T 0806/04 () of 15.5.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T080604.20070515
Datum der Entscheidung: 15 Mai 2007
Aktenzeichen: T 0806/04
Anmeldenummer: 96924786.5
IPC-Klasse: C23C 16/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verbundkörper und Verfahren zu dessen Herstellung
Name des Anmelders: Widia GmbH
Name des Einsprechenden: Sandvik AB
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 10b(1)
Schlagwörter: Zulässigkeit einer Änderung des einzigen Antrages in der mündlichen Verhandlung (ja)
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
G 0010/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 0 845 053 in geänderter Form Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das Patent in vollem Umfang im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ, wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit von der Einsprechenden angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung ließ den neu vorgebrachten Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit des Gegenstands von Anspruch 9 zu und befand, dass D7 nicht neuheitsschädlich sei. Der Gegenstand von Anspruch 9 des Hauptantrags beruhe aber auf keiner erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Lehre von D7. Die Einspruchsabteilung befand weiters, dass der Gegenstand von Anspruch 9 des Hilfsantrags, ebenso wie die Verfahren gemäß den unabhängigen Ansprüchen 1 und 4 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, da eine Kombination von D7 mit D4 oder D3 nicht zu Anspruch 9 führt bzw. weder eine Kombination von D1 mit D4, D5 oder D6, bzw. von D7, D5 oder D3 mit D1 zu den Gegenständen der Ansprüche 1 und 4 führt.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2007, als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung vor der Kammer, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung im Hinblick auf die unabhängigen Ansprüche 1, 4 und 9 des Hilfsantrages vom 27. April 2004 mit.

Anspruch 9 schien danach die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) sowie von Artikel 54 EPÜ zu erfüllen.

Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit schienen die Dokumente D3, D5, D7 und auch D6 als nächstkommender Stand der Technik erachtet werden zu können, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Kriterien gemäß der ständigen Rechtsprechung bezüglich der Bestimmung des nächstliegenden Standes der Technik zu berücksichtigen seien. Ausgehend vom nächstkommenden Stand der Technik werde dann die mit den Gegenständen der Ansprüche 1, 4 und 9 zu lösenden Aufgaben unter Berücksichtigung der jeweiligen Unterscheidungsmerkmale zu definieren sein.

Dabei merkte die Kammer an, dass es im Hinblick auf die Verfahrensansprüche 1 und 4 für den Fachmann mehrere Lösungsmöglichkeiten zu geben scheine, wie er die gewünschten Multikomponenten, insbesondere Carbonitrid-hartstoffschichten mittels CVD-Verfahren herstellen könne. Es werde daher zu diskutieren sein, ob sich die beanspruchten Lösungen gemäß den Ansprüchen 1 und 4 in naheliegender Weise ergeben, oder nicht.

Betreffend das Argument der Beschwerdegegnerin bezüglich des Produktanspruches 9, dass die quaternäre (Ti,Zr)(C,N) Schicht "überraschend" einphasig gewesen sei, wobei allerdings in D7 einphasige quaternäre (Ti,Hf)(C,N) offenbart werden, stelle sich die Frage, ob der Fachmann nicht angenommen hätte, dass die analogen (Ti,Zr)(C,N) Verbindungen aufgrund der Ähnlichkeit der Atomradien von Zr (1.60 Angstrom) und Hf (1.58 Angstrom) ebenfalls einphasig seien. Derzeit sei nicht ersichtlich, dass diese bestimmte quaternäre Verbindung nur mit den im Streitpatent beanspruchten Verfahren einphasig herstellbar sei.

Der Vollständigkeit wegen wurde darauf hingewiesen, dass sowohl das Merkmal der "Einphasigkeit" des zwei Metalle enthaltenden Metallcarbonitrids, als auch die Abscheidung der Schicht mittels CVD-Verfahrens (mit oder ohne Plasma) im Oberbegriff von Anspruch 9 enthalten sind.

Bezüglich D7 wurde ausgeführt, dass dort beschrieben werde, dass mit dem beanspruchten CVD-Verfahren (einphasige) feste Lösungen u.a. von quaternärem (Hf,Ti)(C,N) erhalten werden (siehe Spalte 11, Zeilen 19 bis 27; Spalte 9, Zeilen 13 bis 26; Ansprüche 2, 9 und 15). Es werde daher zu prüfen sein, inwieweit Zweifel der Beschwerdegegnerin betreffend den Erhalt einphasiger fester Lösungen gemäß dem Stand der Technik zu berücksichtigen seien.

Betreffend das Streitpatent wurde angemerkt, dass dort ausgeführt sei, dass die ZrCN-Schicht bei der Nacharbeitung des Verfahrens gemäß der DE-A1-25 05 009 (welche ein Patentfamilienmitglied der D1 darstellt) nicht herstellbar sei (siehe Paragraph [0006]). Dies erscheine überraschend, da die im Beispiel 14 der D1 offenbarte Temperatur von 1100ºC bzw. die angegebene Atmosphäre von 97% Wasserstoff, 1% ZrCl4 und 2% Acetonitril bei einem Druck von 720 Torr (~ 96 kPA) vom Anspruch 1 umfasst zu sein scheinen. Es könne daher zweckdienlich sein, die dieser Aussage zugrunde liegenden Versuche vorzulegen, um eventuell das im Streitpatent angesprochene Vorurteil zu belegen.

D3 offenbare allgemein die Herstellung einer (Ti,Zr)(C,N) Schicht mittels "üblicher" CVD-Verfahren. Daher scheine es im Rahmen fachmännischen Handelns zu liegen, ein bekanntes und "übliches" Verfahren wie z.B. jenes nach D7 anzuwenden, mit dem (einphasige) quaternäre Carbonitridschichten herstellbar seien.

Nach der vorläufigen Auffassung der Kammer werde daher zu diskutieren sein, ob der Fachmann - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Hf und Zr und deren jeweils analoge Verbindungen sehr ähnliche chemische Eigenschaften haben und der Aussage in D7, dass die entsprechende (Ti,Hf)(C,N) Verbindung abgeschieden werden kann - aufgrund des Hinweises in D3 bezüglich der Abscheidung von (Ti,Zr)(C,N) mittels üblicher CVD-Verfahren erwarten konnte, dass auch die entsprechende Zr-Verbindung herstellbar ist und somit zu einphasigen (TixZr1-x)(CyN1-y) Schichten entsprechend der Definition von Anspruch 9 gelangt wäre.

II. Mit Schreiben vom 13. April 2007 reichte die Beschwerdegegnerin einen geänderten Patentanspruch 9 ein und beantragte, das Patent auf der Basis der Patentansprüche 1 bis 8 und 10 gemäß Anlage 3 der angefochtenen Entscheidung sowie dem beiliegenden Anspruch 9 und der während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren eingereichten Beschreibung und Zeichnungen aufrecht zu erhalten. Zusätzlich wurden weitere Argumente im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit zusammen mit den Dokumenten D18 (= 14th International Plansee Seminar '97, Plansee Proceedings, Vol. 3, Hard and Ultrahard Coatings, H. Westphal et al.,"Neue Hartstoffbeschichtungen auf Basis der Carbonitride von Titan und Zirkon", Seiten 54-63) und D19 (= Bild 1 von Seite 56 gemäß D18 mit handschriftlich eingetragenem thermodynamischen Potential des HfCl4) eingereicht.

Die Beschwerdeführerin nahm zu der Mitteilung der Kammer nicht Stellung.

III. Am 15. Mai 2007 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

a) Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

b) Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents gemäß dem einzigen Antrag auf der Basis der Ansprüche 1 bis 8 und 10, wie während der mündlichen Verhandlung eingereicht und des Anspruchs 9, gemäß der Eingabe vom 13. April 2007.

IV. Der Entscheidung liegen die folgenden Dokumente zugrunde:

D1 = GB-1 489 102

D6 = US-A-3 854 991

D7 = US-A-4 269 899

D10 = WO-A-94 12682

D14 = Bonetti, R.S. et al., "CVD of Titanium Carbonitride at Moderate Temperature: Properties and Applications", Metal Powder Report, Vol. 45, Nr. 12, Dezember 1990, Seiten 837-840

D15 = König, U., "Deposition and Properties of Multicomponent Hard Coatings", Surface and Coatings Technology, 33(1987), Seiten 91-103

D17 = H. Holleck, Binäre und ternäre Carbide und Nitride der Übergangsmetalle und ihre Phasenbeziehungen, Kernforschungszentrum Karlsruhe, KfK 3087 B, Januar 1981, Seiten 27, 51, 139 und 140

D20 = Physical Chemistry, W. J. Moore, 4. Auflage, Seite 151 (während der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2007 eingereicht)

V. Die Ansprüche 1, 4 und 9 gemäß dem einzigen Antrag lauten wie folgt (Bemerkungen von der Kammer eingefügt):

"1. Verfahren zur Herstellung von einphasigen Multikomponenten-, insbesondere quaternären, Carbonitrid-Hartstoffschichten mit mindestens zwei Metallen aus der Gruppe Ti, Zr, Hf,, [sic] dadurch gekennzeichnet, daß die Hartstoffschichten mittels CVD aufgetragen werden, wobei die Gasphase bei einer Reaktionstemperatur zwischen 700ºC und 1100ºC und vorzugsweise bei Drücken zwischen 5 kPa und 100 kPa, neben H2 und/oder Ar sowie Chloriden der obengenannten Metalle auch Kohlenstoff- und Stickstoff-Donatoren enthält, die eine Cyanid-Molekülgruppe aufweisen."

"4. Verfahren zur Herstellung von einphasigen Multikomponenten-, insbesondere quaternären, Carbonitrid-Hartstoffschichten mit mindestens zwei Metallen aus der Gruppe Ti, Zr, Hf,, [sic] vorzugsweise aus der IVa- oder Va-Gruppe des Periodensystems durch plasmaaktiviertes CVD auf einem Grundkörper aus einem Hartmetall, Cermet, Stahl oder einer Keramik, dadurch gekennzeichnet, daß die reaktive Gasatmosphäre bei der eingestellten Reaktionstemperatur neben Wasserstoff, Argon, zwei oder mehr unterschiedlichen Chloriden der genannten Metalle auch ionisierte und/oder nicht ionisierte Kohlenstoff-Stickstoff-Donatoren mit Dreifachbindungen enthält, wobei der Abstand der Bindung zwischen dem Kohlenstoff und dem Stickstoff bei Raumtemperatur zwischen 0,114 und 0,118 nm liegt."

"9. Verbundkörper, bestehend aus einem Hartmetall-, Cermet-, Stahl- oder Keramik-Substratkörper und mindestens einer Metallcarbonitrid-Hartstoffschicht, die durch ein CVD-Verfahren oder ein plasmaaktiviertes CVD-Verfahren abgeschieden worden ist, und bei der das Metall die zwei Elemente Ti und Zr enthält, dadurch gekennzeichnet, daß die abgeschiedene Schicht einphasig ist und die Zusammensetzung (TixZr1-x)(CyN1-y) mit 0,4<x<0,95 und 0,2<y<0,9 mit einer kubisch flächenzentrierten Gitterstruktur aufweist, deren Gitterkonstante im Bereich zwischen 0,430 und 0,455 liegt."

VI. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die Neuheit von Anspruch 9 werde nicht mehr bestritten.

Die Einphasigkeit sei bisher nicht als implizites Merkmal der Verfahrensansprüche 1 und 4 angesprochen worden, die aufgrund der Ausführungsbeispiele 4 und 9 offensichtlich auch nicht einphasige quaternäre Schichten umfassten. Somit seien für die geänderten Ansprüche 1 und 4 alle Patentierungserfordernisse zu prüfen, insbesondere auch die Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ). Es bestünden Bedenken gegenüber der Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass alle von D1 offenbarten und von den Ansprüchen 1 und 4 umfassten Cyanid-Donatoren tatsächlich zu einphasigen Schichten führten, da alle Ausführungsbeispiele des Streitpatents nur mit Acetonitril als Cyanid-Donator gemacht wurden. Zumindest eine Alternative fehle, weshalb ohne Vorliegen entsprechender Versuche die neuen Ansprüche 1 und 4 nicht zugelassen werden sollten.

Unter dem Begriff "feste Lösungen" würden vom Fachmann üblicherweise "substitutional solid solutions" oder "interstitional solid solutions" verstanden (siehe D20, Seite 151), wobei bei den beanspruchten Carbonitridschichten eine statistische Substitution von z.B. Ti durch Zr vorliegt. Das bedeute aber im Gegensatz zu den Ausführungen der Beschwerdegegnerin, dass nur eine einzige Phase vorliege. Es sei daher nicht schlüssig, dass die mit den beanspruchten Verfahren herstellbaren quaternären Verbindungen erstmalig einphasig wären, siehe z.B. D6 oder D7, die feste Lösungen von (Zr,Hf)(C,N) bzw. (Ti,Hf)(C,N) offenbarten. Im Übrigen sei aufgrund der Figur 2 von D7 nicht erkennbar, dass eine mehrphasige quaternäre Schicht vorliege, da eine Röntgenbeugungsuntersuchung notwendig sei, um dies festzustellen. D17 könne ein Vorurteil betreffend mehrphasige quaternäre Carbonitride - wonach bei der CVD-Abscheidung von Carbonitriden der Übergangsmetalle keine einphasigen quaternären Carbonitride erhalten würden - nicht stützen, da es nur ternäre Carbide betreffe. Außerdem sei D17, das nur auszugsweise eingereicht wurde, eine rein thermodynamische Betrachtung ohne Relevanz für die dynamische Abscheidung beim CVD-Verfahren, bei dem die Reaktionsteilnehmer bzw. Reaktionsprodukte ständig abgeführt würden. Im Übrigen spiele auch die Kinetik eine Rolle, da metastabile Phasen entstehen könnten. Auch D15 zeige, dass in den schraffierten Bereichen der, dort als Nebengruppen IVb bis VIb bezeichneten, metallischen Elemente Ti, Zr, Hf, V, Nb und Cr eine völlige oder teilweise Mischbarkeit der Nitride vorliege, so dass einphasige ternäre Nitride mit kubischer B1 Struktur existierten (siehe Seite 96, erster Absatz und Figur 8).

D6 werde als nächstkommender Stand der Technik betrachtet, das die Abscheidung einer (Zr,Hf)(C,N) Schicht auf Hartmetallsubstraten in Form einer festen Lösung mittels eines CVD-Verfahrens ausgehend von den Metallchloriden in Gegenwart von Wasserstoff, Stickstoff und Methan offenbare, wobei allgemein bei Substrattemperaturen von 1000-1300ºC gearbeitet werden solle bzw. gemäß den Beispielen die Beschichtungen bei Temperaturen von 1000-1170ºC hergestellt wurden (siehe Spalte 2, Zeilen 3 bis 11 und Zeilen 39 bis 46; Spalte 6, Zeilen 15 bis 22). Diese feste Lösung nach D6 sei eine einphasige Carbonitrid-Schicht, so dass sich das Verfahren nach Anspruch 1 nur durch die Verwendung des C-N-Donators mit einer Cyanidgruppe von jenem nach D6 unterscheide. Das Verfahren von Anspruch 4 unterscheide sich gegenüber jenem nach D6 zusätzlich durch die vorhandene Plasmaaktivierung. Eine Plasmaaktivierung bei CVD-Verfahren sei aber eine für den Fachmann übliche Maßnahme, z.B. um empfindlichere Substrate beschichten zu können. Sowohl D1 (siehe Seite 2, Zeile 12 bis Seite 5, Zeile 14; Beispiele 1 bis 46) als auch D14 (siehe Seite 837, linke Spalte, erster Absatz bis rechte Spalte, dritter Absatz) offenbarten CVD-Verfahren zur Abscheidung von Carbonitriden unter Verwendung von Cyanidverbindungen als C-N-Donatoren, insbesondere von Acetonitril, welche die Abscheidungsgeschwindigkeiten erhöhten und mit denen glattere Schichten erhalten würden (siehe D1, Seite 2, Zeilen 12 bis 22). D1 offenbart außerdem die Plasmaunterstützung bei der Abscheidung (siehe Seite 5, Zeilen 25 bis 29). Der Fachmann würde daher, wenn er die Aufgabe lösen solle, die Abscheidegeschwindigkeit der CVD-Abscheidung der (Zr,Hf)(C,N) Schicht zu erhöhen und glattere Carbonitridschichten zu erzielen, die Lehren der Dokumente D6 mit D1 bzw. mit D14 kombinieren. Damit könne der Fachmann die Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 und 4 in naheliegender Weise herleiten. Den Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 und 4 mangele es daher an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die Änderung der Ansprüche 1 und 4 in der erteilten Form sei durch die Argumentation bezüglich der Einphasigkeit der Multimetallcarbonitrid-Schichten im Hinblick auf eine mangelnde erfinderische Tätigkeit hervorgerufen worden, da die Ansprüche 1 und 4 kein entsprechendes Merkmal enthielten. Außerdem sollen die Ansprüche auch gegenüber D10 abgegrenzt werden, da dies ein Amin (d.h. eine Molekülgruppe mit einer C-N-Einfachbindung) als C-N-Donator offenbare, das allerdings keine einphasige Carbonitrid-Schicht hervorrufe. Die Änderungen der Ansprüche 1 und 4 gemäß neuem Antrag sollten daher ins Verfahren zugelassen werden.

Die Basis für die Änderungen der Ansprüche 1 und 4 sei z.B. Seite 2, Zeilen 52 bis 57 und Seite 3, Zeilen 53 bis 55 des Patents, so dass die Erfordernisse von Artikel 123(2) und (3) EPÜ erfüllt seien.

Die Einphasigkeit der Multikomponenten nach den Ansprüchen 1 und 4 ergebe sich aufgrund der Verwendung einer Cyanidgruppe als C-N-Donator. Im Übrigen erwähne das Patent zum Acetonitril alternative Cyanidverbindungen, wie z.B. H-C?N, H2N-C?N, N?C-C?N und HC?C-C?N (siehe Seite 3, Zeilen 14 bis 17 sowie Zeilen 43 bis 46). Es sei nicht möglich für alle denkbaren Cyanidverbindungen Beispiele vorzulegen. Die Ausführbarkeit zum Erhalt der einphasigen Carbonitride sei für die nunmehr beanspruchten mindestens zwei Metalle aus der Gruppe Ti, Zr, Hf mit den Beispielen des Streitpatents nachgewiesen. Deshalb erfüllten die Ansprüche 1 und 4 die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ.

Die Verfahren gemäß den unabhängigen Ansprüchen 1 und 4 beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Für den Fachmann impliziere der Begriff "feste Lösung" gemäß D7 nicht, dass eine einzige Phase vorliege. Im angelsächsischen Bereich werde dieser Begriff "feste Lösung" z.B. auch für Stähle verwendet, die mit Sicherheit mehrere Phasen aufweisen. Die quaternäre Schicht gemäß Figur 2 von D7 sei nicht einphasig. Zur exakten Bestimmung sei allerdings eine Röntgenbeugungsanalyse notwendig. Auch D15 zeige, dass mehrphasige ternäre Nitride existieren (siehe Seite 96) während D17 zeige, dass im ternären System (Ti,Zr)C bei 1000ºC eine Mischungslücke existiere, so dass im Bereich von etwa 5 bis ca. 85 Mol.% ZrC die Phasen (Ti,Zr)C und (Zr,Ti)C im thermodynamischen Gleichgewicht mit verschiedenen Gitterkonstanten vorlägen. Dem Fachmann sei klar, dass diese Mischungslücke auch noch im quaternären System mit Stickstoff vorhanden sei. Mit dem Streitpatent seien erstmalig mittels CVD-, oder PCVD-Verfahren einphasige quaternäre Carbonitride hergestellt worden. Dies sei nicht nahe liegend, da die Abscheidung von Zr im Vergleich zu Ti thermodynamisch benachteiligt sei (siehe D18, Seite 56, Bild 1).

Die zitierten Dokumente D1 (aus 1975) und D14 (aus 1990) beträfen nur die Einkomponentenabscheidung mit Acetonitril, nicht aber eine Multikomponentenabscheidung. Somit sei über 20 Jahre lang die Lehre von D1 nicht zur Abscheidung von quaternären Metallcarbonitriden der Art (Me1,Me2)(C,N) verwendet worden. Die Argumentation der Beschwerdeführerin basiere daher auf einer ex-post-facto Betrachtung, insbesondere da weder D1 noch D14 irgendeinen Hinweis auf den Erhalt einer einphasigen Carbonitrid-Schicht mit mindestens zwei Metallen gebe. D6 offenbare lediglich die Einkomponentenabscheidung, aber keine Abscheidung von zwei Metallen, insbesondere nicht mit einer einphasigen Schicht. Der Fachmann hatte daher keinen Grund, die Dokumente D6 mit D1 oder D14 zu kombinieren, um zu einphasigen quaternären Carbonitridbeschichtungen zu kommen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Änderung des einzigen Antrags

1.1 Die Änderung des einzigen Antrags wurde von der Beschwerdegegnerin erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragt und beruhte auf einer Änderung der unabhängigen Verfahrensansprüche 1 und 4.

1.2 Der Anlass für diese geänderten Verfahrensansprüche 1 und 4 war die Argumentationslinie der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren im Hinblick auf erfinderische Tätigkeit, nämlich dass mit den beanspruchten Verfahren einphasige Multikomponenten-Carbonitride abgeschieden werden. Diesbezüglich war in der mündlichen Verhandlung seitens der Kammer darauf hingewiesen worden, dass die Verfahrensansprüche 1 und 4 in der erteilten Fassung kein derartiges begrenzendes Merkmal aufwiesen. Bezüglich des Produktanspruches 9 war von der Beschwerdegegnerin bereits im Einspruchsverfahren entsprechend argumentiert worden (siehe angefochtene Entscheidung, Entscheidungsgründe, Seite 2, zweiter Absatz). Im Übrigen sollte durch diese Anspruchsänderungen auch das Dokument D10, das die Abscheidung von Carbonitriden von Ti und/oder Zr unter Verwendung von Aminen (d.h. ein Molekül mit einer C-N-Einfachbindung) als stickstoffhaltigen Verbindungen offenbart (siehe Seite 2, Zeilen 16 bis 19; und Anspruch 10), berücksichtigt werden.

1.3 Deshalb beschränkte die Beschwerdegegnerin die erteilten Verfahrensansprüche 1 und 4 auf Cyanid-Molekülgruppen als C-N-Donatoren und auf die daraus resultierenden einphasigen Multikomponenten-Carbonitridschichten der Metalle Ti, Zr und Hf. Die zusätzliche Beschränkung auf die Metalle Ti, Zr und Hf erfolgte dabei im Hinblick auf einen Einwand der Beschwerdeführerin betreffend die Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) der beanspruchten Verfahren.

1.4 Da diese Argumentationslinie (siehe Punkt 1.2 oben) von der Beschwerdegegnerin bereits im schriftlichen Verfahren erwähnt worden war und nicht erstmalig in der mündlichen Verhandlung angesprochen wurde, ist die Beschwerdeführerin von dieser Änderung nicht überrascht worden.

1.4.1 Seitens der Beschwerdeführerin wurde ursprünglich diesbezüglich bezweifelt, dass bei allen möglichen Kombinationen der genannten Metalle der Gruppen IVa bis VIa des Periodensystems tatsächlich eine Einphasigkeit der abgeschiedenen Carbonitrid-Hartstoffschicht erreicht werden könne. Bei einer Abscheidung von Elementen verschiedener Nebengruppen, wie z.B. von Wolfram mit Titan, wurde die erreichbare Einphasigkeit in Frage gestellt, insbesondere auch deswegen, weil es für diese Metallkombinationen keinerlei Ausführungsbeispiele im Streitpatent gibt. Ausführungsbeispiele sind nur für Metalle der Nebengruppe IVa gegeben, deren Metalle ähnliche chemische Eigenschaften wie z.B. den Atomradius, die Elektronenkonfiguration etc. aufweisen. Diesen Bedenken wurde dadurch Rechnung getragen, dass in den unabhängigen Verfahrensansprüchen 1 und 4 die Metalle auf jene der Gruppe IVa begrenzt wurden.

1.4.2 Die Bedenken der Beschwerdeführerin unter Artikel 83 EPÜ bezüglich der großen Vielfalt an möglichen Cyanidverbindungen (wie z.B. in D1 gemäß den Formeln I und II offenbart), für die es ebenfalls keine Ausführungsbeispiele im Streitpatent gibt und die nicht notwendiger Weise eine Einphasigkeit der abgeschiedenen Carbonitrid-Schicht bedingen müssen, werden von der Kammer nicht geteilt. Einerseits offenbart das Streitpatent in der Beschreibung nämlich alternative Verbindungen für das in allen Ausführungsbeispielen verwendete Acetonitril (siehe z.B. Seite 3, Zeilen 14 und 15), von diesen Verbindungen ist aufgrund ihrer ähnlichen einfachen chemischen Struktur ein im Vergleich zum Acetonitril analoges Verhalten bei deren Verwendung in CVD-Verfahren bzw. PCVD-Verfahren zu erwarten. Im Übrigen ist es im vorliegenden Fall glaubhaft bzw. plausibel, dass die zum bevorzugten Acetonitril im Streitpatent angegebenen alternativen Verbindungen mit einer Cyanidgruppe (siehe Seite 3, Zeilen 14 bis 17 sowie Zeilen 43 bis 46) bei deren Verwendung im beanspruchten Verfahren ebenfalls das behauptete Ergebnis liefern.

1.4.3 Die Kammer ist deshalb der Ansicht, dass das Streitpatent ausreichende Informationen bzw. Ausführungsbeispiele enthält, um die Verfahren gemäß den geänderten Ansprüchen 1 und 4 ausführen zu können. Die Ansprüche 1 und 4 erfüllen daher die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ.

1.5 Weitere Ausführungen im Hinblick auf die Artikel 83 sowie 123 (2) und (3) EPÜ sind nicht erforderlich, da die Ansprüche, wie im Weiteren dargelegt wird, mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar sind.

1.6 Andererseits wurde die Beschwerdeführerin durch die erst in der mündlichen Verhandlung vorgeschlagenen Änderungen der Ansprüche 1 und 4, insbesondere der Einphasigkeit der Multikomponenten Carbonitridschichten, mit einem neuen Problem bezüglich der Ausführbarkeit konfrontiert, das aufgrund der schriftlichen Vorträge beider Parteien nicht zu erwarten war. Die Ansprüche 1 und 4 in der erteilten Form umfassten nämlich auch die Ausführungsbeispiele 4 und 9, bei denen aufgrund der Verwendung von Methylamin als C-N-Donator nach Aussage des Experten der Beschwerdegegnerin keine einphasige quaternäre Carbonitrid-Schicht erhalten wird.

Bezüglich der Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass die geänderten Ansprüche 1 und 4 nicht auf die Erfordernisse von Artikel 83 zu prüfen seien, da mit dem Einspruch der Einspruchsgrund unter Artikel 100b) EPÜ nicht geltend gemacht wurde, verweist die Kammer auf die ständige Rechtsprechung, wonach Änderungen an Ansprüchen im Einspruchs- bzw. Beschwerdeverfahren auf alle Erfordernisse des EPÜ - insoweit auf den Änderungen beruhend - zu prüfen sind (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 5. Auflage 2006, Kapitel VII.C.6.2 und Kapitel VIII.D.6.3.1a), siehe G 9/91, ABl. EPA 1993, 408, Entscheidungsgründe Punkt 19; G 10/91, ABl. EPA 1993, 420).

1.7 Aus diesen Gründen läßt die Kammer die Änderungen der Ansprüche 1 und 4 innerhalb des einzigen Antrags, unter Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 10b(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, ins Verfahren zu.

2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Verfahren der Ansprüche 1 und 4 sind unstrittig neu (Artikel 54 EPÜ). Der Einspruchsgrund mangelnder Neuheit war im Übrigen nur bezüglich des Produktanspruchs 9 in der erteilten Form geltend gemacht und von der Einspruchsabteilung berücksichtigt worden.

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Anspruch 1

3.1 Die Parteien stimmten darin überein, dass von dem Dokument D6 als nächstkommendem Stand der Technik ausgegangen werden kann, da es die Abscheidung einer (Zr,Hf)(C,N) Schicht auf Hartmetallsubstraten in Form einer festen Lösung mittels eines CVD-Verfahrens ausgehend von den Metallchloriden in Gegenwart von Wasserstoff, Stickstoff und Methan offenbart. Gemäß D6 soll allgemein bei Substrattemperaturen von 1000-1300ºC gearbeitet werden bzw. gemäß den Beispielen wurden die Beschichtungen bei Temperaturen von 1000-1170ºC hergestellt (siehe Spalte 2, Zeilen 3 bis 11 und Zeilen 39 bis 46; Spalte 6, Zeilen 15 bis 22). Stickstoff und Methan stellen somit die C-N-Donatoren gemäß D6 dar.

3.1.1 Bezüglich des Merkmals Einphasigkeit offenbart D6 eine feste Lösung von (Zr,Hf)(C,N). Für diese wird angegeben, dass mit derartig beschichteten Hartmetallschneidplättchen ein ausgezeichnetes Schneidverhalten von Metallen erreicht wurde, wenn die Gitterkonstante - die vom Zr:Hf-Verhältnis und vom C:N-Verhältnis beeinflusst wird - innerhalb des angestrebten Bereiches für reines Hafniumcarbonitrid, d.h. im Bereich von 4,570 bis 4,630 Angström lag; für das Zirkoniumcarbonitrid ist ein Bereich der Gitterkonstante von 4,600 bis 4,620 Angström angegeben, der mittels Röntgenstrahlbeugung bestimmt wurde (siehe Spalte 6, Zeilen 22 bis 31; Zusammenfassung und Anspruch 1). Da somit für die feste Lösung des quaternären (Zr,Hf)(C,N) nur eine Gitterkonstante, und zwar dieselbe wie für das rein ternäre Hf(C,N) angegeben wird, ist davon auszugehen, dass diese quaternäre (Zr,Hf)(C,N) Schicht eine einphasige Schicht im Sinne von Anspruch 1 ist. Damit ist auch das Merkmal der Einphasigkeit aus D6 bekannt.

3.1.2 Zu diesem Ergebnis führt auch eine Berücksichtigung der Figur 8 der D15, nach der die schraffierten Bereiche der binären Nitride von Zr und Hf eine völlige (oder zumindest teilweise) Mischbarkeit aufweisen, wobei aufgrund der geringen Unterschiede der Atomradien bzw. Ionenradien von Zr (Atomradius 1.60 Angström bzw. Ionenradius 0,80 [4+] Angström) und von Hf (1.58 bzw. 0,81 [4+] Angström) für den Fachmann eine völlige Mischbarkeit dieser beiden Nitride zu erwarten ist. Eine derartige Mischbarkeit impliziert gemäß D15, dass einphasige ternäre Nitride der Elemente gemäß den schraffierten Bereichen mit kubischer B1 Struktur existieren. Dies impliziert weiters, dass auch die einphasigen quaternären Carbonitride existieren müssen. Diese völlige Mischbarkeit zeigt sich dann auch in den sich weitestgehend überlappenden Werten der Gitterkonstanten für das reine Zr- bzw. reine Hf-Carbonitrid gemäß D6.

3.1.3 Die Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass der Begriff "feste Lösung" nicht das Vorliegen einer einzigen homogenen Phase impliziere, weil dieser Begriff im angelsächsischen Bereich auch für Stähle verwendet werde, die mit Sicherheit mehrere Phasen wie z.B. Ferrit und Austenit aufweisen, ist nicht belegt worden. Insbesondere fehlt ein Nachweis dafür, dass diese von den allgemeinen Definitionen für feste Lösungen gemäß dem Lehrbuch D20 (siehe Seite 151) abweichende und angeblich im Angelsächsischen für Stahl übliche Interpretation auch für die Hartstoffe, wie die vorliegenden Carbonitridschichten, Gültigkeit hat. Das Lehrbuch D20 offenbart die zwei bekannten Typen der festen Lösungen, die im Bereich der Legierungen normalerweise als Mischkristallbildung bezeichnet wird (bei vollständiger Löslichkeit der beiden Elemente, z.B. Cu-Ni, bilden sich im festen Zustand bei jeder Zusammensetzung Mischkristalle). Somit gibt es die Substitutions-Mischkristallbildung (z.B. im System Cu-Ni) und die Einlagerungs-Mischkristallbildung (z.B. Austenit im System Fe-C) die gemäß D20 als entsprechende substitutionsfeste Lösung bzw. einlagerungsfeste Lösung

bezeichnet werden. Derartige feste Lösungen haben normalerweise eine homogene Phase mit variabler Zusammensetzung.

3.1.4 Auch den Behauptungen der Beschwerdegegnerin, dass die quaternären Schichten gemäß Figur 2 von D7 bzw. die (Zr,Hf)(C,N)-Schicht gemäß D6 nicht einphasig wären, mangelt es an den entsprechenden Nachweisen, beispielsweise durch die Vorlage der Ergebnisse einer Röntgenbeugungsanalyse dieser Schichten.

3.2 Somit unterscheidet sich das CVD-Verfahren gemäß Anspruch 1 nur durch die Verwendung des C-N-Donators mit einer Cyanidgruppe von jenem nach D6.

Die Verwendung einer Cyanid-Verbindung, insbesondere Acetonitril, ergibt Schichten mit besonderes niedriger Oberflächenrauhigkeit bzw. hoher Glätte und erhöht die Abscheideraten (siehe Streitpatent, Seite 2, Zeilen 8 bis 11 und Seite 4, Zeilen 17 bis 20).

3.3 Aufgabe

Ausgehend vom CVD-Verfahren nach D6 kann die für den Fachmann zu lösende technische Aufgabe somit darin gesehen werden, ein CVD-Verfahren zur Abscheidung der einphasigen quaternären (Zr,Hf)(C,N) Schicht anzugeben, welches eine höhere Abscheiderate aufweist und das glattere Schichten ergibt (vgl. Patent, Seite 2, Zeilen 42 bis 49).

3.4 Lösung der Aufgabe

Die Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 dadurch gelöst, dass eine Cyanid-Verbindung als C-N-Donator verwendet wird.

3.5 Die Lösung dieser Aufgabe wird durch den Stand der Technik aus folgenden Gründen nahegelegt.

3.6 D1 offenbart allgemein die Beschichtung anorganischer Substrate mit Carbiden, Nitriden und/oder Carbonitriden (siehe Seite 1, Zeilen 5 bis 7) bzw. beansprucht ein Verfahren zum Herstellen einer Nitrid, Carbonitrid und/oder Carbid Beschichtung auf einem anorganischen Substrat, in dem es zu einer direkten thermischen Reaktion zwischen a) zumindest einem von Eisen, Bor, Silizium, oder einem Übergangsmetall der Nebengruppen 4b-6b des Periodensystems, oder einer Verbindung davon, und b) einer Quelle von Kohlenstoff und Stickstoff enthaltend mindestens eine Verbindung aus den Formeln I oder II, mit den angegebenen Resten handelt (siehe Anspruch 1). Nach diesen Passagen können somit nach D1 auch mehrere Metalle gleichzeitig abgeschieden werden. Dem Fachmann wird daher selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass gemäß den 48 Beispielen von D1 nur Einkomponentenhartstoffe abgeschieden werden, durch D1 nicht an der Abscheidung von quaternären Metallcarbonitriden der Art (Me1,Me2)(C,N) gehindert. Die Beschwerdegegnerin hat auch diesbezüglich nichts nachgewiesen, was den Fachmann abhalten würde.

D1 offenbart im Hinblick auf Anspruch 1 ein CVD-Verfahren zur Abscheidung von Carbonitriden unter Verwendung von Cyanidverbindungen als C-N-Donatoren, insbesondere von Acetonitril, welche die Abscheidungsgeschwindigkeiten erhöhen und mit denen glattere Schichten erhalten werden, wobei die Abscheidung generell im Bereich von ca. 500ºC bis 1800ºC, bevorzugt zwischen 800ºC bis 1500ºC erfolgt und die Gasmischung Wasserstoff und optional auch Argon enthalten kann (siehe D1, Seite 2, Zeilen 12 bis 19; Seite 5, Zeilen 6 bis 14). D1 offenbart außerdem die Plasmaunterstützung bei der Abscheidung (siehe Seite 5, Zeilen 25 bis 29). Unter den als für das Verfahren geeigneten Metallen der Übergangsmetalle der Gruppen 4-6 des Periodensystems befinden sich auch Ti, Zr und Hf, wobei die meisten Ausführungsbeispiele mit Ti gemacht wurden, während es nur das Beispiel 14 mit Zr gibt (siehe Seite 4, Zeilen 30 bis 34; siehe Beispiele 1, 3-11, 14-34 und 42-48).

3.6.1 Somit ist im Hinblick auf die in Punkt 3.3 angesprochene technische Aufgabe in D1 eine Erhöhung der Abscheideraten bzw. der Erzeugung einer glatteren Oberfläche der abgeschiedenen Schichten ausdrücklich angesprochen. Um diese Wirkung zu erreichen schlägt D1 die Verwendung von organischen Molekülen mit einer C?N-Gruppe als C-N-Donator gemäß den Strukturformeln I und II vor (siehe D1, Seite 2, Zeilen 12 bis 19).

Der Fachmann würde daher ausgehend von D6 zur Lösung der genannten Aufgabe, die Abscheidegeschwindigkeit der CVD-Abscheidung der (Zr,Hf)(C,N) Schicht zu erhöhen und glattere Carbonitridschichten zu erzielen, das Dokument D1 berücksichtigen und deshalb organische Moleküle mit einer Cyanidgruppe als C-N-Donator verwenden.

3.6.2 Damit leitet der Fachmann aber das Verfahren gemäß Anspruch 1 in naheliegender Weise durch die Kombination von D6 mit D1 her. Dem Verfahren gemäß Anspruch 1 mangelt es daher an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit.

3.7 Nach der Beschwerdegegnerin hätte ein Vorurteil den Fachmann davon abgehalten, quaternäre Carbonitride von Ti und Zr bzw. von Ti und Hf abzuscheiden.

Die Kammer kann dieser Argumentation aus den folgenden Gründen nicht folgen.

Erstens hat die Beschwerdegegnerin trotz Hinweises in der Mitteilung zur Ladung keine entsprechenden Versuchsberichte vorgelegt, die belegen könnten, dass die CVD-Abscheidung ausgehend von den Metallchloriden unter Verwendung von Methan und Stickstoff als C-N-Donatoren aufgrund der thermodynamischen Benachteiligung des Zirkoniumtetrachlorids gegenüber dem Titantetrachlorids nicht zur Bildung quaternärer Ti-Zr-Carbonitride führt. Das von der Beschwerdegegnerin diesbezüglich eingereichte nachveröffentlichte Dokument D18 wiederholt lediglich die allgemeinen Aussagen des Streitpatents ohne diesbezüglichen Nachweis. Andererseits wurde gemäß dem Ausführungsbeispiel 1 des Streitpatents eine Schicht aus Ti(C,N) erhalten, deren Zr-Gehalt mit kleiner als 1% angegeben wird (siehe Streitpatent, Seite 5, Zeilen 6 bis 16). Somit scheint das Beispiel 1 des Streitpatents zu einem quaternären Carbonitrid, das allerdings weniger als 1% Zr und mehr als 99% Ti (als Rest auf 100%) aufweist, zu führen. Somit war es mit dem bekannten CVD-Verfahren lediglich nicht möglich, quaternäre Carbonitride mit jedem gewünschten Ti:Zr-Verhältnis herzustellen.

Zweitens wäre dieses - nicht belegte - Vorurteil nur für die Abscheidung der Kombinationen Ti-Zr und Ti-Hf relevant, da dieses behauptete Vorurteil aufgrund der sehr ähnlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften der beiden Chloride von Zr und Hf für die Abscheidung des quaternären Zr-Hf-Carbonitrids keine Rolle spielt, wie durch das entsprechende Beschichtungsergebnis der festen Lösung gemäß D6 bewiesen wird.

3.8 Auch die von der Beschwerdegegnerin bezüglich der Einphasigkeit bzw. der festen Lösungen vorgebrachten Argumente können, mit Ausnahme der Aussage, dass die Einphasigkeit nur mittels Röntgenbeugung eindeutig bestimmbar ist, von der Kammer nicht akzeptiert werden.

3.8.1 Auch D17 kann ein Vorurteil betreffend mehrphasige quaternäre Carbonitride aus der Gruppe Ti, Zr und Hf nicht stützen, da es nur ternäre Carbide ohne Berücksichtigung des Stickstoffs betrifft. D17 offenbart eine rein thermodynamische Betrachtung (d.h. die in den ternären Diagrammen dargestellten Phasen stehen bei den angegebenen Temperaturen von größer 1000ºC untereinander im Gleichgewicht), die aber keine Relevanz für eine Vorhersage bei der dynamischen Abscheidung im angewandten CVD-Verfahren hat, bei dem die Reaktionsteilnehmer bzw. Reaktionsnebenprodukte ständig aus dem System abgeführt werden. Im Übrigen spielt bei der CVD-Abscheidung auch die Kinetik eine Rolle, da metastabile Phasen entstehen können. Auch gemäß dem Streitpatent erfolgt eine Abscheidung metastabiler einphasiger Schichten, die sich beim Erhitzen über eine kritische Temperatur von 1200ºC in die entsprechenden thermodynamischen Phasen entmischen, wie von der Beschwerdegegnerin zugestanden wurde. In diesem Zusammenhang erwähnt D17, dass es experimentelle Befunde gibt, wonach die Systeme Ti-Zr-C und Ti-Hf-C auch unterhalb 1100º K vollständige Mischbarkeit zeigen (d.h. einphasig sind), die auf eingefrorenen Phasen beruhen (siehe Seite 139, erster Absatz).

3.8.2 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass die Einphasigkeit das Resultat dieser Verwendung einer Cyanid-C-N-Molekülgruppe im CVD-Verfahren sei und mit dem beanspruchten Verfahren die quaternären Carbonitride erstmalig einphasig abgeschieden worden wären. Insbesondere unter Berücksichtigung der oberen Punkte 3.1.1 und 3.1.2 ist nach Ansicht der Kammer klar, dass zumindest mit dem CVD-Verfahren gemäß D6 schon vor dem Streitpatent einphasige quaternäre Carbonitride aus der Nebengruppe IVa des Periodensystems der Elemente hergestellt wurden. Insofern ist für die Kammer im Hinblick auf die Abscheidung der einphasigen (Zr,Hf)(C,N)-Schicht nicht einmal ein zusätzlicher Bonuseffekt gegenüber dem bekannten Verfahren nach D6 erkennbar, der mit der Verwendung einer Verbindung mit einer Cyanid-C-N-Molekülgruppe verknüpft wäre, der aber ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen würde (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 5. Auflage, 2006, Sektion I.D.9.7).

3.9 Auch die Argumente der Beschwerdegegnerin, dass die beiden Dokumente D1 (aus 1975) und D14 (aus 1990) nur die Einkomponentenabscheidung mit Acetonitril nicht aber eine Multikomponentenabscheidung betreffen, vermögen die Kammer nicht zu überzeugen.

Es ist zutreffend, dass D14 nur die Abscheidung von Ti(C,N) mit einem CVD-Verfahren unter Verwendung von Acetonitril offenbart. D1 offenbart hingegen allgemein die Beschichtung mit Carbiden, Nitriden und/oder Carbonitriden (siehe Punkt 3.6 oben).

3.10 Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des einzigen Antrags nach Ansicht der Kammer nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Antrag genügt somit nicht dem Erfordernis des Artikels 52 (1) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ.

Anspruch 4

Die Parteien stimmten auch bezüglich Anspruch 4 überein, dass von D6 als nächstkommendem Stand der Technik ausgegangen werden kann (siehe Punkte 3.1 bis 3.2, oben).

3.11 Das PCVD-Verfahren gemäß Anspruch 4 unterscheidet sich somit gegenüber jenem nach D6 durch die Verwendung des C-N-Donators mit einer Cyanidgruppe und durch eine vorhandene Plasmaaktivierung.

Eine zusätzliche Plasmaaktivierung beim CVD-Verfahren bewirkt eine Senkung der Substrattemperaturen, um temperaturempfindliche Substrate beschichten zu können.

3.12 Aufgabe

Ausgehend vom CVD-Verfahren nach D6 kann die für den Fachmann zu lösende technische Aufgabe somit darin gesehen werden, ein CVD-Verfahren zur Abscheidung der einphasigen quaternären (Zr,Hf)(C,N) Schicht anzugeben, welches eine höhere Abscheiderate aufweist und das glattere Schichten ergibt und das bei niedrigeren Substrattemperaturen durchgeführt werden kann (vgl. Streitpatent, Seite 2, Zeilen 42 bis 49).

3.13 Lösung der Aufgabe

Die Aufgabe wird gemäß Anspruch 4 durch ein PCVD-Verfahren gelöst, bei dem eine Cyanid-Verbindung als C-N-Donator verwendet wird.

3.14 Die Lösung dieser Aufgabe wird durch den Stand der Technik aus folgenden Gründen nahegelegt.

3.15 Wie schon unter den Punkten 3.6 bis 3.9, oben dargelegt, würde der Fachmann ausgehend von D6 zur Lösung der genannten Aufgabe das Dokument D1 berücksichtigen und organische Moleküle mit einer Cyanidgruppe als C-N-Donator verwenden.

3.15.1 Das Dokument D1 offenbart außerdem eine Plasmaunterstützung der CVD-Abscheidung (siehe Seite 2, Zeilen 12 bis 19).

3.15.2 Es gehört zum allgemeinen Fachwissen, dass die in D1 erwähnte Plasmaanregung es ermöglicht, empfindlichere Substrate bei einer niedrigeren Substrattemperatur in einem CVD-Verfahren beschichten zu können. Von der Beschwerdegegnerin wurde auch nicht bestritten, dass die Plasmaanregung bei einem CVD-Verfahren eine für den Fachmann übliche Maßnahme darstellt.

Damit leitet der Fachmann aber das Verfahren gemäß Anspruch 4 in naheliegender Weise durch die Kombination von D6 mit D1 unter Berücksichtigung seines allgemeinen Fachwissens her. Dem Verfahren gemäß Anspruch 4 mangelt es daher an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit.

3.16 Daher beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 4 des einzigen Antrags nach Ansicht der Kammer nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Antrag genügt somit nicht dem Erfordernis des Artikels 52 (1) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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