European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T088904.20060912 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 12 September 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0889/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 00940288.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | F41G 1/48 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Handfeuerwaffe mit mittiger oder außermittiger Visierlinie | ||||||||
Name des Anmelders: | Heckler & Koch GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 00940288.4 zurückgewiesen worden ist.
II. Als Grund für die Zurückweisung gibt die angefochtene Entscheidung an, dass der Gegenstand der damaligen Ansprüche 1 bis 7 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Folgende Dokumente des Standes der Technik sind in der angefochtenen Entscheidung genannt:
D1: US-A-3 165 836,
D2: US-A-3 156 992, und
D3: DE-A-1 944 650.
III. Mit Schreiben vom 10. August 2006 beantragte die Beschwerdeführerin (Anmelderin), die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung:
Seiten 1 bis 8 eingereicht mit Schreiben vom 10. August 2006.
Ansprüche:
Nr. 1 bis 7 eingereicht mit Schreiben vom 10. August 2006.
Zeichnungen:
Blätter 1/4 bis 4/4 wie ursprünglich eingereicht.
Hilfsweise beantragte die Beschwerdeführerin, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
IV. Der unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Handfeuerwaffe aus einem Schnellfeuergewehr (1) mit einem Lauf (3) und einem Handschutz (7) sowie einem unter dem Lauf (3) nahe dem Handschutz (7) angebrachten Granatwerfer (5), dem eine eigene Visiereinrichtung (17, 21, 21', 27) mit außermittiger Visierlinie zugeordnet ist, wobei
- zwei einander bezüglich der Mitte gegenüberliegende, jeweils außermittige und seitlich ausgebildete Montageflächen (9) vorgesehen sind,
- die Visiereinrichtung einen Visierträger (17) aufweist, der mittels eines Trägerteils (15) an der einen oder anderen der Montageflächen (9) so anbringbar ist, dass die Visiereinrichtung stets in die Zielrichtung weist, unabhängig davon, ob sie an der einen oder anderen Montagefläche (9) angebracht ist, und
- die Visiereinrichtung als offene Visiereinrichtung mit einem Korn (27) an der Vorderseite des Visierträgers (17) ausgebildet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
- ein Kimmenblatt (21, 21') an der Rückseite des Visierträgers (17) angebracht ist,
- der Visierträger (17) von dem Trägerteil (15) lösbar ist,
- der Visierträger (17) in zwei zueinander entgegengesetzten Ausrichtungen auf dem Trägerteil (15) anbringbar ist, und
- die beiden Montageflächen (9) an den beiden Seiten des Granatwerfers (5) und dem Handschutz (7) benachbart ausgebildet sind."
Die Ansprüche 2 bis 7 sind von dem Anspruch 1 abhängig.
V. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Das Dokument D1 betreffe einen Granatwerfer, der unter dem Lauf eines Gewehrs angebracht sei und einer Visiereinrichtung mit Korn und Diopter zugeordnet sei. Die Visiereinrichtung sei am Gewehr seitlich befestigt und könne von einer Seite des Gewehrs auf die andere umgesetzt werden, um den Bedürfnissen eines Rechts- oder Linksschützen zu entsprechen. Da die Visiereinrichtung auf dem Gewehr und nicht auf dem Granatwerfer angebracht sei, sei jedes mal nach dem Umsetzen der Visiereinrichtung eine Justierung erforderlich (siehe Spalte 4, Zeilen 40 und 41 von D1). Die Visiereinrichtung nach D1 weise auf beiden Seiten des Gewehrs immer in die gleiche Zielrichtung. Dafür seien Korn und Diopter um die Längsachse der Visiereinrichtung drehbar, so dass sie auf beiden Seiten des Gewehrs nach oben geklappt werden können. Zwei unterschiedliche Ableseeinrichtungen seien für die Einstellung der Entfernung auf beiden Seiten des Gewehrs erforderlich (in Fig. 3 gut sichtbar, wo zwei mal die Anzeige "100` zu sehen sei, einmal in Normalstellung und einmal auf dem Kopf stehend). Die Visiereinrichtung von D1 sei kompliziert aufgebaut und bedürfe eines hohen Fertigungsaufwandes.
Nach dem Dokument D2 bestehe der Granatwerfer aus einem auf die Gewehrmündung aufgesetzten Rohrstutzen, der koaxial zum Lauf eines Gewehrs angebracht und mit geringfügig größerem Kaliber ausgebildet sei. Verschluss und Abfeuerungseinrichtung sind die des Gewehrs. Da die Granate einen erheblich größeren Durchmesser als der Lauf habe, sei eine Visiereinrichtung gemäß D1 bei der Handfeuerwaffe nach D2 nicht verwendbar, da diese Visiereinrichtung zu weit seitlich vom Gewehr abstehen müsste, um nicht durch die Granate behindert zu werden. Die in D2 gezeigte Visiereinrichtung sei als Klappe ausgebildet, die beim Aufstellen der Visiereinrichtung eine Gasentnahmebohrung im Lauf des Gewehrs verschließe.
Das Dokument D3 betreffe einen auf einem Gewehr angebrachten Granatwerfer, dessen Visiereinrichtung an der linken Seite des Granatwerfers angebracht sei, was gegenüber dem Stand der Technik nach D1 den Vorteil aufweise, dass man mit dem Granatwerfer auch dann einen gezielten Schuss abgeben kann, wenn er vom Gewehr abgenommen ist.
Die Montageflächen für die Visiereinrichtung gemäß der vorliegenden Erfindung seien an den beiden Seiten des Handschutzes am Granatwerfer angebracht. Damit könne die Visiereinrichtung für den zugehörigen Granatwerfer eingeschossen werden, so dass die Visiereinrichtung selbst dann justiert bleibe, wenn der Granatwerfer mit Toleranz am Gewehr angebracht sei oder an ein anderes Gewehr angebaut werde. Im Gegensatz zu D3 habe die Erfindung den Vorteil, dass die Visiereinrichtung mit einfachen Mitteln für Rechts- oder Linksschützen eingerichtet werden könne.
Ein Gehäuse 20 der Visiereinrichtung gemäß D1 entspreche dem in Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung vorgesehenen Visierträger. An diesem Gehäuse 20 seien Korn 68 und Diopter 66 über entsprechende Sockel angebracht. In dem ganzen Dokument sei aber nichts zu finden, was dem im Anspruch 1 vorgesehenen Trägerteil entsprechen könnte. Der Visierträger 20 von D1 sei stets mit der selben Seite an das Gewehr 12 anzulegen, gleichgültig ob rechts oder links. D1 sehe einen äußerst komplizierten und teueren Aufbau vor. Erst das erfindungsgemäße zusätzliches Trägerteil erlaube einen besonders einfachen Aufbau der Visiereinrichtung, wobei dieses zusätzliches Trägerteil dem Stand der Technik nicht entnehmbar sei und deshalb von ihm auch nicht nahegelegt werde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
Anspruch 1 der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht geht von einer Handfeuerwaffe mit außermittiger Visierlinie aus, bei der eine Visiereinrichtung mittels einer Montageeinrichtung an einer an der Waffe ausgebildeten, festen Montagefläche lösbar angebracht ist, wobei die Montagefläche außermittig angeordnet ist. Nach Seite 9, Zeilen 10 bis 12 der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht befasst sich die Erfindung mit einem Schnellfeuergewehr, an dem bevorzugt unter dessen Lauf ein Gewehrgranatgerät angebracht ist. Nach Seite 9, Zeilen 17 bis 21 können Montageflächen für die Visiereinrichtung an tragenden Bauteilen des Gewehrgranatgerätes ausgebildet sein, und zwar bevorzugt nahe dem unteren Rand des Handschutzes und beiderseits der Waffe. Nach Seite 7, Zeilen 19 bis 27 und Seite 10, Zeilen 23 bis 28 kann die Visiereinrichtung ein Trägerteil aufweisen, an dem ein Visierträger lösbar angebracht ist, wobei der Visierträger in zwei einander entgegengesetzten Ausrichtungen auf dem Trägerteil anbringbar ist, so dass die Visiereinrichtung ihre Ausrichtung beibehält, wenn sie von der einen auf die andere Seite der Waffe umgesetzt wird. Nach Seite 9, Zeile 34 bis Seite 10, Zeile 2 ist die Visiereinrichtung bevorzugt als offene Visiereinrichtung aus Korn und Kimme, Rahmenvisier o. dgl. ausgebildet. Aus Seite 15, Zeilen 6 bis 11 ist ersichtlich, dass das das Trägerteil nach vorne oder nach hinten weist, je nach der Seite der Waffe, an der es angebracht ist, wobei der Visierträger mit der Visiereinrichtung in einer solchen Ausrichtung auf dem Trägerteil befestigt ist, dass das Korn stets nach vorne weist. Der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 geht also nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Die vorliegenden Ansprüche 2 bis 7 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2, 4 und 8 bis 11.
Die Beschreibung der Anmeldung ist dem geänderten Wortlaut der Ansprüche angepasst worden. Weiter ist der Stand der Technik in der Beschreibung gewürdigt worden.
Die Änderungen zu der Anmeldung verstoßen daher nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
3. Neuheit und erfinderische Tätigkeit
3.1 Das Dokument D1 beschreibt eine Handfeuerwaffe aus einem Schnellfeuergewehr 12 mit einem Lauf und einem Handschutz sowie einem unter dem Lauf nahe dem Handschutz angebrachten Granatwerfer 14. Eine Visiereinrichtung 18 mit außermittiger Visierlinie für den Granatwerfer ist auf dem Gewehr 12 angeordnet. Die Visiereinrichtung kann in zwei bezüglich der Mitte einander gegenüberliegenden, jeweils außermittigen Positionen angebracht sein, wobei entsprechende seitlich ausgebildete Montageflächen auf dem Gewehr 12 vorgesehen sind. Insbesondere umfasst die Visiereinrichtung einen Mechanismus mit verschiedenen Zahnungen 32, 38, 62, 64. Dabei ist die Zahnung 38 mit einem Drehknopf 42 verbunden, dessen Betätigung eine Welle 54 bewegt, die ein Korn 58 und einen Diopter 60 trägt. Die Stellung des Drehknopfes 42 gegenüber der Zahnung 38 kann mittels eines Kopplungsmechanismus justiert werden. Die Visiereinrichtung wird durch eine Platte 34 auf der einen oder anderen Seite des Gewehrs 12 befestigt. Bei einer Umsetzung müssen Korn 58 und Diopter 60 um 180º umgeklappt werden.
3.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 der Anmeldung unterscheidet sich vom Stand der Technik nach D1 durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils.
Dadurch, dass der Visierträger von dem Trägerteil lösbar und in zwei einander entgegengesetzten Ausrichtungen auf dem Trägerteil anbringbar ist, wird die Visiereinrichtung im Vergleich zur Visiereinrichtung von D1 vereinfacht. Da die beiden Montageflächen an dem Granatwerfer ausgebildet sind, bleibt nach Einschiessung die Visiereinrichtung immer justiert, selbst wenn der Granatwerfer mit Toleranz am Gewehr angebracht ist oder an ein anderes Gewehr angebaut wird. Eine Visiereinrichtung mit Korn und Kimmenblatt kann in größerer Entfernung vom Auge des Schützen als die mit Korn und Diopter versehene Visiereinrichtung von D1 angebracht werden, was möglich macht, die Visiereinrichtung auf dem Granatwerfer zu montieren. Die Benutzung einer Visiereinrichtung mit Korn und Kimmenblatt trägt auch dazu bei, die Visiereinrichtung gegenüber D1 zu vereinfachen.
3.3 Die Patentschrift D2 beschreibt ein Gewehr, das als Granatwerfer funktionieren kann, wobei ein die Granate stützender kurzer Trichter 6 an der Öffnung des Gewehrlaufs 1 in dessen Verlängerung angeordnet ist. Die Visiereinrichtung umfasst für den Fall, dass die Waffe als Granatwerfer benutzt wird, ein Kimmenblatt 7, das mittig über dem Gewehrlauf 1 angeordnet ist (siehe insbesondere Spalte 2, Zeilen 24 bis 41, und die Figuren 1 und 2 von D2).
D2 betrifft also keine Visiereinrichtung mit außermittiger Visierlinie, die wahlweise rechts oder links an dem Granatwerfer angeordnet werden könnte.
3.4 Die Entgegenhaltung D3 zeigt eine Handfeuerwaffe mit einem Granatwerfer 1, der an der Unterseite eines Gewehrs 2 befestigt ist. Ein Visier 8 ist an der vorderen linken Außenfläche des Granatwerfers 1 angebracht, wobei zur Einstellung eines Entfernungs-Aufsatzwinkels das Visier 8 um einen horizontalen Zapfen 9 schwenkbar ist (siehe Seite 8, Zeilen 6 bis 25, und die Figur 1 von D3).
D3 gibt keinen Hinweis, wie das Visier von der linken Seite des Granatwerfers auf der rechten Seite umgesetzt werden könnte.
3.5 Eine Handfeuerwaffe gemäß dem jetzigen Anspruch 1 ist in keinem der zitierten Dokumente des Standes der Technik offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gilt daher als neu im Sinne des Artikels 54(1) EPÜ.
Die in Anspruch 1 der Anmeldung aufgeführte Visiereinrichtung umfasst im Wesentlichen einen auf beiden Seiten des Granatwerfers anbringbaren Trägerteil und einen von dem Trägerteil lösbaren Visierträger mit einem Korn und einem Kimmenblatt, wobei der Visierträger in zwei einander entgegengesetzten Ausrichtungen auf dem Trägerteil anbringbar ist. Diese Visiereinrichtung ist mechanisch einfacher aufgebaut als die Visiereinrichtung gemäß D1. Die Entgegenhaltungen D2 und D3 betreffen keine auf beiden Seiten eines Granatwerfers anbringbare Visiereinrichtung und zeigen auch keine Visiereinrichtung mit einem Visierträger, der in zwei verschiedenen Ausrichtungen auf einem Trägerteil anbringbar wäre. Die anderen in dem internationalen Recherchenbericht genannten Dokumente liegen weiter entfernt von dem Gegenstand des Anspruchs 1. Nach Auffassung der Kammer ergibt sich daher der Gegenstand des Anspruchs 1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem zur Verfügung stehenden Stand der Technik. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gilt daher im Sinne des Artikels 56 EPÜ als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
Die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 7 gelten durch ihren Rückbezug auf den Anspruch 1 ebenfalls als neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
In diesen Umständen braucht die hilfsweise beantragte mündliche Verhandlung nicht durchgeführt zu werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung:
Seiten 1 bis 8 eingereicht mit Schreiben vom 10. August 2006.
Ansprüche:
Nr. 1 bis 7 eingereicht mit Schreiben vom 10. August 2006.
Zeichnungen:
Blätter 1/4 bis 4/4 wie ursprünglich eingereicht.