T 0573/04 (Rundfunkempfänger/BOSCH) of 12.10.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T057304.20061012
Datum der Entscheidung: 12 October 2006
Aktenzeichen: T 0573/04
Anmeldenummer: 98964386.1
IPC-Klasse: H04B 1/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Rundfunkempfänger mit eingebauter Bedienungsanleitung
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GMBH
Name des Einsprechenden: Interessengemeinschaft für Rundfunkschutzrechte e.V.
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (Hauptantrag und erster Hilfsantrag) - verneint
Erfinderische Tätigkeit (zweiter und dritter Hilfsantrag) - verneint
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 6. Februar 2004, wonach das mit der Nummer 1040585 veröffentlichte europäische Patent in geänderter Fassung aufrecht erhalten werden kann.

II. Die Einspruchsabteilung berücksichtigte in ihrer Zwischenentscheidung unter anderen das Dokument:

E4: "Der Countdown läuft: Interaktives Fernsehen", RFE 2/94, Seiten 14-16

III. Der Einspruch gegen das Patent richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang auf der Basis des Artikels 100 (a), (b) und (c) EPÜ.

IV. Gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) mit Schreiben vom 8. April 2004 Beschwerde eingelegt und in ihrer Beschwerdebegründung vom 26. April 2004 beantragt, die Zwischenentscheidung aufzuheben und das Patent wegen Erweiterung des Schutzumfangs nach Artikel 123 (3) EPÜ und mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 (a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ bzw. Artikel 56 EPÜ vollständig zu widerrufen.

V. Die Kammer hat die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen und in einer Mitteilung nach Artikel 11 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern zur Sache vorläufig Stellung genommen.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat in einem Schreiben vom 14. August 2006 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und "das im geänderten Umfang aufrechterhaltene Patent aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent gemäß dem ersten Hilfsantrag, dem zweiten Hilfsantrag oder dem dritten Hilfsantrag aufrecht zu erhalten".

VII. Die mündliche Verhandlung fand am 12. Oktober 2006 vor der Kammer statt. In ihrem Verlauf bestätigten die Parteien ihre früheren Anträge.

Am Ende der Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

VIII. Die Erfindung laut Anspruch 1 der geänderten Fassung, die in der Zwischenentscheidung als in Einklang mit den Erfordernissen des EPÜ angesehen wurde, betrifft einen

"Rundfunkempfänger, wobei eine abgespeicherte Bedienungsanleitung in gewünschten Teilen durch Eingabe abrufbar ist und über eine Ausgabeeinrichtung (7, 8) optisch und/oder akustisch darstellbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Rundfunkempfänger eine Übertragungseinrichtung (12) aufweist, die zum Empfang der Bedienungsanleitung oder mindestens von Teilen der Bedienungsanleitung von einer zentralen Einrichtung (11) dient, wobei ein Speicher (14) zur vorübergehenden Speicherung der empfangenen Bedienungsanleitung oder deren Teilen vorgesehen ist."

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags lautet:

"Rundfunkempfänger, wobei ein Controller (5) vorgesehen ist, der derart konfiguriert ist, dass eine abgespeicherte Bedienungsanleitung in gewünschten Teilen durch Eingabe abgerufen wird und über eine Ausgabeeinrichtung (7, 8) optisch und/oder akustisch dargestellt wird, dadurch gekennzeichnet, dass der Rundfunkempfänger eine Übertragungseinrichtung (12) aufweist, die zum Empfang der Bedienungsanleitung oder mindestens von Teilen der Bedienungsanleitung von einer zentralen Einrichtung (11) dient, wobei ein Speicher (14) zur vorübergehenden Speicherung der empfangenen Bedienungsanleitung oder deren Teilen vorgesehen ist."

Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags lautet:

"Rundfunkempfänger, wobei ein Controller (5) vorgesehen ist, der derart konfiguriert ist, dass eine abgespeicherte Bedienungsanleitung in gewünschten Teilen durch Eingabe abgerufen wird und über eine Ausgabeeinrichtung (7, 8) optisch und/oder akustisch dargestellt wird, dadurch gekennzeichnet, dass der Rundfunkempfänger eine Übertragungseinrichtung (12) aufweist, die zum Empfang der Bedienungsanleitung oder mindestens von Teilen der Bedienungsanleitung von einer zentralen Einrichtung (11) dient, wobei ein Speicher (14) zur vorübergehenden Speicherung der empfangenen Bedienungsanleitung oder deren Teilen vorgesehen ist, wobei die Übertragungseinrichtung (12) einen Zugang zu einem Mobilfunknetz ermöglicht."

Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags lautet:

"Rundfunkempfänger, wobei ein Controller (5) vorgesehen ist, der derart konfiguriert ist, dass eine abgespeicherte Bedienungsanleitung in gewünschten Teilen durch Eingabe abgerufen wird und über eine Ausgabeeinrichtung (7, 8) optisch und/oder akustisch dargestellt wird, dadurch gekennzeichnet, dass der Rundfunkempfänger eine Übertragungseinrichtung (12) aufweist, die zum Empfang der Bedienungsanleitung oder mindestens von Teilen der Bedienungsanleitung von einer zentralen Einrichtung (11) dient, wobei ein Speicher (14) zur vorübergehenden Speicherung der empfangenen Bedienungsanleitung oder deren Teilen vorgesehen ist, wobei die Übertragungseinrichtung (12) einen Zugang zu einem Mobilfunknetz ermöglicht und der Rundfunkempfänger mobil ausgeführt ist."

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag: Interpretation des Anspruchs 1

1.1 Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags bezieht sich auf einen Rundfunkempfänger. Das Merkmal, das sich auf eine "abgespeicherte Bedienungsanleitung" bezieht, die "in gewünschten Teilen durch Eingabe abrufbar ist" wird dahingehend verstanden, dass die Bedienungsanleitung in der zentralen, nicht zum beanspruchten Rundfunkempfänger gehörenden Einrichtung abgespeichert ist. Diese Interpretation lehnt sich an Zeilen 46-50 der Spalte 3 der Patentschrift an, die sich auf das für den Anspruch relevante zweite Ausführungsbeispiel bezieht. Dort heißt es unter anderem: "die Bedienungsanleitung [ist] in einer zentralen Einrichtung 11 (CE) abgelegt, die über ein geeignetes Übertragungsmedium mit dem erfindungsgemäßen Empfänger verbunden werden kann". Der im Anspruch 1 erwähnte Speicher 14 dient zur lokalen Speicherung der Bedienungsanleitung oder von Teilen davon, nachdem diese von der zentralen Einrichtung empfangen worden ist (Spalte 4, Zeilen 11-14 der Patentschrift: "Ein Speicher 14 ist zur vorübergehenden Speicherung der empfangenen Betriebsanleitung [sic] oder deren Teile vorgesehen."). Diese Interpretation hat zur Folge, dass die Bedienungsanleitung als solche nicht Bestandteil des beanspruchten Rundfunkempfängers ist. Sie wird gestützt durch die Tatsache, dass die in der zentralen Einrichtung abgelegte Bedienungsanleitung jederzeit geändert werden kann (Spalte 2, Zeilen 1-5 der Patentschrift).

Der beanspruchte Rundfunkempfänger ist somit solcher Art, dass die in einer zentralen Einrichtung abgespeicherte Bedienungsanleitung durch Eingabe abrufbar ist und über eine Ausgabeeinrichtung optisch und/oder akustisch darstellbar ist. Ferner weist der Rundfunkempfänger eine Übertragungseinrichtung auf, die zum Empfang der Bedienungsanleitung oder mindestens von Teilen der Bedienungsanleitung von einer zentralen Einrichtung dient, wobei ein Speicher zur vorübergehenden Speicherung der empfangenen Bedienungsanleitung oder deren Teilen vorgesehen ist.

Folglich ist der beanspruchte Rundfunkempfänger solcher Art, dass er geeignet ist, eine Bedienungsanleitung ganz oder in Teilen abzurufen, zu empfangen, zu speichern und darzustellen.

1.2 Aus der dem Streitpatent zu Grunde liegenden Anmeldung ergibt sich keinerlei Hinweis auf eine spezielle Datenform oder -struktur der vom Rundfunkempfänger abzurufenden, zu empfangenden, abzuspeichernden und darzustellenden Bedienungsanleitung, aus der sich auf ein Merkmal des Rundfunkempfängers schließen ließe, das ihn von einem Rundfunkempfänger unterscheiden würde, bei dem andere Arten von Informationen, die nicht als Bedienungsanleitung verstanden werden können, abgerufen, empfangen, abgespeichert und dargestellt werden.

Somit ist jeder bekannte Rundfunkempfänger, der geeignet ist, Informationen allgemeiner Art ganz oder in Teilen von einer zentralen Einrichtung abzurufen, zu empfangen, zu speichern und darzustellen, auch geeignet, dies mit einer Bedienungsanleitung im Sinne des Streitpatents zu tun.

2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

2.1 Ausgehend von der unter Punkt 1 begründeten Interpretation des Gegenstandes von Anspruch 1 betrachtet die Kammer das Dokument E4 als nächstliegenden Stand der Technik.

Dieses Dokument bezieht sich auf interaktives Fernsehen, wobei auch das Fernsehgerät als solches einbezogen ist. Ein Fernsehgerät ist ein Rundfunkgerät. Aus der Figur 2 insbesondere in Verbindung mit dem zweiten Satz der rechten Spalte von Seite 14 und dem die linke und mittlere Spalte von Seite 16 verbindenden Satz folgt, dass Informationen (hier in Datenbanken abgelegte Informationen) in gewünschten Teilen durch Eingabe abrufbar sind und über eine Ausgabeeinrichtung (hier über den Fernsehschirm) optisch und/oder akustisch darstellbar sind. Ferner weist der Rundfunkempfänger als Fernsehempfänger eine Übertragungseinrichtung auf, die zum Empfang der Informationen von einer zentralen Einrichtung (dem interaktiven Netzwerk der Figur 2) dient. Außerdem ist es eine technische Voraussetzung zur Darstellung von digitalen, aus Datenbanken erhaltenen Informationen auf einem Fernsehschirm, dass ein Speicher zur vorübergehenden Speicherung der empfangenen Informationen vorgesehen ist.

2.2 Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 aus E4 bekannt.

2.3 Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Zwischenentscheidung die Bedienungsanleitung als technisches Merkmal betrachtet. Sie ging somit davon aus, dass die Bedienungsanleitung Bestandteil des Rundfunkempfängers ist. Wie unter Punkt 1.1 ausgeführt, folgt die Kammer dieser Interpretation nicht.

2.4 Die Beschwerdegegnerin hat vorgebracht, dass der Begriff "in gewünschten Teilen" als kontextsensitiver Abruf von Teilen einer Bedienungsanleitung zu verstehen sei. Eine solche enge Auslegung des Begriffs "gewünscht" mag zwar zum Beispiel der im abhängigen Anspruch 5 der Patentschrift zu Grunde liegenden Ausführungsform entsprechen, jedoch handelt es sich hierbei um eine Weiterbildung des erfindungsgemäßen Rundfunkempfängers (Absatz [0013] der Patentschrift). Allgemein ist der Begriff "gewünscht" als vom Benutzer gewünscht zu interpretieren (Spalte 3, Zeile 36 - Spalte 4, Zeile 3 der Patentschrift).

2.5 Da der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu ist, konnte dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin nicht stattgegeben werden.

3. Hilfsanträge

3.1 Der unabhängige Anspruch 1 aller Hilfsanträge weist unter anderem als zusätzliches Merkmal einen Controller auf, "der derart konfiguriert ist, dass eine abgespeicherte Bedienungsanleitung in gewünschten Teilen durch Eingabe abgerufen wird und über eine Ausgabeeinrichtung optisch und/oder akustisch dargestellt wird". Die verwendete Formulierung mit den Begriffen "abgerufen wird" und "dargestellt wird" führt zu einer Vermischung von Verfahrensmerkmalen und Vorrichtungsmerkmalen, die im vorliegenden Fall den Anspruch unklar machen. Die Beschwerdegegnerin hat in der Verhandlung erklärt, dass sie bereit wäre, die Begriffe in "abrufbar ist" und "darstellbar ist" zu ändern und dass sie die Begriffe so verstanden wissen wolle. Die Kammer legt diese Interpretation ihren folgenden Erwägungen zu Grunde.

3.2 Hilfsantrag 1

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von dem des Anspruchs 1 des Hauptantrags nur durch den unter Punkt 3.1 erwähnten Controller. Die Kammer geht davon aus, dass das in E4 beschriebene Fernsehgerät zwangsläufig einen Controller (also eine Steuereinrichtung) aufweisen muss, um die ihm zugedachten interaktiven Funktionen einschließlich des Abrufes und des Darstellens digitaler Informationen durchführen zu können. Dies wurde auch von der Beschwerdegegnerin nicht anders gesehen.

Da für den Fachmann ein Controller zwangsläufiger Bestandteil der in E4 beschriebenen Vorrichtung ist, ist der Gegenstand dieses Anspruchs aus E4 bekannt, und der erste Hilfsantrag ist somit nicht gewährbar.

3.3 Hilfsantrag 2

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von dem des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags dadurch, dass die "Übertragungseinrichtung einen Zugang zu einem Mobilfunknetz ermöglicht".

Aus E4 ist bekannt, dass über ein (im Fernsehgerät) eingebautes Funkmodem mit allen Infodiensten kommuniziert werden kann (Seite 14, mittlere Spalte, vorletzter vollständiger Satz). Ein Funkmodem kann eine Verbindung mit einem Festnetz oder mit einem Mobilfunknetz ermöglichen. Eine Verbindung zu einem Mobilfunknetz ist insbesondere dann eine übliche und somit naheliegende Vorgehensweise, wenn ein Festnetzanschluss nur mit großem Kostenaufwand hergestellt werden kann. Daher war es für den Fachmann eine naheliegende Option, einen Zugang zu einem Mobilfunknetz vorzusehen. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit, dass eine Verbindung des Rundfunkgeräts mit einem Mobilfunknetz zum Beispiel die Installation des Geräts in einem Fahrzeug ermögliche und solches sich nicht aus E4 ergebe, bleibt ohne Bedeutung, da dem Anspruch kein entsprechendes Merkmal zu entnehmen ist.

Da der Gegenstand des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt, ist dieser Hilfsantrag nicht gewährbar.

3.4 Hilfsantrag 3

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von dem des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags dadurch, dass der "Rundfunkempfänger mobil ausgeführt ist".

Dieses Merkmal wird jedoch unmittelbar durch das Vorhandensein eines Funkmodems zur Kommunikation mit Infodiensten in E4 nahegelegt, da ein Funkmodem insbesondere dazu verwendet wird, die Mobilität der mit ihm versehenen Vorrichtungen zu ermöglichen. Dem steht auch nicht das Argument der Beschwerdegegnerin entgegen, dass Fernsehgeräte allgemein stationär installiert sind, da dieses Argument lediglich auf die Mehrzahl der Geräte, aber nicht auf alle zutrifft. Somit war es für den Fachmann naheliegend, den aus E4 bekannten Rundfunkempfänger (dort das Fernsehgerät) mobil auszuführen.

Folglich ist der Hilfsantrag 3 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.

4. Da keiner der Anträge der Beschwerdegegnerin gewährbar war, war das Patent zu widerrufen.

5. Die weiteren von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe und Beweismittel können unberücksichtigt bleiben, da schon aus den unter den Punkten 2 und 3 genannten Gründen keiner der Anträge gewährbar war und somit der Antrag der Beschwerdeführerin allein aus diesen Gründen zum Erfolg führte.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Patent wird widerrufen.

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