European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2008:T066204.20080403 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 03 April 2008 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0662/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94113827.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B21D 39/03 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Verbinden dünner Platten und Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens | ||||||||
Name des Anmelders: | Tox Pressotechnik GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Eckold GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Fortsetzung des Verfahrens nach Zurücknahme des Einspruchs Erfinderische Tätigkeit (verneint) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 0 642 853 wurde mit der am 22. März 2004 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung mangels Patentierbarkeit seines Gegenstandes widerrufen. Dabei berief sich die Einspruchsabteilung insbesondere auf die folgende Veröffentlichung:
E4: Katalog TOX PRESSOTECHNIK, Ausgabe 10/92, Abschnitte 80.50 (TOX-Prozessüberwachung), 80.01 (TOX-Werkzeugsätze Einbaurichtlinien) und 80.10 (TOX-Werkzeugsätze)
II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 22. Mai 2004 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 23. Juli 2004 eingereicht.
III. Auf die in der Ladung zur mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage der Auslegung der Ansprüche reichte die Einsprechende mit Schreiben vom 29. Februar 2008 folgende Druckschrift ein:
E7: DFB-Kolloquium, "Mechanische Blechfügetechnik - heute", Tagungsunterlagen, 9. und 10. Mai 1990, Viktor Malina, TOX-Fügetechnik, Seiten 1 bis 10
IV. Mit Telefax vom 2. April 2008 wurde der Einspruch zurückgenommen.
V. Am 3. April 2008 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung.
VI. Der Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
"Verfahren zum Verbinden aufeinander liegender dünner Platten, insbesondere Bleche, oder Plattenabschnitte durch Kaltfügen, bei welchem übereinander liegende Flächenteile der zu verbindenden Platten oder Plattenabschnitte bei einem Arbeitshub durch Zusammenwirken eines Stempels (8) mit einer Matrize (5) gemeinsam tiefgezogen und nachfolgend breitgequetscht werden, mit oder ohne Teilstanzen der Flächenteile, dadurch gekennzeichnet, dass ummittelbar nach Beendigung des Quetschvorgangs die Presskraft gemessen wird, die der Stempel als Stempelkraft oder die Matrize als Matrizenkraft auf die Platten ausübt und dass die zum Abstreifen der verbundenen Platten und Plattenabschnitte vom Stempel (8) erforderliche Abstreifkraft gemessen wird."
VII. Zur Stützung ihres Vorbringens brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vor:
In ihrer Entscheidung über den Widerruf des Patents habe die Einspruchsabteilung die erteilten Ansprüche zum Teil unzutreffend ausgelegt und in den Stand der Technik gemäß E4 Merkmale hineingedeutet, die für einen Fachmann dort nicht vorhanden seien.
Der kennzeichnende Teil des erteilten Anspruchs 1 sei so zu verstehen, dass es nur auf die Einzelpunktmessung von zwei Parametern ankomme, nämlich die Messung der Presskraft nach Beendigung des Quetschvorganges und die Messung der Abstreifkraft. Wenn die Passage in der Spalte 2, Zeilen 3 bis 9 der Beschreibung der Patentschrift zur Auslegung des Anspruchs 1 herangezogen werde, dann gehe aus dieser Textstelle eindeutig hervor, dass es nicht um die Messung der Presskraft während des gesamten Fügevorgangs, sondern nur um eine Einzelpunktmessung der Presskraft unmittelbar nach Beendigung des Quetschvorgangs gehe. Aufgrund dieser eindeutigen Einschränkung durch Verzicht auf eine kontinuierliche Messung sei eine Auslegung dahingehend, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 weitere Messungen der Presskraft zusätzlich zu dem beanspruchten Messpunkt nicht ausschließe, für einen Fachmann widersinnig und wegen des Zusatzaufwands geradezu absurd. Entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung sei eine nähere Präzisierung durch die Einfügung des Wortes "nur" oder "erst" völlig überflüssig. Das umständliche Messen der Presskraft während des gesamten Fügevorgangs im Rahmen einer kontinuierlichen Überwachung sei nicht beansprucht.
Die Auswertung von zwei Messpunkten gemäß Anspruch 1 sei für die Umsetzung eines Messvorganges viel einfacher als der Vergleich von Kurven, bzw. der Vergleich einer laufenden Reihe von zu der entsprechenden Kurve gehörenden Messpunkten. Die Lehre einer punktuellen Messung der Presskraft sei aus dem Stand der Technik nicht bekannt. Aus keiner der Druckschriften E4 oder E7 sei entnehmbar, dass durch die Überwachung von zwei Messwerten jede fehlerhafte Verbindung erkannt werden könne. Dies werde durch die Lehren dieser Druckschriften auch nicht angeregt. Bei den Abschnitten 80.50 (TOX-Prozessüberwachung), 80.01 (TOX-Werkzeugsätze Einbaurichtlinien) und 80.10 (TOX-Werkzeugsätze) des Katalogs E4 handele es sich um technisch unabhängige Arbeitsblätter, die den Kunden von TOX völlig unterschiedliche Lehren bzw. Informationen geben sollten und entsprechend unterschiedlich nummeriert seien. In den Prospektblättern 80.50 sei lediglich die Rede von einer "kontinuierlichen Prozessüberwachung", wobei die Überwachung durch eine Kraft-Weg-Messung und den laufenden Vergleich der gemessenen Kraft-Weg-Kurve mit einer Lernkurve nach dem Prinzip des "teach-in"-Verfahrens erfolge. Das in 80.50 gezeigte Diagramm lasse lediglich das Prinzip der Hub-/ Kraftmessung mit einem "Wegsensor" und einem "Kraftsensor" erkennen. Eine Einzelpunktmessung nach Beendigung des Quetschvorgang sei hier nicht offenbart. Der Abschnitt 80.01 von E4 beschäftige sich lediglich mit den TOX-Werkzeugsätzen und ihren Einbaurichtlinien. Zwar sei auf Seite 3 die Rede von "einstellbarer Abstreifkraft", jedoch nicht in Verbindung mit einer Messung. Die Abstreifkraft werde durch eine in ihrer Vorspannungskraft regelbare Feder eingestellt. Die Tabellen im Teil 80.10 von E4 zeigten die Ergebnisse von Versuchen mit unterschiedlichen TOX Werkzeugen und Blechplatten (vgl. letzte Seite, mittlere Spalte). Die Präsentation dieser Ergebnisse in Tabellen diene der Ermittlung der passenden Werkzeugkombination für den Einsatz beim potentiellen Kunden. Die stempelseitige Abstreifkraft gehöre zwar zu den Daten, die bei jedem Versuch ermittelt worden seien, diese Ermittlung sei jedoch nicht etwa beim Nutzer des "TOX-Fügevorgangs" vorgesehen worden, sondern eine zusätzliche Dienstleistung von TOX für deren Kunden. Eine Kombination dieser Prüfmessung der Abstreifkraft mit einer punktuellen Messung der Presskraft unmittelbar nach Beendigung des Quetschvorganges sei hier nicht offenbart.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Nach ständiger Rechtsprechung hat die Zurücknahme des Einspruchs im Beschwerdeverfahren keine unmittelbare verfahrensrechtliche Bedeutung, wenn die Einsprechende Beschwerdegegnerin ist und die Einspruchsabteilung das europäische Patent widerrufen hat (Siehe T 629/90, ABl. EPA 1992, 654). Vielmehr muss in diesem Fall die Kammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung von Amts wegen sachlich überprüfen und kann nur dann die angefochtene Entscheidung aufheben und das Patent auf der Grundlage der Anträge der Beschwerdeführerin aufrechterhalten, wenn es den Erfordernissen des EPÜ genügt. Bei dieser Prüfung durch die Kammer können auch Beweismittel, die von der Einsprechenden vor der Zurücknahme des Einspruchs vorgebracht worden sind, herangezogen werden.
3. Patentierbarkeit des Verfahrens nach Anspruch 1
3.1 Der Abschnitt 80.50 des Katalogs E4 zeigt unbestritten ein Verfahren zum Verbinden aufeinander liegender dünner Bleche durch Kaltfügen, bei welchem übereinander liegende Flächenteile der zu verbindenden Blechplatten bei einem Arbeitshub durch Zusammenwirken eines Stempels mit einer Matrize gemeinsam tiefgezogen und nachfolgend breitgequetscht werden (vgl. Diagramm auf Seite 1: TOX-Fügevorgang). Somit sind die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aus E4 bekannt.
3.2 Die Kombination der Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1, nämlich
a) dass ummittelbar nach Beendigung des Quetschvorgangs die Presskraft gemessen wird, die der Stempel als Stempelkraft oder die Matrize als Matrizenkraft auf die Platten ausübt und
b) dass die zum Abstreifen der verbundenen Platten und Plattenabschnitte vom Stempel erforderliche Abstreifkraft gemessen wird
ist dem Katalog E4 nicht unmittelbar zu entnehmen.
3.3 Im Abschnitt 80.10 von E4 sind Tabellen offenbart, die die Ergebnisse von Versuchen mit unterschiedlichen TOX Werkzeugen und Blechplatten zeigen (vgl. letzte Seite, mittlere Spalte). Bei jedem Versuch sind folgende Daten ermittelt worden: Blechdicke, Materialdefinition, Prüfberichtsnummer, Scherzugkraft, Kopfzugkraft, Presskraft, Kontrollmaß, und Abstreifkraft. Die Präsentation dieser Ergebnisse in Tabellen diene der Ermittlung der passenden Werkzeugkombination für den Einsatz beim potentiellen Kunden.
Insbesondere die stempelseitige Abstreifkraft und die "Presskraft" gehörten zu den Daten, die bei jedem Versuch ermittelt wurden. Wie von der Beschwerdeführerin selbst eingeräumt und für den Fachmann offensichtlich, sind die in den Versuchen ermittelten "Presskraft" und "Abstreifkraft" bei der Ausführung des Verfahrens gemäß Abschnitt 80.50 von E4 (vgl. Punkt 3.1) durch Messungen ermittelt worden. Ob die Messungen in einem Versuchslabor bei TOX oder beim Kunden stattgefunden haben, spielt dabei keine Rolle.
3.4 Der Abschnitt 80.10 von E4 enthält lediglich die Angabe, dass der hier gemessene Parameter "Presskraft" in Verbindung mit dem Kontrollmaß "X" zur Überwachung der Qualität der Verbindung zu berücksichtigen ist (vgl. linke Spalte mit der Überschrift "Technologie" auf der letzten Seite). Aus dem Abschnitt 80.01 weiß der Fachmann, dass das Kontrollmaß "X" die entstandene Restbodenstärke des TOX-Rundpunktes darstellt (vgl. mittlere Spalte mit der Überschrift "Prüfung" auf der Seite 6). Es stellt sich daher für den Fachmann die Frage, was genau unter der "Presskraft" verstanden werden soll. Es liegt für den Fachmann nahe, dass diese "Presskraft" nicht irgendeinen Wert der Presskraft im Laufe des Fügevorgangs darstellt, sondern dass es sich hierbei um einen Wert der Presskraft handeln soll, der repräsentativ für den gesamten jeweiligen Fügevorgang ist, wenn dieser optimal erfolgt. Der fünfte Absatz der Seite 3 der Druckschrift E7, die sich ebenfalls mit dem TOX-Fügeverfahren der Beschwerdeführerin beschäftigt, ist in dieser Hinsicht aufschlussreich: "Liegen die Geometrie vom Stempel und Matrize sowie die Dicken und Qualitäten der zu verbindenden Materialien einmal fest, gibt es nur noch eine Variable, welche die Qualität der Verbindung beeinflusst und überwacht werden muss - die Kraft zum Setzen des Punktes. Diese ist direkt oder indirekt über den hydraulischen oder pneumohydraulischen Öldruck des Presszylinders sehr einfach zu messen und zu überwachen." Es ist daher naheliegend, dass mit der in 80.10 erwähnten "Presskraft" die maximale Presskraft gemeint ist, d.h. die Presskraft, die am Ende des Fügevorgangs das Setzen des Tox-Rundpunkts mit dem Erreichen der sich ergebenden Restbodendicke ergibt.
3.5 Auslegung des Ausdrucks "nach Beendigung des Quetschvorgangs" im Anspruch 1
Die Textpassage in der Spalte 2, Zeilen 29-37 der Patentschrift enthält nähere Präzisierungen, die zur Auslegung dieses Ausdruckes herangezogen werden können: "Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung erfolgt die Messung der Presskraft unmittelbar nach Beendigung des Quetschvorgangs. Weisen die durch den Fügeprozess verbundenen Platten am Fügepunkt nur noch die für den Fügeprozess charakteristische Restbodenstärke auf, so ist der eigentliche Fügeprozess abgeschlossen. Die dem betreffenden Arbeitshub zugeordnete Presskraft ist deshalb für den Fügeprozess besonders aufschlussreich." Die Messung "unmittelbar nach Beendigung des Quetschvorgangs" ist somit die Messung der maximalen Stempelkraft am Ende eines jeden Arbeitshubs, wenn die durch den Fügeprozess verbundenen Platten nur noch die für den Fügeprozess charakteristische Restbodenstärke aufweisen.
3.6 Aus den in den obigen Punkten 3.4 und 3.5 angestellten Überlegungen folgt, dass sich die bei einem spezifischen Fügevorgang in den Tabellen des Abschnitts 80.10 von E4 zitierte "Presskraft" von der im Anspruch 1 unmittelbar nach Beendigung des Quetschvorgangs gemessenen Presskraft nicht unterscheidet.
3.7 Die Beschwerdeführerin hat das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit im Wesentlichen damit begründet, dass die Einzelpunktmessung der Presskraft nach Beendigung des Quetschvorgangs eine überraschende Abkehr von der in E4 vorgeschlagenen kontinuierlichen Überwachung des Arbeitshub-Presskraft-Verhältnisses darstelle, was eine bedeutende Vereinfachung ohne nennenswerte Einbußen in der Kontrollgenauigkeit bringe.
3.8 Es ist fraglich, ob der vorliegende Anspruch 1 - auch in Anbetracht der Beschreibung der Patentschrift - in dem von der Beschwerdeführerin propagierten Sinne, dass die Presskraft nur an dem angegebenen Punkt gemessen wird, verstanden werden muss. Auf jeden Fall schließt der Wortlaut des Anspruchs 1 nicht aus, dass andere Parameter als die Parameter "Presskraft" und "Abstreifkraft" gemessen werden. Der Anspruch präzisiert auch nicht, wie (z.B. mittels eines Positionsmelders bei einem zuvor genau eingestellten Arbeitshub) und zu welchem Zweck (z.B. Überwachung der Qualität der Verbindung) die Messung der beanspruchten Parameter erfolgen soll.
3.9 Aber selbst unter der Annahme, dass eine restriktive Auslegung des Anspruchs 1 bezüglich der Einzelpunktmessung gerechtfertigt sei, kann angesichts der Überlegungen in den obigen Punkten 3.4 und 3.5 die Einschränkung auf die Messung der maximalen Presskraft in Verbindung mit der Messung der Abstreifkraft und eventuell auch anderer Werte nicht als eine Maßnahme gesehen werden, die den Rahmen des fachmännischen Könnens übersteigt.
3.10 Die Kammer kommt somit zum Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
4. Nach Wegfall des Anspruchs 1 können auch die übrigen Ansprüche keinen Bestand haben, da das Patent als ein Ganzes zu betrachten ist und nicht aufrechterhalten bleiben kann, wenn nur ein einziger unabhängiger Anspruch die Erfordernisse des EPÜ nicht erfüllt. Es erübrigt sich daher, näher auf den Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs 17 einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.