T 0505/04 (Reinigung von Nucleinsäuregemischen/QIAGEN) of 7.10.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T050504.20051007
Datum der Entscheidung: 07 October 2005
Aktenzeichen: T 0505/04
Anmeldenummer: 94922869.6
IPC-Klasse: C07H 1/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 78 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur chromatographischen Reinigung und Trennung von Nucleinsäuregemischen
Name des Anmelders: QIAGEN GmbH
Name des Einsprechenden: Macherey, Nagel GmbH & Co.KG
Promega Corporation
Kammer: 3.3.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Anspruch 1: Klarheit (ja)
Zulässigkeit der Änderungen (ja)
Erweiterung des Schutzbereichs (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 12. Februar 2004, mit der das europäische Patent Nr. 0 658 164 (Anmeldenummer 94. 922 869.6) mit dem Titel "Verfahren zur chromatographischen Reinigung und Trennung von Nucleinsäuregemischen" widerrufen wurde.

II. Gegen die Erteilung des Patents hatten die Einsprechenden 01 (Beschwerdegegnerin I) und 02 (Beschwerdegegnerin II) wegen (i) mangelnder Neuheit (Artikel 100 a) und 54 EPÜ), (ii) mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) und 56 EPÜ), (iii) mangelnder Offenbarung (Artikel 100 b) und 83 EPÜ) und (iv) unzulässiger Erweiterung (Artikel 100 c) und 123 (2) EPÜ) Einspruch erhoben.

III. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent gemäß Artikel 102 (1) EPÜ mit der Begründung, dass die Gegenstande des erteilten Anspruchs 1 und des Anspruchs 1 des während der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2003 eingereichten Hilfsantrags nicht neu seien.

IV. Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautete wie folgt (Hervorhebung durch die Kammer):

"1. Verfahren zur chromatographischen Reinigung und Trennung von Nucleinsäuregemischen, wobei das Nukleinsäuregemisch

· aus einer wässrigen Adsorptionslösung mit hoher Salzkonzentration (Ionenstärke) und mit 1 bis 50 Vol.-% aliphatischen Alkohols einer Kettenlänge von C1-C5 und/oder Polyethylenglykol (PEG) und/oder hydrophober [sic!], unorganischen und/oder organischen Polymeren und/oder organischer Säure, wie Trichloressigsäure (TCA):

· an einem porösen oder nicht porösen mineralischen Träger aus Metalloxiden und/oder Metallmischoxiden, Silicagel, Materialen, die überwiegend aus Glas bestehen, Aluminiumoxid, Zeolithe, Titandioxid, Zirkondioxid - ohne vorherige Reinigungsschritte - adsorbiert wird,

· gegebenenfalls mit einer Waschlösung gewaschen und danach

· mit einer Lösung geringerer Salzkonzentration (Ionenstärke) eluiert wird und die erhaltene[n] Nucleinsäuren oder Nucleinsäurefraktionen gesammelt werden."

V. Mit der Beschwerdebegründung wurden ein neuer Hauptantrag und zwei Hilfsanträge eingereicht.

VI. Dazu haben beide Beschwerdegegnerinnen Stellung genommen.

VII. Zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung, die hilfsweise von der Beschwerdeführerin und den Beschwerdegegnerinnen beantragt worden war, gab die Beschwerdekammer in einem Bescheid gemäß Artikel 11 Absatz 1 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern eine vorläufige Stellungnahme ab. Darin wurde u. a. die Frage gestellt, ob die Streichung des im erteilten Anspruch 1 befindlichen Merkmals "ohne vorherige Reinigungsschritte" überhaupt möglich sei, ohne eine Erweiterung des Schutzumfanges zu verursachen.

VIII. Zu diesem Bescheid nahm die Beschwerdegegnerin II Stellung. Die Beschwerdeführerin hat ihrerseits am 7. September 2005 einen neuen Hauptantrag eingereicht, der dem Hilfsantrag vom 20. November 2003 entsprach, sowie drei neue Hilfsanträge (I bis III), ferner Versuchsberichte und am 26. September 2005 fünf weitere Hilfsanträge (IV bis VIII).

IX. Am 4. Oktober 2005 hat die Beschwerdegegnerin II ihre Auffassung mitgeteilt, dass die eingereichten Versuchsberichte unzulässig seien.

X. In der mündlichen Verhandlung, die am 7. Oktober 2005 stattfand, hat die Beschwerdeführerin alle ihre vorherigen Anträge durch einen als "Hauptantrag" bezeichneten, neuen Antrag ersetzt.

XI. Anspruch 1 dieses Antrags lautete wie folgt (Hervorhebung durch die Kammer):

"1. Verfahren zur chromatographischen Reinigung und Trennung von Nucleinsäuregemischen, aus Körperflüssigkeiten oder Gewebe[n] jeder Art, bestehend aus folgenden Schritten: das Nukleinsäuregemisch wird

· aus einer wässrigen Adsorptionslösung mit hoher Salzkonzentration (Ionenstärke) und mit 1 bis 50 Vol.-% aliphatischen Alkohols einer Kettenlänge von C1-C5

· an einem porösen oder nicht porösen mineralischen Träger aus Silicagel, adsorbiert wobei nach Lyse der Probe die Einstellung von Adsorptionsbedingungen an Silicagel in einem einzigen Schritt erfolgt,

· gegebenenfalls mit einer Waschlösung gewaschen und danach

· mit einer Lösung geringerer Salzkonzentration (Ionenstärke) eluiert wird und die erhaltene[n] Nucleinsäuren oder Nucleinsäurefraktionen gesammelt werden."

Dieser Anspruch unterschied sich von dem erteilten Anspruch 1 (vgl. Abschnitt IV), indem: i) die zwei Merkmale "und/oder Polyethylenglykol (PEG) und/oder hydrophober, unorganischen und/oder organischen Polymeren und/oder organischer Säure, wie Trichloressigsäure (TCA)" und "ohne vorherige Reinigungsschritte" (Hervorhebung durch die Kammer) gestrichen wurden, ii) alle Materialien, aus denen der mineralische Träger besteht, mit Ausnahme von Silicagel gestrichen wurden und iii) die zwei Merkmale "aus Körperflüssigkeiten oder Gewebe[n] jeder Art, bestehend aus folgenden Schritten" und "wobei nach Lyse der Probe die Einstellung von Adsorptionsbedingungen an Silicagel in einem einzigen Schritt erfolgt" hinzugefügt wurden.

XII. In dieser Entscheidung wird das folgende Dokument erwähnt:

(D2) WO-A-93/11221 (am 10. Juni 1993 veröffentlicht)

XIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Artikel 123 (2) EPÜ

Das Verfahren nach Anspruch 1 sei durch Beispiele 7, 8, 9 und 14 gestützt.

Artikel 84 EPÜ

Aus den Bespielen sei zu entnehmen, dass die Lyse dem Zellaufschluss einschließlich des Abbaus der Proteine entspreche.

Artikel 123 (3) EPÜ

Der im erteilten Anspruch 1 benutzte Ausdruck "ohne vorherige Reinigungsschritte" habe wie ein offenbarter Disclaimer gewirkt, um solche Ausführungsformen des Verfahrens aus dem erteiltem Anspruch 1 auszuschließen, die in Dokument D2 beschrieben worden seien und eine oder mehrere Reinigungsschritte an Anionenaustauschermaterialen beinhalten würden. Deswegen sei den Paragraphen 0012 und 0013 der Patentschrift (siehe Spalte 3 und 4) zu entnehmen, dass mit dem negativen Merkmal "ohne vorherige Reinigungsschritte" gemeint sei, dass vom Verfahren nach dem erteilten Anspruch 1 nur vorherige Reinigungen an Anionenaustauschermaterialen gerade vor der Adsorption des Nukleinsäurengemisches an den mineralischen Träger ausgeschlossen seien.

Der im vorliegenden Anspruch 1 benutzte Ausdruck "wobei nach Lyse der Probe die Einstellung von Adsorptionsbedingungen an Silicagel in einem einzigen Schritt erfolgt" sei im Lichte des dritten Absatzes der Seite 4 in der Anmeldung ("Durch das erfindungsgemäße Verfahren wird es mithin ermöglicht, in einem Arbeitschritt durch Adsorption der zu trennenden Nucleinsäuren und Elution in effizienter Weise interessierende Nucleinsäurefraktionen zu erhalten, ohne vorherige Reinigungsschritte") auszulegen. Mit dieser Auslegung solle das beanspruchte Verfahren unmittelbar nach der Lyse der Probe, d. h. ohne vorherige Reinigungsschritte an Anionenaustauschermaterialen beginnen.

XIV. Die Argumente der Beschwerdegegnerinnen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Artikel 123 (2) EPÜ

Das Verfahren nach Anspruch 1 sei durch die Beispiele in der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung nicht gestützt, weil die in diesen Beispielen beschriebenen Verfahren nach der Lyse zusätzliche Zwischenreinigungsschritte, d. h. einen Denaturierungsschritt und einen Proteinabbauschritt, umfassten, die im vorliegenden Anspruch 1 nicht vorgesehen seien.

Artikel 84 EPÜ

Es sei unklar, ob mit dem im Anspruch 1 benützten Wort "Lyse" nur das Platzen der Zellen stricto sensu oder auch ein solches Platzen zusammen mit einem zusätzlichen Reinigungsschritt (mit der Benützung eines organischen Lösungsmittels) und einem zusätzlichen Abbau von Proteinen (mit der Benützung einer Protease) gemeint sei.

Wenn die Lyse nur das Platzen der Zellen meine, seien die Zwischenreinigungsschritte der Beispiele wesentliche Merkmale. Da diese Merkmale im Anspruch 1 nicht erwähnt würden, liege ein Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ vor.

Artikel 123 (3) EPÜ

Da das im erteilten Anspruch 1 enthaltene Merkmal "ohne vorherige Reinigungsschritte" wie ein Disclaimer wirke, solle es weitestmöglich ausgelegt werden. Deswegen solle es als ein absolut negatives Merkmal erachtet werden, das im Verfahren nach erteilten Anspruch 1 das Vorhandensein jeglicher Reinigungsschritte verbiete.

Der im vorliegenden Anspruch 1 benutzte Ausdruck "nach Lyse" sei nur eine Zeitangabe. Er sage nicht, wo das Verfahren beginne, nachdem die Lyse stattgefunden habe. Er sage auch nicht, was zwischen der Lyse und der Anwendung des Verfahrens passiere. Deshalb könnten etwaige Reinigungsschritte inzwischen stattfinden.

XV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags.

XVI. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende) beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Anspruch 1

Artikel 84 EPÜ

1. Die Beschwerdegegnerinnen argumentieren, dass keine unzweideutige Definition des in Anspruch 1 neu hinzugefügten Ausdrucks "Lyse der Probe" im vorliegenden Patent gegeben worden sei.

2. In jedem der Beispiele 7 bis 9 wird ein Lysat (siehe das Wort "Lysat" in Spalte 13, Zeile 42, Spalte 14, Zeile 39 und Spalte 15, Zeile 35 in der Patentschrift) präpariert. Dieses Lysat ist eine rohe Präparation, die Zellbestandteile, die nicht entfernt wurden, und Verunreinigungen wie Proteine, Häm, Heparin, Eisenionen, Metabolite, usw. (siehe Spalte 15, Zeile 44 bis 46 in der Patentschrift) enthält. Wie beschrieben ist dies das Ergebnis eines globalen Verfahrens: zuerst wird eine Probe einer Körperflüssigkeit (Blut) oder eine Probe eines Gewebes mit einer Lösung aus einem 4 bis 8 M chaotropen Salz, evtl. einem organischen Lösungsmittel und einem Detergens versetzt; anschließend wird eine Protease zugefügt und dann wird es inkubiert. In diesem Schritt erfolgen gleichzeitig die effiziente Lyse der Zellen, sowie die Denaturierung, der enzymatische Abbau von Proteinen und die Entfernung der an die Nukleinsäuren gebundenen Proteine. Die Kammer ist der Auffassung, dass dieses Verfahren als solches die "Lyse der Probe", wie auch im erteilten Anspruch 11 und auch in Ansprüchen 11 und 12 in der ursprünglichen Fassung erwähnt, gestaltet.

3. Demzufolge hat der Ausdruck "Lyse der Probe" eine unzweideutige Bedeutung. Er bezeichnet ein Verfahren, in dem die Nukleinsäuren in Form einer rohen Präparation aus den Zellen gewonnen werden.

4. Anspruch 1 entspricht somit den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ.

Artikel 123 (2) EPÜ

5. In jedem der Beispiele 7 bis 9 (siehe Seiten 18 to 22 der Beschreibung in ursprünglichen Fassung) wird ein Verfahren generell beschrieben:

Ein Lysat wird, wie in obigem Punkt 2 erwähnt, präpariert. Dann werden durch Zugabe von einem aliphatischen Alkohol wie Methanol, Ethanol, n-Propanol oder Isopropanol für Nukleinsäuren hochspezifische Bindebedingungen erzeugt. Das so eingestellte Lysat wird auf eine Vorrichtung aufgetragen, in dem ein mineralisches Trägermaterial vorzugsweise (siehe Seiten 13 bis 15 der Anmeldung in ursprünglicher Fassung) in Form einer Silicagelmembran angeordnet ist. Durch Zentrifugation oder Druck wird das Lysat sodann durch die Membran oder Gelmatrix geleitet, wobei die Nukleinsäuren reversibel an die Membranfasern oder Gelpartikeln binden. Dann werden mit einer Waschlösung Verunreinigungen ausgewaschen und die DNA wird mit einem Niedrigsalzpuffer eluiert.

6. Am Ende der Beispiele (siehe Seiten 19, 21 und 22) wird betont, dass dieses Verfahren zur Präparation von Nukleinsäuren aus Blut und anderen Körperflüssigkeiten wie z.B. Sperma, Sputum, Urin, Stuhl, Schweiß, Speichel, Nasenschleim, Serum, Plasma sowie aus Geweben jeder Art geeignet ist.

7. Im Beispiel 14 wird ein einfaches Verfahren beschrieben, das sich von dem Verfahren des Beispiels 9 darin unterscheidet, dass keine Protease zugefügt wird.

8. Somit wird in Beispielen 7 bis 9 und 14 ein Verfahren zur chromatographischen Reinigung und Trennung von Nukleinsäuregemischen aus Körperflüssigkeiten oder Geweben jeder Art beschrieben, das aus folgenden Schritten besteht: i) eine das Nukleinsäuregemisch enthaltende, wässrige Adsorptionslösung mit hoher Salzkonzentration und mit einem Alkohol einer Kettenlänge von C1 bis C5 an einem mineralischen Träger wird an Silicagel adsorbiert, wobei nach der Lyse der Probe die Einstellung von Adsorptionsbedingungen an Silicagel, d. h. die Zugabe eines aliphatischen Alkohols zu dem Lysat, in einem einzigen Schritt erfolgt, ii) das adsorbierte Nukleinsäuregemisch gegebenenfalls mit einer Waschlösung gewaschen wird, und iii) die Nukleinsäuren mit einer Lösung geringerer Salzkonzentration eluiert werden.

9. Demzufolge wird in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung das Verfahren nach Anspruch 1 beschrieben. Somit entspricht Anspruch 1 den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ.

Artikel 123 (3) EPÜ)

10. Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 in der erteilten Fassung durch folgende Änderungen:

i) die Streichung des Ausdrucks "und/oder Polyethylenglykol (PEG) und/oder hydrophober, unorganischen und/oder organischen Polymeren und/oder organischer Säure, wie Trichloressigsäure (TCA)";

ii) die Streichung des Ausdrucks "ohne vorherige Reinigungsschritte";

iii) die Streichung aller mineralischen Träger außer Silicagel;

iv) das Hinzufügen des Ausdrucks "aus Körperflüssigkeiten oder Gewebe[n] jeder Art";

v) das Hinzufügen des Ausdrucks "bestehend aus folgenden Schritten"; und

vi) das Hinzufügen des Ausdrucks "wobei nach Lyse der Probe die Einstellung von Adsorptionsbedingungen an Silicagel in einem einzigen Schritt erfolgt".

11. Durch die Änderungen i), iii), iv) und v) werden Ausführungsmöglichkeiten ausgeschlossen, die durch Anspruch 1 in der erteilten Fassung gedeckt wurden. Diese Änderungen bewirken somit eine Beschränkung der Schutzbereichs und verstoßen deshalb nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ.

12. Was die Änderungen ii) und vi) betrifft, stellt sich die Frage, ob die Ersetzung des negativen Merkmals "ohne vorherige Reinigungsschritte" durch das positive Merkmal "wobei nach Lyse der Probe die Einstellung von Adsorptionsbedingungen an Silicagel in einem einzigen Schritt erfolgt" eine Erweiterung des Schutzbereichs verursacht.

13. Nach der Beschwerdeführerin wirkt das Merkmal "ohne vorherige Reinigungsschritte" im erteilten Anspruch 1 wie ein offenbarter Disclaimer, der Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 ausschließt, die in Dokument D2 beschrieben werden und die einen oder mehrere Reinigungsschritte an Anionenaustauschermaterialen beinhalten. Dies sei aus den Paragraphen 0012 und 0013 der Patentschrift (vgl. den zweiten und den dritten Absatz der Seite 4 in der Anmeldung) zu entnehmen, wobei nur die vorherige Reinigung an Anionenaustauschermaterialen gerade vor der Adsorption des Nukleinsäurengemisches an den mineralischen Träger unterbleiben könne.

14. Im Gegensatz dazu meinen die Beschwerdegegnerinnen, dass im Verfahren nach dem erteilten Anspruch 1 nicht nur vorherige Reinigungsschritte an Anionenaustauschermaterialen gerade vor der Adsorption sondern alle beliebigen Reinigungsschritte vor der Adsorption des Nukleinsäurengemisches an dem mineralischen Träger ausgeschlossen seien.

15. Für die Beurteilung des Merkmals im erteilten Anspruch 1 führt eine mögliche plausible Auslegung zum Ergebnis, dass es als ein absolut negatives Merkmal angesehen werden kann. Der gesamten Beschreibung ist nicht zu entnehmen, dass die nach der Lyse der Probe gewonnene rohe Präparation von Nukleinsäuren vor der Adsorption an Silicagel nicht irgendwie gereinigt werden könnte, um etwaige Verunreinigungen, wie z. B. Proteine und Metabolite zu entfernen.

16. Deshalb ist die Kammer der Auffassung, dass in Anspruch 1 in der erteilten Fassung alle beliebigen Reinigungsschritte des Nukleinsäuregemisches vor dessen Adsorption an dem mineralischen Träger ausgeschlossen waren.

17. Im vorliegenden Anspruch 1 weist der Ausdruck "nach Lyse der Probe" nur darauf hin, dass die Adsorption nach der Lyse der Probe stattfindet. Wann genau (unmittelbar? oder nachdem weitere Zwischenschritte stattgefunden haben?) wird nicht präzisiert.

18. Der Ausdruck "wobei nach Lyse der Probe die Einstellung von Adsorptionsbedingungen an Silicagel in einem einzigen Schritt erfolgt" findet sich als solcher nicht in der Beschreibung sondern nur in den ursprünglichen Ansprüchen 11 und 12, und dort auch mit der gleichen Unbestimmtheit.

19. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass eine implizite, für die Feststellung des Schutzbereiches relevante Stützung für die von ihr vertretene Auslegung des vorliegenden Anspruch 1 in den Paragraphen 0012 und 0013 der Patentschrift zu finden sei. Sie stellt einen Vergleich zwischen dem Ausdruck "in einem Arbeitsschritt" im Paragraph 0013 und dem Ausdruck "in einem einzigen Schritt" im Anspruch an. Für die Kammer sind diese Ausdrücke nicht vergleichbar. Darüber hinaus handelt es sich in dem obigen Absatz nicht um eine Probe aus Körperflüssigkeiten oder einem Gewebe sondern lediglich um ein Nukleinsäuregemisch. Weiterhin qualifiziert der Ausdruck "in einem einzigen Schritt" die Einstellung von Adsorptionsbedingungen und nicht notwendigerweise den Verlauf des Verfahrens.

20. Im vorliegenden Anspruch 1 fehlt der Hinweis, dass die Adsorption an Silicagel unmittelbar nach der Lyse der Probe erfolgt. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass irgendwelche Reinigungsschritte, einschließlich einem oder mehreren Reinigungsschritten an Anionenaustauschermaterialen, des gewonnenen Lysats stattfinden, bevor das beanspruchte Adsorptionsverfahren beginnt.

21. Somit kommt die Kammer zu der Auffassung, dass die Ersetzung des negativen Merkmals "ohne vorherige Reinigungsschritte" durch das positive Merkmal "wobei nach Lyse der Probe die Einstellung von Adsorptionsbedingungen an Silicagel in einem einzigen Schritt erfolgt" eine Erweiterung des Schutzbereichs verursacht hat.

22. Die Kammer kommt deshalb zu dem Schluss, dass Anspruch 1 des einziges Antrags der Beschwerdeführerin die Erfordernisse von Artikel 123 (3) EPÜ nicht erfüllt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde wird zurückwiesen.

Quick Navigation