European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T052504.20050707 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 Juli 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0525/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96117067.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16K 17/16 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Druckentlastungsvorrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | Rembe GmbH Safety + Control | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BRILEX Gesellschaft für Explosionsschutz mbh | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | erfinderische Tätigkeit (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 773 393 wurde mit der am 23. Februar 2004 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wurde von der Einsprechenden am 30. März 2004 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 22. Juni 2004 eingereicht.
II. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 7. Juli 2005 beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen. Die Beschwerdegegnerin stellte als neuen Hauptantrag die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß dem mit Schreiben vom 24. Mai 05 eingereichten und am 28. Mai 05 eingegangenen Hilfsantrag I. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des mit Schreiben vom 24. Mai 2005 eingereichten Hilfsantrags II.
Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:
"Druckentlastungsvorrichtung umfassend eine Berstscheibe (14) mit einem mittleren gewölbten Teil und einem äußeren umlaufenden flachen Flansch (14a), in dessen Bereich die Berstscheibe befestigbar ist, wobei die Berstscheibe um den mittleren gewölbten Teil herum angeordnete Schlitze (20) aufweist, die jeweils durch kürzere Materialstege (14c) unterbrochen sind und wobei diese Materialstege als Sollbruchstelle dienen, wobei im Umfangsbereich der Berstscheibe zumindest abschnittsweise an wenigstens einer Seite eine flache Dichtung vorgesehen ist und wobei die Berstscheibe zwischen zwei Teilen eines Befestigungsrahmens (11,16) im Bereich ihres Flansches unter Klemmwirkung festspannbar ist und wobei die Sollbruchstellen (14c) im Zwischenraum zwischen dem Oberteil (11) und dem Unterteil (16) des Befestigungsrahmens angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, daß für die Befestigung der Berstscheibe im Bereich ihres Flanschs (14a) zwei unterschiedlich breite Klemmringe (12,13) vorgesehen sind, von denen der eine Klemmring (13) die Sollbruchstellen (14c) und Schlitze (20) überdeckt und der andere Klemmring (12) die Sollbruchstellen und Schlitze nicht überdeckt, wobei ein oberer schmalerer Klemmring (12) vorgesehen ist, der Schlitz (20) und Sollbruchstelle (14c) nicht überdeckt und unterhalb dieses oberen Klemmrings (12) der breitere Klemmring (13) angeordnet ist, der dem Flansch (14a) der Berstscheibe zugewandt ist und Schlitz (20) und Sollbruchstelle (14c) abdeckt, wobei sowohl der obere Klemmring (12) als auch der untere Klemmring (13) auf einer Seite des Flanschs (14a) der Berstscheibe angeordnet ist."
III. Die Beschwerdeführerin gab als Gründe für ihren Antrag die fehlende erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 an, insbesondere im Hinblick auf die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung einer Druckentlastungsvorrichtung durch die Beschwerdeführerin, gemäß den Anlagen K1-K11,K13-K16 und der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Laufkötter, sowie im Hinblick auf die Dokumente E1 (EP-A-055 909) und E2 (US-A-5 368 180). Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Glaubhaftigkeit des Tatbestands der offenkundigen Vorbenutzung während des schriftlichen Verfahrens und in der mündlichen Verhandlung betrafen insbesondere die in ihrer Beweisführung eine gleichermaßen zentrale Rolle einnehmende eidesstattliche Versicherung und Zeichnungen der Anlage K6. Die zeichnerische Darstellung einer offenkundig vorbenutzten Druckentlastungsvorrichtung, umfassend eine Berstscheibe, entsprechend der Anlage K6 sei, wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen und in der Eingabe vom 22. April 2003 (Seite 2, I.1) angegeben, auf der Grundlage eines von der Beschwerdeführerin bereitgestellten Musters entstanden, welches in der Anlage K5 auch photographisch abgebildet sei. In der eidesstattlichen Versicherung bestätige Herr Laufkötter, die zeichnerische Darstellung der Anlage K6 entspreche den tatsächlich den Kunden, zusammen mit der Montageanleitung und der Flanschzeichnung (Anlage K4), gemäß den Aufträgen Nr. 1-17 der Anlage K13, zur Erstellung der Druckentlastungsvorrichtung gelieferten Berstscheiben. Die Vorbenutzungshandlungen hätten insbesondere in dem Zeitraum vom 1. August 1994, Zeitpunkt seiner Einstellung bei der Beschwerdeführerin, bis zum Herbst 1995 stattgefunden. Die Beschwerdeführerin bot als weitere Beweismittel für den vorgebrachten Tatbestand der offenkundigen Vorbenutzung die Zeugeneinvernahme des eigenen Geschäftsführers, Herrn Bunse, und des Herrn Laufkötter an.
Zur Relevanz der offenkundigen Vorbenutzung legte die Beschwerdeführerin dar, sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 seien aus der offenkundig vorbenutzten Druckentlastungsvorrichtung bekannt, mit der einzigen Ausnahme des Merkmals, wonach (i) "ein oberer, schmalerer Klemmring vorgesehen ist, der Schlitz und Sollbruchstelle nicht überdeckt und unterhalb dieses oberen Klemmrings der breitere Klemmring angeordnet ist, der dem Flansch der Berstscheibe zugewandt ist und Schlitz und Sollbruchstelle abdeckt". Zu den strittigen Merkmalen, die die Beschwerdeführerin jedoch als aus dem vorbenutzten Gegenstand bekannt ansah, wurde folgendes vorgetragen. Es ergebe sich insbesondere aus der eidesstattlichen Erklärung und aus Anlagen K14 und K16, daß die Schlitze deutlich länger waren als die Materialstege (Sollbruchstellen). Dies sei übrigens auch eine direkte Folge des niedrigen Ansprechdruckes von 0.1 oder 0.2 bar. Auch sei der Ring 13 aus der Anlage K6, welcher die Sollbruchstellen überdecke, als Klemmring anzusehen, da dies unter anderem aus den in der Anlage K15 dargestellten Druckversuchen, aus seiner Funktion als Druckspitzendämpfungsmaterial (vgl. die Anlagen K4 und K7 (Seite 2, Spalte 1, letzter Absatz) und die eidesstattliche Erklärung) und aus dem Zusammenstauchen bei der Montage, wo der anfangs 2 mm dicke Klemmstreifen 13 auf die Blechdicke von 0.8 mm des umgefalzten Flanschabschnittes 12 zusammengedrückt werde, hervorgehe. Im übrigen sei die Klemmkraft im Anspruch nicht genauer definiert und gemäß Streitpatent biete "..der zweite Klemmring, der die Sollbruchstelle zwar überdeckt, aber ohne wesentliche oder mit nur einer geringen Klemmkraft in dem gesamten Flanschbereich,.. eine Abstütz- und Widerlagerfunktion für den Flansch der Berstscheibe" (Spalte 3, Zeilen 10-15), wie es eben auch beim vorbenutzten Gegenstand der Fall sei. Weiter sei der umgefalzte Flanschabschnitt 12 der Berstscheibe in der Anlage K6, welcher die Sollbruchstellen nicht überdecke und worauf auch in Anlage K7 (Seite 2, Spalte 1, dritter Absatz) und in der eidesstattlichen Erklärung hingewiesen werde, als Klemmring anzusehen, da er beim Anziehen der Flanschschrauben eingeklemmt werde. Die Arbeitsanweisung K8 stelle auch einen weiteren Nachweis für das Vorhandensein des umgefalzten Flanschabschnitts 12 dar, da ohne diesen umgefalzten Abschnitt der Klemmring 13 auf der Angelseite der Berstscheibe nicht hätte entfallen können, weil dann die Klemmkräfte entlang dem Umfang der Berstscheibe ungleich verteilt würden und folglich auch die Dichtungsfunktion der Dichtung 15 auf der gegenüberliegenden Umfangsseite des Flansches beeinträchtigt wäre.
Die Beschwerdeführerin betrachtete es somit als erwiesen, daß einzig und allein das obige Merkmal (i) aus dem offenkundig vorbenutzten Gegenstand nicht bekannt sei. Dieser Unterschied könne aber keine erfinderische Tätigkeit begründen, da diese eine für den Fachmann naheliegende Maßnahme gewesen wäre, um eine verliersichere Halterung zu erhalten. Es gäbe im übrigen auch nur die zwei Möglichkeiten zur Anordnung der beiden Klemmringe 12,13 auf derselben Seite des Flanschs der Berstscheibe, nämlich entweder nebeneinander oder übereinander, womit die Auswahl zwischen diesen beiden Alternativen keine erfinderische Tätigkeit beinhalten könne.
Betreffend den druckschriftlichen Stand der Technik berief sich die Beschwerdeführerin im wesentlichen auf ihre bereits schriftlich vorgebrachten Darlegungen. Demnach sei ausgehend von E1 der Anspruchsgegenstand nicht als erfinderisch anzusehen, weil der E1 die gleiche Funktionsweise wie nach der Lehre des Streitpatents zugrundeliege, nämlich einen auf den Flansch der Berstscheibe von außen nach innen abnehmenden Verlauf der Klemmkraft zu erhalten (Streitpatent, Spalte 5, Zeile 54-Spalte 6, Zeile 1; E1, Seite 3, Zeilen 8-12), und weil andererseits auch die Anordnung der Klemmringe übereinander und auf derselben Seite des Flanschs sich z.B. unmittelbar aus Fig. 3 der E1 ergebe und aus Gründen der Verliersicherheit der Halterung nahegelegen hätte. Somit hätte der Fachmann ohne erfinderisches Hinzutun die Schulter der Klemmoberfläche 32 durch eine lose Distanzscheibe ersetzt, wie in Anlage K12 abgebildet, und wäre somit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt. Schließlich sei auch das Merkmal, wonach die Schlitze durch kürzere Materialstege, die als Sollbruchstellen dienen, unterbrochen sind, selbst unter der Annahme, daß es nicht direkt aus E1 entnehmbar sei, zumindest im Hinblick auf E2 für den Fachmann naheliegend gewesen.
Umgekehrt führe auch die naheliegende Kombination von E2 mit E1 auch unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1. Der Fachmann hätte sich ausgehend von E2, bei der objektiven Aufgabe die Berstscheibe so zu befestigen, daß die Ansprechfunktion nicht beeinträchtigt wird, an die Lehre der E1 orientiert, wonach dies durch einen am Flansch von außen nach innen abnehmenden Klemmkraftverlauf zu erreichen ist. Dies wäre vom Fachmann in naheliegender Weise zu bewerkstelligen gewesen, z.B. durch das Einfügen eines schmaleren Klemmrings, welches die Sollbruchstellen und Schlitze nicht überdeckt, zwischen dem Klemmring 34 und dem Flansch 12 in Fig. 1 der E2.
IV. Die Beschwerdegegnerin führte zunächst zur Glaubhaftigkeit des Tatbestands der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung aus, daß ein Konvolut von verschiedenen Unterlagen vorgelegt worden sei, die alle einzeln zu betrachten seien, die zum Teil widersprüchliche Angaben enthielten und die den eigentlichen Gegenstand der Vorbenutzung nicht eindeutig erkennen ließen.
Insbesondere könne aus den vorliegenden Unterlagen, die zusätzlich auch noch unterschiedliche Berstscheibentypen beträfen, nicht zweifelsfrei hergeleitet werden, daß ein umgefalzter Flanschabschnitt vorhanden gewesen sei, da z.B. die Anlage K4 keinen solchen zeige, sondern eben nur einen Flansch zeige, der auf seiner der Anlage zugewandten Produktseite eine integrierte Dichtung besitze, die ebenso breit wie der Flansch selbst und wie der Rahmen sei; somit sei auch das Umfalzen eines Flanschsabschnitts ausgeschlossen gewesen. Zur Anlage K7, die ausdrücklich angebe, welche Vorteile der "doppelte Falzrand" habe, nämlich einen verbesserten Schutz der Sollbruchstellen, bemerkte die Beschwerdegegnerin, diese Anlage trage kein Datum.
Das Vorhandensein des Dichtungsstreifens 13 sei aus der Anlage K4 auch nicht zu entnehmen und die Fertigungsprotokolle der Anlage K14, die unter anderem die angebliche Breite des Dichtungsstreifens 13 belegen sollten, wiesen Korrekturen auf, für deren Richtigkeit kein Nachweis durch Vorlegen des Originaldokuments erbracht worden sei.
Zusammenfassend könne also gefolgert werden, daß keine der vorgelegten, vor dem Prioritätstag des Streitpatents stammenden Anlagen K2-K4, K8, K11, K13, K14, die einen direkten Bezug zum vorbenutzten Gegenstand haben, das Vorhandensein des umgefalzten Flanschabschnitts und des Klemmrings 13 belegen könne. Somit sei dies einzig und allein unter Hinzuziehung der Anlage K6 und der eidesstattlichen Versicherung möglich, die aber beide nach dem Prioritätsdatum des Streitpatents erstellt worden sind. Die Beschwerdegegnerin bestreite also insbesondere die Behauptung, der in K6 und in der eidesstattlichen Versicherung beschriebene Gegenstand sei vor dem Prioritätstag des Streitpatents offenkundig vorbenutzt worden. Die Beschwerdegegnerin stellte auch die Frage, ob es überhaupt zulässig sei, zum Nachweis einer offenkundigen Vorbenutzung eine nachträgliche Zeichnung anzufertigen, die den angeblich vorbenutzten Gegenstand zeige, und dann einen Mitarbeiter der Beschwerdeführerin durch eidesstattliche Versicherung versichern zu lassen, daß der offenkundig vorbenutzte Gegenstand so ausgesehen habe wie in dieser Zeichnung. Ein solches Beweismittel sei nicht akzeptierbar.
Zur Frage der Relevanz des Tatbestands der angeblichen offenkundigen Vorbenutzung betonte die Beschwerdegegnerin, der umgefalzte Falzrand könne nicht als separater Klemmring angesehen werden, es seien keine Schlitze und keine Materialstege um den mittleren gewölbten Teil der Berstscheibe herum angeordnet, weil sie an der Angelseite fehlten, und der Druckspitzendämpfungsstreifen 13 könne aufgrund des weichen, kompressiblen Materials nicht als Klemmring gelten, sondern er sei eben nur ein im Bereich der Bruchstelle aufgeklebter Dichtungsstreifen, der wegen der Scherkräfte und/oder Schälkräfte der Klebeverbindung keine reproduzierbare und präzise Ansprechzeit gewährleiste und zudem auch noch durch die Verwitterung des Dichtungsmaterials unvorhersehbaren Einflüssen ausgesetzt sei. Schließlich sei aus dem vorbenutzten Gegenstand auch nicht die Anordnung eines schmaleren Klemmrings auf einem unteren, breiteren Klemmring auf derselben Seite des Flanschs der Berstscheibe bekannt.
Im Ergebnis sei allein schon aus der Vielzahl und der Bedeutung der genannten Unterschiede, sowohl konstruktiver als auch funktioneller Natur, nicht davon auszugehen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 bei Betrachtung der vorbenutzten Druckentlastungsvorrichtung für den Fachmann nahegelegen hätte, da dies der Durchführung grundlegender Änderungsmaßnahmen an der vorbenutzten Druckentlastungsvorrichtung bedurft hätte, für die der Fachmann keine Veranlassung und auch keine Anregung gehabt hätte, zumal es auch keinen Hinweis aus dem Stand der Technik gegeben habe.
Die Beschwerdegegnerin hob weiter die Unterschiede des Anspruchsgegenstandes zum Dokument E1 hervor, wobei hierzu insbesondere folgende Unterschiede zu nennen seien: die Berstscheibe aus E1 funktioniere als Umkehrberstscheibe (Fig. 3,4), womit sich ein unterschiedliches Ansprechverhalten ergebe; E1 offenbare keine Schlitze, keine Materialstege und auch keine unterschiedlich breiten Klemmringe, da die Schulter der Klemmoberfläche 32 kein Klemmring sei; eine Dichtung im Umfangsbereich der Berstscheibe sei auch nicht vorgesehen und schließlich seien die beiden Klemmringe nicht auf derselben Seite der Berstscheibe angeordnet. Das Dokument E2 zeige andererseits lediglich die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs.
Im Ergebnis führe also weder die Kombination von E1 mit E2 noch die umgekehrte Kombination zum Anspruchsgegenstand, und auch bei Anwendung des Aufgabe- Lösung Ansatzes könne man, bei fehlenden Hinweisen aus dem weiteren Stand der Technik für die in E1 und E2 nicht offenbarten Anspruchsmerkmale, den Anspruchsgegenstand für den Fachmann nicht als naheliegend betrachten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ in Verbindung mit den Regeln 1(1) sowie 64 EPÜ und ist somit zulässig.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt gleichermaßen die Erfordernisse des Art. 123(2) EPÜ, da er aus der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 3, 4 hervorgegangen ist, und des Art. 123(3) EPÜ, da die vorgenommenen Änderungen einschränkenden Charakter haben. Beides wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
3. Beim vorgebrachten Tatbestand der offenkundigen Vorbenutzung nehmen die Anlage K6 und die eidesstattliche Versicherung des Herrn Laufkötter eine zentrale Stelle ein. Zur Glaubhaftigkeit dieser Beweismittel ist zunächst grundsätzlich festzustellen, daß die eidesstattliche Versicherung auf einen wohl definierten, in der Zeit vor dem Prioritätstag des Streitpatents fallenden, begrenzten Zeitraum Bezug nimmt, nämlich vom 1. August 1994 bis zum Herbst 1995, in dem die Vorbenutzungshandlungen stattgefunden haben sollen. Diese Aussage wird von den Lieferscheinen und Rechnungen der Anlage K2, von den Fertigungsaufträgen und Fertigungsprotokollen der Anlagen K11 und K14, die in der Liste der Verkaufsvorgänge nach Anlage K13 zusammengefasst sind, von der Montageanleitung K4 und von der Arbeitsanweisung K8 bestätigt. Herr Laufkötter erwähnt insbesondere auch einige der Verkaufsvorgänge, z.B. denjenigen mit der Nummer 9507001, mit Auftragsdatum vom 3. Juli 1995, betreffend eine Berstscheibe des Typs GE 500 mit der Größe 586 x 920 mm, gemäß Lieferschein und Rechnung auf Seiten 32-33 der Anlage K2. Soweit ist also der zeitliche Rahmen und das Objekt der Vorbenutzugshandlung klar und eindeutig festgelegt worden.
4. Herr Laufkötter erklärt weiter, daß eine Druckentlastungsvorrichtung mit der genannten Berstscheibe zutreffend in der von den Vertretern der Beschwerdeführerin erstellten Zeichnung K6 dargestellt ist. Hierin kann, entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin, bei den gegebenen Umständen kein prinzipiell inakzeptables Beweismittel und unzulässige Vorgehensweise erkannt werden.
Zunächst ist festzustellen, daß im Einklang mit Art. 117 EPÜ die Kammern grundsätzlich immer davon ausgegangen sind, daß jede Art von Beweismittel für jeden zu beweisenden Tatbestand zulässig ist. Ausnahmen hiervon könnten sich demzufolge nur ergeben, falls es klare Hinweise für eine Vorgehensweise gäbe, die nicht mit den Grundsätzen des Verfahrensrechts zu vereinbaren wäre. Solche Hinweise könnten z.B. eine klare und offensichtliche Zeugenbeeinflussung betreffen. Im vorliegenden Fall kann eine solche unzulässige Vorgehensweise nicht erkannt werden. Die Beschwerdeführerin hat frühzeitig mit Eingabe vom 22. April 2003 im Laufe des Einspruchsverfahrens die Zeugeneinvernahme des Herrn Laufkötter angeboten und erst nachdem diese von der Einspruchsabteilung wegen angeblicher mangelnder Relevanz des Tatbestands der offenkundigen Vorbenutzung abgelehnt wurde, hat sie mit der Beschwerdebegründung die eidesstattliche Versicherung eingereicht. Insofern war das nachträgliche Vorlegen der eidesstattlichen Versicherung und die Erklärung bezüglich der Anlage K6 ein legitimes und bei den gegebenen Umständen gerechtfertigtes Vorgehen.
Die Erstellung von Zeichnungen entsprechend einem zur Verfügung gestellten Muster ist eine durchaus gängige und übliche Vorgehensweise und sie erklärt auch, wieso die Zeichnungen möglicherweise mit mehr als hinreichender Genauigkeit den Gegenstand der Vorbenutzung wiedergeben. Eine eidesstattliche Versicherung wird meist aus den Antworten auf Fragen von Rechtsexperten zusammengestellt und zu der für den Tatbestand der offenkundigen Vorbenutzung wesentlichen Anlage K6 war eine Stellungnahme des Herrn Laufkötter erforderlich, der in dem angegebenen Zeitraum alle betreffend Berstscheiben und deren Flanschrahmen anfallenden Tätigkeiten ausgeführt hat und somit nicht irgendein Angestellter der Beschwerdeführerin war. Die Tatsache, daß seine Stellungnahme zur Anlage K6 zu dem späteren Zeitpunkt und in der beanstandeten Form geschehen ist, ist bei den erläuterten Umständen verständlich und kann für sich allein nicht gegen die Zulässigkeit dieses Beweismittels sprechen. Vielmehr ist es eine Frage der Beweiswürdigung zu beurteilen, ob das Vorbringen der Beschwerdeführerin insgesamt glaubhaft ist.
5. Die Fertigungsaufträge und Fertigungsprotokolle der Anlagen K11 und K14, insbesondere des Verkaufsvorgangs Nr. 9507001, tragen die Unterschrift von Herrn Laufkötter und bestätigen somit, daß er direkt an der Abwicklung dieser Aufträge beteiligt war. Nach seiner eidesstattlichen Versicherung bestanden die Berstscheiben der Aufträge 1-17 der Anlage K13 aus 0.8. mm dickem Blech, der Flansch hatte eine Breite von 40. mm und an der konkaven Unterseite der Berstscheibe wurde am Flansch (Produktseite) ein 40 mm breiter Dichtstreifen aus NK20, Silikon oder EPDM mit einer Dicke von 2 oder 3 mm aufgeklebt. All dies ist im Einklang mit dem Fertigungsauftrag und Fertigungsprotokoll Nr. 9507001 (Anlage K14, Seite 6) betreffend den Verkauf der Berstscheibe an die Firma StuvEx GmbH, welches unter anderem keine Korrekturen aufweist. Zur Abblasseite der Berstscheibe hin wurde laut eidesstattlicher Versicherung am Flansch ein selbstklebendes, aus demselben Material wie die Dichtung bestehendes, 10 mm breites und 2 mm dickes Band angebracht, welches die Sollbruchstellen und Schlitze überdeckte. Auch dies ist aus Anlage K14 zu entnehmen. Insbesondere ist es dort als "Dichtung Abblasseite" angegeben, da es die Sollbruchstellen und die Schlitze abdeckte. Dieses Band soll aber nach der eidesstattlichen Versicherung primär als Druckspitzendämpfungsmaterial vorgesehen worden sein und nicht als Dichtung. Auch dies stimmt überein mit der Angabe in der Montageanleitung K4, wonach auf der Außenseite des Berstscheibenflansches, außer auf der Angelseite, Druckspitzendämpfungsmaterial vorhanden war.
Betreffend das Vorhandensein eines umgefalzten Flanschabschnitts besagt die eidesstattliche Versicherung, daß das Material über die Flanschbreite von 40 mm umlaufend nach außen hin um 30 mm größer belassen wurde; der 30 mm breite Überstand wurde auf den 40. mm breiten Flansch bis zur parallelen Anlage daran umgefalzt, so daß das umgefalzte Material ringförmig in etwa 10 mm Abstand von dem gewölbten Teil endete. Für diese Aussage ergibt sich aus der bereits genannten Anlage K7 (Seite 2, dritter Abschnitt) einen direkten Nachweis, da dort ausdrücklich der "doppelte Falzrand" mit dem bezweckten technischen Effekt angegeben ist.
Obwohl die Anlage K7 kein Datum trägt, so bezieht sich die Anlage K7 eindeutig auf eine Berstscheibe u.a. vom Typ GE mit Außenmaß 586 x 920 mm, mit Sollbruchstellen im Flanschbereich und die mit Druckspitzendämpfung ausgestattet ist (K7, Seite 2, Abschnitte 3,5). Hinzu kommt, daß ein 10 mm breites Band, aus relativ weichem Material (Zellkautschuk NK20), zur Übertragung der gesamten Klemmkraft, beim Anziehen der Flanschschrauben am unteren und am oberen 40 mm breiten Rahmen, auf den 40. mm breiten Berstscheibenflansch und auf die 40 mm breite, produktseitige Dichtung gemäß der Figur der Anlage K4, allein nicht ausgereicht hätte. Hieraus ergibt sich schon die Notwendigkeit für das Vorhandensein des umgefalzten Flanschabschnittes. Aber auch die Anlagen K4 und K8 führen zum selben Ergebnis, weil nämlich, wenn zusätzlich auch noch das Band auf der Angelseite der Berstscheibe ausfällt, dann ohne den umgefalzten Flansch keine gleichmäßige Übertragung der Klemmkraft auf alle Berstscheibenflansche und somit auch keine Dichtungsfunktion selbst der produktseitigen Dichtung mehr gewährleistet ist. Insgesamt folgt aus den vorhergehenden Betrachtungen, daß das Vorhandensein des umgefalzten Flanschabschnitts mit ausreichender Gewißheit feststeht, wobei dies nicht im Widerspruch zur Zeichnung der Anlage K4 steht, da diese erwiesenermaßen lediglich eine schematische Zeichnung ist, wie man z.B. aus dem nicht dargestellten Druckspitzendämpfungsmaterial entnimmt.
Zuletzt ist noch anzumerken, daß auch die Aussage in der eidesstattlichen Versicherung, wonach die Schlitze immer deutlich länger als die Sollbruchstellen waren, in den übrigen Anlagen eine Bestätigung findet, da z.B. in Anlage K14, Seite 6 eine Anzahl von neun Sollbruchstellen mit je einer Länge von 1.2 mm angegeben wird, womit bei einem Außenmaß der Berstscheibe von 586 x 820 mm, selbst wenn die Angelseite keine Schlitze besitzt, die genannte Bedingung sicherlich erfüllt ist. Im übrigen ist dies auch eine unmittelbare Folge des geforderten niedrigen Ansprechdrucks von 0.1 bis 0.2 bar, bei der gegebenen Druckangriffsfläche, Blechdicke und Zugfestigkeit, wie in Anlage K16 vorgerechnet wurde.
6. Im Ergebnis lassen die obigen Darlegungen nach Überzeugung der Kammer, angesichts der Konsistenz der aus den vorgelegten Anlagen und aus der eidesstattlichen Versicherung entnehmbaren Fakten, die einzig mögliche Schlußfolgerung zu, daß eine Druckentlastungsvorrichtung mit den besprochenen Merkmalen gemäß der zeichnerischen Darstellung der Anlage K6 vor dem Prioritätstag des Streitpatents offenkundig vorbenutzt wurde.
7. Zur Relevanz des offenkundig vorbenutzten Gegenstands wird im folgenden auf die strittigen Merkmale eingegangen. Das Vorhandensein eines ersten Klemmrings, der die Schlitze und Sollbruchstellen nicht überdeckt, wurde von der Beschwerdegegnerin vor allem mit dem Argument bestritten, daß der umgefalzte Flanschabschnitt 12 (Anlage K6) kein getrenntes Teil, sondern ein Bestandteil der Berstscheibe sei. Dieser Ansicht kann sich die Kammer nicht anschließen, da der Anspruch vollkommen offen läßt, ob es sich bei diesem Klemmring um ein separates Bauteil handelt. Da zusätzlich der umgefalzte Flanschabschnitt auch noch den gewölbten Teil der Berstscheibe umgibt, und somit sinngemäß als ringförmig bezeichnet werden kann, sowie auch beim Anziehen der Flanschschrauben zwischen dem oberen und dem unteren Rahmen eingeklemmt wird, so kann dieser zurecht als Klemmring angesehen werden, welches die Schlitze und Sollbruchstellen nicht überdeckt.
Laut Beschwerdegegnerin kann auch das Band 13 (Anlage K6) aus Druckspitzendämpfungsmaterial nicht als der zweite, unterschiedlich breite Klemmring, welcher die Schlitze und Sollbruchstellen überdeckt, angesehen werden. Hierzu ist festzuhalten, daß das Band 13 beim Anziehen der Flanschschrauben eingeklemmt und von der Anfangsdicke von 2 mm bis auf eine Restdicke zusammengestaucht wird, die der Blechdicke von 0.8 mm des umgefalzten Abschnittes 12 entspricht (Seite 3 der eidesstattlichen Versicherung), und daß dies eine Klemmkraft von 90 N auf 5. cm2 (Anlage K15, Seite 2) erfordert. Somit ist die Klemmwirkung des Bands 13 klar ersichtlich, die auch selbstverständlich erforderlich ist, um den Flansch der Berstscheibe bei schwankenden Druckverhältnissen gegen Druckspitzen abzustützen.
Im Hinblick auf die Ausführungen unter Punkt 5 ist das Merkmal, wonach die Schlitze um den mittleren, gewölbten Teil der Berstscheibe herum angeordnet sind und jeweils durch kürzere Materialstege unterbrochen sind, auch durch den vorbenutzten Gegenstand erfüllt. Somit ist aus der offenkundigen Vorbenutzung eine Druckentlastungsvorrichtung bekannt, die sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 1 aufweist.
Die weiteren Merkmale des geänderten Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag der Beschwerdegegnerin sind aus der offenkundigen Vorbenutzung nicht bekannt. Dies sind die Merkmale, wonach (ii) "..ein oberer schmalerer Klemmring vorgesehen ist, der Schlitz und Sollbruchstelle nicht überdeckt und unterhalb dieses oberen Klemmrings der breitere Klemmring angeordnet ist, der dem Flansch der Berstscheibe zugewandt ist und Schlitz und Sollbruchstelle abdeckt, wobei sowohl der obere Klemmring als auch der untere Klemmring auf einer Seite des Flanschs der Berstscheibe angeordnet ist".
8. Angesichts der obigen Unterschiede läßt sich im Hinblick auf den durch die offenkundige Vorbenutzung gegebenen Stand der Technik die objektive Aufgabe ableiten, eine alternative Anordnung der beiden Klemmringe zu schaffen, die eine verliersichere Halterung gewährleistet, ohne Beeinträchtigung der Ansprechfunktion der Berstscheibe. Aus der offenkundigen Vorbenutzung sowie auch aus dem weiteren, vorliegenden Stand der Technik können ersichtlich keine Hinweise zur Lösung dieser Aufgabe entnommen werden. Insbesondere offenbart sowohl die Druckschrift E1 als auch die Druckschrift E2 auf gegenüberliegenden Seiten des Berstscheibenflansches angeordnete Klemmringe, wobei beide Klemmringe die Schlitze und die Sollbruchstellen überdecken. Darüber hinaus müßte der Fachmann konkret, um ausgehend vom vorbenutzten Gegenstand zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, das Band 13 (Anlage K6) auf den umgefalzten Flanschabschnitt 12 der Berstscheibe anbringen und zusätzlich auch den umgefalzten Flanschabschnitt breiter gestalten, um durch das Abdecken der Schlitze und Sollbruchstellen die notwendige Druckspitzendämpfung zu erzielen. Die gesamte Klemmkraft würde nun aber auf das Band 13 wirken, welches in der vorbenutzten Druckentlastungsvorrichtung aus relativ weichem Material besteht. Folglich müsste der Fachmann auch ein anderes Material für das Band 13 verwenden, das den tatsächlichen Zweck dieses Ringes im vorbenutzten Gegenstand, nämlich Druckspitzendämpfung, nicht mehr erfüllen könnte. Dies würde also insgesamt zu umfangreichen Änderungen der in K6 gezeigten Anordnung führen, für die der Fachmann im vorliegenden Stand der Technik keine Anregung und auch keine Hinweise vorfindet.
9. Der Gegenstand des Anspruchs 1 setzt sich auch von den Dokumenten E1 und E2 zumindest durch die unter Punkt 7 gegenüber dem offenkundig vorbenutzten Gegenstand festgestellten Unterscheidungsmerkmale (ii) ab. Wie bereits unter Punkt 8 ausgeführt, lassen sich in E1 und E2 und im weiteren Stand der Technik keine Anregungen oder Hinweise finden, die den Fachmann zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen könnten. Die von der Beschwerdeführerin angesprochenen Stellen (z.B. Seite 6, Zeilen 11-22; Seite 9, Zeilen 14-22) in E1 offenbaren lediglich einen Klemmkraftverlauf der zugegebenermaßen wesentlich stärker im radial äußeren Bereich des Berstscheibenflansches ist, als im radial inneren Bereich, in unmittelbarer Nähe der Sollbruchstellen. Dies wird jedoch mittels einer an der Klemmoberfläche der Halterung 4 angeformten Schulter erzielt und nicht etwa durch einen Klemmring. Für das Ersetzen dieser Klemmschulter durch einen losen Klemmring gibt es weder in E1 und E2, noch im weiteren von der Beschwerdeführerin herangezogenen Stand der Technik irgendeinen Hinweis, insbesondere dahingehend nicht, daß der Fachmann durch einfache Abwandlungen zur Variation des Klemmkraftverlaufs den Schulterinnenrand der Klemmfläche 32 radial bis über die Sollbruchstelle nach außen verschieben würde.
10. In Anbetracht der obigen Ausführungen ergibt sich also, da die genannten Unterscheidungsmerkmale weder aus Hinweisen aus dem vorliegenden Stand der Technik hervorgehen noch als im Rahmen des fachüblichen Handelns liegende Maßnahmen angesehen werden können, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 für den Fachmann nicht naheliegend ist und somit auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1-5 gemäß Hilfsantrag I eingereicht mit Schreiben vom 24. Mai 2005;
- Beschreibungsseiten 2 und 4 der Patentschrift;
- Beschreibungsseite 3 eingereicht in der mündlichen Verhandlung;
- Zeichnungen wie erteilt.