T 0968/04 () of 12.5.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T096804.20060512
Datum der Entscheidung: 12 Mai 2006
Aktenzeichen: T 0968/04
Anmeldenummer: 98103603.1
IPC-Klasse: G01G 23/37
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Elektronische Waage
Name des Anmelders: Mettler-Toledo GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 113
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Abhilfe: abgelehnt
Zurückweisung nach Erwiderung auf den ersten Prüfungsbescheid: kein Verfahrensfehler
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 98 103 603.1 (Veröffentlichungsnummer EP 0 864 852 A2) wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

II. Die Zurückweisung wurde von der Prüfungsabteilung damit begründet, dass der Gegenstand insbesondere des geänderten Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte. In diesem Zusammenhang wurden die folgenden Dokumente genannt:

D1: PATENT ABSTRACTS OF JAPAN; vol. 16, no. 243 (P-1364), 4. Juni 1992; Pub. Nr. JP-A-04 054 418

D2: CH-A-600 307

III. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung, soweit der Verlauf des Prüfungsverfahren betroffen ist, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Anmeldung sei allein aufgrund angeblich fehlender erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen worden. Es sei dabei vom Stand der Anmeldung in der Fassung ausgegangen worden, wie sie nach vollständiger Beantwortung des ersten Bescheids vorgelegen habe. Die Diskussion in der Entscheidung erkenne implizit die Neuheit des Gegenstands des revidierten Anspruchs 1 an und weise auf Mängel der Argumentation zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit in der Bescheidserwiderung hin. Dabei werde ausgeführt, die Argumentation der Anmelderin sei nicht überzeugend, weil sie sich nicht auf den in Anspruch 1 definierten Gegenstand beziehe, sondern sich auf die Beschreibung stütze. Es werde aber nicht postuliert, der Beschreibung sei keine Offenbarung für einen Gegenstand zu entnehmen, der ausgehend vom vorliegenden Stand nur als Folge einer erfinderischen Tätigkeit resultiere. Somit scheine der Mangel vielmehr an der Definition des Gegenstands durch die Formulierung im einzigen unabhängigen Anspruch zu liegen als am prinzipiellen Naheliegen.

Bei dieser Sachlage erstaune die Zurückweisung unter Artikel 97 (1) EPÜ. Sie stelle eine drastische Abweichung von der gängigen Praxis der Prüfungsabteilungen dar. Die Anmelderin habe doch viel eher erwarten dürfen, dass sie nach Artikel 96 (2) EPÜ gegebenenfalls zur Einreichung einer weiteren Stellungnahme aufgefordert würde, zumindest aber das Gespräch gesucht und allenfalls eine mündliche Verhandlung vereinbart würde, auch wenn letztere in der vorangegangenen Bescheidsantwort nicht beantragt worden sei.

Die vorliegende Beschwerde richte sich gegen die Zurückweisung der Anmeldung, weil noch nicht schlüssig geklärt sei, dass die Erfindung, die sie zum Gegenstand habe, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen würde, und der Anmelderin nicht in ausreichendem Maß Gelegenheit gegeben worden sei, die Anmeldung in eine Form zu bringen, welche den Erfordernissen des EPÜ genügen würde.

Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und die Prüfung weiterzuführen. Sie hat im Übrigen beantragt, ein Patent auf der Basis eines geänderten Anspruchs 1 zu erteilen.

Für den Fall, dass die Beschwerde der Beschwerdekammer vorgelegt wird und diese sie für unbegründet hält, wird hilfsweise eine mündliche Verhandlung beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat außerdem beantragt, der Beschwerde abzuhelfen und in diesem Fall die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

IV. Die Prüfungsabteilung hat der Beschwerde abgeholfen, aber dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht stattgegeben. Das Patent wurde im Übrigen, wie zuletzt beantragt, erteilt.

V. Der Anspruch 1, der der Zurückweisungsentscheidung zu Grunde lag, lautet:

"1. Elektronische Waage, umfassend einen Messwertaufnehmer(3) mit einer Waagschale (5), eine Eingabeeinheit (9), eine Ausgabeeinheit (11,13) und eine Signalverarbeitungsvorrichtung (7), die unter anderem auf abgespeicherte Daten zugreifen und Daten abspeichern kann, auf welcher Waage aus einer durch wiederholtes Auflegen einer Last auf die Waagschale (5) und wieder Abheben der Last von der Waagschale (5) entstehenden Messreihe mit Hilfe der Signalverarbeitungsvorrichtung (7) mindestens eine statistische Grösse ermittelt, gespeichert, ausgegeben und/oder für nachfolgende Messungen zur Verfügung gehalten werden kann, dadurch gekennzeichnet, dass die Waage auf Grund der mindestens einen statistischen Grösse sowie mindestens eines mit einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion in Zusammenhang stehenden Parameterwerts weitere Werte ermittelt."

Entscheidungsgründe

1. Regel 67 EPÜ

Bezogen auf den vorliegenden Fall besagt Regel 67 EPÜ, dass die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen ist, wenn der Beschwerde abgeholfen wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers der Billigkeit entspricht. Es bleibt daher zu untersuchen, ob im vorliegenden Fall ein solcher wesentlicher Verfahrensfehler vorliegt.

2. Rechtliches Gehör

Ein wesentlicher Verfahrensfehler wäre die Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Artikel 113 (1) EPÜ. Im vorliegenden Fall ist daher zu untersuchen, ob die Zurückweisung der Anmeldung auf Gründe gestützt war, zu denen sich die Anmelderin nicht äußern konnte.

Es geht also insbesondere darum, ob der in der Zurückweisungsentscheidung genannte Grund, wonach der Gegenstand des Anspruchs 1 in Hinblick auf den Inhalt der Druckschriften D1 und D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht, in dem vorausgegangenen Bescheid der Anmelderin mitgeteilt worden war. Der mit der Bescheidserwiderung einreichte Anspruch 1 ist gegenüber dem in dem Bescheid diskutierten insofern geändert, als die Merkmale des abhängigen Anspruchs 11 in der ursprünglichen Fassung mit aufgenommen worden sind. In dem einzigen Bescheid der Prüfungsabteilung ist ausgeführt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu war, weil er durch das Dokument D1 vorweggenommen sei, und dass u.a. der Anspruch 11 eine weitere an sich bekannte statistische Berechnung betreffe, die zu keinem unerwarteten Effekt führe und welche der Fachmann den Umständen entsprechend auch in der aus D1 bekannten Waage vorsehen würde. Eine Waage mit solchen statistischen Berechnungen sei beispielsweise aus D2 bekannt. Bezüglich des Anspruchs 11 wurde auf D2, Spalte 1, Zeilen 18 bis 52, und Spalte 6, Zeile 67, bis Spalte 7, Zeile 6, hingewiesen.

Die Zurückweisungsentscheidung stützt sich sinngemäß auf die gleichen Überlegungen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist daher nicht erkennbar und wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht geltend gemacht. Wie in Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 4. Auflage 2001, siehe Seite 297, vorletzter Absatz bis Seite 298, erster Absatz, ausgeführt, haben die Kammern regelmäßig in einer Zurückweisung nach einem einzigen Bescheid keine Überschreitung des Ermessensspielraums der Prüfungsabteilungen gesehen, wenn wie im vorliegenden Fall das rechtliche Gehör gewährleistet war.

3. Argumente

Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, die Prüfungsabteilung habe durch ihren Hinweis, die Diskussion von D1 durch die Anmelderin beziehe sich nicht auf den Anspruchswortlaut, sondern auf die Beschreibung. Daraus ginge hervor, dass der Mangel nicht im prinzipiellen Naheliegen als vielmehr in der Definition des Gegenstands liege. Dies hätte der Anmelderin in einem weiteren Bescheid mitgeteilt werden müssen.

Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass die Prüfungsabteilung gehalten war, ihrer Beurteilung den vorgelegten Wortlaut der Ansprüche zu Grunde zu legen. Dies entsprach dem rechtlichen Gehör im Sinne von Artikel 113 (2) EPÜ, wonach sich die Prüfungsabteilung bei der Prüfung und Entscheidung an den von der Anmelderin vorgelegten Wortlaut zu halten hatte. Da dieser vorgelegte Wortlaut im vorliegenden Fall offensichtlich klar und ursprünglich offenbart war, nachdem es sich um die Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 11 handelte, wurde er mit dem Stand der Technik zur Untersuchung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit verglichen. Das Ergebnis dieses Vergleichs war der Anmelderin in dem vorausgegangenen Bescheid schon mitgeteilt worden. Der Hinweis in der Zurückweisungs entscheidung, dass sich die Argumentation der Anmelderin auf die Beschreibung und nicht auf den Anspruchswortlaut beziehe, ist lediglich eine Feststellung. Daraus abzuleiten, die Prüfungsabteilung hätte in der Beschreibung einen Gegenstand erkannt, der auf erfinderischer Tätigkeit beruhen würde und diesen Befund der Anmelderin vorenthalten, ist reine Spekulation.

4. Schlussbemerkung

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass kein Verfahrensmangel vorliegt, der eine Rückzahlung der Beschwerde rechtfertigt. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf mündliche Verhandlung bezog sich offenbar auf den Fall, dass der Beschwerde nicht abgeholfen wird. Dieser Antrag ist daher gegenstandslos.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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