T 0282/04 () of 14.7.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T028204.20060714
Datum der Entscheidung: 14 Juli 2006
Aktenzeichen: T 0282/04
Anmeldenummer: 93913023.3
IPC-Klasse: C08G 18/42
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kleb- und Dichtstoff
Name des Anmelders: Henkel Teroson GmbH
Name des Einsprechenden: SIKA SCHWEIZ AG
Dow Automotive AG
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: Neuheit - Vorbeschreibung - implizit enthaltene Merkmale (verneint)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0793/93
T 0204/00
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 705 290 auf die europäische Anmeldung Nr. 93 913 023.3 der Henkel Teroson GmbH, angemeldet am 21. Juni 1993 als PCT/EP93/01584 und am 5. Januar 1995 als WO 95/00572 veröffentlicht, wurde am 6. Mai 1999 (Patentblatt 1999/18) auf der Basis von 12 Ansprüchen bekannt gemacht.

Die unabhängigen Ansprüchen 1, 10, 11 und 12 lauteten:

"1. Kleb- und Dichtstoff auf der Basis reaktiver Präpolymerer, dadurch gekennzeichnet, daß er neben Füllstoffen a) wenigstens ein bei Raumtemperatur flüssiges reaktives Präpolymer und b) wenigstens eine weitere Komponente enthält, die bei Raumtemperatur fest und bei leicht erhöhter Temperatur flüssig ist, so daß sich der Kleb- und Dichtstoff bei einer Temperatur von 40 bis 50 ºC verflüssigen läßt, und die zumindest teilweise unverträglich mit dem/den flüssigen Präpolymeren ist, d.h. daß beim Abkühlen des Kleb- und Dichtstoffs unter den Schmelzpunkt der bei Raumtemperatur festen Komponente dieselbe in feinsten Partikeln zu erstarren beginnt, und sich der Feststoffanteil auf Kosten der viskos-flüssigen Phase im Kleb- und Dichtstoff erhöht.

10. Verfahren zur Herstellung eines Kleb- und Dichtstoff nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß man die Compoundierung bei einer Temperatur über dem Schmelzpunkt des die Komponente b) bildenden bei Raumtemperatur festen Präpolymeren durchführt.

11. Verwendung des Kleb- und Dichtstoffes nach einem der Ansprüche 1 bis 9 zur strukturellen Verklebung von Teilen aus Glas, Metall, Kunststoff, Baumaterialien oder Holz.

12. Verwendung des Kleb- und Dichtstoffes nach Anspruch 1 bis 9 zur Direkteinglasung von Automobilscheiben."

Die abhängigen Ansprüchen 2 bis 9 betrafen bevorzugte Ausführungsformen des Kleb- und Dichtstoffes gemäß Anspruch 1.

II. Gegen das Patent wurde am 4. Februar 2000 von der Firma Sika AG, vorm. Kaspar Winkler & Co. (EI), und am 7. Februar von der Firma Gurit-Essex AG, später Dow Automotive AG (EII) Einspruch erhoben.

Beide Einsprechenden machten die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 (a) EPÜ, nämlich fehlende Neuheit gemäß Artikel 54 EPÜ und fehlende erfinderische Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ geltend. EI machte ferner auf dem Formular "2303.2" den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 (b) EPÜ geltend, ohne hierzu schriftliche Ausführungen zu machen.

Die Einwände der Einsprechenden hinsichtlich Artikel 100 (a) EPÜ wurden u.a. auf folgende Druckschriften gestützt:

D1: EP-A-540 950;

D2: EP-A-511 566;

D7: EP-A-455 400;

wobei D1 und D2 von EI und D7 von EII zitiert wurden.

Ferner wurden im Laufe des Einspruchsverfahrens von der Patentinhaberin und EI folgende weitere Unterlagen eingereicht:

D13: Erklärung von Manfred Schumann von 10. Dezember 2001, eingereicht mit Schreiben vom 20. Dezember 2001 (Patentinhaberin);

D20: Versuchsbericht, eingereicht mit Schreiben vom 5. Dezember 2001 (EI);

D22: Auszüge des Laborjournals vom 4., 21. und 27. September 2001 betreffend die in D20 angegebenen Versuche, eingereicht mit Brief vom 23. September 2003 (EI);

D23: Erläuterung zu D22, eingereicht ebenfalls mit dem Brief vom 23. September 2003.

III. Mit Schreiben vom 4. September 2003 zog EII ihren Einspruch zurück.

IV. Mit der am 30. September 2003 mündlich verkündeten und am 31. Oktober 2003 schriftlich begründeten Entscheidung wurde der Einspruch zurückgewiesen.

a) Hinsichtlich des Einwands gemäß Artikel 100 (b) EPÜ stellte die Einspruchsabteilung fest, dieses sei nicht substantiert worden, und ferner dass EI angegeben hatte, diesen Einwand nicht weiter zu verfolgen. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die Erfordernisse dieses Artikels erfüllt seien.

b) Hinsichtlich Neuheit:

i) Im Bezug auf D1 stellte die Einspruchsabteilung fest, dass D1 Kleb- und Dichtstoffe auf der Basis reaktiver Präpolymere offenbare. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass auch wenn es, wie von der Einsprechende vorgetragen, im Rahmen der Offenbarung von D1 möglich sei, dass das eine, als "Komponente (i)" bezeichnete Präpolymer bzw. das entsprechende beispielsgemäß eingesetzte Präpolymer "A-1" vergleichbar mit der "Komponente a)" gemäß dem Streitpatent und bei Raumtemperatur flüssig sei, und dass das andere, als "Komponente (II)" bezeichnete Präpolymer bzw. das entsprechende beispielsgemäß eingesetzte Präpolymer "B-6" strukturell sehr ähnlich mit der "Komponente b)" des Streitpatents und kristallin sei, konnte ein überzeugendes Indiz, dass diese Bedingung immer erfüllt ist, dem Dokument D1 nicht entnommen werden. Es wurde ferner festgestellt, dass gemäß Anspruch 1 des Streitpatents die Komponenten a) und b) miteinander "zumindestens teilweise unverträglich" sein sollten, welche Unverträglichkeit durch das Ausfallen beim Abkühlen definiert sei. Dagegen ging nach Auffassung der Einspruchsabteilung D1 von verträglichen Komponenten aus. Auch wenn D1 die Umstände angibt, bei denen eine geringere Kompatibilität der Komponenten von D1 auftrete, fehle in D1 ein Indiz dafür, dass eine solche Inkompatibilität zu einem Ausfallen beim Abkühlen führt, bzw. dadurch feststellbar sei. Die gemäß dem vorgelegten Versuchsbericht (D20 sowie D22, D23) hergestellten Zusammensetzungen würden in mehreren Punkten von dem Klebstoff der Beispiele von D1 abweichen:

- Komponente I (beispielsgemäß "A-1"): das verwendete Polypropylentriol - Voranol CP 4755 - hatte ein Molekulargewicht von 4500, während gemäß D1 ein Polypropylentriol mit einem Molekulargewicht von 5000 benutzt wurde. Aus D23 ginge hervor, dass das bei der Nacharbeitung entstandene Zwischenprodukt bei Raumtemperatur flüssig sei. Es ginge aber weder aus D23 noch aus D22 hervor, dass auch das Endprodukt flüssig sei. Das Argument des EI, dass dies evident sei, wurde ohne endgültige Beweise nicht angenommen.

- Komponente II (beispielsgemäß "B-6)": es wurde bemängelt, dass weder D22 noch D23 eine Angabe über den exakten Schmelzpunkt enthielten. Ferner wurde im Einspruchsschriftsatz angegeben, dass keine feste Masse erhalten worden war. Es war deshalb nicht möglich eindeutig festzustellen, ob die Komponente B-6 bei Raumtemperatur fest sei und bei welcher Temperatur B-6 schmilzt.

- Klebstoff auf der Basis der Komponenten A-1 und B-6: Die Einspruchsabteilung bemängelte, dass gemäß D22 der untersuchte Dichtstoff nur 70% der in D1 eingesetzten Menge an Russ enthalte. Ferner gehe aus während der mündlichen Verhandlung vorgelegter Information (eine Tabelle) hervor, dass der Dichtstoff gemäß D1 und das von EI hergestellte Material eine unterschiedliche Zusammensetzung aufweisen. Folglich würde das untersuchte Material in mehreren Punkten von dem Klebstoff gemäß D1 abweichen. Es wurde ferner im Hinblick auf den im Versuchsbericht D20 dargestellten Schubspannungs/Temperaturkurven der "fundamental andere" Verlauf des Schubspannung/Temperaturverhalten der Zusammensetzungen gemäß D1 und derer des Streitpatents festgestellt. Dies würde zeigen, dass jeweils unterschiedliche physikalische Prozesse verantwortlich seien. Folglich würde D1 weder allein noch in Verbindung mit den Vergleichsversuchen die Neuheit des Streitpatents vorwegnehmen.

ii) Im Hinblick auf D2 war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass es nicht bewiesen sei, dass die beispielsgemäßen in der Entscheidung als "Komponenten (b)" bezeichneten Präpolymer mit einer Viskosität von 21 000 mPa.S bei 100ºC (d.h die zweite in Beispiel 1 von D2 hergestellte Komponente) sich bei 40 bis 50º Grad verflüssigen ließen.

iii) Hinsichtlich D7 stellte die Einspruchsabteilung fest, dass D7 amorphe, teilweise kristalline oder kristalline Poly(tetramethylenether)-Glykol ("THF") offenbare. Es sei nicht bewiesen, dass eine von diesen Substanzen bei Raumtemperatur flüssig sei. Ferner offenbare D7, dass ein Blend der Komponenten keine makroskopische Phasentrennung aufweise. Ein Argument, dass es sich im Streitpatent um mikroskopische Phasentrennung handle, die in D7 nicht auszuschließen sei, wurde mangels Beweisen zurückgewiesen. Ferner wurden in D7 weder Schmelztemperaturen noch Schmelz- oder Kristallisationsverhalten der Komponenten offenbart.

c) Hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit würde nach Auffassung beider Parteien D1 den nächstliegenden Stand der Technik darstellen. Die objektiv zu lösende Aufgabe bestand darin, Kleb- und Dichtstoffe bereitzustellen, die bei niedrigen Temperaturen appliziert werden konnten und nach dem Auftragen eine Korrektur der Positionierung der zu verklebenden Gegenstände ermöglichten. Diese Aufgabe wurde auch gelöst, wie die graphische Darstellung des Schubspannungs/Temperaturverhalten im Streitpatent (Abbildung 1) oder in D20 bewiesen. Das Verhalten wurde auf das Auskristallisieren der anspruchsgemäßen Komponente b) mit Zunahme des Feststoffanteils zurückgeführt, welches Verhalten in den Zusammensetzungen gemäß D1 nicht auftreten würde, wie durch den Versuchsbericht D20 belegt. Ferner wurde auf den Anteil Weichmacher hingewiesen, der in den Beispielen des Patents höher war als in den Zusammensetzungen von D1. Der höhere Anteil an Weichmacher in den patentgemäßen Zusammensetzungen hatte keinen negativen Einfluss auf das Schubspannungsverhalten. Eine solche dämpfende Wirkung wäre jedoch aufgrund des Fachwissens zu erwarten. Dass dies nicht der Fall sei, sei sehr überraschend. Ferner gehe aus den Beispielen des Patents stark erhöhte mechanische Eigenschaften gegenüber handelsüblichen Kleb- und Dichtstoffen hervor.

d) Folglich wurde der Einspruch zurückgewiesen.

V. Gegen dieser Entscheidung legte die Einsprechende - jetzt Beschwerdeführerin, am 19. Dezember 2003 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

VI. Die Beschwerdebegründung ging am 1. März 2004 ein.

Zwei weitere Dokumente wurden vorgelegt:

D25: Untersuchungsbericht;

D26: Datenblatt zu Terathane®.

D25 wurde vorgelegt um zu beweisen, dass die in der Entscheidung bemängelten Punkte implizit im Stand der Technik offenbart seien.

Der Bericht D25 betraf Versuche, bei denen Polymerkomponente aus dem Patent sowie aus D1, D2 und D7 hergestellt wurden.

Die folgenden Eigenschaften der hergestellten Zusammensetzungen wurden bestimmt:

- Schmelzverhalten (DSC) der festen Polymerkomponenten, der Mischungen der festen und flüssigen Präpolymeren, sowie der Klebstoffformulierungen;

- Lichtmikroskopische Untersuchung des Erstarrungsverlaufs der Polymermischungen (ohne Füllstoff) auf einem "Hot Stage" Mikroskop;

- Untersuchung von Schubspannung/Temperaturverhalten der festen Polymere, der Polymermischungen sowie der Klebstoffformulierungen. Hierfür seien einerseits zum Teil die Klebstoffformulierung des Streitpatents bzw. der entsprechenden Entgegenhaltungen nachgearbeitet worden. Andererseits wurden die Polymerkomponenten der Zusammensetzungen der Entgegenhaltungen mit der Füllstoff/Weichmacher Komponente der patentgemäßen Beispielen kombiniert (in dieser Entscheidung als "Hybrid" Zusammensetzungen bezeichnet).

a) Neuheitseinwände wurden im Hinblick auf D1, D2 und D7 aufrechterhalten.

i) Im Hinblick auf D1 wurde vorgetragen, dass diese Entgegenhaltung einen füllstoffenthaltenden Kleb- bzw. Dichtstoff offenbare. Dieser Klebstoff enthalte wenigstens ein bei Raumtemperatur flüssiges, reaktives Präpolymer und wenigstens eine Komponente, die bei Raumtemperatur fest und bei leicht erhöhter Temperatur flüssig sei. Der Klebstoff lasse sich bei einer Temperatur von 40-50ºC verflüssigen. Ferner sei das feste Präpolymer zumindest teilweise unverträglich mit dem flüssigen Präpolymer, was sich dadurch zeige, dass beim Abkühlen des Klebstoffs unter den Schmelzpunkt der bei Raumtemperatur festen Komponente diese in feinsten Partikeln zu erstarren beginnt und sich der Feststoffanteil auf Kosten der viskos-flüssigen Phase im Klebstoff erhöht. Die Klebstoffe von D1 unterschieden sich von den patentgemäßen lediglich in der Füllpackung (bestehend aus Weichmacher und Füllstoffen). Die jeweiligen Komponenten (i) und (II) von D1 würden den Komponenten a) resp. b) des Streitpatents entsprechen. Die jeweiligen festen Präpolymeren wären zudem sehr ähnlich aufgebaut, der einzige Unterschied zwischen den festen Polymeren (Komponente (II)) von D1 und des Streitpatents (Komponente b)) bestünde lediglich in dem verwendeten Diisocyanat. Zur Stützung diese Vorbringens wurde auf D25 hingewiesen. Den Argumenten der Patentinhaberin - nun Beschwerdegegnerin - dass die Klebstoffe von D1 ein anderes Abkühlverhalten zeigen, wurde im Hinblick auf die in D25 enthaltenen Kurven des Schubspannungs/Temperatur Verhalten widersprochen.

ii) Im Hinblick auf D2 wurde vorgetragen, diese Druckschrift offenbare einen Klebstoff enthaltend ein Gemisch an Isocyanatgruppen enthaltenden Präpolymeren, wobei das eine Präpolymer bei Raumtemperatur flüssig und das zweite bei Raumtemperatur kristallin sei. Der Klebstoff könne ggf. Füllstoffe enthalten und lasse sich bei 40-50ºC verflüssigen. Ferner seien die Polymere zumindest teilweise gegenseitig unverträglich. Die Präpolymermischungen von D2 würden ein vergleichbares Abkühlverhalten bzw. Erstarrungsverhalten wie diejenigen des Streitpatentes aufweisen. Eine "hybrid" Klebstoffzusammensetzung auf der Basis dieser Präpolymermischung, jedoch mit der Weichmacher/Füllstofffüllung der Beispiele des Streitpatents, würde ein Schubspannungs/Temperaturverhalten vergleichbar mit denjenigen des Streitpatents aufweisen, woraus hervorgehe, die Füllung führe allein zu den patentgemäßen Eigenschaften. Dies sei durch D25 belegt.

iii) Im Hinblick auf D7 trug die Beschwerdeführerin vor, dies würde einen Kleb- und Dichtstoff auf Basis einer Mischung von Isocyanatgruppen enthaltenden Präpolymeren offenbaren, die gegenseitig vorzugsweise teilweise unverträglich seien. Eine der Komponenten, das Reaktionsprodukt eines Polyhexamethylenadipats (PHA) mit einem Polyisocyanat, sei bei Raumtemperatur fest und entspräche Komponente b) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents. Die zweite Komponente war z.B. das Reaktionsprodukt eines Poly(tetramethylenether)glykols (THF- Terathane®) mit einem Polyisocyanat. Aus dem Datenblatt D26 gehe hervor, dass Terathane® 650 bei Raumtemperatur flüssig sei. Aus dem Versuchsbericht D25 gehe hervor, dass das Präpolymer Terathane® 650/ 4,4'-diphenyl methandiisocyanat (MDI) gemäß Beispiel 11 von D7 ebenfalls bei Raumtemperatur flüssig sei. Damit entspräche dieses Präpolymer (in der Beschwerdebegründung als "THF-Komponente" bezeichnet) der Komponente a) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents. Es wurde ferner vorgetragen, D7 offenbare, dass die Mischung der zwei Präpolymeren vorzugsweise teilweise unverträglich sei. Aus D25 gehe hervor, dass beim Abkühlen der Mischung der festen und flüssigen Präpolymeren gemäß D7, Beispiel 11, die Erstarrung in feinsten Partikeln erfolge. D25 zeige, dass dies geschehe ebenfalls im Falle der Beispiele gemäß dem Streitpatent.

b) Im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit aller unabhängigen Ansprüchen wurde beantragt, für den Beweis für mangelnde erfinderische Tätigkeit die Dokumente D1, D2 und D7 entweder untereinander oder unter Hinzuziehung des allgemeinen Fachwissens heranzuziehen.

VII. Mit der Erwiderung mit Schreiben vom 16. November 2004 beantragte die Beschwerdegegnerin, die Beschwerde zurückzuweisen. Ein geänderter Anspruchsatz aus 10 Ansprüchen wurde als Hilfsantrag vorgelegt.

Ferner wurde ein Datenblatt:

D27: "PolyTHF®, Polyether Diol 650"

vorgelegt.

a) Die Neuheitseinwände der Beschwerdeführerin wurden bestritten.

i) Es wurde vorgetragen, dass D1 wiederholt darauf hinweist, dass die beiden Komponenten miteinander verträglich sein müssen und dass die gesamte Masse beim Abkühlen gleichzeitig kristallisiert. Im Hinblick auf die Vergleichsversuche (D25) wurde bestritten, dass die von der Beschwerdeführerin eingesetzte Methode zur Schmelzpunktbestimmung (DSC) geeignet sei. Als Beweis hierfür wurde darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse der Beschwerdeführerin wesentlich breitere Schmelzbereiche (von bis zu mehr als 50ºC) angeben als die Patentinhaberin (2-4ºC) festgestellt hat, wie aus D13 hervorginge. Ferner wurde bemängelt, dass gemäß den Ergebnissen der Beschwerdeführerin sehr viel breitere Temperaturintervalle für die reinen Polymere als für die Mischungen angegeben wurden, was der Erfahrung widerspräche. Es wurde vorgetragen, die Ergebnisse von D25 zeigten, dass die Zusammensetzungen gemäß D1 ein Schubspannungsverhalten aufweisen würden, das mit dem der erfindungsgemäßen Massen nicht vergleichbar sei, da sie bereits bei 30ºC extrem hohe Schubspannungen aufweisen würden. Die Beweise von D25 würden darauf hindeuten, dass die Verfestigung der Massen gemäß D1 durch gemeinsames Auskristallisieren der Komponenten erfolge.

ii) Im Hinblick auf D2 wurde vorgetragen, dies offenbare das Umsetzungsprodukt zweier Polyisocyanat/Polyol Reaktionsprodukte, und somit keine Kleb- und Dichtstoffe aus zwei miteinander unverträglichen Komponenten gemäß Anspruch 1 des Streitpatents. Dies gehe aus der Tatsache hervor, dass die Zusammensetzungen von D2 schon bei 80ºC durch Kristallisation aushärten. Die Beschwerdeführerin habe im Versuchsbericht D25 die Lehre von D2 im Kenntnis der Erfindung des Streitpatents modifiziert und somit nicht korrekt nachgearbeitet. Es wurden nämlich zur Herstellung von Klebstoffen die in Beispiel 1 von D2 als Zwischenprodukte erwähnten Präpolymere gemäß dem Beispiel 3 des Streitpatents unter Verwendung der dort offenbarten Komponenten verarbeitet. Hierfür gäbe es jedoch keine Offenbarung in D2. Außerdem würden die Daten der Beschwerdeführerin für die Zusammensetzungen von D2 ein anderes Schubspannungs/ Temperaturverhalten als die erfindungsgemäßen Zusammensetzungen aufzeigen. Die Ergebnisse der Zusammensetzungen von D2 würden auf gemeinsame Kristallisation hindeuten.

iii) Bezüglich D7 wurde vorgetragen, diese offenbare eine Mischung aus zwei hochschmelzenden Materialien und somit keine zwei Komponenten gemäß dem Streitpatent. Auch wenn die zwei Polyurethanpräpolymeren von D7 teilweise unverträglich seien, zeigen diese im Gegensatz zu den erfindungsgemäßen Massen keine makroskopische Phasentrennung. Somit scheidet beim Abkühlen sich nicht eine Komponente in Form feinster Partikel ab während die andere Komponente weiter in flüssiger Form vorliegt. Es wurde ebenfalls bestritten, dass D25 die Lehre von D7 korrekt nacharbeiten würde. Insbesondere wurde bemängelt, dass gemäß D7 flüssiges MDI eingesetzt würde. MDI sei jedoch fest und werde bei 100ºC geschmolzen. Hinsichtlich des Polytetramethylenetherglykol des Typ "Terathan® 650" wurde bemängelt, obwohl die Beschwerdeführerin behauptet (mit Bezug auf D26), dass dies bei Raumtemperatur flüssig sei, gehe es sowohl aus D7, D25 und dem Datenblatt D27 der BASF zu Polytetramethylenetherglykol mit Molekulargewicht von 650g/mol ("PolyTHF® Polyether Diol 650") hervor, dass diese Substanz bei 20ºC als wachsartiger Feststoff vorliege. Das bei der Nacharbeitung hergestellte Reaktionsprodukt aus MDI und Polytetramethylenetherglycol wurde nicht von unumgesetzten Edukten befreit. Folglich ließen die gemessenen Werte für dieses ungereinigte Produkt keine Rückschlüsse auf den Schmelzpunkt des erhaltenen Präpolymers zu, das wahrscheinlich fest sei. Es wurde auf Unstimmigkeiten zwischen dem gemäß D25 bestimmten Schmelzpunkt der mit 26 bis 56ºC in Widerspruch zu dem in D7 angegebenen Schmelzbereich von 82 bis 121ºC stand hingewiesen. Ferner wurde gemäß sowohl D7 wie auch der Nacharbeitung in D25 eine Eintopfreaktion durchgeführt, wobei zwangsläufig eine Mischung von verschiedenen Präpolymeren entstünde und somit keine reine Präpolymermischungen der beiden Präpolymere.

b) Hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit wurde D1 als nächstliegender Stand der Technik angesehen. D1 betreffe wie das Streitpatent Klebstoffe für die Scheibenmontage beim Automobilbau, welche Klebstoffe zwei unterschiedliche Präpolymere und Füllstoff enthalten. Die Klebstoffe gemäß D1 werden bei 80ºC appliziert und sollen eine hohe anfängliche Tragfähigkeit aufweisen. D1 setzt Präpolymere ein, die miteinander verträglich seien und die gemeinsam auskristallisieren. Dies führe zu einer hohen Anfangstragfähigkeit, erlaube jedoch kein nachträgliches Korrigieren der Verklebung. Die gegenüber D1 zu lösende Aufgabe wurde formuliert als Bereitstellung von Materialien, die sich bei niedrigen Temperaturen applizieren lassen, eine hohe Anfangstragfähigkeit aufweisen und trotzdem eine Korrektur der Verklebung erlauben. Diese Aufgabe sei durch den Gegenstand des Anspruchs 1 gelöst. Obwohl D1 auch die Bereitstellung von Materialien mit angemessener Anfangstragfähigkeit bei relativ geringer Schmelztemperatur betreffe, werde ein völlig anderer Lösungsweg beschritten, da zwei miteinander verträgliche Präpolymeren eingesetzt werden, wodurch das Anfangshaftvermögen hauptsächlich durch ein schnelles Kristallisieren des Dichtstoffs erreicht werde. Es werde ferner in D1 eine hohe Thixotropie vor der Härtung angestrebt. Die Klebstoffe von D1 erlauben keine nachträgliche Korrektur der Verklebung, wie durch D25 belegt werde. Ferner werden die Zusammensetzungen gemäß D1 bei relativ hoher Temperatur appliziert. Der Gegenstand des Anspruchs 1 werde auch nicht durch die übrigen von der Beschwerdeführerin zitierten Dokumente nahegelegt. Insbesondere offenbaren D2 und D7 keine Mischung aus zwei unverträglichen Polymeren.

VIII. Am 24. März 2006 erging eine Ladung zur mündlichen Verhandlung. In der der Ladung beigefügten Mitteilung wies die Kammer auf mehrere Unklarheiten bzw. Unstimmigkeiten in dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Versuchsbericht D25 hin.

Unter anderem wurde bemängelt, dass:

a) Gemäß den DSC Messungen der Beschwerdeführerin Polymermischungen einen engeren Schmelzbereich aufweisen als reine Polymere, was der allgemeinen Erfahrung widerspräche;

b) hinsichtlich der Versuche, die belegen sollten, dass auch bei den Zusammensetzungen des Standes der Technik eine Erstarrung mit Bildung von feinsten Partikeln stattfinde, wurde bemängelt, dass die eingesetzten Zusammensetzungen keine Füllstoffe enthielten und somit den Zusammensetzungen des Standes der Technik bzw. des Streitpatents nicht entsprächen;

c) es gehe nicht aus dem Versuchsbericht hervor, dass die Lehre von D1, D2 und D7 korrekt nachgearbeitet wurde. Im Hinblick auf die Offenbarung bzw. die Nacharbeitung der Lehre von D1 wurde festgestellt:

i) Bei den Klebstoffen wurde als Weichmacher DIDP (Diisodecylphthalat) eingesetzt, wogegen D1 lediglich "a dewatered plasticizer" angibt. Die Auswahl des DIDP wurde weder erklärt noch erläutert;

ii) Gemäß D25 wurde die Mischung der zwei Präpolymeren Klebstoffkomponenten bei 60º durchgeführt. Die Mischungstemperatur wurde in D1 jedoch nicht angegeben;

iii) Gemäß D25 wird im letzten Schritt der Klebstoffherstellung "Zinndilaurat" zugegeben. Gemäß D1 wird jedoch "octyl tin dilaurate" zugegeben. Beide Angaben schienen jedoch fehlerhaft zu sein.

Im Hinblick auf die Nacharbeitung der Lehre von D2 wurde festgestellt:

iv) Die Eigenschaften der als "P8" und "P9" gekennzeichneten Produkten seien in D25 nicht angegeben. Somit fehle der Beweis, dass die entsprechenden Verbindungen von D2, Beispiel 1 tatsächlich hergestellt wurden;

v) Die Verfahrensbedingungen von D2, Beispiel 1 für das Zusammenmischen der Komponenten scheine nicht eingehalten worden zu sein. Deshalb sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass die in D25 angegebenen Zusammensetzung der Lehre von D2 entspräche.

Im Hinblick auf die Nacharbeitung der Lehre von D7 wurde bemängelt:

vi) Gemäß D25 wurde "flüssiges MDI" verwendet, das auf 100ºC erhitzt worden wäre. Aus D7 gehe jedoch hervor, dass MDI erst durch Erhitzen flüssig werde. Folglich stellte sich die Frage, ob gemäß D25 das gleiche Ausgangsprodukt wie in D7 verwendet eingesetzt wurde.

IX. In einem Schreiben vom 14. Juni 2006 legte die Beschwerdegegnerin drei weitere Anspruchssätze als Hilfsanträge 2 bis 4 vor.

X. Zusammen mit einem Schreiben vom 14. Juni 2006 legte die Beschwerdeführerin fünf weitere Dokumente vor, nämlich:

D28: M. Hirthammer, M. Schumann, "Neuer 1 Komponenten Polyurethan Klebstoff für die Direktverglasung von Fahrzeugscheiben".

Es wurde angegeben, dass D28 aus "Conference Proceedings", Eurad '92, 21.-24. September 1992, Karlsruhe, S.387-392 stamme.

D29: Technisches Merkblatt Desmodur® 44MC Flüssig, Bayer, Ausgabe 2002-03-01;

D30: Untersuchungsbericht, 14. Juni 2006;

D31: "Compatibility" Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5th ed. on CD-ROM, 1997, Wiley-VCH, Weinheim;

D32: Schaubild: Signal/Rauschen-Verhältnis.

Die Beschwerdeführerin trug vor, D28 wäre hochrelevant und würde einkomponentige Polyurethanklebstoffe, die genau das Verhalten des im Streitpatent beanspruchten Klebstoffes aufweisen, beschreiben. Insbesondere gehe aus den Kurven von D28 der von der Einspruchsabteilung für entscheidungswesentlich gehaltene Schubspannungs/Temperaturverlauf hervor. Die Kurven von D28 würden eine "frappante Ähnlichkeit" mit den Kurven des Streitpatents sowie von D25 aufweisen.

D31 würde die übliche Bedeutung des Begriffes "Verträglichkeit" belegen. Es wurde bemängelt, dass das Streitpatent eine "sehr spezielle" Definition des Begriffs "Verträglichkeit" verwende, die von der üblichen Definition, wie in D31 angegeben, abweiche.

D29, D30 und D32 wurden vorgelegt, um die in der Mitteilung der Kammer aufgeworfenen Fragen zu beantworten:

a) Hinsichtlich Schmelzbereich und Methode zur Schmelzpunktbestimmung (vgl. VIII.a oben) wurde bemängelt, dass das Streitpatent keine Information hinsichtlich der Bestimmungsmethode enthalte. Es wurde ferner vorgetragen, dass bei der DSC Messung von Mischungen aus festen und flüssigen Polymeren aufgrund der kleineren absolute Menge des schmelzenden Polymers das Signal/Rauschen Verhältnis kleiner sei als bei reinem Polymer mit dem Ergebnis, dass eine kleinere Peakbreite und somit engere Schmelzbereich ermittelt werde als für reine Polymere. Dies wurde anhand von D32 veranschaulicht.

b) Hinsichtlich des Erstarrens in feinsten Partikeln (vgl. VIII.b) wurden in D30 "Hot Stage" Versuchen von mit Kieselsäure gefüllten Systemen vorgelegt.

c) Hinsichtlich der Nacharbeitung von D1 wurde vorgetragen:

i) Der in D25 verwendete Weichmacher (vgl. VIII.c.i) DIDP sei ein üblich verwendeter Standardweichmacher in der PU-Chemie, und sei ferner ein Phthalat, eine Weichmacherklasse welche in D1 aufgeführt werde;

ii) Versuche mit Dioktylphthalat, welcher als Weichmacher als Bestandteil des Katalysators im Beispiel von D1 genannt wird, ergaben keine wesentlichen Unterschiede wie durch D30 bewiesen (vgl. VIII.c.i);

iii) Die Information in D25 hinsichtlich der bei der Vermischung der Komponenten verwendete Temperatur sei völlig irrelevant. Der Fachmann würde aus praktischen Gründen die Mischung vor dem Zufügen des Katalysators auf eine Temperatur über dem Schmelzpunkt der Schmelzkomponente erhitzen. Ferner würde beim Vermischen durch Scherkräfte Wärme erzeugt werden so dass die Mischung auch ohne externe Zuführung von Wärme auf 60ºC erhitzt werden würde. Auch sei das Aufschmelzen ein reversibler Prozess der nichts an der Zusammensetzung ändere (vgl. VIII.c.ii)

iv) Die Angabe von "Zinndilaurat" in D25 sei ein offensichtlicher Fehler. Es sei selbstverständlich, dass "Dioctylzinndilaurat" verwendet wurde, welcher Begriff in der Übersetzung des Prioritätsdokuments verwendet wird (vgl. VIII.c.iii).

d) Hinsichtlich D2 wurde vorgetragen, dies offenbare zwei separat hergestellte und anschließend gemischte Polymere (vgl. VIII.c.iv und v).

e) Hinsichtlich D7 würde vorgetragen:

i) Aus D29 gehe hervor, das obwohl das in den Versuchen von D25 und D30 eingesetzte 4,4'-Diphenylmethandiisocyanat bei Raumtemperatur fest sei, wird dies im "Jargon" des Fachmanns als "flüssig" bezeichnet, welche Bezeichnung selbst vom Hersteller im Namen des Händelprodukts verwendet werde (vgl. VII.a.iii sowie VIII.c.vi).

ii) Bei der in D7 besprochenen Verträglichkeit handele es sich um die Verträglichkeit zweier Flüssigkeiten (aufgeschmolzene Polymere) wobei sich die zwei Phasen nicht makroskopisch (vollständige Entmischung) sondern mikroskopisch (Trübung/"hazy") separieren. Die Tatsache, dass eine Unverträglichkeit gemäß der Definition des Streitpatents bestünde, ist aus der Tatsache ersichtlich, dass die Zusammensetzungen von D7 ihre Frühfestigkeit durch Kristallisation erreichen.

XI. Eine mündliche Verhandlung fand am 14. Juli 2006 statt.

Die Beschwerdegegnerin legte einen weiteren Hilfsantrag 1a vor. Dieser Hilfsantrag sei zwischen den ersten und zweiten Hilfsantrag einzuordnen.

a) Hinsichtlich der mit Schreiben vom 14. Juni 2006 von der Beschwerdeführerin eingereichten Dokumente D28-D32 stellte die Beschwerdeführerin fest:

i) D28 sei ein Auszug aus dem "Proceedings" einer von 21. bis 24. September 1992 stattfindenden Konferenz. Diese Information sei während der Konferenz präsentiert worden. Es sei davon auszugehen, dass die "Proceedings" entweder zeitgleich mit der Konferenz oder kurze Zeit danach veröffentlicht worden waren. Der Vortrag im Hinblick auf D29-D32 entsprach im Wesentlichen dem der schriftlichen Eingabe (vgl. Abschnitt X oben)

ii) Die Beschwerdegegnerin beantragte, D28, D30, D31 und D32 nicht zuzulassen.

- Hinsichtlich D28 gehe nicht aus dem Dokument hervor, wann die enthaltene Information der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Ferner enthalte D28 keine Angaben hinsichtlich der Bestandteile der besprochenen Zusammensetzung.

- Hinsichtlich D30 wurde bemängelt, dies sei sehr spät vorgelegt, und dass die Beschwerdegegnerin nicht ausreichend Zeit gehabt hatte, die Angaben zu überprüfen bzw. nachzuarbeiten. Ferner sei D30 nicht prima facie relevant und sollte deshalb nicht zugelassen werden. Es wurde ferner bestritten, dass D30 die Lehre des Standes der Technik korrekt nacharbeite. Die Angaben von D30 stünden in Widerspruch zu den Offenbarungen des Standes der Technik. Es wurde in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen T 793/93 vom 27. September 1995 (nicht veröffentlicht im ABl. EPA) sowie T 204/00 vom 13. November 2002 (nicht veröffentlicht im ABl. EPA) hingewiesen. Ferner wurde auf Unstimmigkeiten zwischen den Ergebnissen von D30 und dem während des Einspruchsverfahrens als D22 eingereichten Auszug aus dem Laborjournal hingewiesen.

- Im Hinblick auf D31 wurde die Notwendigkeit einer weiteren Definition von "Verträglichkeit" bestritten, da dies bereits im Streitpatent definiert sei.

- D32 sei nicht relevant, da der Bezug zu den von der Beschwerdeführerin durchgeführten Versuchen nicht belegt sei. Ferner ist nicht glaubhaft gemacht worden warum die (Un)Genauigkeit von DSC für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevant sei. Es wurde bestritten, dass DSC eine geeignete Methode sei. Die Werte im Streitpatent würden mittels Kapilliarmessung bestimmt.

iii) Nach Beratung informierte die Kammer die Parteien von ihrer Entscheidung hinsichtlich Zulässigkeit der Dokumente D28-D32: D28 und D31 wurden nicht zugelassen; D29, D30 und D32 wurden zugelassen.

b) Neuheit im Hinblick auf D1:

i) Zunächst wies die Beschwerdegegnerin auf weitere Unstimmigkeiten zwischen den Angaben von D1 und den durchgeführten Versuchen hinsichtlich der eingesetzten Ausgangsmaterialien hin. Nämlich wurde bemängelt, dass gemäß D1 Beispiel A-1 "polypropylene triol" im ersten Reaktionsschritt und "polyoxypropylene triol" im zweiten Reaktionsschritt verwendet wurden. Dagegen wurde gemäß D30 in beiden Schritten Polyoxypropylentriol verwendet. Die Auswirkung dieses Unterschieds sei nicht bekannt.

ii) Im Hinblick auf die Korrektheit der nachgearbeiteten Beispiele von D1 (vgl. vorhergehenden Absatz) wies die Beschwerdeführerin auf einige Unstimmigkeiten bzw. "Übersetzungsfehler" im Text von D1 hin:

- Die Angabe in Beispiel A-1 von "polypropylene triol" sei fehlerhaft aus dem Japanischen übersetzt worden und müsste richtig "polyoxypropylene triol" heißen, wie aus der Angabe von "polyether polyol" auf Seite 3, Zeilen 4-5 von D1 hervorgehe. Diese Verbindung wurde bei der Nacharbeitung (D20, D22, D25, D30) eingesetzt;

- Der Angabe "3 in hydroxyl number" entspräche ein Molekulargewicht von 50 000 was technisch unmöglich sei. Folglich wurde zwecks Wiederholung der Beispiele diese Angabe in "Funktionalität" umgedeutet;

Bezüglich des verwendeten Weichmachers trug die Beschwerdeführerin vor, es seien zwei eng verwandte Verbindungen eingesetzt worden, nämlich DIDP (Diisodecylphthalat) (D25) bzw. Dioktylphthalat (in D30). Der erstgenannte sei ein üblich eingesetzter Weichmacher, während der zweite in den Beispielen von D1 als Träger für den Katalysator eingesetzt sei.

Die Tatsache, dass gemäß D22 die Verbindung A1 als "fest" angegeben wird während in D25 und D30 dies als "flüssig" beschrieben sei, ist ein Artefakt der dem Auszug D22 zugrunde liegenden Excelvorlage, wonach der Begriff "fest" für "nicht flüchtige" Bestandteile verwendet sei, unabhängig vom festen/flüssigen Zustand.

Die im Vergleich zu dem Beispiel 1 von D1 (15 Teile auf 100 Teile eingesetztes Diol) in dem Versuchsbericht D20 kleinere eingesetzte Menge von Hexanol (9,66 Teile auf 100 Teile Diol wie aus dem Auszug des Laborjournals D22 hervorgeht) wurde damit begründet, dass es nicht möglich sei, das nicht umgesetzte Hexanol restlos zu entfernen.

Die Beschwerdegegnerin wies die Angaben der Beschwerdeführerin hinsichtlich Übersetzungsfehler in D1 zurück. Die Erklärung hinsichtlich der Unstimmigkeiten zwischen D22, D25 und D30 bezüglich des Zustands des Präpolymers A-1 (fest/flüssig) wurde bestritten. Aus der Tatsache, Hexanol sei als nicht abdestillierbar bezeichnet, lasse sich herleiten, die Beschwerdeführerin könne zwischen festen und flüssigen Komponenten nicht unterscheiden. Hinsichtlich der verwendeten Weichmacher gehe hieraus hervor, die Beschwerdeführerin habe eine Auswahl aus der allgemeinen Lehre von D1 getroffen. Deshalb könne nicht mit 100% Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Lehre von D1 korrekt nachgearbeitet worden sei. Ferner wurde bestritten, dass die Tatsache, dass ein bestimmter Weichmacher als Träger für den Katalysator in Frage komme, bedeute, dieser bestimmte Weichmacher sei ebenfalls als Weichmacher für die gesamte Zusammensetzung geeignet. Vor allem bei der Frage der Verträglichkeit spiele die Weichmacherauswahl eine erhebliche Rolle. Die Aussage der Beschwerdeführerin, die Mischungstemperatur spiele keine Rolle wurde bestritten (vgl. X.c.iii).

iii) Hinsichtlich der Kristallisationsversuche trug die Beschwerdeführerin vor, diese würden belegen, dass die Zusammensetzungen von D1 die gemäß dem Streitpatent definierten Unverträglichkeit aufweisen würden. Die "Hot Stage" Versuche in D25 und D30 würden belegen - unabhängig von der Anwesenheit von Füllstoffen - dass das Erstarren innerhalb des angegebenen Temperaturbereichs beginne. Nur eine Komponente - die höherschmelzende Komponente - würde erstarren. Eine gleichzeitige Erstarrung beider Komponente sei physikalisch unmöglich und fände nicht statt. Würden beide Komponenten gleichzeitig erstarren, wären die mikroskopischen Abbildungen völlig schwarz, was nicht der Fall sei. Die Beschwerdegegnerin trug vor, Cokrystallisation (gleichzeitige Kristallisation beider Komponente) sei möglich und genau dies werde in D1 angestrebt, wie aus Seite 6, Zeilen 48-49 hervorgehe. Dies geschehe auch, wenn die Komponenten unterschiedliche Schmelzpunkte aufweisen.

iv) Hinsichtlich der Versuche betreffend Schubspannungs/Temperaturverlauf trug die Beschwerdeführerin vor, die in D25 und D30 angegebenen Messergebnissen wurden auf Proben, die bei den angegebenen Temperaturen über 2 Stunden temperiert wurden, durchgeführt. Die Temperierung fand unter Stickstoff zur Verhinderung von Vernetzungsreaktionen statt. Die unterschiedlichen Ergebnisse der gefüllten/ungefüllten Zusammensetzungen belegten, dass der Füllstoff die Ergebnisse beeinflusse. Die Beschwerdegegnerin trug vor, diese Beispiele würden belegen, dass die Zusammensetzungen von D1 und des Streitpatents unterschiedlich seien. Vor allem die "hybrid" Beispiele (siehe VI oben), bei denen die Polymere gemäß D1 zusammen mit der Füllstoff/Weichmacher Komponente gemäß dem Streitpatent eingesetzt wurden, würden belegen, dass das unterschiedliche Verhalten auf die Polymere und nicht auf die Füllstoffe/Weichmacher zurückzuführen sei.

c) Neuheit in Bezug auf D2:

i) Die Beschwerdeführerin trug vor, Beispiel 1 von D2 offenbare, dass die bei Raumtemperatur flüssige Polymerkomponente eine Raumtemperaturviskosität von 60 Pa.s aufweise. Die bei Raumtemperatur feste Komponente weise bei 100ºC eine Viskosität von 21 Pa.s auf und sei bei 40ºC flüssig. Dies sei durch D25 und D30 bewiesen. Ebenfalls gehe aus den Vergleichsversuchen hervor, die zwei Komponenten seien unverträglich. Die Komponenten werden getrennt hergestellt und mit dem Haftvermittler gemischt, wodurch kleine Mengen von NCO Gruppen umgesetzt werden. Auch wenn der Haftvermittler mit beiden Polymerkomponenten reagiere, wird die Zusammensetzung zum überwiegenden Teil aus zwei getrennten Polymeren bestehen. Vernetzungsreaktionen laufen, wenn überhaupt, sehr langsam ab. Die Anwesenheit von zwei Produkten sei durch die "Hot Stage" Ergebnisse belegt. Hinsichtlich der bei den Versuchsberichten D25 und D30 verwendeten Mengen von zwei Polymeren (vgl. VIII.c.v) wurde vorgetragen, die zwei in D2 Beispiel 1 beschriebenen Reaktionen ergäben jeweils 200g Produkt. Um das angegebene Verhältnis von 1:0.5 zu erhalten, wurde demzufolge die komplette Ladung des zuerst hergestellten Polymeres (200g) mit der Hälfte des zweiten Polymeres (100g) gemischt, was eine Gesamtmenge von 300g ergab. Die angegebenen Mengen der weiteren Bestandteile wurden auf diese 300g bezogen. Die "Hot Stage" Versuche würden belegen, dass die Mischung bei 30-35ºC erstarre und eine fest/flüssig Mischung zeige. Dies deute darauf hin, dass die Mischung wahrscheinlich bei 40-50ºC flüssig sei.

ii) Die Beschwerdegegnerin bestritt, dass D2 eine Mischung aus zwei Polymeren offenbare. Aus Spalte 2, Zeile 21ff und Spalte 5, Zeile 30ff gehe hervor, dass ein einziges Produkt, hergestellt aus mehreren Bestandteile, erhalten werde. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Polymere durch den Haftvermittler (Silan) gekoppelt seien, womit keine zwei getrennte Polymere vorlägen. Es wurden auf Unstimmigkeiten bzw. Unterschiede in den angegebenen Produkteigenschaften in D2 und die Versuchsberichte D20 auf der einen Seite und D25 und D30 auf der anderen Seite, insbesondere im Hinblick auf die angegebenen Viskositäten des bei Raumtemperatur festen Polymers hingewiesen. Versuchsbericht D25 würde ferner Beispiel 1 von D2 nicht korrekt nacharbeiten (vgl. VII.a.ii). Insbesondere zeige D25 lediglich das Schmelzverhalten der Polymermischung, nicht jedoch des formulierten Klebstoffs. Die Berechnungsbasis der absoluten Mengen an Polymeren (300g - siehe oben) wurde bestritten. Ebenfalls wurde bestritten, dass gezeigt wurde, die Zusammensetzungen würden bei 40-50ºC flüssig, da nicht klar sei, was durch die "Hot Stage" Messungen gezeigt werde. Es sei nicht belegt, dass eine flüssige Phase vorliege. Die Kurven Schubspannungs/Temperatur der füllstofffreien Zusammensetzungen zeigten ein anderes Verhalten als die patentgemäße Zusammensetzungen. Es sei davon auszugehen, dass bei Anwesenheit von Füllstoff der Kurvenverlauf noch steiler sei. Es sei unwahrscheinlich, dass gefüllte Zusammensetzungen bei 28ºC noch flüssig seien.

d) Neuheit im Bezug auf D7:

i) Die Beschwerdeführerin trug vor, D25 würde belegen, dass es bei den Zusammensetzungen von D7 um Mischungen aus festen und flüssigen Polymeren handele. Unverträglichkeit der zwei Komponenten gehe aus D7, Seite 4, Zeilen 48-52 hervor. Die Versuchsergebnisse in D25 belegten sowohl diese Inkompatibilität, als auch dass eine Komponente beim Abkühlen kristallisiert. Aus D25 gehe auch hervor, die Zusammensetzungen verflüssigen sich bei Temperaturen von 40 bis 50ºC. Bei der Nacharbeitung von D7 sei ein Poly(tetramethylen)etherglykol (Terathane® 650) mit höherer OH Zahl (173) als in D7 angegeben (167) verwendet. Dies sei im Gegensatz zu dem in D7 verwendeten Produkt flüssig. Da die Reaktion sehr schnell ablaufe, reiche der in D7 unter "General Preparation" angegebene Zeitraum von 15 Minuten für die Reaktion der ersten Komponenten aus, um somit vollständige Reaktion zu gewährleisten. Folglich entstünden bei dieser Reaktion zwei polymerische Produkten. Auch wenn eine Mischung aus verschiedenen Produkten aus den Ausgangsmaterialien entstehen würden, gäbe es trotzdem zwei getrennten Gruppen von Produkten, entsprechend den jeweils ersten und zweiten zugeführten Reaktanden Gruppen.

ii) Die Beschwerdegegnerin bestritt, dass die Beispiele von D7 neuheitsschädlich seien allein deshalb weil kein Füllstoff enthalten sei. Die Angaben in D7 bezüglich Verträglichkeit seien nicht klar. Bei der Nacharbeitung von D7 sei nicht das in D7 eingesetzte feste Poly(tetramethylen)etherglykol - Terathane® 650 mit OH Nummer von 167 - sondern ein Terathane® 650 mit OH Nummer von 173 verwendet worden. Dieses Produkt sei im Gegensatz zu dem gemäß D7 eingesetzten festen Terathane® 650 jedoch flüssig. Folglich sei die Lehre von D7 in Richtung des Gegenstands des Streitpatents modifiziert worden. Da die Reaktion in einem einzigen Gefäß durchgeführt wurde entstünden keine zwei getrennten Polymeren. Es wurde ebenfalls bestritten, dass 15 Minuten für die erste Charge ausreichend seien, um vollständig zu reagieren, wodurch ebenfalls keine zwei Polymeren sondern ein einziges Copolymer entstehen würde.

e) Erfinderische Tätigkeit Die Beschwerdeführerin trug vor, der Gegenstand des Anspruch 1 wäre bloß eine Erklärung bzw. Beschreibung der Funktionsweise der Zusammensetzungen von D1. Dies sei sowieso nahe liegend, da jede Kristallisation mit kleinsten Teilchen anfangen müsse.

XII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 705 290.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis eines der folgenden Hilfsanträge: Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 16. November 2004, oder Hilfsantrag 1a, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, oder Hilfsanträge 2 bis 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 14. Juni 2006.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Dokumente D28 bis D32 wurden einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht. Es oblag der Kammer daher zu entscheiden, ob diese Dokumente zugelassen werden.

2.1 D28 trägt kein Veröffentlichungsdatum. Die Aussage der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung (vgl. XI.a.i), D28 sei entweder zeitgleich oder kurz nach der Konferenz veröffentlicht worden, ist nicht schriftlich belegt.

Da nicht bewiesen ist, dass die in D28 enthaltene Information vor dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlicht wurde, und somit zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehört, kann D28 allein aus diesem Grund für die Entscheidungsfindung im vorliegenden Fall nicht relevant sein.

Abgesehen davon offenbart D28 lediglich im Allgemeinen ein Eigenschaftsprofil. Dies ist zwar mit dem des Streitpatents sehr ähnlich, wenn nicht sogar identisch. D28 offenbart jedoch keinerlei Einzelheiten bezüglich der notwendigen Zusammensetzung. Folglich stellt der technische Inhalt von D28 nicht mehr als eine Aufgabenstellung dar, ohne zu offenbaren, wie diese Aufgabe zu lösen sei.

Folglich wurde D28 nicht zugelassen.

2.2 Die Zulässigkeit von D29 wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten. Da dies als Antwort einer von der Kammer gestellten Frage vorgelegt wurde (vgl. VIII.c.vi), hat die Kammer ebenfalls keinen Einwand bezüglich der Zulässigkeit dieses Dokuments.

2.3 D30 ist ein weiterer Versuchsbericht, der als Antwort auf von der Kammer in der Kommunikation aufgezeigten Unzulänglichkeiten bzw. Unvollständigkeiten des Versuchsberichts D25, insbesondere im Hinblick auf die "Hot Stage" Messungen eingereicht wurde (vgl. VIII.b). Der Versuchsbericht D25 wurde seinerseits zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Die Beschwerdegegnerin hat die Zulässigkeit dieses Berichts nicht bestritten, sondern hat sich ausdrücklich auf diesen bezogen und sogar zum Teil zueigen gemacht (vgl. VII.a.i, VII.b und XI.b.iv oben), und als Beweis für die Neuheit bzw. für die erfinderische Tätigkeit angeführt.

Es ist nicht von der Beschwerdegegnerin vorgetragen worden, dass D30 gegenüber D25 neue Fakten oder Beweise vorbringen würde und somit eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin nach Einreichung der Beschwerdebegründung darstellen würde (vgl. VOBK Artikel 10b(1)). In der Tat wurden durch D30 lediglich offene Fragen in Bezug auf dem früheren Vorbringen der Beschwerdeführerin, insbesondere im Hinblick auf die "Hot Stage" Messungen geklärt.

Das Argument der Beschwerdegegnerin, sie habe keine Gelegenheit, die Ergebnisse von D30 zu überprüfen, stellt nach Auffassung der Kammer in diesem Fall keinen Ausschlussgrund dar. D30 stellt eine Vervollständigung bzw. Berichtigung der Angaben von D25 dar. Die Beschwerdegegnerin hatte ihrerseits keine Notwendigkeit gesehen, die Ergebnisse von D25 nachzuarbeiten, sondern hat diese Daten anscheinend akzeptiert. Es ist nicht glaubhaft gemacht worden, warum die Daten von D30, die ja nur einen Zusatz der Angaben von D25 darstellen, eine Nacharbeitung seitens der Beschwerdegegnerin erforderlich gemacht hätten, wogegen die Daten von D25 ohne Nacharbeiten angenommen wurden.

Folglich wurde D30 zugelassen.

2.4 D31 enthält eine Definition von "Verträglichkeit". Das Streitpatent enthält jedoch - im erteilten Anspruch 1 - bereits eine Definition dieses Begriffes. Es ist also weder nötig noch sachdienlich eine weitere Definition anzufügen.

Da diese Definition bereits im erteilten Patent enthalten ist, steht der beschwerdeführenden Einsprechenden Artikel 84 EPÜ nicht zur Verfügung.

Folglich ist D31 für die Entscheidungsfindung nicht relevant und wurde nicht zugelassen.

2.5 D32 ist ein Schaubild des Signal/Rauschen Verhältnisses bei DSC Messungen. Die Einwände der Beschwerdegegnerin, dass die Relevanz dieser Information für das vorliegende Verfahren nicht ersichtlich sei, lassen jedoch die Tatsache außer Acht, dass diese Information nach Angaben der Beschwerdeführerin als Reaktion auf eine von der Kammer gestellte Frage eingereicht wurde (vgl. VIII.a oben). Die Beschwerdegegnerin hat ebenfalls diesen Aspekt in der Beschwerdeerwiderung aufgegriffen (vgl. VII.a.i). Auch wenn die Genauigkeit der DSC Methode für die Entscheidungsfindung in diesem Fall nicht von unmittelbarer Bedeutung war, war die aufgeworfenen Frage, die zur Vorlage von D32 geführt hat, für die Bewertung der Aussagekraft der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Versuchsberichte von Bedeutung (vgl. 4.2.8.a.i unten).

Folglich ist D32 für die Entscheidungsfindung von der Kammer als relevant angesehen worden und wurde zugelassen.

3. Das Streitpatent, Aufgabe und Lösung.

Gemäß Anspruch 1 (sowie Absatz [0006] der Beschreibung) betrifft das Streitpatent einen Kleb- und Dichtstoff auf der Basis reaktiver Präpolymerer enthaltend neben Füllstoffe:

a) wenigstens ein bei Raumtemperatur flüssiges reaktives Präpolymer und

b) wenigstens eine weitere Komponente, die bei Raumtemperatur fest und bei leicht erhöhter Temperatur flüssig ist, so dass sich der Kleb- und Dichtstoff bei einer Temperatur von 40 bis 50ºC verflüssigen lässt. Die Komponente b) ist zumindest teilweise unverträglich mit der Komponente a) d.h. bei Abkühlen des Kleb- und Dichtstoffes unter den Schmelzpunkt der bei Raumtemperatur festen Komponente dieselbe in feinsten Partikeln zu erstarren beginnt und sich der Feststoffanteil auf Kosten der viskos-flüssigen Phase im Kleb- und Dichtstoff erhöht.

3.1 Die Kleb- und Dichtstoffe des Patents werden insbesondere beim Einbau ("Direktverglasung") von Automobilscheiben eingesetzt (Absatz [0001] des Streitpatents).

Bei der Direktverglasung werden pastöse Materialien eingesetzt, die meistens einkomponentig sind und im Verlauf von einigen Stunden bis wenigen Tagen aushärten (Patent Absatz [0002]). Ein Nachteil der bislang bekannten einkomponentigen Kleb- und Dichtstoffe ist, dass bis zum Erreichen einer gewissen Mindestfestigkeit des Klebverbundes eine Zeitspanne von wenigstens 1 bis 2 Stunden notwendig ist. Folglich müssen beim Einsetzen der Scheiben Fixierhilfsmittel angebracht werden, um deren Abrutschen zu verhindern (Patent Absatz [0003]).

Die bekannten Verfahren um diesem Missstand abzuhelfen haben ihrerseits Nachteile. So können bei zweikomponentigen Zusammensetzungen Misch- und Dosierfehler auftreten. Bei einkomponentigen Kleb- und Dichtmassen mit schnellen Festigkeitsaufbau, z.B. durch den Einsatz spezieller Beschleuniger lässt sich keine ausreichende Anfangsfestigkeit erreichen. Ferner weisen solche Systeme eine kürze Lagerzeit auf (Patent Absatz [0003] und [0004]). Nachteilig bei Reaktivenschmelzkleber ist, dass sie bei relativ hoher Temperatur (mindestens 80ºC) appliziert werden müssen. Ferner weisen diese einen langsamen Festigkeitsaufbau auf, und müssen daher einen erheblichen Anteil ihrer Festigkeit durch den Phasenübergang flüssig/fest beim Abkühlen erzielen. Daher zeigen solche Kleb- und Dichtstoffe unmittelbar nach dem Auftragen eine sehr hohe Viskositätszunahme, die das Einbringen der Scheiben in die Karosserie nur unter erhöhtem Kraftaufwand ermöglicht (Patent Absatz [0005]).

3.2 Die Aufgabe des Patents ist es, Kleb- und Dichtstoffe bereitzustellen, die diese Nachteile nicht mehr aufweisen, welche Aufgabe durch einen Kleb- und Dichtstoff gemäß Anspruch 1 gelöst wird, wobei ein wichtiges Merkmal die teilweise Unverträglichkeit der höher schmelzenden Komponente mit dem (den) anderen enthaltenen Präpolymeren ist (Absatz [0006]). Die Kleb- und Dichtstoffe der Erfindung sind bei 50-60ºC insbesondere 40-50ºC leicht pumpbar und gut verarbeitbar, sind bei Raumtemperatur steif und standfest, jedoch durch Druck noch vorformbar (Absatz [0009]). Hierdurch wird eine ausreichende Anfangstragfähigkeit erzielt. Die Masse ist in diesem Zustand noch pastös und spachtelbar, d.h die Verdickung des Materials beim Abkühlen verläuft nicht so schnell. Hierdurch ist eine einfache Korrektur des Auftrags, bzw. das Einsetzen und Positionieren großflächiger Bauteile möglich (Patent, Absätze [0010] und [0011]). Fixierhilfen sind jedoch nicht notwendig (Absatz [0012]).

3.3 Die Beispiele zeigen insgesamt drei erfindungsgemäße Kleb- und Dichtmassen.

Gemäß Beispiel 3 werden zwei Polyurethan Präpolymere eingesetzt, wobei beide noch reaktive NCO Gruppen enthalten. Beispiel 5 zeigt eine Masse bei der die feste Komponente aufgrund einer Reaktion mit Hexanol keine freien NCO-Gruppen mehr trägt. Gemäß Beispiel 6 wird als die feste Komponente ein Paraffin-Wachs eingesetzt.

Im Hinblick auf Beispiel 3 wurde das Schubspannungsverhalten in Bezug auf Temperatur bestimmt. Hieraus geht hervor, dass der Klebstoff bei sinkender Temperatur, insbesondere im Bereich 20-30ºC einen Anstieg der Schubspannung aufweist. Ferner wird gezeigt, dass die Belastbarkeit einer mit dem Kleber gemäß Beispiel 3 eingesetzten Kraftfahrzeug-Seitenscheibe nach 10 Minuten höher ist als ein handelsüblicher Klebdichtstoff, der keine feste Komponente enthält. Demzufolge ist glaubhaft, dass die patentgemäße Aufgabe tatsächlich gelöst wurde.

4. Neuheit

Die Beschwerdeführerin erhob Neuheitseinwände aufgrund von D1, D2 und D7.

Diese Einwände wurden im Wesentlichen durch Versuchsberichte gestützt.

4.1 Allgemeine Überlegungen

Wenn ein Einwand der mangelnden Neuheit auf eine Nacharbeitung eines Beispiels des Standes der Technik gestützt wird, wird argumentiert, dass der Gegenstand des angegriffenen Anspruchs, auch wenn dies nicht durch die explizite wörtliche Offenbarung des Standes der Technik vorweggenommen ist, trotzdem implizit durch den zitierten Stand der Technik offenbart ist, insofern dass als Ergebnis der Durchführung der expliziten Lehre der Vorveröffentlichung (z.B. eines Beispiels) ein Gegenstand erhalten wird, der innerhalb des Umfanges des streitgegenständlichen Anspruchs fällt. Gemäß der Entscheidung T 793/93 vom 27. September 1995 (nicht veröffentlicht im ABl. EPA), muss bei der Beweiswürdigung in einem solchen Fall ein wesentlich strengerer Maßstab als nur die Abwägung der Wahrscheinlichkeit angelegt werden, nämlich der der "zweifelsfreien Erkenntnis". Daraus folgt, dass bei Vorliegen eines begründeten Zweifels daran, wie das Ergebnis der Durchführung der wörtlichen Offenbarung und der Lehre einer Entgegenhaltung aussehen kann bzw. wenn nach wie vor eine "Grauzone" besteht, das auf ein solches Dokument gestützte Argument der Vorwegnahme scheitern muss.

Die von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung zitierte Entscheidung T 204/00 (vgl. XI.a.ii) baute auf T 793/93 sowie die Entscheidung T 396/89 vom 8. August 1991 (nicht veröffentlicht im ABl. EPA) und stellte fest, dass im Falle einer etwaigen signifikanten Abweichung von den in der früheren Offenbarung festgelegten Bedingungen der Beteiligte, der die Behauptung aufgestellt hat, überzeugend nachzuweisen hat, dass diese Abweichung für das Ergebnis nicht wesentlich war (vgl. 3.1 der Entscheidungsgründen).

4.2 D1

4.2.1 D1 betrifft gemäß Anspruch 1 einen feuchtigkeitshärtenden Urethandichtstoff (der in D1 verwendete englische Begriff ist "sealing composition") enthaltend:

(i) ein Urethanpräpolymer aus der Reaktion eines Polyätherpolyols mit Mn 1 000-7 000 mit einer Polyisocyanatverbindung in einem Äquivalentverhältnis von NCO Gruppe zu OH Gruppe von 1,1 bis 2,5;

(II) eine Polyurethanverbindung, enthaltend keine freien Isocyanatgruppen, aus der Reaktion eines Polyätherpolyols mit Mn 500 bis 3 000 oder eines Polyesterpolyols mit Mn 500 bis 6 000 mit einer Polyisocyanatverbindung in einem Äquivalent verhältnis von 1,1 bis 2,5 mit anschließender Reaktion mit einem Monoalkohol um alle Isocyanatgruppen zu binden (blockieren).

Gemäß Anspruch 15 werden die Komponenten in der Schmelze zwischen 40 und 80ºC gemischt. Ferner kann gemäß Anspruch 16 u.a. Füllstoff und Weichmacher enthalten sein.

Der Dichtstoff wird insbesondere für den Einbau von Automobilverglasung vorgesehen (Seite 2, Zeilen 1-3). Insbesondere soll der Dichtstoff u.a. hohe Thixotropie aufweisen, also gut auftragbar sein, gute Anfangsfestigkeit sowie niedrige Schmelztemperatur aufweisen. Er wird bei 40-80ºC aufgetragen und erreicht bei Abkühlen und Verfestigung Anfangsfestigkeit, und ergibt nach Aushärten innerhalb einer kurzen Zeit Elastizität und Durabilität (Seite 2, Zeilen 39-44, Seite 4, Zeilen 36-39).

Das Molekulargewicht des Polyetherpolyols der Komponente (II) soll 3 000 nicht überschreiten, da sonst eine langsame Kristallisation während der Reaktion stattfindet mit dem Ergebnis von zu niedriger Anfangsfestigkeit (Seite 3, Zeilen 40-42).

Ebenfalls soll das Molekulargewicht des Polyesterpolyols der Komponente (II) 6 000 nicht überschreiten, da dies sonst weniger verträglich mit der Komponente (i) sein würde, ebenfalls mit dem Ergebnis der verminderten Anfangsfestigkeit (Seite 3, Zeilen 51-53). Ferner soll das anspruchsgemäße Äquivalentverhältnis der Isocyanatgruppen zu Hydroxylgruppen von Komponente (II), nämlich 1,1 bis 2,5, eingehalten werden: bei Verhältnissen kleiner als 1,1 wäre das erhaltene Urethanpolymer-Zwischenprodukt weniger kompatibel mit der Komponente (i), während Verhältnisse größer als 2,5 zu langsamer Kristallisation und verminderter Anfangsfestigkeit führen würden (D1, Seite 4, Zeilen 1-6).

4.2.2 D1 enthält ein Ausführungsbeispiel des Präpolymers d.h. Komponente (i) ("A-1") sowie sechs Ausführungsbeispiele der Polyurethanverbindung, Komponente (II) ("B-1" bis "B-6").

Gemäß den Angaben von Beispiel A-1 werden 57 Teile "polypropylene triol" mit "hydroxyl number" (OH-Zahl) von 3 und Mn 5 000 mit 23 Teilen Polypropylenäther (OH Zahl 2, Mn 2 000) gemischt und mit 9,1 Teilen einer Mischung von 2,4 und 2,6-Toluylendiisocyanat umgesetzt. Das entstandene Produkt wird dann mit 19,6 Teilen Diphenylmethan-4,4'-diisocyanate versetzt. Polyoxypropylentriol (Mn 5 000), 85 Teile, und Polypropylenetherdiol (Mn 2 000), 35 Teile (beide vorher entwässert) werden zugegeben und bei 80ºC reagiert bis ein freier NCO-Gehalt von 1,8% erhalten wird.

Die Polyurethanverbindungen der Beispiele B-4, B-5 und B-6 werden durch Umsetzung von jeweils 100 Teilen Adipat-Typ Polyester diol (B-4), Polycarbonatdiol (B-5) bzw. Polycaprolactondiol (B-6) (Mn jeweils 2 000) mit 17 Teilen Hexamethylendiisocyanat hergestellt. Die entstandenen Produkte werden jeweils mit 15 Teilen n-Hexanol umgesetzt, um die NCO Gruppen zu binden.

Zur Herstellung der Dichtstoffe (D1, Seite 6 ab Zeile 4) werden 85 Teile von A-1 mit 15 Teilen der jeweiligen B-Verbindung zusammen mit 20 Teilen eines nicht näher spezifizierten entwässerten Weichmachers, 100 Teile trockenem Russ und 10 Teile wasserfreiem CaCO3 unter Stickstoff in einen Kneter gegeben, und unter Vakuum für eine nicht spezifizierte Zeit geknetet. Die Temperatur des Kneters wird nicht angegeben. Anschließend wird 1,7 Teile einer 5 %-igen Lösung von "Octyl tin dilaurate" (gemeint ist nach - unwidersprochenen - Angaben der Beschwerdeführerin "Dioctylzinndilaurat"- vgl. X.c.iv oben), in Dioktylphthalat zugegeben und unter Vakuum weiter verknetet (Temperatur und Zeit nicht angegeben).

Gemäß den Beispielen werden die Dichtstoffe bei 80ºC aufgetragen. Es wird angegeben, dass die Dichtstoffe schnelle Kristallisation aufweisen und entwickeln folglich Anfangsfestigkeit innerhalb von 10 Minuten nach dem Auftragen (D1 Seite 6 Zeilen 44-54).

4.2.3 In diesem Zusammenhang erwähnt D1 die Schmelzpunkte der Komponenten nicht.

Insbesondere geht aus D1 nicht explizit hervor, dass die dort offenbarten Dichtstoffe das anspruchsgemäße Erstarrungsverhalten aufweisen (vgl. IV.b oben).

4.2.4 Daher hat die Beschwerdeführerin während des Einspruchs- sowie des Beschwerdeverfahrens mehrere Versuchsberichte nämlich D20/D22/D23 (vgl. II oben), D25 (vgl. VI oben), sowie D30 (vgl. X oben) eingereicht, die beweisen sollten, dass die Klebstoffzusammensetzungen von D1 sehr wohl das anspruchsgemäße Erstarrungsverhalten aufweisen.

Im Hinblick auf die in 4.1 oben ausgeführten allgemeinen Überlegungen betreffend einer Nacharbeitung eines Beispiels des Standes der Technik, fallen der Kammer folgende Unklarheiten bzw. Unvollständigkeiten in der Offenbarung von D1 auf, die einer wahrheitsgetreuen Nacharbeiten des Standes der Technik und daher die Erreichung einer "zweifelsfreien Erkenntnis" mehr oder weniger im Wege stehen:

a) Anlässlich der Diskussion während der mündlichen Verhandlung der Korrektheit der Nacharbeitung wies die Beschwerdeführerin auf einige Unklarheiten in D1 im Hinblick auf die Herstellung der Präpolymere hin (vgl. XI.b.i und ii oben), nämlich:

- Die bei der Herstellung des Präpolymers "A-1" eingesetzte, als "polypropylene triol" bezeichnete Komponente sei richtigerweise als "polyoxypropylene triol" zu verstehen;

- Die angegebene Hydroxylzahl (3) des in Komponente A-1 eingesetzten "polypropylene triol" sei als "Funktionalität" zu verstehen.

Die Anwesenheit dieser Unklarheiten in der Offenbarung von D1 bedeutet, dass bei einem Versuch, die Lehre von D1 nachzuarbeiten, zwei Begriffe ("polypropylene triol", "hydroxyl number") umgedeutet bzw. interpretiert werden müssen.

b) Ferner bestehen Unvollständigkeiten hinsichtlich der beispielsgemäßen Vorschrift zur Herstellung des Dichtstoffs aus den so hergestellten Präpolymeren:

i) Der bei der Herstellung der Dichtstoffe eingesetzte Weichmacher wurde im Beispiel von D1 nicht angegeben (vgl. auch VIII.c.i und X.c.i und ii), Es gibt lediglich auf Seite 4, Zeilen 25 bis 27 der Beschreibung eine Liste der als Weichmacher einsetzbaren Stoffklassen (ca 13 solche Klassen). In D25 und D30 wurden jeweils unterschiedliche Weichmacher eingesetzt, entsprechend einer einzigen der in D1 angegebenen Stoffklassen (Derivaten von Phthalsäure), nämlich Dioktylphthalat - DOP und Diisodecylphthalat - DIDP. Zur Begründung der Auswahl hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, DIDP sei ein üblicher Weichmacher und DOP sei in den Beispielen von D1 als Träger für den Katalysator eingesetzt worden (vgl. X.c.i und ii). Die Kammer stellt jedoch fest, dass es keine Angaben in D1 gibt, aus denen hervorgeht, dass diese bestimmten Weichmacher bei den Klebstoffzusammensetzungen einsetzbar seien oder bei den Ausführungsbeispielen von D1 eingesetzt worden sind.

ii) Die Temperatur während des Knetvorgangs ist ebenfalls in D1 nicht erwähnt (vgl. auch VIII.c.ii und X.c.iii). In D25 wurde eine Temperatur von 60ºC verwendet. Dagegen wurde in D30 keine Temperatur angegeben. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen (vgl. X.c.iii), dies sei unwesentlich, unter anderem weil das Aufschmelzen reversibel sei. Die Kammer stellt hierzu fest, dass diese Aussage durch keine Beweise gestützt ist.

c) Wie unter 4.1 ausgeführt, ist bei der Beurteilung von Neuheit aufgrund von nachgearbeiteten Ausführungsbeispielen des Standes der Technik der Maßstab der "zweifelsfreien Erkenntnis" anzuwenden. Aufgrund der unter (a) und (b) aufgezeigten Unklarheiten bzw. Unvollständigkeiten ist die Lehre von D1 nicht in allen Einzelheiten bekannt, und kann auch nicht bekannt sein. Daher ist es grundsätzlich unmöglich, nachzuweisen, dass die Lehre von D1 richtig nachgearbeitet wurde. Somit kann in dieser Hinsicht dem Maßstab der "zweifelfreien Erkenntnis" nicht entsprochen werden. Die ebenfalls unter 4.1 zitierte Entscheidung T 204/00 legt die Bedingungen fest unter denen, trotz einer Abweichung von der Lehre einer Vorveröffentlichung, experimentelle Beweise als Beleg für fehlende Neuheit ausreichen. Es muss überzeugend nachgewiesen werden, dass etwaige signifikanten Abweichungen von der nachzuarbeitenden Lehre für das Ergebnis nicht wesentlich sind. Es liegt auf der Hand, dass dieser Nachweis nur dann erbracht werden kann, wenn die Lehre die nachgearbeitet werden soll, restlos und zweifelsfrei bekannt ist. Da jedoch aufgrund der obengenannten Unklarheiten bzw. Unvollständigkeiten die Lehre von D1 eben nicht bekannt ist, ist es unmöglich, in diesem Fall nachzuweisen, welche Unterschiede bzw. Abweichungen von dieser Lehre in den nachgearbeiteten Beispiele vorhanden sind. Da dies nicht bekannt ist, kann nicht nachgewiesen werden ob diese Unterschiede bzw. Abweichungen gegenüber der Lehre von D1 für das Ergebnis der Versuche wesentlich sind.

4.2.5 Ganz abgesehen von den unter 4.2.4 besprochenen Defiziten in der Offenbarung von D1 weisen die drei eingereichten Vergleichsberichte (D20/D22/D23, D25, D30) ihrerseits weitere Unstimmigkeiten auf.

So geht aus D20 in Zusammenschau mit D22 hervor, dass die Komponente A-1 von D1 "fest" ist, während in D25 und D30 diese als "flüssig" beschrieben wird. Das Argument der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung, dies sei ein Artefakt der verwendeten Excel Tabelle, also ein Ergebnis des Systems zur Eintragung von Laborergebnissen, ist durch nichts belegt. Auch die Aussage, dass unter dem Begriff "fest" "nicht flüchtig" gemeint sei, ist nicht belegt (vgl. XI.b.ii).

Es ist ferner ersichtlich, dass bei den in D20/D22/D23 und D25/D30 angegebenen Versuchen unterschiedliche Ausgangsprodukte eingesetzt worden sind. So wurde gemäß D20, wie aus D22 und D23 hervorgeht, in einem ersten Schritt ein Produkt hergestellt, das der Komponente "A-1" von D1 entsprechen sollte. Hierzu wurde gemäß D20 ein Polypropylentriol mit Molekulargewicht 4500 ("Voranol CP 4755") eingesetzt, während gemäß D25 und D30 ein Polyoxypropylentriol (Betonung durch die Kammer) mit Molekulargewicht 5000 ("Acclaim X7055") eingesetzt wurde. Ferner wurde gemäß D20 ein Polypropylendiol (Molekulargewicht 2000 "Alcupol D 2021") eingesetzt, während gemäß D25 und D30 ein Polypropylenetherdiol (Betonung durch die Kammer) ebenfalls mit Molekulargewicht 2000 eingesetzt wurde (Acclaim 2200).

Bei der Herstellung des Produkts, das der Komponente "B-6" entsprechen sollte, wurde gemäß D20 9,65 Gew-Teile Hexanol eingesetzt, wogegen gemäß D25 und D30 15 Teile Hexanol eingesetzt wurden.

Die Tatsache, dass die zwei Gruppen von Versuchen, die beide nach Angaben der Beschwerdeführerin der Lehre von einem Beispiel von D1 entsprechen sollten, unterschiedliche Ausgangsmaterialien bzw. unterschiedliche Mengen von Ausgangsmaterialien verwenden und zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, unterstreicht die unter 4.2.4.c oben besprochene Schwierigkeit bzw. Unmöglichkeit der zweifelsfreien Nacharbeitung der Lehre von D1.

4.2.6 Auch wenn man annähme, dass die Versuchsberichte D25 und D30 die Lehre von D1 zumindest hinsichtlich der Herstellung der Präpolymeren (A-1, B-4 bis B-6) korrekt nachgearbeitet hätten, existieren, wie oben ausgeführt (4.2.4.b), weitere Unvollständigkeiten hinsichtlich der Herstellung der Klebstoffe auf Basis dieser Komponenten. Diese Unvollständigkeiten führen, unabhängig von den Unsicherheiten hinsichtlich der Herstellung der Präpolymere dazu, dass die unter 4.1 besprochenen Voraussetzungen für die zweifelsfreie Erkenntnis nicht gegeben sind.

4.2.7 Aus den unter 4.2.4-4.2.6 angegebenen Gründen entsprechen die Vergleichsversuche der Beschwerdeführerin nicht dem Maßstab der zweifelsfreien Erkenntnis im Hinblick auf die Nacharbeitung von D1 sowohl bezüglich der Herstellung der Präpolymerkomponenten wie auch im Hinblick auf die Herstellung von Klebstoffen.

4.2.8 Auch wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin trotzdem annähme, dass die Lehre von D1 korrekt nachgearbeitet wurde, ist im Hinblick auf die durchgeführten Messergebnisse Folgendes festzustellen:

Die Beschwerdeführerin hat folgende Messungen mit den hergestellten Zusammensetzungen durchgeführt:

a) DSC In D25 (Tabellen 1-3) und D30 (Tabellen 1-4) wurden zwei Messreihen durchgeführt - eine mit den Ausgangspolymeren und eine zweite mit den den Klebstoffen zugrunde liegenden Polymermischungen.

i) Diese Messungen zeigen, dass die Mischungen feste/flüssige Polymere engere Schmelzbereiche aufwiesen als die reinen Festpolymere. Die technische Erklärung der Beschwerdeführerin für dieses Phänomen unter Bezugnahme auf D32 (vgl. X.a oben) ist von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten worden. Auch die Kammer hat keinen Anlass, an dieser Erklärung zu zweifeln.

ii) Die Ergebnisse der DSC der festen (höher schmelzenden) Polymerkomponenten sowie der Polymermischungen in D25 und D30 zeigen, dass die Zusammensetzungen gemäß dem Streitpatent und denen gemäß D1 unterschiedliche Peak Maxima sowie unterschiedliche Schmelzbereiche (sowohl hinsichtlich Temperaturen wie Größe des Bereichs) aufweisen. Auch wurden zwei DSC Versuche mit ausformulierten Klebstoffen durchgeführt (ein Klebstoff gemäß Beispiel 3 des Patents, sowie ein Klebstoff gemäß der Lehre von D1 enthaltend die Komponenten A-1 und B-4 dieser Offenbarung). Auch in diesem Fall wurden sowohl unterschiedliche Peak Maxima als auch Schmelzbereiche registriert. Insbesondere wurde bei dem Kleb/Dichtstoff gemäß D1 ein Peak Maximum von 51.7ºC+/- 0.4 und ein Schmelzbereich von 41-55ºC bestimmt, wobei die Zusammensetzung gemäß Beispiel 3 des Streitpatents ein Maximum von 42.1ºC+/- 0.2 und einen Schmelzbereich von 34-47ºC aufwies (D25, Seite 9, Tabelle 3 sowie D30 Seite 7, Tabelle 3). Diese Beweise können nicht als Beleg dafür dienen, dass der Dichtstoff gemäß D1 das gleiche Schmelzverhalten wie die patentgemäßen Zusammensetzungen aufweist.

b) Erstarrungsbilde ("Hot Stage") Gemäß den in D25 und D30 gezeigten mikroskopischen Aufnahmen ist ersichtlich, dass bei sinkenden Temperaturen - sowohl bei den gefüllten wie auch den ungefüllten Zusammensetzungen Punkte gebildet werden, die angeblich durch das Erstarren der Zusammensetzung zustandekommen. Erstens ist zu bemerken, dass bei den gefüllten Zusammensetzungen gemäß D30 nicht die Füllstoff/Weichmacher Kombination der jeweiligen nachzuarbeitenden Beispiele des Streitpatents bzw. von D1 eingesetzt wurden, sondern einheitlich Kieselsäure. Folglich entsprechen diese Zusammensetzungen nicht denen, deren Eigenschaften unter Beweis gestellt werden sollten und können somit keine Information hinsichtlich des Verhaltens der Zusammensetzungen des Streitpatents bzw. von D1 liefern. Es ist ferner aus diesen mikroskopischen Aufnahmen nicht ersichtlich, welche der anwesenden Polymeren erstarren. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, es sei ausschliesslich die höher schmelzende Komponente ist durch keine Beweise belegt. Auch die Aussage der Beschwerdeführerin, eine Kokristallisation sei unmöglich, ist nicht belegt. Ferner steht diese Aussage in Widerspruch zu der Aussage in D1, Seite 6, Zeilen 48, 49 gemäß der die Kristallisation des Dichtstoffs als Ganzes, nicht jedoch von einer bestimmten Komponenten davon besprochen sei.

c) Schubspannungs/Temperatur-Verhalten Es wurden in D25 drei Messreihen der Schubspannungs/Temperatur- Verhalten vorgelegt, wobei die zweite und dritte für diese Entscheidung relevant sind. In der zweiten Messreihe (D25, Seite 19, Tabelle 5 und Figur 9) wurde das Verhalten der Mischungen der Präpolymere gemäß dem Patent sowie gemäß D1 durchgeführt, ohne jedoch Füllstoff/Weichmacher zuzusetzen. In der dritten Messreihe wurde das Verhalten der ausformulierten Kleb-/Dichtstoffzusammensetzungen (also mit Füllstoff/Weichmacher) bestimmt (D25 Seite 20 Tabelle 6 und Figur 10). Bei dieser dritten Messreihe wurden ebenfalls eine sogenannte "Hybrid" Zusammensetzung gemessen, bei der die Präpolymerkomponenten von D1 zusammen mit der Füllstoff/Weichmachermischung der beispielsgemäßen Zusammensetzungen des Streitpatents verwendet wurden. Die Ergebnissen wurden anhand von Grafiken dargestellt (hier werden die Grafiken der 2. und 3. Messreihen - Figur 9 und 10 angegeben):

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Wobei (nach angaben der Beschwerdeführerin):

M1= Patent Polymeren Beispiel 1+2

M2= Patent Polymeren Beispiel 1+4

M3= D1 Polymeren A-1 + B-4

M4= D1 Polymeren A-1 + B-5

M5= D1 Polymeren A-1 + B-6

M6= D2 Beispiel 1

M7= D7 Beispiel 11

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Wobei(nach Angaben der Beschwerdeführerin)

K1= Patent Beispiel 3

K2= Patent Beispiel 5

K3= Mischung M3 (D1) mit Füllstoff/Weichmacher des Patent

Beispiel 3

K4= Mischung M6 (D2) mit Füllstoff/Weichmacher des Patent

Beispiel 3

K6= D1 Beispiel 4 (Polymere der Mischung M3)

K7= D1 Beispiel 6 (Polymere der Mischung M5)

Bei diesen Grafiken fällt folgendes auf:

d) Bei den reinen Polymermischungen weisen die patentgemäßen Zusammensetzungen (M1, M2) eine höhere Schubspannung bei einer angegebenen Temperatur und, in Vergleich zu den Zusammensetzungen von D1 (Kurven M3-M5) einen etwas steileren Anstieg in Schubspannung bei sinkender Temperatur auf. Bei den ausformulierten Klebstoffen, also enthaltend Füllstoff/Weichmacher, ist dieser Tendenz jedoch umgekehrt. Die patentgemäßen Zusammensetzungen (Kurven K1, K2) weisen bei gegebener Temperatur niedrigere Schubspannung und einen flacheren Anstieg bei fallender Temperatur im Vergleich zu den Zusammensetzungen von D1 (Kurven K6, K7) auf. Bei der "Hybrid Zusammensetzung", bei der die Füllstoff/Weichmacher Kombination des Patents mit den Polymeren von D1 verwendet werden (Kurve K3), ist ebenfalls ein steilerer Anstieg der Schubspannungswerte bei sinkender Temperatur zu beobachten als bei den patentgemäßen Zusammensetzungen. Weil der Zusatz von den gleichen "nicht aktiven" Zutaten, nämlich Füllstoff und Weichmacher, zu der patentgemäßen Polymermischung einerseits und zu der in D1 angegebenen Präpolymermischung andererseits zu einer Umkehr in der relativen Zunahme der Schubspannung mit sinkender Temperatur führt, lässt sich - vorbehaltlich des Zweifels hinsichtlich der Korrektheit der Nacharbeitung von den Beispielen von D1 (siehe oben) - schließen, dass das Verhalten der Zusammensetzungen gemäß dem Patent und D1 grundsätzlich unterschiedlich ist. Insbesondere zeigen die Zusammensetzungen von D1 einen wesentlich schnelleren Anstieg in Schubspannung bei sinkender Temperatur als die patentgemäßen Zusammensetzungen. Ferner geht aus den "Hybrid Beispielen" hervor, dass dieses unterschiedliche Verhalten auf die verwendeten Polymermischungen und nicht auf die Füllstoff/Weichmachermischung zurückzuführen ist.

4.2.9 Folglich hat die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht, dass die implizite Offenbarung von D1 den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents neuheitsschädlich vorwegnimmt.

4.2.10 Da D1 den Gegenstand des Hauptantrags weder explizit noch implizit offenbart, ist dieser gegenüber der Offenbarung von D1 neu.

4.3 D2

4.3.1 D2 betrifft gemäß Anspruch 1 eine durch Feuchtigkeit härtbare, NCO-reaktive Polyurethan-Schmelzklebstoff-Zusammensetzung, die ein Umsetzungsprodukt ist, erhältlich durch Umsetzung

- A) eines Gemisches aus zwei Polyolkomponenten:

- a) einer bei Raumtemperatur (25ºC) flüssigen oder hochviskosen mehrfunktionellen Polyolkomponente mit mittlerem Molekulargewicht von 500 bis 5 000 bestehend aus mindestens einem Polyester und/oder Polyesterpolyol,

- b) einer bei Raumtemperatur (25ºC) kristallinen, mehrfunktionellen Polyolkomponente mit einem Molekulargewicht von 500-10 000 mit

- B) einem Gemisch aus einer NCO-Komponente mit zwei unterschiedlich reaktiven NCO-Gruppen und einer Diisocyanatkomponente mit einer NCO-Reaktivität gegenüber Hydroxylgruppen, die größer ist als die der weniger reaktiven NCO-Gruppen der erstgenannten Polyisocyanatkomponente

wobei das Verhältnis von NCO/OH Gruppen größer als 1 ist.

Eine rasche Abbindung sowie geringe Volumenänderung bei der Endaushärtung sind erwünscht (Sp. 1 Z. 13-20). Als Verwendungsgebiet wird unter u.a. die Verwendung zum Verkleben von Automobilfenster angesprochen (Sp. 2 Z. 4-12).

4.3.2 Gemäß Beispiel 1 von D2 werden zunächst 155,4 Gew-Teile Polypropylenglykol (OH-Zahl 112) mit 44,7 Gew-Teilen 2,4 Tolylendiisocyanat vermischt und bei 80ºC bis zum konstanten NCO Wert umgesetzt. Dieses Produkt weist bei 25ºC eine Viskosität von 60 Pa.s und bei 50ºC eine Viskosität von 5,0 Pa.s auf und ist somit bei Raumtemperatur flüssig. In einem zweiten Reaktionsgefäß werden 176,4 Gew-Teile eines aliphatischen kristallinen Adipinsäurepolyesters (OH-Zahl 28) mit 23,4 Gew-Teilen 4,4'-Diphenylmethandiisocyanat umgesetzt. Dieses Produkt hat bei 100ºC eine Viskosität von 21 Pa.S.

Diese zwei - in D2 als "Prepolymere" bezeichneten Komponenten - werden im Gewichtsverhältnis 1:0.5 gemischt; die absoluten Mengen der vermischten Polymere sind in D2 jedoch nicht angegeben. gamma-Aminopropyltrimethoxysilan (2,5 Teile), Dibutylzinndilaurat (0,25 Teile) und hydrophobierte pyrogene Kieselsäure (15,0 Teile) werden zugegeben. Die Bezugsbasis für die "Teile" ist in D2 nicht definiert. Diese Zusammensetzung wird bei 80ºC auf einer Glasplatte (entweder bei Zimmertemperatur oder auf 80º vorgewärmt) aufgetragen. Es tritt nach 4 Minuten (Zimmertemperatur) bzw. 10 Minuten (bei 80ºC) Kristallisation unter Bildung einer klebfreien Oberfläche auf.

4.3.3 D2 enthält keine Information bezüglich des Schmelzverhaltens der Zusammensetzungen bei Temperaturen zwischen 40-50ºC. Auch geht aus D2 nicht hervor, ob bei Abkühlung unterhalb des Schmelzpunkts der höherschmelzenden Komponente diese in feinsten Partikeln zu erstarren beginnt. Ferner wird bei der Herstellung des Klebstoffs eine Verbindung (gamma-Aminopropyl trimethoxysilan) eingesetzt, die mit den beiden Polymeren reagieren kann und somit zur zumindest teilweisen Vernetzung dieser führen würde. Folglich besteht der Klebstoff von D2 zumindest zum Teil aus Verbindungen, die Struktureinheiten aus beiden Polymeren aufweisen, wodurch die Interaktion, insbesondere im Hinblick auf Verträglichkeit der Komponenten, beeinflusst werden könnte.

4.3.4 Folglich geht weder aus der allgemeinen Beschreibung von D2 noch aus den Beispielen von D2 explizit hervor, dass die dort offenbarten Zusammensetzungen das Erstarrungsverhalten gemäß Anspruch 1 des Streitpatents aufweisen.

4.3.5 Während des Beschwerdeverfahrens legte die Beschwerdeführerin Versuchsberichte (D25, D30) vor, gemäß denen Beispiel 1 von D2 nachgearbeitet wurde. Die Herstellung der zwei Präpolymeren erfolgte gemäß den Angaben in D2. Das bei Raumtemperatur flüssige Präpolymer wies eine Viskosität von 63 Pa.s (25ºC) bzw. 5.4 Pa.s (50ºC) auf, während das bei Raumtemperatur feste, kristalline Präpolymer eine Viskosität bei 100ºC von 19.7 Pa.S aufwies (vgl. D25 Seite 6 und insbesondere D30 Seite 5).

Aus diesen Präpolymeren wurde eine Mischung im Verhältnis 100:50 flüssiges Präpolymer/festes Präpolymer (D25, Seite 6, sowie D30, Seite 5) jeweils als "Prepolymermischung M6" designiert. In D30, Seite 6 wurde zusätzlich eine als "M6.2" gekennzeichnete gefüllte Präpolymermischung aus 300 Gewichtsteilen dieser 100:50 Mischung zusammen mit den in Beispiel 1 von D2 angegebenen Gewichtsteilen der spezifizierten Zusätze hergestellt.

In D25 wurde eine Klebstoffzusammensetzung hergestellt ("K4"). Diese entspricht jedoch nicht der Lehre von D2, Beispiel 1, sondern ist eine "Hybridzusammensetzung" basierend auf der ungefüllten Präpolymermischung M6 zusammen mit der Weichmacher/Füllstoffkomponente gemäß Beispiel 3 des Streitpatents (Beschwerdebegründung Seite 9, erster vollständiger Absatz, D25 Seite 22).

a) Es fällt jedoch hinsichtlich der Nacharbeitung von D2, Beispiel 1 gemäß D25 und D30 folgendes auf:

i) Die Viskositäten der zwei Polymerkomponenten unterscheiden sich von denen gemäß D2 angegebenen. Nämlich offenbart Beispiel 1 von D2, dass das erste (flüssige) Präpolymer eine Viskosität von 60 000 mPa.S (60 Pa.S) bei 25ºC, bzw. 5 000 Pa.S (5,0 Pa.S) bei 50ºC hatte, während gemäß D30 ein Produkt mit einer Viskosität von 63 Pa.S bei 25ºC bzw. von 5.4 Pa.S bei 50ºC erhalten wurde. Das feste Präpolymer gemäß Beispiel 1 von D2 wies eine Viskosität bei 100ºC von 21 000 mPa.S (21 Pa.S) auf während gemäß D30 ein Präpolymer mit einer Viskosität bei 100ºC von 19,7 Pa.S erhalten wurde.

ii) Bei der Herstellung der Mischung der Präpolymeren in D30 ("M6.2") wurde eine Gesamtmenge der Polymeren von 300 Gewichtsteilen eingesetzt und die gemäß D2 verwendeten Zusatzstoffe - angegeben als "Gewichtsteile" auf diese 300 Gewichtsteile bezogen. Diese Information ist D2 nicht explizit zu entnehmen. Während der mündlichen Verhandlung wurde seitens der Beschwerdeführerin vorgetragen, dies gehe aus der errechneten Menge der erhaltenen Präpolymeren (jeweils 200g) sowie des in dem Beispiel von D2 angegebenen Mengenverhältnisses der zwei Präpolymerkomponenten (1:0,5) (vgl. XI.c.i) hervor. Für dieses Vorbringen konnte die Beschwerdeführerin jedoch keine Grundlage in D2 geltend machen. Die Kammer stellt fest, dass weder die erhaltenen Mengen der hergestellten Polymeren, noch die absoluten Mengen der Präpolymeren die gemäß Beispiel 1 von D2 im Verhältnis 1:0,5 kombiniert werden, bzw. die absoluten Mengen an Zusatzstoffen bezogen auf diese Mischung der Präpolymeren D2 explizit zu entnehmen sind.

b) Aufgrund der unter (a) aufgeführten Unstimmigkeiten zwischen den Eigenschaften der gemäß D25 erhaltenen Präpolymere und die Angaben in D2 (Absatz 4.3.5.a.i) bzw. bei der Nacharbeitung der gefüllten Präpolymermischung gemachten jedoch nicht begründeten Annahmen hinsichtlich der Lehre von D2 (4.3.5.a.ii) kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Lehre von Beispiel 1 von D2 in den vorgelegten Versuchsberichten D25 und D30 korrekt nachgearbeitet wurde. Analog der Situation im Hinblick auf D1 ist, aufgrund der Defizite in der Offenbarung von D2, insbesondere im Hinblick auf die im Beispiel 1 fehlende Angabe der bei der Herstellung des Klebstoffs absolut eingesetzten Mengen an Präpolymeren sowie Zusatzstoffen, eine zweifelsfreie Nacharbeitung der Lehre von D2 überhaupt nicht möglich.

c) Da ferner aufgrund der oben besprochenen Defizite die Lehre von D2 nicht mit Sicherheit bekannt ist, kann, wie im Falle von D1 (siehe 4.2.4 bis 4.2.7), ebenfalls nicht überzeugend nachgewiesen werden, dass etwaige Abweichungen von der Lehre von D2 für das Ergebnis - also die Eigenschaften der Klebstoffzusammensetzungen - nicht wesentlich waren.

d) Aufgrund der Defizite in D2 ist es demnach nicht möglich, diese Lehre entsprechend dem strengen Maßstab des zweifelsfreien Erkenntnis nachzuarbeiten (vgl. 4.1).

e) Da der gemäß D25 hergestellte Klebstoff "K4" ein "Hybrid" ist (Vgl. 4.3.5), entspricht dieser weder der Lehre von D2 noch der von einem anderen Stand der Technik. Die Eigenschaften dieser Zusammensetzung sind somit für die Beurteilung der Neuheit des Gegenstands des Streitpatents gegenüber der Lehre von D2 von keiner Relevanz.

f) Es wurde seitens der Beschwerdegegnerin ferner bemängelt (siehe XI.c.ii), dass im Versuchsbericht D20 wieder ein anderer Viskositätswert für die Zusammensetzung von D2 als D25 bzw. D30 angegeben wurde. Es wurde in dem D20 begleitenden Schreiben der Beschwerdeführerin (damals Einsprechende I) vom 5. Dezember 2001 angegeben, die "Komponente b" von D20 würde dem Beispiel 4 des Streitpatents entsprechen. Dies ist jedoch nicht richtig, wie von der Einspruchsabteilung im Absatz 6.1 des der Ladung zur mündlichen Verhandlung begleitenden Schreibens vermutet wurde. In dem späteren Schreiben vom 30. Juli 2003 der Einsprechenden I/Beschwerdeführerin geht hervor, dass "Präpolymer (b)" des Versuchsberichts D20 der zweiten Komponente des Beispiels 1 von D2 entsprechen sollte. Es wurde jedoch von der damaligen Einsprechenden erläutert, dass ein unterschiedlicher Adipinsäurepolyester (OH-Zahl 31 anstelle von 28) - entsprechend der OH-Zahl in unterschiedlichen Mengen eingesetzt wurde. Ferner sei aus "apparativen Gründen" nicht die gemäß Beispiel 1 von D2 eingesetzte überschüssige Menge an n-Hexanol, sondern die rechnerisch nötige Menge zugegeben worden. Gemäß D20 wurde deshalb nur ein Teil der Lehre des Beispiels 1 von D2 nachgearbeitet, welche Teilnacharbeitung der entsprechende Lehre von D2 ferner nicht korrekt entsprach. Folglich ist D20 nicht geeignet zu belegen, dass die Lehre von D2 dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents neuheitsschädlich entgegensteht.

4.3.6 Die entsprechenden Messungen wie im Falle von D1 besprochen wurden durchgeführt (D25, D30 siehe 4.2.8 oben).

Auch wenn man, wie im Falle von D1, annähme, D25 und D30 würden die Lehre von D2 korrekt nacharbeiten, ist Folgendes festzustellen:

a) DSC Die Ergebnisse der DSC Messungen zeigen, dass das feste Präpolymer, das der 2. Komponente des Beispiels 1 von D2 entsprechen soll (siehe oben), ein unterschiedliches Peak-Maximum sowie einen unterschiedlichen Schmelzbereich (sowohl hinsichtlich Größe wie auch Temperatur) im Verhältnis zu dem festen Präpolymeren gemäß Beispielen 2 und 4 des Streitpatents aufweist. Die ungefüllte Mischung der Präpolymeren, die der Lehre des Beispiels 1 von D2 entsprechen soll (M6), weist ebenfalls ein unterschiedliches Schmelzverhalten (Peak Maximum, Größe und Temperatur des Schmelzbereichs) zu den Präpolymermischungen entsprechend der Lehre des Streitpatents auf.

b) Erstarrungsbilde ("Hot Stage"). Die Hot Stage Versuche werfen die gleichen Fragen auf wie im Falle von D1 (siehe oben).

c) Schubspannungs/Temperaturverhalten Auch geht aus den Schubspannungs/Temperatur Kurven der Mischungen und Klebstoffe (M6, K4) ein anderes Verhalten der Klebstoffe als für die Zusammensetzungen gemäß des Streitpatents gezeigte. Insbesondere geht aus Figur 9 von D25 hervor, daß die Kurve M6 der Präpolymermischung des Beispiels 1 von D2 (ohne Füllstoff/Weichmacher Komponente) einen wesentlich steileren Anstieg der Schubspannung bei sinkender Temperatur aufweist als die Kurven entsprechend den Präpolymermischung des Streitpatents (M1, M2) - siehe Figur 9 oben. Da anstelle einer Klebstoffzusammensetzung gemäß der Lehre von D2 in D25 bzw. D30, eine "Hybridzusammensetzung" untersucht wurde (siehe 4.3.5 und 4.3.5.e) ist D25 bzw. D30 keine Information bezüglich des Schubspannung/Temperaturverhaltens der Klebstoffzusammensetzung gemäß der Offenbarung von D2 zu entnehmen. Diese Versuche können daher nicht als Beleg dafür dienen, dass die Klebstoffzusammensetzungen gemäß dem Streitpatent und die Klebstoffzusammensetzung gemäß der Lehre des Beispiels 1 von D2 identisch sind.

4.3.7 Weder die explizite schriftliche Offenbarung von D2 noch die implizite Offenbarung (d.h die vorgelegte Vergleichsversuche) stützt den Vortrag der Beschwerdeführerin, wonach die Zusammensetzung von D2 Beispiel 1 den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents neuheitsschädlich vorwegnehmen würde.

4.4 D7

4.4.1 D7 betrifft gemäß Anspruch 1 eine Mischung von mit Isocyanatgruppen terminierten Polyurethanpräpolymeren bestehend aus:

- 10 bis 90 Gew-Teile eines ersten Polyurethanpräpolymer bestehend aus dem Reaktionsprodukt eines Polyhexamethylenadipats ("PHA") mit Mn mindestens 2400 und einem Polyisocyanat sowie

- 90 bis 10 Gew-Teile eines zweiten Polyurethanpräpolymers bestehend aus dem Reaktionsprodukt von Poly(tetramethylenether)glykol ("THF") mit Mn mindestens 500 und ein Polyisocyanat,

- wobei die Mischung ein Verhältnis von NCO:OH größer 1 aufweist. Die Mischung wird als Kleb-, Dicht- sowie Überzugsstoff verwendet (erster Absatz der Beschreibung). Gemäß Seite 3, Zeilen 16, 17, 31 und 32 entwickeln die Mischungen eine Frühfestigkeit (green strength) innerhalb von 5 Minuten. Die Polymeren können durch verschiedene Methoden hergestellt werden (Seite 3, Zeilen 33-39): - die Mischung der OH-funktionellen Polymeren kann mit der Polyisocyanatverbindung vermischt und umgesetzt werden; - die Polyurethanpräpolymere können getrennt hergestellt werden und dann vermischt; - das zweite Polyurethanpräpolymer kann im ersten Polyurethanpräpolymer hergestellt werden. Gemäß Seite 4, Zeilen 48 bis 54 sind die zwei Präpolymeren bevorzugt "somewhat incompatible" ("etwas unverträglich"), wobei aber kein makroskopisches Phasing auftreten darf. Dies führe zu einem ungleichmäßigen bzw. unzuverlässigen Aufbau der Frühfestigkeit sowie inkonsistenten plastischen Klebeeigenschaften. Die Frühfestigkeit wird durch Kristallisation erzeugt. Vollständige Härtung erfolgt durch Anwesenheit von Wasser insbesondere Luftfeuchtigkeit (Seite 5, Zeilen 11, 13).

4.4.2 Gemäß den Beispielen von D7 werden verschiedene Mischungen hergestellt. Ein Füllstoff ist nicht enthalten. Ferner werden die Erstarrungseigenschaften der Komponenten der Mischungen nicht offenbart.

a) Gemäß der allgemeinen Vorschrift zur Herstellung der Mischungen wird zunächst 4,4'-Diphenylmethandiisocyanat (MDI) auf 100ºC unter N2 erhitzt. Nach Aufschmelzen wird die THF Komponente zugegeben und über 15 Minuten gerührt. Anschließend wird die PHA zugegeben. Nach weiteren 15 Minuten unter Rühren wird 4,4'-(oxydi-2,1-ethyndiyl)bismorpholin ("Thancet DMDEE") zugegeben. Es wird eine weitere Stunde unter Vakuum gerührt. Eine Temperatur von 100ºC wird während der gesamten Reaktionsdauer beibehalten.

b) Gemäß Beispiel 11 wird als PHA-Komponente ein 1,6-Polyhexymethylenadipat mit OH-Zahl 33 und Mn 3417 ("Lexorez 1130-30P"), sowie ein THF mit OH-Zahl 167 und Mn 671 ("Terathane® 650") im Verhältnis 0,6:0,4 eingesetzt. Das Produkt ist "klar".

c) Während der mündlichen Verhandlung kam die Frage auf (XI.d.i oben), ob der Zeitraum von 15 Minuten für die vollständige Reaktion der THF vor Zugabe der PHA Komponente ausreiche, d.h. ob zwei Produkte oder ein "Mischprodukt", bzw. Copolymer gebildet werden würde. D7 enthält keine diesbezüglichen Angaben. Insbesondere lässt sich nicht aus der allgemeinen Abhandlung der Herstellung der Polymeren in D7 (siehe 4.4.1 oben) ableiten, ob diese Herstellungsweise zu zwei getrennten Produkten oder zu einen einzelnen "Mischprodukt" führen würde. Folglich ist die genaue Beschaffenheit der Polymere gemäß den Beispielen von D7 nicht offenbart.

4.4.3 Auf jedem Fall enthalten die beispielsgemäßen Zusammensetzungen von D7 keinen Füllstoff, und können allein aus diesem Grund den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen. Ferner, weder die allgemeine Beschreibung noch die Beispiele von D7 lassen erkennen, dass die dort offenbarten Dichtstoffe das Abkühl - und Erstarrungsverhalten gemäß Anspruch 1 des Streitpatents aufweisen.

4.4.4 Folglich offenbart weder die allgemeine Beschreibung noch die Beispiele von D7 Kleb- oder Dichtstoffe gemäß Anspruch 1 des Streitpatents.

4.4.5 Die Beschwerdeführerin legte mit D25 Versuche dar, die belegen sollten, dass die Zusammensetzung von D7, Beispiel 11 den Gegenstand des Streitpatents neuheitsschädlich vorwegnehmen würde.

a) Gemäß diesem Versuch wurde ein Präpolymermischung wie folgt hergestellt: 4,4'-diphenyl methandiisocyanat (233g) wurde unter Stickstoff auf 100ºC erhitzt. THF mit einer OH-Zahl von 173 ("Terathane® 650") (351g) wurde zugegeben und unter Rühren sowie unter Stickstoff 15 Minuten umgesetzt. 715g Polyhexymethylen-Adipat (Lexorex (sic) 1130P) (715g) wurde zugegeben. Nach weiteren 15 Minuten wurde Thancet DMDEE zugegeben. Die Reaktion wurde unter Vakuum eine Stunde weitergeführt. Das Produkt war zunächst flüssig, erstarrte beim Abkühlen zu einer festen weißen Masse. Bei diesem Versuch fällt auf, dass das verwendete THF eine höhere OH-Zahl (173) aufweist als das gemäß Beispiel 11 von D7 eingesetzte THF (167) hat. Während der mündlichen Verhandlung (XI.d.i oben) räumte die Beschwerdeführerin ein, ein Produkt verwendet zu haben, das, im Gegensatz zu dem in D7 verwendeten, ein niedrigeres Molekulargewicht aufweise und somit flüssig sei. Hieraus geht hervor, dass die vorgelegten Versuche die Lehre von D7 nicht korrekt nachgearbeitet haben, sondern dahingehend modifiziert wurden, um sie an den Gegenstand des Streitpatents "anzugleichen", insbesondere um zu gewährleisten, dass das Produkt der ersten Reaktionstufe, entsprechend der Komponente a) des Anspruchs 1 des Streitpatents flüssig sei. Ferner wurden THF und PHA in einem anderen als dem in D7 Beispiel 11 offenbarten Gewichtsverhältnis von 0,4:0,6, nämlich, 0,33:0,67 eingesetzt. Da die Beschwerdeführerin andere Ausgangsmaterialien eingesetzt sowie unterschiedliche Mengen verwendet hatte, und somit die Lehre von D7 nicht korrekt nachgearbeitet hat, können aus den Ergebnissen dieser Versuche keine Rückschlüsse auf die Eigenschaften der gemäß den Beispielen von D7 hergestellten Zusammensetzungen erhalten werden. Folglich sind die in D25 wiedergegebenen Versuche nicht in der Lage zu belegen, dass die Präpolymermischung von D7, Beispiel 11 mit derjenigen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents identisch ist.

4.4.6 Auch wenn man davon ausgehen würde, dass die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweise die Lehre von D7 korrekt wiedergeben würden, enthalten diese Zusammensetzungen wie oben erwähnt keinen Füllstoff, und sind allein aus diesem Grund nicht neuheitsschädlich.

4.4.7 Auf jedem Fall zeigen die vorgelegte Messergebnisse, dass die Eigenschaften der so hergestellten Produkte mit denen gemäß dem Streitpatent nicht identisch sind. So bestehen, analog der Situation bei D1 und D2 Unterschiede sowohl hinsichtlich der absoluten Schmelzpunkte wie auch hinsichtlich Breite des Schmelzbereiches. Ferner lässt sich aus den "Hot Stage" Ergebnissen nicht erkennen, welches Polymer ausfällt - insofern dass tatsächlich zwei getrennte Polymere anwesend sind.

4.4.8 Weder die explizite schriftliche Offenbarung von D7 noch die implizite Offenbarung in Form von Versuchsberichten stützen den Vortrag der Beschwerdeführerin, wonach die Zusammensetzungen von D7 den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents neuheitsschädlich vorwegnehmen würden.

4.5 Da nicht gezeigt worden ist, dass der Stand der Technik, insbesondere der zitierten Entgegenhaltungen D1, D2 und D7, die Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents entweder explizit oder implizit offenbaren, ist der Gegendstand der Ansprüche 1-12 des Streitpatents im Sinne von Artikel 54 EPÜ neu.

5. Nächstliegender Stand der Technik

Nach Ansicht beider Parteien stellt D1 den nächstliegenden Stand der Technik dar.

Dies betrifft, wie oben ausgeführt, ebenfalls Kleb- und Dichtstoffe, die insbesondere für den Einbau von Automobilverglasung bestimmt sind.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1 Wie aus der Analyse des Streitpatents (Vgl. Abschnitt 3 und insbesondere Absätze 3.2 und 3.3 oben) hervorgeht, wird die patentgemäße Aufgabe durch die beanspruchten Maßnahmen auch gelöst.

6.2 Wie aus der obigen Abhandlung von D1 im Hinblick auf Neuheit ersichtlich, enthält D1 keine Information hinsichtlich des gemäß Anspruch 1 des Streitpatentes definierten Erstarrungsverhaltens bzw. dass die Komponenten teilweise unverträglich zu sein haben. Insbesondere offenbart D1 nicht, dass beim Abkühlen auf eine Temperatur unterhalb der Schmelztemperatur der bei Raumtemperatur festen Komponente dieselbe in feinsten Partikeln zu erstarren beginnt, also dass eine "asymmetrische" Erstarrung stattfindet. Im Gegenteil, aus S. 6, Z. 48 und 49 von D1 geht hervor, dass die Zusammensetzungen von D1 als ganzes gemeinsam auskristallisieren. An dieser Stelle ist nämlich von schnellem Kristallisieren ("fast crystallisation") die Rede. Auch betont D1 an verschiedenen Stellen die Notwendigkeit, die Komponenten so zu wählen, dass Inkompatibilität vermieden bzw. in Grenzen gehalten wird (vgl. 4.2.1).

Dagegen setzt der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents eine Inkompatibilität bzw. Unverträglichkeit um das notwendige "asymmetrische" Erstarrungsverhalten zu erzielen voraus und geht somit in eine völlig andere Richtung als die Lehre von D1. Folglich wird die anspruchsgemäße Lösung der technischen Aufgabe durch die Lehre von D1 nicht nahe gelegt.

6.3 Die Einsprechende trug während der mündlichen Verhandlung vor, dass der Gegenstand des Anspruch 1 des Streitpatents lediglich eine Erklärung des Verhalten der Zusammensetzungen von D1 darstellen würde. Dieses Argument setzt jedoch voraus, dass der Sachverhalt von D1 mit dem Gegenstand des Streitpatents identisch ist was, wie oben (4.2) ausgeführt nicht bewiesen ist.

Folglich ist dieses Argument nicht von den Tatsachen gestützt.

Auf jeden Fall, wie oben unter 4.2.8 besprochen, zeigen die eigenen Beweise der Einsprechenden (D25, D30), insofern als sie die Lehre von D1 korrekt wiedergeben, auf eindrucksvolle Art und Weise, dass die Kleb- bzw. Dichtstoff-Zusammensetzungen von D1 und dem Streitpatent insbesondere ein unterschiedliches Schubspannung/Temperaturverhalten aufweisen. Daraus ergibt sich, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 eben keine Erklärung des Verhaltens der Zusammensetzungen von D1 darstellt.

6.4 Folglich kommt die Kammer zu den Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 und somit auch aller abhängigen Ansprüche durch die Offenbarung von D1 nicht nahe gelegt wird.

6.5 Auch die Kombination von D1 mit einem weiteren der zitierten Dokumente, insbesondere D2 oder D7, führt nicht zu dem Gegenstand des Streitpatents. Keines dieser Dokumente offenbart die erfindungsgemäßen Eigenschaften bzw. die Interaktion der Präpolymere Komponenten. Insbesondere gibt es in keinem der zitierten Dokumente einen Hinweis auf das anspruchsgemäße "asymmetrische" Erstarrungsverhalten.

Folglich beruht der Gegenstand der Ansprüche 1-12 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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