European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T102704.20050930 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 September 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1027/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 00128474.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B62B 1/18 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Motorisierte Schubkarre | ||||||||
Name des Anmelders: | Geisslinger, Peter, et al | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (verneint) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung 00 128 474.4 wurde mit der am 20. Februar 2004 zur Post gegebenen Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Dagegen wurde von den Anmeldern am 22. April 2004 mit Schreiben vom 21. April 2004 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet.
Die Beschwerdeführer beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an die erste Instanz mit der Maßgabe zurückzuverweisen, ein Patent auf der Grundlage des am 24. Dezember 2003 mit Schreiben vom 19. Dezember 2003 eingegangenen Anspruchs 1 zu erteilen.
Der Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Schubkarre mit einem Rahmen (1), der eine Radgabel (11), Stützen (12) und Holme (13) aufweist, sowie mit einer Wanne (2) und einem Rad (3), und mit einem auf das Rad (3) wirkenden elektromotorischen Antrieb, der aus einer elektrischen Batterie gespeist wird, die in einem am Rahmen oder an der Wanne angebauten Batteriekasten (5) untergebracht ist, und wobei die Stromzufuhr von der Batterie zum elektromotorischen Antrieb über einen an einem der Holme (13) angeordneten Steuerschalter (6) steuerbar ist,
dadurch gekennzeichnet, daß der elektromotorische Antrieb durch einen in oder an das Rad (3) eingebauten oder angebauten elektrischen Nabenmotor (4) gebildet ist, und daß der Batteriekasten (5) an der Unterseite der Wanne (2) angebaut ist und die Batterie herausnehmbar und über eine Steckverbindung kuppelbar im Batteriekasten (5) angeordnet ist."
II. In der mündlichen Verhandlung am 30. September 2005 und in der Beschwerdebegründung trugen die Beschwerdeführer vor, die Erfindung zeichne sich vor allem durch ihre Praxistauglichkeit und durch die besonders einfache Handhabung aus. Die Erfindung sei von einem Stand der Technik ausgegangen, aus dem insbesondere Vorschläge für motorisierte Schubkarren bekannt waren, bei denen ein Verbrennungsmotor unter der Wanne angeordnet ist und das Schubkarrenrad über Reibräder oder Kettentriebe angetrieben ist (siehe z. B. veröffentlichte Anmeldung, Spalte 1, Zeilen 33-37). Diese Schubkarren hätten sich aber in der Praxis nicht durchsetzen können, weil sie in vielerlei Hinsichten problematisch seien, z. B. weil beim Umkippen der Schubkarre mit der Gefahr des Auslaufens von Öl und Kraftstoff zu rechnen sei und auch weil sie zu störanfällig seien, z. B. da sich Materialien, Zweige, Blätter, Papiersäcke und ähnliches in den Antriebsorganen verfangen könnten.
Weiterhin zeige auch der ermittelte, druckschriftliche Stand der Technik, z. B. D1 (EP-A-867 353) und D4 (EP-A-913 311), zwar Schubkarren mit elektrischen Motoren, die aber allesamt groß und sperrig seien und zusätzlich auch auf Grund ihrer Anordnung unterhalb der Wanne nicht besonders praxistauglich seien. D3 (US-A- 5. 540 296) zeige dagegen keine Schubkarre, sondern einen zweirädrigen Wagen, wohl aber mit einem Nabenmotor, zur Verwendung beim Golfspielen oder für gewerbliche Zwecke, womit der Fachmann auch hieraus keinen Hinweis für die Verwendung eines Nabenmotors in einer einrädrigen Schubkarre entnehmen könne. D2 (EP-A-650 886) offenbare ebenfalls keine Schubkarre, sondern ein Fahrrad, bei dem zwar die Möglichkeit des Anbringens eines Nabenmotors grundsätzlich erwähnt sei, jedoch ohne nähere Ausführungen über die Art und Weise wie der Nabenmotor in der Radnabe neben dem Getriebegehäuse angeordnet sein soll. Schließlich gebe auch D5 (GB-A-2 201 386) keine Hinweise, die zum erfindungsmäßigen Gegenstand führen könnten, da dort weder ein Nabenmotor noch explizit eine einrädrige Schubkarre offenbart sei. Die zusätzlichen Anspruchsmerkmale, betreffend die Steckverbindung über die die Batterie kuppelbar im Batteriekasten angeordnet ist, würden insgesamt auch zur Lösung der gestellten Aufgabe beitragen, da durch die Leichtigkeit und die Schnelligkeit beim Austausch der Batterie entscheidend zur Praxistauglichkeit beigetragen werde. Somit sei der Anspruchsgegenstand nicht nur neu, sondern auch erfinderisch, weil durch den vorliegenden Stand der Technik nicht nahegelegt.
Die Beschwerdeführer wiesen schließlich darauf hin, daß den Erfindern des Anmeldungsgegenstands ein Bundesinnovationspreis für besonders innovative Leistung zuerkannt wurde, was als gewichtiges Kriterium für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu werten sei, besonders da ein Zusammentreffen mit weiteren solchen Kriterien vorliege. Als solche seien nämlich weiter anzusehen, daß Nabenmotoren bei Schubkarren bislang keine Anwendung gefunden hätten, obwohl sie bereits seit Jahrzehnten bekannt seien, und daß die Nachteile und Praxistauglichkeitsmängel der bekannten motorisierten Schubkarren offensichtlich seien.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ in Verbindung mit den Regeln 1 (1) sowie 64 EPÜ und ist somit zulässig.
2. Als nächstliegender Stand der Technik ist D1 anzusehen, welches eine Schubkarre (Fig. 1-3) offenbart, mit einem Rahmen, der eine Radgabel 17, Stützen 25 und Holme 20 aufweist, sowie mit einer Wanne 27 und einem Rad 23, und mit einem auf das Rad wirkenden elektromotorischen Antrieb 30, der aus einer elektrischen Batterie 28,29 gespeist wird, die in einem am Rahmen oder an der Wanne angebauten Batteriekasten 32,33 untergebracht ist (Spalte 4, Zeile 54 - Spalte 5, Zeile 2) und wobei die Stromzufuhr von der Batterie zum elektromotorischen Antrieb über einen an einem der Holme angeordneten Steuerschalter 73 steuerbar ist, wobei der Batteriekasten an der Unterseite der Wanne angebaut ist.
Somit unterscheidet sich der Anspruchsgegenstand von D1 dadurch, daß (i) der elektromotorische Antrieb durch einen in oder an das Rad eingebauten oder angebauten elektrischen Nabenmotor gebildet ist und (ii) die Batterie herausnehmbar und über eine Steckverbindung kuppelbar im Batteriekasten angeordnet ist. Hieraus ist erkennbar, daß die objektive Aufgabe aus zwei Teilaufgaben besteht, nämlich zum einen (i) eine leichtere Handhabung der Schubkarre im Hinblick auf die Praxistauglichkeit des Motors und seiner Anordnung in der Schubkarre und zum anderen (ii) eine leichtere Handhabung beim Auswechseln der Batterie zu ermöglichen.
3. Die Beschwerdeführer waren der Auffassung, die Aufgabe sei allgemein in der leichteren Handhabung der Schubkarre zu sehen und sie lasse sich nicht in verschiedene Teilaufgaben zerlegen. Dieser Ansicht kann sich die Kammer nicht anschließen, denn die obigen Merkmale (i) und (ii) weisen keine unmittelbare technische oder funktionelle Beziehung in der Weise auf, daß eines dieser Merkmale einen erkennbaren Einfluß auf das andere hätte. Folglich erscheint für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit die getrennte Betrachtung der Merkmale (i) und (ii), sowie der sich daraus ergebenden Teilaufgaben gerechtfertigt.
4. Zur Teilaufgabe (i) ist zunächst festzustellen, daß Nabenmotoren seit Jahrzehnten bereits bekannt sind, wie die Beschwerdeführer selbst zugegeben haben, und deren Einsatz folglich zum allgemeinen Fachwissen gehört. Insbesondere sind solche Motoren z. B. im vorliegenden Stand der Technik in den Dokumenten D2,D3,D5 offenbart. Hierbei handelt es sich um Elektromotoren, die in der Radnabe angeordnet sind, wobei andere technische Merkmale vom Begriff "Nabenmotor" anscheinend nicht umfasst sind, insbesondere nicht, ob der Läufer des Motors direkt die Radnabe bildet oder ob die Radnabe indirekt über ein Getriebe angetrieben wird.
5. Die Nabenmotoren aus dem vorgenannten Stand der Technik zeichnen sich alle durch eine kompakte und besonders platzsparende Anordnung aus, derart, daß sie in den verschiedensten Arten von Fahrzeugen Anwendung finden. D3 offenbart beispielsweise eine Anwendung als Hilfsmotor im Bereich aller Fahrzeuge, die primär durch Menschenkraft oder Tierkraft gezogen oder geschoben werden (Spalte 1, Zeilen 10-12). Es werden explizit Golfkarren und allgemein Karren für gewerbliche Nutzung erwähnt, insbesondere zur Postablieferung und zum Einkaufen, sowie auch Rollstühle und Fahrräder (Spalte 3, Zeilen 50-56). D5 offenbart sogar, neben der Anwendung bei Golfkarren und Einkaufwagen, auch explizit die Anwendung des Nabenmotors bei Schubkarren (Seite 2, Zeilen 18-21). Daß der Fachmann hierbei auf eine einrädrige Schubkarre hingewiesen wird, dürfte außer Frage stehen, da derselbe englische Begriff "wheelbarrow" in den Dokumenten D1 (Spalte 1, Zeilen 5-11) und D4 (Spalte 1, Zeilen 9-15) eindeutig für eine einrädrige Schubkarre steht.
6. Angesichts der obigen Tatsachen würde der Fachmann ausgehend von D1 im Hinblick auf eine Vereinfachung der Handhabung und auf die Verbesserung der Praxistauglichkeit des Motors und seiner Anordnung ohne weiteres die Verwendung eines Nabenmotors in Betracht ziehen. Durch die Kompaktheit der Anordnung werden insbesondere sowohl der Platzbedarf als auch die Unfallgefahr und die Störanfälligkeit reduziert, da der Antrieb nicht mehr offen liegt, und sich folglich keine fremden Gegenstände im Antrieb verfangen können. Dies wäre für den Fachmann unmittelbar zu erkennen und folglich ist das Merkmal (i) im Hinblick auf den unter Punkt 5 diskutierten Stand der Technik naheliegend.
7. Die Betrachtung des Merkmals (ii) ergibt, daß es sich hierbei um eine Maßnahme handelt, die im Fahrzeugbereich bekannt und üblich ist (siehe z. B. D6 (JP-A-11 341700) oder D7 (EP-A-921 607), Figur 1, Beschreibung Spalte 4). Im übrigen ist die Anordnung von selbstschließenden elektrischen Kontakten im Batterieaufnahmeteil eines elektrischen Verbrauchers allgemein bekannt. Der Fachmann würde somit eine solche Maßnahme unmittelbar ergreifen, da sich daraus zwingend eine leichtere Handhabung beim Auswechseln der Batterie ergibt. Folglich ist auch Merkmal (ii) im Hinblick auf D1 und das allgemeine Fachwissen als naheliegend anzusehen.
8. Insgesamt ergibt sich aus den vorausgehenden Ausführungen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 keine erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) aufweist, da es sich von D1 lediglich durch eine Aggregation der Merkmale (i) und (ii) absetzt, welche aber jeweils für sich betrachtet angesichts des vorliegenden Standes der Technik als für den Fachmann naheliegend anzusehen sind.
9. Dem Vorbringen der Beschwerdeführer dahingehend, daß die unter Absatz II genannten Kriterien eindeutig für das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit sprächen, konnte nicht gefolgt werden. So ist z. B. betreffend die Verleihung des Bundesinnovationspreises an die Erfinder des vorliegenden Anmeldungsgegenstandes zu bedenken, daß nicht bekannt ist, von welchem Stand der Technik die Mitglieder der Jury ausgegangen sind und überhaupt welche Maßstäbe und Kriterien für die Verleihung des Preises angelegt worden sind. Es erscheint beispielsweise sinnvoll anzunehmen, wie auch von den Beschwerdeführern in der mündlichen Verhandlung eingeräumt wurde, daß die Jury eher von dem in Spalte 1 der veröffentlichten Anmeldung beschriebenen Stand der Technik ausgegangen ist als von dem während des Verfahrens vor dem Europäischen Patentamt ermittelten Stand der Technik.
Auch ist anzunehmen, daß bei der Verleihung eines solchen Preises die praktische Bedeutung der Erfindung ein sehr gewichtiger Maßstab ist und im Vordergrund stehen wird. Um diesem Maßstab zu entsprechen, ist aber das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des EPÜ nicht notwendig, weil allein schon die Neuheit und die praktische Bedeutung der Erfindung in der Regel ausschlaggebende Kriterien sein werden.
Im Ergebnis ist also anzunehmen, daß bei der genannten Preisverleihung und bei der Erfüllung der Voraussetzungen für die Patentierbarkeit unterschiedliche, nicht direkt miteinander vergleichbare Ausgangspunkte und Kriterien zum Tragen kommen.
Schließlich ist noch anzumerken, daß selbst wenn bei so konkreten Hinweisen aus dem Stand der Technik bis zum Zeitpunkt der Erfindung keine Schubkarre mit einem Nabenmotor in der Praxis verwirklicht wurde, dieser Umstand nicht unbedingt als Indiz für das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit angesehen werden kann. Die fehlende Verwirklichung beruht in der Tat oft eher auf betriebsbedingten oder kommerziellen Gründen, als auf einem bislang nicht überwindbaren technischen Problem. In Ermangelung eines Hinweises auf ein solches konkretes technisches Problem und dessen Lösung kann im vorliegenden Fall der genannte Umstand nicht als Indiz für eine erfinderische Tätigkeit gewertet werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.