T 1038/04 () of 15.9.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T103804.20050915
Datum der Entscheidung: 15 September 2005
Aktenzeichen: T 1038/04
Anmeldenummer: 98917100.4
IPC-Klasse: B65H 27/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum elektrostatischen Aufladen
Name des Anmelders: Eltex-Elektrostatik Gesellschaft mbH
Name des Einsprechenden: Spengler Electronic AG
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 971 851 widerrufen worden ist, Beschwerde eingelegt.

II. Während sich der Einspruch der Beschwerdegegnerin (Einsprechende) auf die in Artikel 100 a), b) und c) EPÜ genannten Einspruchsgründe stützte, war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass der in Artikel 100 b) genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünde.

III. Am 15. September 2005 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der am 23. April 2003 eingereichten Ansprüche 1 und 2.

Der Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß einzigem Antrag der Beschwerdeführerin lautet wie folgt:

"1. Vorrichtung zum elektrostatischen Aufladen der beiden Außenseiten von zumindest einer Materialbahn mit Ladung entgegengesetzter Polarität, vor dem Weiterverarbeiten der zumindest einen Materialbahn, wobei diese durch den Spalt eines Paars zueinander parallel und mit geringem Abstand zueinander angeordneter Walzen (5) geführt ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Vorrichtung zum elektrostatischen Aufladen von dem Paar Walzen (5) gebildet ist, daß jede Walze über einem äußeren Stahlmantel (7) einen begrenzt elektrisch leitfähigen Belag (8), sogenannter halbleitender Belag, aufweist, daß zum elektrischen Aufladen des begrenzt leitfähigen Belags in dem Spalt (50) der Stahlmantel (7) jeder Walze (5) an eine positive bzw. negative Hochspannungsquelle anschließbar ist und daß die Walze (5) zum Isolieren von dem Maschinenrahmen (10) unter dem hochleitfähigen Stahlmantel (7) und an ihren beiden Stirnseiten einen elektrischen Isolator (40 bzw. 42) aufweist und daß zum elektrischen Aufladen des begrenzt leitfähigen Belages (8) die Hochspannungsquelle über eine sich im wesentlichen parallel zu der Walze in axiales Richtung erstreckende Korona-Aufladungselektrode (44) aufgebracht wird."

VI. Im Beschwerdeverfahren wurden folgende Merkmale des Anspruchs 1 gemäß einzigem Antrag als Merkmale A, B bzw. C bezeichnet:

Merkmal A: "… zum elektrischen Aufladen des begrenzt leitfähigen Belags in dem Spalt (50) der Stahlmantel (7) jeder Walze (5) an eine positive bzw. negative Hochspannungsquelle anschließbar ist"

Merkmal B: "… zum elektrischen Aufladen des begrenzt leitfähigen Belages (8) die Hochspannungsquelle über eine sich im wesentlichen parallel zu der Walze in axiales Richtung erstreckende Korona-Aufladungselektrode (44) aufgebracht wird"

Merkmal C: "die Walze (5) zum Isolieren von dem Maschinenrahmen (10) unter dem hochleitfähigen Stahlmantel (7) und an ihren beiden Stirnseiten einen elektrischen Isolator (40 bzw. 42) aufweist"

VII. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Anspruch 3 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, der das Merkmal A enthalte, bilde den Dachanspruch für die alternativen Ausführungsformen einer Aufladung von innen bzw. von außen über eine Koronaaufladungselektrode. Diese alternativen Ausführungsformen der Aufladung von innen bzw. von außen seien Gegenstand der auf Anspruch 3 rückbezogenen Ansprüche 4 bzw. 10 und seien in den Figuren 1 bis 3 bzw. 4 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gezeigt.

Diese übergeordnete Bedeutung des Anspruchs 3 und damit des Merkmals A ergebe sich auch aus der Beschreibung der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung. Dort werde auf Seite 2, Zeilen 16 bis 20 zunächst auf die allgemeine Form der Aufladung von außen mittels einer Koronaaufladungselektrode Bezug genommen. Im Anschluß daran (Seite 2, Zeilen 22 ff) werde unter Verwendung der üblicherweise die Beschreibung von Merkmalen abhängiger Ansprüche einleitenden Formulierung "In zweckmäßiger Weiterbildung …" verschiedene Anschließmöglichkeiten des Stahlmantels jeder Walze beschrieben.

Das Merkmal A könne somit nicht isoliert von den Merkmalen B und C betrachtet werden, sondern sei im Lichte insbesondere des Merkmals B sowie der obengenannten Passagen in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auszulegen.

Die in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung in Figur 4 gezeigte und in den zugehörigen Beschreibungsteilen beschriebene Ausführungsform bilde damit eine Basis für die Offenbarung des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß dem einzigen Antrag.

Das Merkmal A sei hier dadurch verwirklicht, daß der Stahlmantel der Walzen über die Koronaaufladungselektrode, den Luftspalt zwischen dieser Elektrode und dem begrenzt leitfähigen Belag sowie über diesen begrenzt leitfähigen Belag an die Hochspannungsquelle anschließbar und im Betrieb auch angeschlossen sei. Im Betrieb stelle sich zwischen den verschiedenen Komponenten ein Potentialgefälle ein, und es fließe ein elektrischer Strom von der Koronaaufladungselektrode über den Luftspalt und die begrenzt leitfähige Beschichtung zum Stahlmantel und von dort zur Materialbahn.

Merkmal A fordere keinen direkten Anschluß des Stahlmantels an die Hochspannungsquelle. Ferner sei es fachüblich, auch die Komponenten, die durch einen Luftspalt getrennt seien, in einem Schaltkreis als angeschlossen anzusehen. Der Anschluß werde hier üblicherweise durch einen Widerstand dargestellt. Der Begriff "anschließbar" erfordere zudem keine feste elektrische Verbindung. Es genüge, wenn sich der Anschluß im Betrieb einstelle. Dies sei bei einer Koronaaufladung der Fall.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß einzigem Antrag gehe daher nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und erfülle somit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

VIII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung in Figur 4 gezeigte und in den zugehörigen Textpassagen beschriebene Ausführungsform offenbare keine Vorrichtung, bei der der Stahlmantel der Walzen an die Hochspannungsquelle anschließbar sei. Gemäß Seite 8, Zeilen 12 bis 21, der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung sei der Stahlmantel durch die darunterliegende Isolierschicht 40 und die stirnseitige Isolatorschicht 42 isoliert, und damit nicht an eine Hochspannungsquelle anschließbar. Bei der in Figur 4 gezeigten Ausführungsform könne man nicht von einem Anschluß des Stahlmantels an die Hochspannungsquelle sprechen. Eine Koronaaufladung erfordere das Vorhandensein eines elektrischen Feldes und dementsprechend lägen die Koronaaufladungselektrode und der Stahlmantel der Walzen auf unterschiedlichen Potentialen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß einzigem Antrag gehe daher über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und erfülle somit nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

Entscheidungsgründe

Unzulässige Erweiterung (Artikel 123 (2) EPÜ),

Anspruch 1 gemäß einzigem Antrag der Beschwerdeführerin

1. Die nachfolgenden Verweise auf die Anmeldungsunterlagen des Streitpatents in der ursprünglich eingereichten Fassung beziehen sich auf die veröffentlichte Version (WO 98/43905).

2. Gemäß Merkmal A des Anspruchs 1 ist zum elektrischen Aufladen des begrenzt elektrisch leitfähigen Belags in dem durch das Walzenpaar gebildeten Spalt der Stahlmantel jeder Walze an eine positive bzw. negative Hochspannungsquelle anschließbar.

Merkmal A ist in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auf Seite 2, Zeilen 22 bis 30, Seite 3, Zeilen 13 bis 18 und Seite 6, Zeilen 7 bis 13 jeweils in Zusammenhang mit einer sogenannten Aufladung von innen offenbart. Die Figuren 1 bis 3 und die zugehörigen Beschreibungsteile der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zeigen verschiedene Anschlußmöglichkeiten des Stahlmantels einer Walze an eine Hochspannungsquelle.

3. Gemäß Merkmal B des Anspruchs 1 wird zum elektrischen Aufladen des begrenzt leitfähigen Belages die Hochspannungsquelle über eine sich im wesentlichen parallel zu der Walze in axialer Richtung erstreckende Koronaaufladungselektrode aufgebracht.

Eine dem Merkmal B entsprechende Anordnung ist in Figur 4 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart. Da gemäß allgemeinem Fachwissen bei einer Koronaaufladung die Ladungsträger im Bereich der Koronaaufladungselektrode entstehen, erfolgt bei der in Figur 4 gezeigten Anordnung die Aufladung des begrenzt leitfähigen Belags 8 somit von außen im Bereich zwischen der Koronaaufladungselektrode 44 und der Walze 5. Für diesen Zweck ist, wie auch in Figur 4 explizit dargestellt, die Koronaaufladungselektrode 44 an die Hochspannungsquelle 43 angeschlossen. Der Stahlmantel 7 der Walze 5 ist, im Unterschied zu den Ausführungen gemäß Figuren 1 bis 3, mit Isolatorschichten 40 und 42 umgeben, siehe Seite 8, Zeilen 12 bis 21. Eine Anschließbarkeit des Stahlmantels der in Figur 4 gezeigten Walze an eine positive oder negative Hochspannungsquelle ist nicht gezeigt.

4. Die in Figur 4 und der zugehörigen Beschreibung der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbarte Vorrichtung zeigt somit zwar die Merkmale B und C, nicht aber das Merkmal A.

5. Das Merkmal A ist in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung in Kombination mit einer Koronaaufladungselektrode lediglich in Anspruch 10 unter Berücksichtigung des Rückbezugs dieses Anspruchs auf Anspruch 3 offenbart. Allerdings ist in diesem Zusammenhang nicht offenbart, daß die Aufladung über eine im wesentlichen parallel zu der Walze in axialer Richtung sich erstreckende Koronaaufladungselektrode erfolgt. Dieses Merkmal ist in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung lediglich im Rahmen der in Figur 4 gezeigten Ausführungsform beschrieben.

Damit bilden auch die Ansprüche 3 und 10 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung keine Basis für eine Offenbarung des Gegenstands des Anspruchs 1.

6. Die Kammer kann sich der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht anschließen, daß das Merkmal A im Lichte des Merkmals B und der Beschreibung der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung als ein gegenüber den beiden alternativen Ausführungsformen einer Aufladung von innen bzw. von außen übergeordnetes Merkmal anzusehen ist.

Merkmal A hat eine klare technische Aussage, nämlich daß "… zum elektrischen Aufladen des begrenzt leitfähigen Belags in dem Spalt (50) der Stahlmantel (7) jeder Walze (5) an eine positive bzw. negative Hochspannungsquelle anschließbar ist". Diese Aussage ist somit bei der Bestimmung der Definition der Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß einzigem Antrag zu berücksichtigen.

Merkmal A beschreibt ein elektrisches Aufladen des begrenzt leitfähigen Belags in dem durch das Walzenpaar gebildeten Spalt, während die Merkmale B und C eine Koronaaufladung betreffen, also eine Aufladung des begrenzt leitfähigen Belags in der Umgebung der Koronaaufladungselektrode und damit außerhalb des durch das Walzenpaar gebildeten Spalts. Das Merkmal A einerseits und die Merkmale B und C andererseits betreffen somit alternative Ausführungsformen, und Merkmal A kann daher nicht als ein dem Merkmal B übergeordnetes Merkmal ausgelegt werden.

Wie allgemein bekannt, ist es möglich, nicht verbundene Komponenten in einem Ersatzschaltbild durch Zwischenschaltung eines Widerstandes als miteinander verbunden darzustellen. Aber auch diese Möglichkeit einer schematisierten Darstellung läßt nach Auffassung der Kammer nicht den Umkehrschluß zu, daß die in Figur 4 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gezeigte Vorrichtung nun so auszulegen sei, daß der Stahlmantel 7 der Walze an die Hochspannungsquelle 43 anschließbar sei und im Betrieb auch angeschlossen sei. Ein derartiger Anschluß ist weder in der Figur 4 gezeigt, noch in der zugehörigen Beschreibung der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart.

Die Kammer ist ferner der Auffassung, daß bei der in Figur 4 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gezeigten Vorrichtung, wenn sie in Betrieb ist, nicht von einem "Anschluß" des Stahlmantels an die Hochspannungsquelle gesprochen werden kann. Wie oben unter Punkt 3 bereits dargelegt, erfolgt bei einer Koronaaufladung ein Aufladen des begrenzt leitfähigen Belages durch in der Umgebung der Koronaaufladungselektrode entstehende Ladungsträger. Für die Ausbildung des für die Erzeugung dieser Ladungsträger notwendigen elektrischen Feldes ist, wie Figur 4 zeigt, diese Elektrode an die Hochspannungsquelle anschließbar, nicht aber der Stahlmantel der Walze.

7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht daher über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 123 (2) EPÜ), so daß der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegensteht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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