T 0566/04 () of 21.6.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T056604.20060621
Datum der Entscheidung: 21 Juni 2006
Aktenzeichen: T 0566/04
Anmeldenummer: 98103943.1
IPC-Klasse: G01M 1/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Festspannen eines Kraftfahrzeugrades auf eine Hauptwelle einer Auswuchtmaschine
Name des Anmelders: Snap-on Equipment GmbH
Name des Einsprechenden: Hunter Engineering Co.
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 54(3)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 R 57a
Schlagwörter: Änderungen - Zulässigkeit (ja)
Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet ihre Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach unter Berücksichtigung der von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent Nr. 0867706 (Anmeldungsnummer 98103943.1 unter Inanspruchnahme des Prioritätsdatums vom 27. März 1997) und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ, insbesondere denen der Artikeln 52 (1), 54 und 56 EPÜ, genügen.

Mit dem Einspruch war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang von der Beschwerdeführerin wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 52 (1), 54 und 56 EPÜ).

II. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Dokumente in Betracht gezogen, die von der Parteien im Beschwerdeverfahren wieder aufgegriffen worden sind:

D1: EP-A-0877920 (Prioritätstag vom 31.01.1996, veröffentlicht als WO-A-9728431 am 07.08.1997),

D2: EP-A-0306668,

D4: DE-A-3923191 und

D6: DE-A-4200380

III. Am 21. Juni 2006 wurde gemäß den entsprechenden Anträgen der Parteien mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags.

Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung von der Kammer verkündet.

IV. Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 4 gemäß dem Haupt- und einzigem Antrag der Beschwerdegegnerin lauten wie folgt:

"1. Verfahren zum lösbaren Befestigen eines Kraftfahrzeugrades (13) auf eine Hauptwelle (1) einer Radauswuchtmaschine, bei dem ein am Rad vorgesehenes Mittenloch und/oder am Rad (13) vorgesehene Bolzenlöcher mit Hilfe einer durch Gewindeeingriff auf der Hauptwelle in axialer Richtung verschiebbaren Spannmutter (5) auf einen oder mehrere bezüglich der Hauptwellenachse (20) definiert angeordnete Zentrierkonen (15; 19) aufgespannt oder von diesen gelöst wird bzw. werden, dadurch gekennzeichnet, dass zum axialen Verschieben der Spannmutter (5) die Hauptwelle (1) durch den Motorantrieb (2) der Hauptwelle (1) der Auswuchtmaschine gedreht und die Spannmutter(5) gegen Drehung festgehalten wird und daß beim Erreichen eines solchen vom Motorantrieb gegen die festgehaltene Spannmutter (5) erzeugten Drehmoments, das das Kraftfahrzeugrad ausreichend fest für die Durchführung des Unwuchtmeßlaufs auf der Hauptwelle aufspannt, während des Spannvorganges der Motorantrieb (2) automatisch abgeschaltet wird."

"4. Vorrichtung zum lösbaren Befestigen eines Kraftfahrzeugrades (13) auf einer von einem Antriebsmotor (2) antreibbaren Hauptwelle (1) einer Auswuchtmaschine mit einem oder mehreren bezüglich der Hauptwellenachse (20) definiert angeordneten Zentrierkonen (15; 19) und einer Spannmutter (5), die durch Gewindeeingriff mit der Hauptwelle (1) in axialer Richtung bewegbar ist, wobei ein am Rad (13) vorgesehenes Mittenloch und/oder am Rad (13) vorgesehene Bolzenlöcher auf den Zentrierkonus bzw. die Zentrierkonen (15; 19) gespannt oder von diesem bzw. diesen gelöst wird bzw. werden, dadurch gekennzeichnet, dass an der Spannmutter (5) eine Einrichtung (6; 14) zum Festhalten der Spannmutter (5) von Hand oder durch eine am Maschinenrahmen abstützbare Haltevorrichtung (22) gegen Drehung vorgesehen ist und eine Schalteinrichtung (11, 12) des Antriebsmotors (2) der Hauptwelle (1) so ausgebildet ist und der Antriebsmotor (2) mit der Hauptwelle (1) so verbunden ist, dass beim Spannen des Kraftfahrzeugrades (13) auf den Zentrierkonus bzw. die Zentrierkonen (15; 19) der Antriebsmotor (2) zum Drehen der Hauptwelle (1) und axialen Verschieben der gegen Drehen festgehaltene Spannmutter (5) einschaltbar ist und daß die Schalteinrichtung (11, 12) einen Schalter (12) zum automatischen Abschalten des beim Spannen des Kraftfahrzeugrades (13) auf den Zentrierkonus bzw. die Zentrierkonen (15; 19) eingeschalteten Antriebsmotors (2) beim Erreichen eines solchen Drehmoments enthält, das das Kraftfahrzeugrad ausreichend fest für die Durchführung des Unwuchtmeßlaufs auf der Hauptwelle aufspannt."

Die abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5 bis 7 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Verfahrens bzw. der in Anspruch 4 definierten Vorrichtung.

V. Die Beschwerdeführerin stützte ihren Antrag auf folgende Argumente:

In den unabhängigen Ansprüchen 1 und 4 wurde während der mündlichen Verhandlung ein neues Merkmal aufgenommen, das nicht den Unteransprüchen, sondern der Beschreibung entnommen ist. Daher ist der geänderte Anspruchssatz wegen verspäteter Vorlage als unzulässig zu betrachten.

Außerdem bezieht sich das aufgenommene Merkmal, wonach das Kraftfahrzeugrad "ausreichend fest für die Durchführung des Unwuchtmesslaufs" aufgespannt wird, auf einen nicht näher bezeichneten Vorgang. Daher werden die Ansprüche 1 und 4 durch die Änderung unklar (Artikel 84 EPÜ), da ungewiss bleibt, inwiefern das Rad "ausreichend fest" aufzuspannen ist.

Aus der Entgegenhaltung D1 gehen sämtliche Merkmale der Ansprüche 1 und 4 hervor. Insbesondere ist aus D1 ein Verfahren bekannt, bei dem der Motor der Hauptwelle einer Radauswuchtmaschine zum axialen Verschieben der Spannmutter verwendet wird und die Spannmutter gegen Drehung von einer Bedienperson festgehalten wird. Außerdem wird das vom Motorantrieb gegen die festgehaltene Spannmutter erzeugte Drehmoment während des Spannvorgangs überwacht, so dass bei Erreichen eines bestimmten Drehmoments der Motor automatisch abgeschaltet wird (Seite 19, Zeilen 1 bis 7, Seite 28, Zeilen 23 bis 27 und Seite 29, Zeilen 5 bis 15).

Dokument D2, das als nächstkommender Stand der Technik zu betrachten ist, betrifft eine Unwuchtmessvorrichtung, bei der das auszuwuchtende Rad mit Hilfe einer Spanneinrichtung an der von einem Motor angetriebenen Hauptwelle befestigt wird. In welcher Weise das Rad eingespannt wird, lässt D2 offen. Dem Fachmann stehen zum Festspannen des auszuwuchtenden Rades aber nur zwei Alternativen zur Verführung, nämlich den Antriebsmotor der Hauptwelle zu verwenden unter Festhaltung der Spannmutter oder die Spannmutter zu drehen unter Festhaltung der Hauptwelle. Es ist daher naheliegend, in D2 die Spannmutter festzuhalten bei gleichzeitigem Antrieb der Hauptwelle.

Außerdem ist es auch naheliegend, den Motor beim Aufspannen des Rades abzuschalten, wenn ein bestimmtes Drehmoment erreicht wird. So schlägt D4 eine Drehmoment überwachung der Hauptwelle einer Auswuchtmaschine für Kraftfahrzeugräder vor, um Drehmomentüberlastungen zu vermeiden (Spalte 4, Zeilen 1 bis 13). D6 betrifft eine Unwuchtmessmaschine, bei der der Motorantrieb zum Spannen des Rades an der Hauptwelle der Maschine verwendet wird, wobei das Drehmoment überwacht wird, um den Motor nach dem Spannvorgang automatisch abzuschalten (Spalte 3, Zeilen 48 bis 55 und Spalte 4, Zeilen 4 bis 7). Daher ist das Abschalten des Antriebsmotors bei Erreichen eines bestimmten Drehmoments aus D4 und D6 entnehmbar. Die beanspruchte Erfindung ist somit gegenüber einer Kombination der Dokumente D2 und D4 oder der Dokumente D2 und D6 nicht erfinderisch.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichem folgendes vorgetragen:

Der im Dokument D1 offenbarte Spannvorgang des Kraftfahrzeugrades betrifft eine andere Vorgehensweise als die beanspruchte Erfindung. Außerdem bleibt in D1 offen, ob die Flügelmutter fest gespannt wird oder ob das auszuwuchtende Rad auf dem Konus nur "hoch rollen" soll. Schließlich ist in D1 nicht offenbart, wann bzw. wie der Spannvorgang beendet, insbesondere ob der Antriebsmotor abgeschaltet wird. Daher gehen die beanspruchten Merkmale im Zusammenhang mit dem Vorgang des Aufspannens des auszuwuchtenden Rades aus dem Dokument D1 nicht unmittelbar hervor.

In D2 wird das auszuwuchtende Rad mit Hilfe einer Spanneinrichtung an der Hauptwelle befestigt. In welcher Weise dies geschieht, lässt diese Entgegenhaltung offen. Außerdem wird in D2 keine automatische Abschaltung des Motors beim Festspannen des Rades beschrieben.

In D4 wird das Rad mit Hilfe einer Zentriervorrichtung fest gespannt (Spalte 3, Zeilen 21 bis 41). Hierzu ist es erforderlich, dass die Hauptwelle der Auswucht maschine festgehalten wird (Spalte 1, Zeilen 46 bis 48).

In D6 wird die Energie zum Spannen des Rades an der Hauptwelle der Maschine vom Betriebsmotor der Hauptwelle geliefert. Dabei wirkt der Motor über eine durch die hohl ausgebildete Hauptwelle geführte Zugstange auf eine Spanneinrichtung. Außerdem wird die Hauptwelle beim Spannen des Rades festgehalten (Spalte 4, Zeilen 34 und 35).

Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich, dass selbst bei einer Kombination der Lehre des Dokuments D2 mit dem Inhalt der Entgegenhaltung D4 bzw. D6 die beanspruchte Erfindung noch immer nicht vorliegt. Es ist auch nicht klar, warum der Fachmann die Entgegenhaltungen betrachten und ggf. miteinander kombinieren sollte.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Ansprüche - Änderungen

2.1 Die geänderten unabhängigen Patentansprüche 1 und 4 gemäß dem einzigen Antrag der Beschwerdegegnerin entsprechen inhaltlich jeweils der Kombination des Anspruchs 1 und des unabhängigen Anspruchs 5 des erteilten Patents mit den Merkmalen des erteilten abhängigen Anspruchs 2 und des erteilten abhängigen Anspruchs 6, wobei während der mündlichen Verhandlung noch präzisiert worden ist, dass das zu erreichende Drehmoment demjenigen entspricht, "das das Kraftfahr zeugrad ausreichend fest für die Durchführung des Unwuchtmeßlaufs auf der Hauptwelle aufspannt", wie dies in der Beschreibung der Patentschrift (Seite 2, Zeilen 44 und 45 und Seite 3, Zeilen 39 bis 41) und in den entsprechenden Teilen der ursprünglichen Beschreibung offenbart ist. Die abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5 bis 7 entsprechen inhaltlich jeweils den abhängigen Ansprüchen 3, 4 und 7 bis 9 des erteilten Patents. Infolgedessen bestehen keine Einwände im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

2.2 Der vorliegende geänderte Anspruchssatz wurde von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung eingereicht, nachdem die Frage der Patentierbarkeit der Erfindung nach Artikel 52 (1) EPÜ gegenüber dem genannten Stand der Technik - insbesondere Dokument D1 - erörtert worden war. Die Änderungen betreffen nur die Aufnahme des oben erwähnten Merkmals aus der Beschreibung in die Ansprüche 1 und 4. Nach Meinung der Kammer werden durch das neu aufgenommene Merkmal ausschließlich die in den damaligen Ansprüchen enthaltenen Merkmale präzisiert, ohne eine Verlagerung des Erfindungsschwerpunkts zu bewirken, zumal diese Präzisierung der Patentschrift ohne weiteres als zur beanspruchten Erfindung gehörend entnehmbar ist.

Bei dieser Sachlage sind die Änderungen gemäß Hauptantrag nicht nur nach Regel 57a EPÜ zulässig, sondern können auch als sachdienlich und sogar notwendig betrachtet werden, da sie Argumenten Rechnung tragen, die von der Beschwerdeführerin vorher schriftlich vorgebracht und während der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten und weiter vertieft worden sind. Daher wurde der während der mündlichen Verhandlung eingerichtete geänderte Anspruchssatz von der Kammer - in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens und trotz den Beanstandungen des verspäteten Einreichens von geänderten Anspruchssätzen seitens der Beschwerde führerin - in das Verfahren zugelassen.

2.3 Dem Einwand der Beschwerdeführerin, die Ansprüche 1 und 4 würden durch die Änderungen unklar (Artikel 84 EPÜ), da ungewiss bleibe, inwiefern das Rad "ausreichend fest für die Durchführung des Unwuchtmesslaufs" aufgespannt werden solle, kann nicht gefolgt werden. Sowohl Anspruch 1 wie auch Anspruch 4, die jeweils ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Befestigung eines Kraftfahrzeugrades auf die Hauptwelle einer Radauswuchtmaschine betreffen, beziehen sich auf eine Radauswuchtmaschine, mit der ein Unwuchtmesslauf der Rades durchzuführen ist. Daher ist das Merkmal in seinem Zusammenhang hinreichend klar, um von fachkundigen Lesern verstanden zu werden. Somit liegt nach Auffassung der Kammer kein Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ vor.

3. Neuheit

3.1 Dokument D1, das einen Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ darstellt (Punkte I und II oben), offenbart eine Radauswuchtmaschine mit Mitteln zum lösbaren Befestigen eines Kraftfahrzeugrades auf der von einem Antriebsmotor antreibbaren Hauptwelle der Radauswuchtmaschine. Zum Spannen des Rades auf einen Zentrierkonus der Maschine wird eine Spannmutter, die durch Gewindeeingriff auf der Hauptwelle in axialer Richtung bewegbar ist, von einer Bedienungsperson gegen Drehen festgehalten, während die Hauptwelle durch den Motorantrieb gedreht wird (Seite 14, Zeilen 19 bis 28 und Seite 29, Zeilen 1 bis 15).

Das Dokument beschreibt auch, dass beim Spannvorgang des Rades die Hauptwelle mittels des Motorantriebs gedreht wird, bis die Stromentnahme Widerstand gegen weitere Drehung anzeigt (Seite 29, Zeilen 8 und 9) bzw. bis ein gewünschtes Drehmoment erreicht wird (Seite 29, Zeilen 9 bis 11). Im Lichte dieser Offenbarung hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass in D1 der Motorantrieb während des Spannvorganges des Rades automatisch abgeschaltet wird, wenn ein vom Motorantrieb gegen die festgehaltene Spannmutter erzeugtes Drehmoment erreicht wird, das das Kraftfahrzeugrad ausreichend fest für die Durchführung des Unwuchtmesslaufs auf der Hauptwelle aufspannt. Die Kammer kann sich jedoch der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht anschließen. Auch wenn die zitierten Textstellen in Dokument D1 so ausgelegt werden könnten, dass sie implizit aber unmittelbar eine automatische Abschaltung des Antriebs motors erfordern, wenn die Stromentnahme einen Widerstand gegen weitere Drehung anzeigt bzw. wenn ein nicht weiter definiertes, gewünschtes Drehmoment erreicht wird, ist dem Dokument D1 weder unmittelbar noch eindeutig entnehmbar, ob der angezeigte Widerstand bzw. das gewünschte Drehmoment einem Wert entspricht, bei dem das Kraftfahrzeugrad ausreichend fest für die Durchführung des Unwuchtmesslaufs auf der Hauptwelle aufgespannt wird, und nicht etwa einem niedrigeren Wert, bei dem das Kraftfahrzeugrad zwar auf der Hauptwelle angezogen wird, es jedoch für die Durchführung des Unwuchtmesslaufs in einem weiteren, an sich üblichen Bedienschritt - z.B. durch die Bedienperson - weiter angezogen bzw. noch festgezogen werden muss.

Infolgedessen sind nicht alle strukturellen bzw. funktionellen technische Merkmale der beanspruchten Gegenstände gemäß dem Anspruch 1 und dem unabhängigen Anspruch 4 unmittelbar und eindeutig dem Offenbarungs gehalt des Dokuments D1 zu entnehmen.

Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 4 und folglich auch der abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5 bis 7 sind demnach neu gegenüber Dokument D1 (Artikel 52 (1) und 54 (3) EPÜ).

3.2 Dokument D2 betrifft eine Auswuchtmaschine zum Messen von Unwuchten an Kraftfahrzeugrädern (Zusammenfassung). Das auszuwuchtende Rad wird an der Hauptwelle der Auswuchtmaschine mit Hilfe einer Spanneinrichtung, die einen auf die Hauptwelle aufgesetzten Befestigungs flansch und einen Zentrierkonus mit aufgesetzter Spannmutter besitzt, befestigt (Spalte 2, Zeilen 5 bis 14). Die Hauptwelle wird von einem Elektromotor angetrieben, mit dem eine Ein- und Ausschaltsteuerung verbunden ist (Spalte 2, Zeilen 15 bis 30).

Dokument D4 offenbart eine Auswuchtmaschine mit einer Hauptwelle, auf welcher mittels einer Spanneinrichtung ein auszuwuchtendes Kraftfahrzeugrad aufspannbar ist, einem Motor für den Antrieb der Hauptwelle und einer Festhalteeinrichtung zum Halten der Hauptwelle beim Festziehen oder Lösen der Spanneinrichtung (Zusammen fassung, Spalte 1, Zeilen 44 bis 48, Spalte 3, Zeilen 21 bis 51 und Spalte 4, Zeilen 1 bis 13).

Dokument D6 offenbart das Spannen eines Kraftfahrzeugs rades an einer von einem Antriebsmotor angetriebenen Hauptwelle einer Radausauswuchtmaschine mit Hilfe einer in axialer Richtung in der Hauptwelle beweglich geführten Zugstange. Das Motordrehmoment des Antriebs motors wird bei festgehaltener Hauptwelle über ein Gewinde zum Erzeugen einer radialen Spannbewegung auf ein Ende der Zugstange übertragen, während die Zugstange am anderen Ende mittels einer Spanneinrichtung mit dem Rad in Eingriff gebracht wird (Zusammenfassung, Spalte 1, Zeile 48 bis Spalte 2, Zeile 25).

Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 und des unabhängigen Anspruchs 4 gegenüber den Dokumenten D2, D4 und D6 wurde nicht bestritten. Auch die Kammer hat sich davon überzeugt, dass keines dieser Dokumente alle Merkmale des Anspruchs 1 bzw. des Anspruchs 4 aufweist. Insbesondere fehlt in D2 und in D4 ein Hinweis, den Motorantrieb beim Festspannen des Rades zu verwenden bzw. nach dem Festspannen wie beansprucht auszuschalten. Und in D6 wird zwar der Motorantrieb beim Aufspannvorgang des Rades verwendet, das Rad wird jedoch nicht direkt auf der Hauptwelle montiert, sondern auf einer in axialer Richtung in der Hauptwelle beweglichen Zugstange, wobei die Hauptwelle beim Aufspannvorgang festgehalten wird (Spalte 2, Zeilen 1 bis 25 und Anspruch 1).

3.3 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 4 und der davon abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5 bis 7 gegenüber den oben genannten Offenbarungen neu sind (Artikel 52 (1), 54 (2) und 54 (3) EPÜ).

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Anspruch 1

Als nächstkommender Stand der Technik wurde von der Einspruchsabteilung und auch von den Parteien unbestritten Dokument D2 angesehen. Von der Offenbarung des Dokuments D2 unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 im wesentlichen dadurch, dass

- zum axialen Verschieben der Spannmutter die Hauptwelle durch den Motorantrieb gedreht und die Spannmutter gegen Drehung festgehalten wird und dass

- beim Erreichen eines solchen vom Motorantrieb gegen die festgehaltene Spannmutter erzeugten Drehmoments, das das Kraftfahrzeugrad ausreichend fest für die Durchführung des Unwuchtmesslaufs auf der Hauptwelle aufspannt, der Motorantrieb automatisch abgeschaltet wird.

Die durch die Unterscheidungsmerkmale gegenüber D2 erzielte Wirkung besteht offenbar darin, das zentrierte Aufspannen des Kraftfahrzeugrades auf der Hauptwelle für die Bedienungsperson zu erleichtern (Seite 2, Zeilen 31 bis 45 der Patentschrift).

Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass es als naheliegend für den Fachmann zu betrachten sei, zum Aufspannen des Rades den Antriebsmotor der Hauptwelle zu verwenden unter Festhaltung der Spannmutter, anstatt die Spannmutter zu drehen unter Festhaltung der Hauptwelle, und danach den Motorantrieb abzuschalten. Der Argumentation der Beschwerdeführerin kann - wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen und von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung auch bereits dargelegt - jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als die Beschwerdeführerin davon ausgeht, dass vom Fachmann ohne weiteres noch erwartet würde, zusätzlich den Motorantrieb beim Erreichen eines bestimmten Drehmoments wie beansprucht automatisch abzuschalten. Insbesondere offenbart keines der Dokumente D2, D4 und D6 eine automatische drehmoment abhängige Abschaltung des Antriebsmotors der Hauptwelle in einem vom Motor betriebenen Aufspannvorgang des Rades, noch wird ein Hinweis darauf gegeben. So beschreibt Dokument D4 einen drehmomentkontrollierten Abbremsvorgang, jedoch nur zum Anhalten in einer bestimmten Winkellage (Spalte 1, Zeilen 26 bis 43) und nicht beim Aufspannvorgang des Rades, bei dem die Hauptwelle während des Festziehens der Spanneinrichtung im Gegensatz zur beanspruchten Lösung festgehalten wird (Spalte 1, Zeilen 8 bis 25 und 44 bis 64). Bei Dokument D6 wird der Antriebsmotor der Hauptwelle beim Aufspann vorgang des Rades verwendet. Der Spannvorgang erfordert allerdings keine Spannmutter bzw. keine Drehung der Hauptwelle sondern eine Zugstange, die mittels einer Spanneinrichtung mit dem Rad in Eingriff gebracht wird, während die Hauptwelle festgehalten wird (Punkt 3.2 oben). Außerdem beschreibt Dokument D6 eine Abschaltung des Motors, die aber nur bei beginnender Blockade des Motors oder bei geringfügiger Drehbewegung der Hauptwelle erfolgt, nicht aber bei einem bestimmten Drehmoment (Spalte 3, Zeilen 48 bis 57). Daher erfolgt der Spannvorgang des Rades in D6 nach ganz anderen Prinzipien und die automatische Abschaltung des Motors nach ganz anderen Kriterien als in der Erfindung.

Nach der Auffassung der Kammer ist daher nicht ohne weiteres ersichtlich, wie der Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung und ohne erfinderische Tätigkeit zu einer automatischen Drehmomentüberwachung beim Aufspannen einer gegen Drehung festgehaltenen Mutter auf einer sich drehenden Welle und zu einer automatischen Abschaltung des Aufspannvorgangs bei Erreichen eines bestimmten Drehmoments gelangen konnte. Daher beruht das Verfahren nach Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).

4.2 Ansprüche 2 bis 9

Der unabhängige Anspruch 4 ist auf eine Vorrichtung gerichtet, die Mittel aufweist, deren funktionelle Merkmale jeweils den Schritten des Verfahrens nach Anspruch 1 entsprechen. Daher beruht die Vorrichtung nach Anspruch 4 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5 bis 9 betreffen besondere Ausführungsarten des Gegenstandes nach Anspruch 1 bzw. Anspruch 4. Deren Gegenstand beruht daher ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).

5. Die Kammer kam damit während der mündlichen Verhandlung zu dem Schluss, dass die Patentschrift und die darin beschriebene Erfindung unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen gemäß dem einzigen Antrag der Beschwerdegegnerin die Erfordernisse des EPÜ erfüllen und dass das Patent in geändertem Unfang aufrechtzuerhalten ist (Artikel 102 (3) EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent im geänderten Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Beschreibung und Zeichnungen wie von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten und

- Ansprüche 1 bis 7 gemäß Hauptantrag, eingereicht während der mündlichen Verhandlung.

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