European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T055704.20060719 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 Juli 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0557/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98946408.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | C09C 1/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Bimolekular beschichtetes Calciumcarbonat sowie Verfahren zur Herstellung davon | ||||||||
Name des Anmelders: | Solvay Soda Deutschland GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Schaefer Kalk | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausführbarkeit (verneint) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Diese Beschwerde betrifft die am 8. März 2004 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent EP-B-1 009 779, beruhend auf der europäischen Patentanmeldung Nr. 98946408.6, widerrufen wurde. Der angefochtenen Entscheidung lagen die am 10. Februar 2004 eingereichten Ansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag zugrunde.
II. Die Einspruchsabteilung widerrief das Streitpatent wegen Nichterfüllung der Bestimmungen des Artikels 83 EPÜ. Sie befand den Hinweis im Streitpatent auf die ESCA - Methode zur Bestimmung des Coatinggrades als nicht hinreichend, um eine reproduzierbare Doppelschicht ausbildung über 20 - 60 % der Oberfläche herzustellen.
III. Gegen diese Entscheidung wurde mit Schreiben vom 28. April 2004 von der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.
IV. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin neue Anspruchsätze gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 und 2 sowie einen Bericht
D4: I. SUTHERLAND "Use of XPS/ESCA to Study Surface Coating of Powders", Loughborough University, 2004;
und ein vollständiges Exemplar der Studie
D1: MOHAI M et al, "X-Ray Photoelectron Spectroscopic Investigation of Stearic Acid Covered Calcium Carbonate Fillers", Research Report der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest 2001, 10 Seiten;
ein. Zur Begründung der Beschwerde, insbesondere zur Frage der Ausführbarkeit, argumentierte sie im Wesentlichen so:
Der theoretische Bedeckungsgrad für eine monomolekulare Schicht (Monolayer) könne vom Fachmann rechnerisch ermittelt werden aus dem Platzbedarf eines Stearinsäuremoleküls und der bestimmbaren Oberfläche des Calciumcarbonats, sowie der Menge des Beschichtungsmittels. Der Bedeckungsgrad könne aber auch, wie im Streitpatent erwähnt und in D1 und D4 gezeigt, durch ESCA gemessen werden. Die Werte der gemessenen und der berechneten Bedeckung unterschieden sich bei der Erfindung durch den Faktor zwei, woraus auf eine Doppelschicht geschlossen werden könne.
V. Die Kammer erhob in einer Mitteilung Einwände unter Artikel 123 (3) und Regel 57a EPÜ gegen die neuen Ansprüche (gemäß Haupt- und Hilfsanträgen). Sie bezweifelte auch, ob das Patent den Fachmann in die Lage versetze, die im Anspruch 1 geforderte bimolekulare Doppelschicht qualitativ und quantitativ nachzuweisen.
VI. In Erwiderung auf die Einwände der Kammer legte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19. Juni 2006 neue Patentansprüche als Hauptantrag vor.
Die Ansprüche 1 und 2 dieses Hauptantrags lauten folgendermaßen:
1. In wässrigen Systemen gecoatetes Calciumcarbonat, dadurch gekennzeichnet, dass 20 bis 60 % der Kristalloberfläche bimolekular in Form einer Doppelschicht mit Stearinsäure oder deren Alkali- oder Ammoniumsalzen als Coatingmittel gecoatet sind, mit der Maßgabe, dass eine in Abhängigkeit vom mittleren Teilchendurchmesser des Calciumcarbonats nach der Beziehung
Coatingmittel (g) = Bedeckungsgrad (g/m**(2)) . (5,99/d.dp) (m**(2)/g) . CaCO3 (g)
bestimmte Coatingmittelmenge mit dem Calciumcarbonat in Kontakt gebracht wird.
2. Verfahren zur gesteuerten bimolekularen Beschichtung von Calciumcarbonat - Teilchen, bei dem eine in Abhängigkeit vom mittleren Teilchendurchmesser des Calciumcarbonats nach der Beziehung
Coatingmittel (g) = Bedeckungsgrad (g/m**(2)) . (5,99/d.dp) (m**(2)/g) . CaCO3 (g)
bestimmte Coatingmittelmenge mit dem Calciumcarbonat in Kontakt gebracht wird, dadurch gekennzeichnet, dass im wässrigen System das Coatingmittel als Emulsion in eine Calciumcarbonat - Suspension eingetragen und mit dem Calciumcarbonat dispergiert bzw. emulgiert wird.
VII. Gemäß weiteren Argumenten der Beschwerdeführerin sei die Ausführbarkeit gegeben, weil das Streitpatent nicht nur das Merkmal aufweise, dass ein Anteil von 20 - 60 % der Kristalloberfläche bimolekular in Form einer Doppelschicht beschichtet sein solle, sondern darüber hinaus eine Formel angebe, mit der die genaue Menge des benötigten Coatingmittels berechnet werden könne. In diese Berechnung gehe der Bedeckungsgrad ein, der mit der ESCA - Methode durch Messung der Intensität der Photoelektronen bestimmbar sei. In Hinblick auf D1 und D4 sei es plausibel, dass mittels ESCA anhand gewisser geometrischer Modelle der Bedeckungsgrad bestimmbar sei. Im übrigen sei die Frage, ob die Bedeckung von 20 - 60 % der Oberfläche durch eine Doppelschicht messtechnisch präzise erfassbar sei, allenfalls unter Artikel 84, nicht unter Artikel 83 EPÜ zu stellen.
Das Streitpatent lehre außerdem ein Verfahren, wie die erfindungsgemäße Beschichtung praktisch aufgebracht werde. In Beispiel 3 werde anhand einer Eichkurve zunächst der für die gewünschte Fliessgrenze erforderliche Coatinggrad bestimmt. Durch Einsetzen in die mathematische Formel des Anspruchs 1 erhalte man die genaue Menge an Coatingmittel, die erforderlich sei, um erfindungsgemäß beschichtete Calciumcarbonatteilchen herzustellen.
VIII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) argumentierte im Wesentlichen, dass der Fachmann mit der ESCA - Methode nicht bestimmen könne, welcher Anteil der Kristalloberfläche bedeckt sei und ob überhaupt eine Doppelschicht vorliege. Laut D1 fehle es an einer qualitativen und quantitativen Bestimmbarkeit der bimolekularen Bedeckung bzw. des Bedeckungsgrades. Da dies wesentliche Merkmale des unabhängigen Anspruchs 1 seien, sei die beanspruchte Erfindung nicht ausführbar.
Die Beschwerdegegnerin verwies auf die Studien D1 und D4, wo sich deutliche Unterschiede zwischen den Probenreihen A und B zeigten. Eine Doppelschicht sei nicht nachgewiesen worden, obwohl beide Probenreihen wie beansprucht durch Coating aus wässriger Emulsion hergestellt worden seien. Beide Studien kämen zu dem Schluss, dass die Messergebnisse für Probenreihe A von keinem Modell beschrieben würden; die Proben B könnten noch am besten durch das sogenannte "Monolayer Island Model" beschrieben werden, aber auch nur bei mittleren Bedeckungsgraden. Weder in D1 noch in D4 werde eine Doppelschicht in Erwägung gezogen, sondern die Autoren erklärten das Abweichen der Messwerte von den nach dem Inselmodell berechneten Werten mit dem Vorliegen unzugänglichen Kohlenstoffs in Form dicker Inseln. Die Patentschrift enthalte keine Angaben über das zu verwendende Modell.
IX. Am 19. Juli fand eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin reichte neue Ansprüche als Hilfsanträge 1 und 2 ein.
Im Hilfsantrag 1 sind gegenüber dem Hauptantrag vom 19. Juni 2006 der Produktanspruch 1 und die Verwendungs ansprüche 7 und 8 weggefallen und die verbleibenden Verfahrensansprüche entsprechend neu nummeriert.
Hilfsantrag 2 enthält ebenfalls nur Verfahrensansprüche, wobei der unabhängige Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat:
1. Verfahren zur gesteuerten bimolekularen Beschichtung von Calciumcarbonat - Teilchen, bei dem eine in Abhängigkeit vom mittleren Teilchendurchmesser des Calciumcarbonats nach der Beziehung
Coatingmittel (g) = Bedeckungsgrad (g/m**(2)) . (5,99/d.dp) (m**(2)/g) . CaCO3 (g)
bestimmte Coatingmittelmenge mit dem Calciumcarbonat in Kontakt gebracht wird, wobei als Coatingmittel Salze von gesättigten und/oder ungesättigten Fettsäuren mit einer Kettenlänge von C14 - C22 - Kohlenstoffatomen verwendet werden, dadurch gekennzeichnet, dass im wässrigen System das Coatingmittel als Emulsion in eine Calciumcarbonat - Suspension eingetragen und mit dem Calciumcarbonat dispergiert bzw. emulgiert wird.
In ihrer Argumentation während der mündlichen Verhandlung sah die Beschwerdeführerin die Frage der Bestimmbarkeit der Doppelbedeckung durch ESCA als entscheidend an. Die Beschwerdegegnerin sei diesbezüglich ihrer Beweispflicht nicht nachgekommen. Der von ihr vorgelegten Untersuchungsbericht D1 sei lückenhaft und nicht nachvollziehbar, weil unklar sei, wie die Referenzproben hergestellt wurden. D4 enthalte keine Wiederholung oder Nacharbeitung der Messungen von D1, sondern es sei nur überprüft worden, ob die Ergebnisse von D1 theoretisch und rechnerisch richtig sein könnten. Die unklare Herkunft der Proben werde durch D4 nicht beseitigt. Es gehe aus D1 nicht hervor, dass die Proben patentgemäß hergestellt worden seien. Für die Anwendung der ESCA - Methode sei entscheidend, das richtige Auswertemodell zu benützen. Dies wiederum setze die Kenntnis des Herstellverfahrens voraus, welche den Autoren von D1 fehlte. Diese Mängel gingen zu Lasten der Einsprechenden und Beschwerdegegnerin, die die Nichtausführbarkeit der Erfindung behaupte.
Die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die Probenserie B nach der Methode gemäß dem Beispiel des Streitpatents hergestellt wurde.
X. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der Ansprüche 1 bis 8 des Hauptantrags, eingereicht am 19. Juni 2006, oder der Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 1, oder der Ansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 2, jeweils eingereicht während der mündlichen Verhandlung, hilfsweise die Zurückverweisung des Verfahrens an die erste Instanz.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
Die Änderung in Anspruch 1 des Hauptantrags, nach der das Coatingmittel Stearinsäure oder deren Alkali- oder Ammoniumsalz ist, beruht auf Seite 3, vorletzter Absatz der Beschreibung der PCT - Anmeldung WO-A-99/11721 wie veröffentlicht.
Anspruch 2 des Hauptantrags beruht auf den Ansprüchen 2 und 3 der besagten PCT - Anmeldung WO-A-99/11721. Das Merkmal "im wässrigen System" entstammt der Beschreibung, Seite 4, Zeile 6, der PCT - Anmeldung.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 beruht auf den Ansprüchen 2, 3 und 7 und auf der Beschreibung, Seite 4, Zeile 6, der PCT - Anmeldung.
Die neuen Ansprüche genügen also den Bestimmungen von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
3. Die Kammer hat die in der mündlichen Verhandlung, somit verspätet, eingereichten Hilfsanträge zugelassen, da sie sich vom bereits am 19. Juni 2006 eingereichten Hauptantrag nur durch das Weglassen des Produktanspruchs 1 bzw. durch die Kombination des unabhängigen Verfahrensanspruchs mit einem abhängigen unterscheiden.
Die Beschwerdegegnerin erklärte sich zudem während der mündlichen Verhandlung bereit und in der Lage, sachlich zu diesen Anträgen Stellung zu nehmen.
4. Ausführbarkeit der Erfindung
4.1 Hauptantrag
Gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags und gemäß der Beschreibung, Abschnitte [0015] bis [0020], ist ein wesentliches Charakteristikum des erfindungsgemäß beschichteten Calciumcarbonats die Ausbildung einer bimolekularen Bedeckung bzw. einer Doppelschicht an Stearinsäure bzw. deren Alkali- und Ammoniumsalzen. Laut Anspruch 1 des Hauptantrags soll diese Doppelschicht die Kristalloberfläche zu 20 - 60 % bedecken.
Eine solche Doppelschicht entsteht nach den Erklärungen des Streitpatents (Abschnitte [0016] bis [0019]) aus den in wässriger Emulsion vorliegenden kugelförmigen Mizellen aus Natriumstearat.
Die Coatingmittelmenge wird erfindungsgemäß nach der im Anspruch 1 angegebenen Berechnungsformel, in die die Dichte d des CaCO3, der mittlere Teilchendurchmesser dp der Calciumcarbonatkristalle (gemessen nach Blaine) und der gewünschte Bedeckungsgrad (in g/m**(2))einfließen, berechnet. Die Kammer merkt bei dieser Gelegenheit an, dass der in der Formel im Anspruch angegebene "Bedeckungsgrad" in g/m**(2)eigentlich eine flächenbezogene Coatingmittelmenge darstellt und daher nicht zu verwechseln ist mit dem (prozentualen) Bedeckungsgrad, der anspruchsgemäß zwischen 20 und 60 % liegen soll und der das prozentuale Verhältnis von tatsächlich bedeckter Oberfläche zur Gesamtoberfläche der Calciumcarbonat - Teilchen angibt.
Der im Anspruch 1 aufscheinende prozentuale Bedeckungsgrad (20 - 60 % der Oberfläche) lässt sich nach Streitpatent, Abschnitt [0020], durch ESCA - Messung ermitteln. Dabei zeigt sich laut Streitpatent durch Vergleich des gemessenen Wertes mit dem theoretischen Bedeckungsgrad bei einer Einfachbedeckung (berechnet aus dem Platzbedarf einer Stearinsäuregruppe, der Kristalloberfläche nach BET und dem Coatinggewicht), dass nur etwa 50 % der zu erwartenden Oberfläche tatsächlich bedeckt sind. Dies wird erfindungsgemäß mit dem Vorliegen einer Doppelschicht erklärt.
Die Beschwerdegegnerin hat im Zuge des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens bestritten, dass der prozentuale Bedeckungsgrad und die Doppelschicht durch ESCA - Messung gefunden bzw. überprüft werden könnten. Sie hat zu diesem Zweck die Untersuchung D1 in Auftrag gegeben, in deren Rahmen mit Stearinsäure beschichtete Calciumcarbonat - Proben mittels ESCA (XPS; X-Ray Photoelectron Spectroscopy) analysiert wurden. Sämtliche Proben wurden von der Beschwerdegegnerin zur Verfügung gestellt. Von den Proben der Probenreihe A ist nicht bekannt, nach welchem Verfahren sie hergestellt wurden, bzw. konnte die Beschwerdegegnerin ihre früheren Angaben dazu in der mündlichen Verhandlung nicht bestätigen. Die Proben der Probenreihe B sind aber nach Aussage der Beschwerdegegnerin aus wässriger Emulsion, also gemäß Streitpatent, hergestellt. Ihre spezifische Oberfläche liegt in derselben Größenordnung wie die der Beispiele des Streitpatents. Trotz der diesbezüglichen Bedenken der Beschwerdeführerin sieht die Kammer keinen Grund, an der Aussage der Beschwerdegegnerin zu zweifeln, dass diese Proben patentgemäß hergestellt sind. Die Beschwerdeführerin selbst hat keine Gründe für ihre Zweifel angegeben. Sie hat sogar die Ergebnisse der Budapester Studie D1 durch andere Experten nachprüfen lassen (D4), ohne selbst neue Proben herzustellen. Es ist in diesem Zusammenhang auch festzuhalten, dass Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf ein durch ein bestimmtes Herstellverfahren hergestelltes Calciumcarbonat beschränkt ist; vielmehr umfasst der Anspruch alle beschichteten Produkte, sofern ihre Eigenschaften mit denjenigen eines in einem wässrigen Emulsionssystem mit Stearinsäure oder deren Alkali- oder Ammoniumsalzen gecoatetes Calciumcarbonats identisch sind und ihre Kristalloberfläche zu 20 - 60 % mit einer Doppelschicht aus Stearinsäure bzw. deren Alkali- der Ammoniumsalzen beschichtet sind. Auch die Frage der Herkunft des Calciumcarbonats ist nicht ausschlaggebend, da die unabhängigen Ansprüche dieses nicht näher definieren.
In der ESCA - Methode erfolgt die Ermittlung eines Bedeckungsgrades einer Oberfläche durch Messung und Vergleich der Intensitäten zweier Photoelektronen - Peaks, wovon einer dem Substrat und der andere dem Coating zugehören (vgl. D4, "Introduction", zweiter Absatz). Zur rechnerischen Auswertung dieser an den Proben gewonnenen ESCA - Messwerte muss man sich verschiedener Quantifizierungsmodelle bedienen (siehe D4, Appendix 2). In der Studie D1 beschrieben und diskutiert werden das "Homogenous Model", das "Spherical Model" und das "Monolayer Spherical Islands Model" (siehe Seiten 4 und 5). Im vorliegenden Fall der Beschichtung von Pulvern kann das "Homogeneous Model" jedoch nur Anhaltswerte liefern (D1, Seite 4). Die Auswertung der ESCA - Messungen aus D1 zeigt aber, dass auch die verbleibenden Modelle das System Calciumcarbonat - Stearinsäure nicht vollständig beschreiben können (D1, "Discussion", dritter Absatz).
Aus D1 (Tabelle 6 und "Discussion") und D4 (Figuren 3 und 4; Kapitel 4 bis 6) lässt sich insbesondere nicht auf das Vorhandensein einer Doppelschicht schließen. Die Beschwerdeführerin hat zwar darauf hingewiesen, dass die durch ESCA bestimmten Bedeckungsgrade der Probenreihe A in etwa halb so groß sind wie die chemisch - analytisch bestimmten (D1, siehe Tabelle 6); sie wollte darin eine Bestätigung für das Vorliegen einer Doppelschicht sehen. Dies trifft aber ungefähr allenfalls für die Proben A (60%), A(80%) und A (100%) zu, nicht aber für A (20%) und A (40%), deren Bedeckungsgrade unter den vorliegenden Anspruch fallen. Legt man die Werte aus Tabelle 2 der D4 zugrunde, so trifft dies mit geringer Abweichung nur für die Probe A(100%), mit deutlichen Abweichungen für die Proben A(40%) und A(80%), und gar nicht für die restlichen Proben A zu. Die Probenreihe B, die patentgemäß hergestellt wurde, zeigt diesen Effekt überhaupt nicht. Diese Proben B lassen sich, zumindest bei mittlerem Coatinggrad von 40 und 60 %, noch am besten mit dem "Monolayer Spherical Island Model" erklären, wie man den Daten der Tabelle 6 und der graphischen Darstellung der Daten entnehmen kann (D1, Figur 2). Ähnliches gilt für die Proben B aus der Studie D4 bei einem mittleren Coatinggrad von 40% und 60%, und auch bei 80% (D4, Figur 4 und Punkt 5, zweiter Absatz). Dieses Modell beruht, wie der Name sagt, auf der Annahme einer monomolekularen Schicht und nicht einer Doppelschicht.
Entscheidend ist nach Auffassung der Kammer aber, dass die Autoren der Studie D1 in den Messdaten keinen Hinweis auf eine Doppelschicht sahen, sondern sie anders erklärt haben. Gleiches gilt für die von der Beschwerdeführerin selbst in Auftrag gegebene Studie D4. Auch der Autor von D4 konnte aus den vorliegenden ESCA - Messdaten nicht auf eine Doppelschicht schließen, insbesondere nicht bei denjenigen Proben, die gemäß Streitpatent aus wässriger Emulsion beschichtet wurden und laut Streitpatent eine solche Doppelschicht zeigen sollten. In D1 ("Discussion", dritter Absatz) vermuten die Autoren aufgrund der Messergebnisse zusammenfassend, dass einige Teile der Oberfläche der Calciumcarbonat teilchen unbedeckt seien, andere Teile von einer Monoschicht bedeckt seien, während wieder andere Bereiche dicke Inseln ("thick islands") aufwiesen. Die Beschwerdeführerin sah zwar in diesen "thick islands" einen Hinweis auf Doppelschichten. Die Kammer kann sich dem nicht anschließen, da eine dicke Schicht keineswegs zwangsläufig eine Doppelschicht sein muss.
Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass bei der Bestimmung des Bedeckungsgrades mittels ESCA - Messung die Wahl der Auswertemethode (des "Modells") entscheidend ist. Dazu sei es u.a. wesentlich, das Herstellverfahren der Probe zu kennen.
Das Streitpatent gibt aber nun gerade keine Auskunft über die anzuwendende Auswertemethode, sondern beschränkt sich auf den Hinweis, der Bedeckungsgrad könne mit ESCA ermittelt werden. Andere Bestimmungs verfahren sind weder aus dem Streitpatent bekannt noch hat die Beschwerdeführerin solche als zum allgemeinen Fachwissen gehörig nachgewiesen. Wie aus D1 und D4 ersichtlich, existieren mindestens drei verschiedene ESCA - Auswertemodelle, die aber nicht den Nachweis einer Doppelschicht an den Proben B erlaubten. Der Fachmann ist daher durch die Offenbarung des Streitpatents nicht in die Lage versetzt, an einer beliebigen Probe das anspruchsgemäße Vorhandensein einer Doppelschicht zu bestimmen. Das beanspruchte Calciumcarbonat soll sich aber gerade durch dieses Merkmal von Produkten des Stands der Technik unterscheiden (siehe Streitpatent, Abschnitt [0004] und die dort zitierte D5: DE A 38 01 649). Die Nichtüberprüfbarkeit dieses Kernmerkmals hat nach Auffassung der Kammer die Nichtausführbarkeit der Erfindung zur Folge.
Dieser negative Befund kann nicht etwa einer mangelhaften Durchführung der Messungen und Berechnungen in der von der Beschwerdegegnerin in Auftrag gegebenen Studie D1 zugeschrieben werden. Die Beschwerdeführerin selbst hat nämlich die Studie D1 von einem Experten ihrer Wahl überprüfen lassen. Er kommt im Dokument D4 zum Ergebnis, dass die Messungen und Auswertungen in D1 nach den anerkannten Regeln der Wissenschaft vorgenommen wurden (siehe D4, Punkt 2, "General Comments").
Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass ESCA eine seit über 25 Jahren eingeführte und zum Prioritätstag des Streitpatents zum analytischen Standard gehörige Messmethode sei, über die sich der Fachmann jederzeit in der Literatur informieren könne. Dieses Argument kann die Kammer jedoch nicht überzeugen, da es hier nicht um eine Routinebestimmung von Oberflächen mittels ESCA, sondern um die Bestimmung der Bedeckungsverhältnisse an der Oberfläche feinteiliger Pulver handelt. Dass hier die Forschung noch im Fluss ist, erkennt man daran, dass in D4 Methoden bei der Berechnung des Bedeckungsgrades angewandt wurden, die erst im Rahmen einer Doktorarbeit im Jahre 2000 entwickelt wurden (D4, Seite 2, letzter Satz, und die darin zitierte Literatur).
Die Kammer folgert aus dem allen, dass entweder beim im wässrigen System mit Stearinsäure oder deren Alkali- oder Ammoniumsalzen als Coatingmittel gecoateten Calciumcarbonat (hergestellt wie in Anspruch 1 angegeben) mit der ESCA - Methode der Nachweis einer Doppelschicht nicht geführt werden kann oder dass gar keine Doppelschicht gebildet wurde.
Unter diesen Umständen findet die Kammer, dass die Beschwerdeführerin beweispflichtig gewesen wäre, das Funktionieren der von ihr angegebenen Methode und damit die Nacharbeitbarkeit und Überprüfbarkeit des Erfindungsgegenstandes zu zeigen. Die Beschwerdeführerin konnte jedoch letztlich D1 und D4 nicht widerlegen, die beide zeigen, dass man mit ESCA - Messungen keine Doppelschicht in den nach dem Streitpatent hergestellten Proben nachweisen konnte.
Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass das Patent den in Anspruch 1 definierten Gegenstand nicht so vollständig beschreibt, dass der Fachmann ihn ausführen kann (Artikel 83 und 100b EPÜ).
Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.
4.2 Hilfsanträge 1 und 2
Die unabhängigen Ansprüche dieser Anträge sind auf Verfahren zur Herstellung einer bimolekularen Beschichtung von Calciumcarbonat - Teilchen mit einem Coatingmittel gerichtet. Aus der Beschreibung des Streitpatents, beispielsweise Paragraph [0015], wird klar, dass unter einer bimolekularen Beschichtung eine Doppelschicht zu verstehen ist.
Daher treffen alle Argumente, die bei der Diskussion des Hauptantrags zur Frage des qualitativen Nachweises einer Doppelschicht gegeben wurden, auch auf die Hilfsanträge zu. Dies gilt auch für die Verfahrensansprüche, da die Herstellung von Calciumcarbonat - Teilchen mit einer bimolekularen Beschichtung ein charakteristisches Merkmal der beanspruchten Verfahren ist und daher am Produkt feststellbar sein muss, ob das gewünschte Ergebnis eintritt oder nicht.
Die Hilfsanträge sind daher ebenfalls nicht gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.