke von 500 µm aufweist (0,01 g/(m2 x d) bezogen auf die Wandstärke von 1000 µm, siehe Abstract und Absatz 0015).
Die Kammer ist daher zur Überzeugung gelangt, dass der Fachmann auf der Basis der in D1 und D17 enthaltenen Angaben mit einfachen Laborversuchen in der Lage ist, ein COC auszuwählen, das die in Anspruch 1 enthaltenen Bedingungen erfüllt.
Entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin lehrt D1, COC auf dem Gebiet der medizinischen Behälter anzuwenden. Tabelle 2 zeigt zwar, dass die Dampfdurchlässigkeit unter den einzelnen COC variieren kann, das bedeutet aber noch nicht, dass alle COC als Material für einen medizinischen Behälter ungeeignet sind.
Daher ist zu folgern, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.