T 0260/04 () of 7.11.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T026004.20071107
Datum der Entscheidung: 07 November 2007
Aktenzeichen: T 0260/04
Anmeldenummer: 00114815.4
IPC-Klasse: A61K 7/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Volumengebendes Haarbehandlungsmittel
Name des Anmelders: Wella Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: KPSS-Kao Professional Salon Services GmbH
Kammer: 3.3.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention R 140
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 R 57a
European Patent Convention 1973 R 89
Schlagwörter: Hauptantrag - Neuheit (bejaht); erfinderische Tätigkeit (verneint)
Hilfsantrag 1 bis 3 - Änderungen nicht zulässig
Hilfsantrag 4 - Änderungen - zulässig; Berichtigung von Fehlern in der Entscheidung - zulässig
Erfinderische Tätigkeit (bejaht) - Aufgabe und Lösung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0965/98
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die Europäische Patentanmeldung mit der Anmeldenummer 00 114 815.4 wurde mit Wirkung vom 22. August 2001 das europäische Patent Nr. 1 075 832 erteilt. Das erteilte Patent umfasste 13 Ansprüche. Die Ansprüche 1 und 9 lauteten wie folgt:

"1. Haarbehandlungsmittel mit einem Gehalt an

(a) mindestens 0,01 Gew.-% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und einem basischen Acrylamidmonomer und

(b) mindestens 0,01 Gew.-% mindestens eines haarpflegenden Stoffs mit mindestens einer kationaktiven Gruppe."

"9. Haarbehandlungsmittel nach Anspruch 1 in Form einer wässrigen, alkoholischen oder wässrig-alkoholischen Non-Aerosol Sprühlotion in Kombination mit einer geeigneten mechanischen Vorrichtung zum Versprühen oder in Form einer wässrigen, alkoholischen oder wässrig-alkoholischen Lotion mit einem Gehalt an

(a) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und einem basischen Acrylamidmonomer,

(b) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines weiteren, haarpflegenden, kationischen Polymers,

(c) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines filmbildenden, nichtionischen Polymers und

(d) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines kationischen Tensid."

II. Gegen die Erteilung wurde Einspruch eingelegt, mit dem Antrag, das Patent aufgrund von Artikel 100(a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit in vollem Umfang zu widerrufen. Der Einspruch war unter anderem auf folgenden Stand der Technik gestützt:

D1: WO-A-96/19971

D2: US-A-5 182 098

D3: EP-B-0 966 947

Im Laufe des Einspruchsverfahrens vor der Einspruchsabteilung reichte die Einsprechende noch folgende Literaturstelle ein:

D5: US-A-4 521 404

III. Mit der am 7. Januar 2004 zu Post gegebenen Entscheidung wurde der Einspruch zurückgewiesen.

Zur Begründung wurde im wesentlichen folgendes ausgeführt.

a) D1 beschreibe zwar die in Streitpatent verwendeten Terpolymere jedoch keine kationaktiven Verbindungen. In D2 seien für Haarsprays ähnliche Terpolymere wie im Streitpatent beschrieben, jedoch enthielten sie kein basisches Acrylamidmonomer. Es seien auch keine kationaktiven Verbindungen genannt. Die in D3 verwendeten Terpolymeren enthielten weder Vinylpyrrolidon noch Vinylcaprolactam. D5 beschreibe Ter- oder Tetrapolymere aus Vinylpyrrolidon Vinylcaprolactam und ammoniumgruppenhaltigen Monomeren. In den Beispielen seien nur Acrylate eingesetzt. Um zum Gegenstand des Streitpatentes zu gelangen, sei eine Auswahl aus mehreren Listen notwendig. Ferner könne der Fachmann die im Streitpatent beschriebenen Terpolymeren nach D5 nicht herstellen. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei daher neu.

b) D1 sei als nächstliegend anzusehen, worin ein 55% VOC Haarspray mit effektiven festigenden Eigenschaften beschrieben sei. Das Problem eines lang anhaltenden Volumeneffekts sei nicht angesprochen. Der Einsatz von kationaktiven Substanzen sei in D1 nicht angesprochen. Auch D2 und D4 gäben keinen Hinweis in Richtung auf die Erfindung.

Gehe man von D5 als nächstliegendem Stand der Technik aus, so sei dort nicht das Problem eines verbesserten Haarvolumens angesprochen. Die Beweislast, ob das Terpolymer für den Volumeneffekt verantwortlich sei, liege bei der Einsprechenden. Der Fachmann habe daher nach D5 keine Anregung erhalten, volumengebende Mittel herzustellen, die Polymere nach D1 enthielten. Daher sei der beanspruchte Gegenstand auch erfinderisch.

IV. Gegen die Entscheidung legte die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein. Mit der Beschwerdebegründung wurden folgende Druckschriften vorgelegt:

D7: Karlheinz Schrader, "Grundlagen und Rezepturen der Kosmetika", 2. Auflage, Seiten 700 bis 703, 1989

D8: WO-A-92/13829

V. Mit Schreiben vom 28. September 2007 reichte die Beschwerdegegnerin sechs Hilfsanträge sowie weitere Dokumente ein, die zur näheren Bezeichnung wie folgt durchnummeriert worden sind:

D9: International Cosmetic Ingredient Dictionary and Handbook, Vol. 2, 1997, S. 1642 bis 1649

D10: Erster Versuchsbericht (2 Seiten)

D11: Zweiter Versuchsbericht (1 Seite)

D12: Arbeitsanweisung Nr. 11 (zwei Seiten)

D13: Report 2/2001, Business 19, "Volumen kommt und bleibt! "

D14: Declaration vom 2. Oktober 2001, eingereicht in der parallelen US-Patentanmeldung

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 6. und 7. November 2007 statt. Im Laufe der Verhandlung änderte die Beschwerdegegnerin die Reihenfolge ihrer Hilfsanträge, und überreichte am Ende der Verhandlung vier Hilfsanträge 1 bis 4, über die eine Entscheidung getroffen werden sollte. Die Hilfsanträge 1 bis 3 entsprachen dabei den mit Schreiben vom 28. September 2007 eingereichten Hilfsanträgen 2 bis 4. Hilfsantrag 4 bezog sich auf die erteilten Ansprüche 9-13 mit weiteren handschriftlichen Änderungen.

Die Ansprüche 1 und 6 des Hilfsantrags 1 hatten folgende Fassung:

"1. Haarbehandlungsmittel mit einem Gehalt an

(a) mindestens 0,01 Gew.-% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und Dimethylaminopropylmethacrylamid und

(b) mindestens 0,01 Gew.-% mindestens eines haarpflegenden Stoffs mit mindestens einer kationaktiven Gruppe, wobei der haarpflegende Stoff ein Polymer ist, welches quaternäre Amingruppen enthält."

"6. Haarbehandlungsmittel nach Anspruch 1 in Form einer wässrigen, alkoholischen oder wässrig-alkoholischen Non-Aerosol Sprühlotion in Kombination mit einer geeigneten mechanischen Vorrichtung zum Versprühen oder in Form einer wässrigen, alkoholischen oder wässrig-alkoholischen Lotion mit einem Gehalt an

(a) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und Dimethylaminopropylmethacrylamid,

(b) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines haarpflegenden, kationischen Polymeren welches quaternäre Amingruppen enthält,

(c) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines filmbildenden, nichtionischen Polymers und

(d) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines kationischen Tensids der allgemeinen Formel (i)

N(+)R**(1)R**(2)R**(3)R**(4) X(-) (i)

wobei R1 bis R4 unabhängig voneinander aliphatische Gruppen, Alkoxygruppen, Polyoxyalkylengruppen, Alkylamidogruppen, Hydroxyalkylgruppen mit 1 bis 22 C-Atomen bedeuten und X- ein Anion darstellt."

Die Ansprüche 1 und 5 des Hilfsantrags 2 hatten folgende Fassung:

"1. Haarbehandlungsmittel mit einem Gehalt an

(a) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und Dimethylaminopropylmethacrylamid und

(b) mindestens 0,01 Gew.-% mindestens eines haarpflegenden Stoffs mit mindestens einer kationaktiven Gruppe, ausgewählt aus Methylvinylimidazoliumchlorid/Vinylpyrrolidon Copolymeren, quaternisierten Vinylpyrrolidon/Dimethylaminoethylmethacrylat Copolymeren und kationisch derivatisierten Polysacchariden."

"5. Haarbehandlungsmittel nach Anspruch 1 in Form einer wässrigen, alkoholischen oder wässrig-alkoholischen Non-Aerosol Sprühlotion in Kombination mit einer geeigneten mechanischen Vorrichtung zum Versprühen oder in Form einer wässrigen, alkoholischen oder wässrig-alkoholischen Lotion mit einem Gehalt an

(a) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und Dimethylaminopropylmethacrylamid,

(b) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines haarpflegenden, kationischen Polymers ausgewählt aus Methylvinylimidazoliumchlorid/Vinylpyrrolidon Copolymeren, quaternisierten Vinylpyrrolidon/Dimethylaminoethylmethacrylat Copolymeren und kationisch derivatisierten Polysacchariden,

(c) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines filmbildenden, nichtionischen Polymers und

(d) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines kationischen Tensids der allgemeinen Formel (i)

N(+)R1R2R3R4 X(-) (i)

wobei R1 bis R4 unabhängig voneinander aliphatische Gruppen, Alkoxygruppen, Polyoxyalkylengruppen, Alkylamidogruppen, Hydroxyalkylgruppen mit 1 bis 22 C-Atomen bedeuten und X- ein Anion darstellt."

Die Ansprüche 1 und 5 des Hilfsantrags 3 hatten folgende Fassung:

"1. Haarbehandlungsmittel mit einem Gehalt an

(a) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und Dimethylaminopropylmethacrylamid und

(b) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines haarpflegenden Stoffs mit mindestens einer kationaktiven Gruppe, ausgewählt aus Methylvinylimidazoliumchlorid/Vinylpyrrolidon Copolymeren und quaternisierten Vinylpyrrolidon/Dimethylaminoethylmethacrylat Copolymeren."

"5. Haarbehandlungsmittel nach Anspruch 1 in Form einer wässrigen, alkoholischen oder wässrig-alkoholischen Non-Aerosol Sprühlotion in Kombination mit einer geeigneten mechanischen Vorrichtung zum Versprühen oder in Form einer wässrigen, alkoholischen oder wässrig-alkoholischen Lotion mit einem Gehalt an

(a) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und Dimethylaminopropylmethacrylamid,

(b) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines haarpflegenden, kationischen Polymers ausgewählt aus Methylvinylimidazoliumchlorid/Vinylpyrrolidon Copolymeren und quaternisierten Vinylpyrrolidon/Dimethylaminoethylmethacrylat Copolymeren,

(c) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines filmbildenden, nichtionischen Polymers und

(d) mindestens 0,01 Gew.% mindestens eines kationischen Tensids der allgemeinen Formel (i)

N(+)R**(1)R**(2)R**(3)R**(4) X(-) (i)

wobei R1 bis R4 unabhängig voneinander aliphatische Gruppen, Alkoxygruppen, Polyoxyalkylengruppen, Alkylamidogruppen, Hydroxyalkylgruppen mit 1 bis 22 C-Atomen bedeuten und X- ein Anion darstellt."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 hatte folgende Fassung:

1. Haarbehandlungsmittel in Form einer wässrigen, alkoholischen oder wässrig-alkoholischen Non-Aerosol Sprühlotion in Kombination mit einer geeigneten mechanischen Vorrichtung zum Versprühen oder in Form einer wässrigen, alkoholischen oder wässrig-alkoholischen Lotion mit einem Gehalt an

(a) mindestens 0,01 bis 20 Gew.% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und Dimethylaminomethylmethacrylamid,

(b) 0,01 bis 10 Gew.% mindestens eines weiteren, haarpflegenden, kationischen Polymers,

(c) 0,01 bis 15 Gew.% mindestens eines filmbildenden, nichtionischen Polymers und

(d) 0,01 bis 10 Gew.% mindestens eines kationischen Tensid."

VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Druckschriften D7 und D8 seien als Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht, offensichtlich nicht irrelevant und daher zu zulassen. Die Dokumente D9 bis D14 seien erst einen Monat vor der Verhandlung eingereicht worden und sollten nicht zugelassen werden. Dies gelte auch für die damals eingereichten sechs Hilfsanträge. Die Versuchsberichte D10 und D11 seien für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant. Die Marktuntersuchungen in D14 belegten nur ein Marktergebnis aufgrund der Werbung des Produktes. In D13 sei ein Volumeneffekt nur für die Kombination von drei aufeinander abgestimmten Polymeren beschrieben, was mit dem Gegenstand von Patentanspruch 1 des Hauptantrages nicht zu vereinbaren sei.

b) Bei der Neuheit sei zu beachten, dass D1 nicht nur das identische Terpolymer des Streitpatentes beschreibe, sondern auch seine Verwendung in Verbindung mit haarkonditionierenden Substanzen. Da die Substanz (a) ein kationisierbares Stickstoffatom aufweise, sei es nicht eindeutig von Bestandteil (b) zu unterscheiden. Nach D7 gehörten zu Konditionierprodukten hauptsächlich handelsübliche kationaktive Polymere. Daher wisse der Fachmann, welche konkreten Verbindungen er als übliche Konditioniermittel in D1 einsetzen könne.

Gegenüber D5 sei zu beachten, dass im Beispiel 5 vier verschiedene Formulierungen angegeben seien, die als Monomerkomponente Dimethylaminoethylmethacrylat (DMAEMA), d.h. eine Acrylatverbindung enthielten, und als Haarbehandlungsmittel dienten. Zwei dieser Formulierungen enthielten auch spezifische Verbindungen mit kationaktiven Gruppen, die unter Ausführungsformen des Streitpatentes fielen. In D5 werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass DMAEMA in den Beispielen durch andere Ammoniumderivate ausgetauscht werden könne. Als konkrete Ammoniumverbindung sei Dimethylaminopropylmethacrylamid (DMAPMA) genannt, das auch auf übliche Weise hergestellt werden könne. Eine Mehrfachauswahl aus D5 sei nicht erforderlich, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen. Gegenüber D1 und D5 sei der Gegenstand des Streitpatents nicht mehr neu.

c) Bei Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrages werde von D1 als nächstliegenden Stand der Technik ausgegangen, von der auch das Streitpatent ausgehe. D1 enthalte die identische Komponente (a), so dass der Unterschied nur in dem haarpflegenden Stoff mit mindestens einer kationaktiven Gruppe (b) liege. Die Vorteile eines Haarstylingmittels, wie gute Lockenbeibehaltung, seien aus D1 bekannt. Die im Streitpatent angesprochene Aufgabe sei nicht im beanspruchten Umfang gelöst. Die Versuchsberichte D10 und D11 seien nicht aussagekräftig, da sie sich nicht mit dem langanhaltenden Volumeneffekt beschäftigten. Im Dokument D14 sei nur ein bestimmtes Produkt getestet worden und es fehle ein Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik. Die dort beschriebenen Marktuntersuchungen stützten sich auf eine Werbekampagne und seien daher nicht aussagefähig, weil die Werbekampagne die einzige Maßnahme sein könnte, weshalb ein Produkt besser verkauft werde. D13 sei irrelevant, da es sich auf ein Produkt mit drei aufeinander abgestimmten Polymeren beziehe, während der erteilte Anspruch 1 lediglich zwei Bestandteile verlange.

Daher könne die Aufgabe nur darin bestehen, eine weitere Haarbehandlungszusammensetzung anzugeben, die haarpflegende Eigenschaften habe. Bei Konditionierprodukten denke der Fachmann automatisch an Verbindungen mit kationaktiven Gruppen wie aus D7 bekannt, die eine Verbesserung der Kämmbarkeit, Weichheit, Schmiegsamkeit, Griffigkeit und Glanz lieferten. Es sei daher naheliegend, die kationaktiven Polymeren von D7 mit den Terpolymeren von D1 zu vermischen. Die Volumenwirkung stelle sich dabei als automatisches Ergebnis ein.

Auch D8 beschreibe haarfixierende und konditionierende Wirkungen von Haarpflegemitteln. D8 enthalte ein quaternisiertes Panthenol, das zu einer erhöhten Substantivität und zu einem erhöhten Volumen führe. Der Versuchsbericht D11 enthalte kein quaternisiertes Panthenol und sei daher für die erfinderische Tätigkeit unbeachtlich. Da keine Verbesserung gegenüber D8 belegt sei, könne die Aufgabe nur darin liegen, ein weiteres Haarbehandlungsmittel zur Verfügung zu stellen. Die Verwendung der Komponenten (a) in Zusammensetzungen nach D8 sei auf Grund der Kombination mit D1 naheliegend. Der Gegenstand des Hauptantrages sei daher nicht erfinderisch.

d) Die Ansprüche 1 und 6 von Hilfsantrag 1 enthielten Streichungen aus zwei Listen und führten zu neuen Unterkombinationen, was nach Artikel 123 (2) EPÜ zu beanstanden sei. Die Streichungen im Anspruch 2 und 7 beträfen willkürliche Änderungen in einem Unteranspruch, was nach Regel 57 a EPÜ keinen Einspruchsgrund ausräume und nur eine Art Rückfallposition schaffe. Streichungen innerhalb von zwei Listen gebe es auch in den Ansprüchen 1 und 5 der Hilfsanträge 2 und 3. Diese Hilfsanträge würden auch keine Einwände ausräumen, die gegen die erteilte Fassung nach Art. 56 EPÜ erhoben wurden, da die jeweiligen Ansprüche 1 nur die beiden Bestandteile (a) und (b) näher definierten.

e) Der Hilfsantrag 4 sei erst in der mündlichen Verhandlung gestellt worden und daher als verspätet nicht mehr zuzulassen. Anspruch 1 des 4. Hilfsantrages enthalte eine Mischform aus Mittel- und Vorrichtungansprüchen, was nach Art. 84 EPÜ zu beanstanden sei.

f) Bei Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Hilfsantrag 4 sei von D1 als nächstliegenden Stand der Technik auszugehen, woraus ein Volumeneffekt bekannt sei. Obwohl die Kombination der beanspruchten Bestandteile (a) und (b) im Beispiel 5 des Streitpatentes verwirklicht sei, seien die Komponenten und die beanspruchten Gewichtsbereiche so breit definiert, dass kein langanhaltender Volumeneffekt im beanspruchten Bereich belegt sei. Beispiel 5 enthalte ferner das Monomer DMAPA, was keine übliche Abkürzung für ein Methacrylamid darstelle, wie aus D1 bekannt sei. Dieses Beispiel erläutere daher nicht den Anspruch. Ferner enthalte das Streitpatent kein Vergleichsbeispiel zu Beispiel 5. Dies gelte auch für das Beispiel von D14. Daher sei von der Bereitstellung eines weiteren Haarpflegemittels gegenüber D1 auszugehen, so dass die beanspruchte Zusammensetzung durch den nachgewiesenen Stand der Technik nahe gelegt sei.

VIII. Die Auffassung der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) kann wie folgt zusammengefasst werden:

a) Die Dokumente D7 und D8 seien verspätet ins Verfahren eingeführt und sollten nicht in das Verfahren zugelassen werden. Sie seien für die Frage von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht relevant. Die eingereichten Vergleichsversuche D10 und D11 belegten, dass ein Austausch eines basischen Acrylestermonomers durch ein basisches Methacrylamidmonomer im Terpolymeren zu einem verbesserten Haarvolumeneffekt gegenüber D1 und D8 führe. Das erfindungsgemäßes Mittel führe zu einer verbesserten Elastizität, einer geringeren Belastung und einem glatteren Anfühlen, wobei trotz größerer Glattheit der Volumeneffekt erhalten bleibe. Durch das erfindungsgemäße Mittel werde auch ein bisher nicht befriedigtes Bedürfnis erfüllt, was durch einen Verbrauchertest (D13) nachgewiesen sei. Ferner sei dieses Bedürfnis durch einen unerwarteten Markterfolg belegt, wie durch die Declaration (D14) erläutert sei. Der unerwartet große Markterfolg in Kombination mit den Ergebnissen des vor Markteinführung erfolgten Verbrauchertests und die Ergebnisse der Versuchsberichte seien als Beweisanzeichen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zu werten. Die eingereichten Dokumente D9 bis D14 seien daher für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevant und sollten zugelassen werden.

Anspruch 1 des Streitpatentes sei gegenüber D1 neu, da dort kein haarpflegender Stoff mit einer kationenaktiven Gruppe genannt sei. Die Bestandteile (a) und (b) seien voneinander zu unterscheiden. Eine Kombination von D1 und D7 sei bei Beurteilung der Neuheit nicht zulässig. Konditioniermittel seien nur zu einem kleinen Bruchteil kationische Verbindungen. Sie umfassten insbesondere auch nicht-kationische Stoffe, wie Silikone und Fettalkohole nach D1 sowie andere Stoffe, wie aus D9 bekannt sei.

Aus D5 sei eine Kombination der Merkmale (a) und (b) des Anspruchs 1 nicht zu entnehmen. Kationische Produkte seien nur in zwei von sieben verschiedenen Formulierungen offenbart und es sei zweifelhaft, ob die dort beschriebenen kationischen Produkte überhaupt unter den Bestandteil (b) fielen. Die kationischen Produkte seien nur in Kombination mit einem nicht beanspruchten Terpolymeren offenbart. Um zum beanspruchten Haarpflegemittel zugelangen, sei eine mehrfache Auswahl notwendig. Nach der Lehre von D5 könne auch kein Terpolymer wie beansprucht hergestellt werden. Die Breite der Ansprüche sei kein Kriterium von Neuheit.

b) Bei Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei die Beschwerdeführerin von D1 und D8 ausgegangen. Keines dieser Dokumente befasse sich mit einem Volumeneffekt. D1 betreffe in erster Linie die chemische Synthese eines speziellen Terpolymeren mit einer homogenen Zusammensetzung. Diese seien in verschiedenen 55% VOC Haarsprays untersucht worden, wobei die Steifigkeit, und die Lockenbildungseigenschaften (in D1 als "curl snap" und "curl memory" bezeichnet) untersucht seien. Diese Eigenschaften hätten aber nichts mit einem langanhaltenden Volumeneffekt zu tun. Ferner seien dort keine haarpflegenden Stoffe mit kationaktiven Gruppen offenbart. Demgegenüber bestehe die Aufgabe darin, Haarstylingmittel zur Verfügung zu stellen, die einen Volumeneffekt, insbesondere einen langanhaltenden Volumeneffekt bewirkten. Diese Aufgabe sei auch nach dem Streitpatent gelöst. Der vorgelegte Versuchsbericht D10 belege, dass das erfindungsgemäße Mittel einen verbesserten Effekt gegenüber dem Dokument D1 zeige. D7 beschäftige sich nur mit Konditioniermitteln für Shampoos und es werde das Problem eines Volumeneffektes auch nicht angesprochen. Die Beschwerdeführerin habe nichts gegenteiliges bewiesen. D9 beschreibe eine Fülle von verschiedenen Konditionierungmitteln. Es liege daher nicht nahe, die Lehren von D1 mit D7 oder D9 zu kombinieren.

Die Aufgabe des Streitpatent bestehe also darin, einen Volumeneffekt mit weniger Nebenwirkungen zu erzielen. Hierzu reiche es aus, wenn ein deutlicher Volumeneffekt gezeigt werde. Der Versuchsbericht D11 belege, dass das Unterscheidungsmerkmal gegenüber D8 zu einem verbesserten Volumeneffekt führe. Der Gegenstand des Hauptantrages sei daher erfinderisch.

c) Die Beschwerdegegnerin erläuterte die Basis für die Änderungen in den Hilfsanträgen. Im Anspruch 1 des 1. Hilfsantrages sei die dritte Komponente des Terpolymeren präzisiert und der kationaktive Stoff (b) speziell definiert. Die Streichung einer Reihe von Verbindungen im Anspruch 2 sei erfolgt, um den Anspruch im Einklang mit den Änderungen im Anspruch 1 zu bringen. Im Anspruch 6 seien die Komponenten (a) und (b) durch bevorzugte Ausführungsformen präzisiert, und die Streichungen bei der Definition des kationischen Tensids (d) würden zu keiner neuen Kombination führen. Analoges ergebe sich für die Ansprüche 1 und 5 des 2. und 3. Hilfsantrags.

d) Hilfsantrag 4 sei eine Antwort auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung, wonach der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrages nicht erfinderisch sei, insbesondere weil er nicht die Aufgabe in der beanspruchten Breite löse. Auf ein solches Verhandlungsergebnis mit einem neuen Anspruchsatz zu reagieren, könne der Patentinhaberin nicht verwehrt werden, denn es sei die letzte Chance ihr Patent aufrechtzuerhalten. Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 gehe auf den erteilten Anspruch 9 zurück und trage dem Verhandlungsergebnis Rechnung. Hierbei sei die Komponente (a) auf das bevorzugte Terpolymere beschränkt worden. Ferner seien die Gewichtsangaben der Bestandteile (a) bis (d) präzisiert. Die Klarheit dieses Anspruches könne nicht beanstandet werden, da die Mischform von Vorrichtungs- und Mittelanspruch auf den erteilten Anspruch 9 zurückgehe. Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 sei daher zulässig.

Bei Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Hilfsantrag 4 sei von D1 als nächstliegenden Stand der Technik auszugehen. Es sei nicht belegt, dass Haarbehandlungsmittel nach D1 alleine einen Volumeneffekt aufwiesen. Gegenüber diesem Stand der Technik stelle sich die Aufgabe einen langanhaltenden Volumeneffekt ohne unerwünschte Nebenwirkungen zu erzielen. Die Lösung dieser Aufgabe werde durch das Beispiel 5 des Streitpatentes belegt. Der Fachmann sei in der Lage weitere geeignete Mengenverhältnisse im beanspruchten Bereich zu bestimmen. Das in den Beispielen mit der Abkürzung DMAPA bezeichnete Monomer sei Dimethylaminopropylmethacrylat, wie sich aus der Patentschrift in seiner Gesamtheit entnehmen ließe. Der Einwand, dass dieses Monomer ein Acrylamid und kein Methacrylamid Monomer sei, werde erstmals am zweiten Verhandlungstag im Verfahren vorgebracht.

Als Beleg für den langanhaltenden Volumeneffekt könnten auch die Dokumente D13 und D14 herangezogen werden. Im weiteren Stand der Technik finde sich kein Hinweis für den langanhaltenden Volumeneffekt, so dass die Dokumente D5, D7, D8 und D9 keinen Hinweis für die Lösung der Aufgabe geben würden. Auch der sprunghafte wirtschaftliche Erfolg sei als Beweisanzeichen zu werten. Daher sei der Gegenstand von Hilfsantrag 4 gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik erfinderisch.

IX. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatentes.

X. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, als Hauptantrag die Beschwerde zurückzuweisen, und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis einer der in der mündlichen Verhandlung am 7. November 2007 eingereichten Hilfsanträge 1, 2, 3 oder 4.

XI. Nach der Beratung der Kammer wurde am 7. November 2007 die folgende Entscheidung verkündet:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Erstinstanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Basis der Ansprüche eins bis vier des in der mündlichen Verhandlung am 7. November 2007 eingereichten Hilfsantrags 4 und einer daran noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

XII. Am 16. November 2007 übersandte die Kammer einen Bescheid, indem sie eine Berichtigungsentscheidung ankündigte und auf folgendes hinwies:

Bezüglich des Hilfsantrags 4 auf Basis dessen das Patent aufrechterhalten wurde, ergab der Vortrag der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) in der mündlichen Verhandlung am 6. und 7. November 2007 und die darüber geführte Sachdebatte nach dem Verständnis der Kammer, dass das Merkmal (a) von Anspruch 1 wie folgt zu lesen ist:

"(a) 0,01 - 20 Gew.% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und Dimethylaminopropylmethacrylamid,"

Dieses Verständnis der Kammer lag auch der Verkündung ihrer Entscheidung zu Grunde.

Bei Überprüfung des gegen Ende der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 4 zeigte sich aber, dass die handschriftlichen Änderungen im eingereichten Dokument für das Merkmal (a) von Anspruch 1, wie folgt zu lesen sind:

"(a) mindestens 0,01 bis 20 Gew.% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und Dimethylaminomethylmethacrylamid,".

Um diese offenbaren Unrichtigkeiten (von der Kammer durch Unterstreichung hervorgehoben) zu berichtigen, beabsichtigte die Kammer gemäß Regel 89 EPÜ (1973) eine Berichtigungsentscheidung zu treffen, um das Protokoll der mündlichen Verhandlung zu korrigieren.

XIII. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 stimmte die Beschwerdegegnerin der beabsichtigten Berichtigung durch die Kammer zu. Sie führte aus, dass im Zusammenhang mit Hilfsantrag 4 nur der Begriff "Dimethylaminopropylmethacrylamid" korrekt sei, da nur diese Verbindung in der Beschreibung, wie ursprünglich eingereicht, Seite 3, Zeilen 5 und 6 (Beschreibung der Streitpatentschrift, Seite 2, Zeile 38) offenbart sei. Bei Erörterung der erfinderischen Tätigkeit sei in der mündlichen Verhandlung dargelegt worden, dass der Gegenstand von Anspruch 1 hinsichtlich des Dimethylaminopropylmethacrylamid-haltigen Terpolymers (a) mit D1 (WO-A-96/19971) übereinstimme. Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 enthalte somit einen offensichtlichen Schreibfehler der nach Regel 89 EPÜ 1973 (Regel 140 EPÜ 2000) berichtigt werden könne. Die vorgeschlagene Streichung des ersten (redundanten) Wortes "mindestens" steht in Übereinstimmung mit den entsprechenden Änderungen der Merkmale (b) bis (d).

XIV. Mit Schreiben vom 14. Januar 2008 stimmte die Beschwerdeführerin dem Vorschlag der Kammer für eine Berichtigungsentscheidung zu.

XV. Nachdem die Parteien der beabsichtigten Berichtigungsentscheidung zugestimmt hatten, entschied die Kammer am 18. Februar 2008 das Protokoll der in der mündlichen Verhandlung am 7. November 2007 verkündeten Entscheidung nach Regel 140 EPÜ 2000 (Regel 89 EPÜ 1973), wie in der Mitteilung der Kammer vom 16. November 2007 vorgeschlagen, zu korrigieren.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Verspätet eingereichte Unterlagen

2. Mit Entscheidung der Einspruchsabteilung war der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen worden. Beide Parteien hatten im Beschwerdeverfahren Dokumente eingereicht, die von der Gegenseite jeweils als verspätet beanstandet wurden. Die mit der Beschwerdebegründung der Einsprechenden eingereichten Druckschriften D7 und D8 sind als Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu sehen, um ihre Position bezüglich fehlender Neuheit oder mangelnder erfinderischer Tätigkeit besser zu stützen. Sie sind mehr als drei Jahre vor der mündlichen Verhandlung eingereicht worden, so dass die Beschwerdegegnerin ausreichend Zeit hatte, sich damit auseinander zusetzen. Sie sind prima facie auch relevant, wie die nachfolgende Diskussion zur erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrages bestätigt (siehe Punkte 6. and 7.).

2.1 Die Dokumente D9 bis D14 der Beschwerdegegnerin sind einen Monat vor der Verhandlung, also in einem späten Verfahrensstadium eingereicht worden. Die Beschwerdegegnerin war der Auffassung, dass die Einreichung dieser Dokumente durch den Bescheid veranlasst worden seien.

2.2 Das Patent war in der erteilten Fassung von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten worden war, so dass für die Beschwerdegegnerin zunächst keine Veranlassung bestand, neue Tatsachen, Beweismittel oder Anträge auf die Beschwerdebegründung vorzulegen. Die verspäteten Dokumente D9 bis D14 wurden jedenfalls innerhalb der im Bescheid gewährten Frist von einem Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht.

2.2.1 Das Dokument D9 betrifft ein kosmetisches Handbuch und Lexikon und beinhaltet eine Auflistung von möglichen Haarkonditioniermitteln. Handbücher und Lexika belegen lediglich das Fachwissen des Durchschnittsfachmanns, gegen deren Berücksichtigung auch in einem späten Verfahrensstadium in aller Regel keine Bedenken bestehen.

2.2.2 Bei den Vergleichsversuchen (D10, D11) in Verbindung mit der Versuchsdurchführung D12 ist zu beachten, dass im Bescheid auf Vergleichsversuche bezüglich der Volumenwirkung hingewiesen wurde (Punkt 3.2). Die Einreichung der Vergleichsversuche könnte daher durch den Bescheid veranlasst sein, entsprechende Versuche nachzureichen. Der Versuchsbericht D10 beschäftigt sich allerdings nicht mit einem Volumeneffekt sondern mit der Beseitigung von Nebeneffekten des Haarbehandlungsmittels und kann daher nicht durch den Bescheid veranlasst sein. Der Besuchsbericht D11 beschäftigt sich zwar mit einem Volumeneffekt, es ist jedoch auf den ersten Blick nicht zu erkennen, auf welcher Grundlage des relevanten Standes der Technik die komplexe Zusammensetzung des untersuchten Haarpflegemittels ausgewählt wurde. Insbesondere enthält die Zusammensetzung kein quaternäres Panthenol und kann daher auch keine Aussage darüber liefern, ob eine Verbesserung gegenüber D8 erzielt wird. Daher sind die verspätet eingereichten Dokumente D10, D11 und D12 nicht in das Verfahren zuzulassen.

2.2.3 Die Untersuchungen in D14 stützen sich auf eine Zusammensetzung, die eng an die Zusammensetzung des Beispiel 5 im Streitpatent angelehnt ist und belegen einen Volumeneffekt der über einen Tag andauert. Insoweit kann der dort durchgeführte Verbrauchertest als Ergänzung für den im Streitpatent, Beispiel 5 bereits belegten langandauernden Volumeneffekt gewertet werden, so dass es insoweit für die Beschwerdeführerin nicht unzumutbar ist, sich darauf einzulassen. Das Dokument D13 ist eine Nachveröffentlichung. Es ist nicht zu erkennen, inwieweit das dort beschriebene Produkt Wellaflex in irgendeiner Beziehung zum Gegenstand des Streitpatentes steht, da dort von drei aufeinander abgestimmten Festigern (Polymere) die Rede ist, während nach dem Streitpatent (Anspruch 1) nur zwei Bestandteile vorhanden sind, wovon nur eines ein Polymer sein muss. D13 ist daher prima facie nicht relevant und wird daher als verspätet nicht zugelassen.

Hauptantrag

Neuheit

3. Die Beschwerdeführerin war der Auffassung, dass Anspruch 1 in der erteilten Fassung gegenüber den Dokumenten D1 und D5 nicht neu sei.

4. D1 ist im Streitpatent zitiert (Paragraph 0003) und beschreibt ein Verfahren zur Herstellung einer Lösung eines homogenen Terpolymers aus Vinylpyrrolidon (VP), Vinylcaprolactam (VCL) und 3-(N-Dimethylaminopropyl)methacrylamid (DMAPMA) (Anspruch 1). Das Terpolymer dient als Haarfixativ in haarfestigenden Mitteln und soll insbesondere in einem Haarspray mit einem niedrigen Gehalt an leicht flüchtigen organischen Bestandteilen (55% VOC-Sprays) Verwendung finden (Ansprüche 7 bis 17). Das Haarspray kann dabei neben anderen Zusätzen auch ein Haarkonditioniermittel enthalten (Ansprüche 14 und 17).

4.1 Als Zusätze speziell sind genannt: Korrosionsinhibitoren, Silikone, oberflächenaktive Mittel, Mittel zur Modifizierung der Viskosität, Farbstoffe, Chelatisierungsmittel, Verteilungshilfsmittel, Perlglanzmittel, Trübungsmittel, Duftstoffe, Fettalkohole, Mittel zur Einstellung des pH-Wertes und dgl. (Seite 14, erster Absatz). Die Haarpflegemittel dienen beispielsweise als Haarstyling- und Konditionierprodukte (Seite 14 zweiter Absatz).

4.2 Es ist in D1 allerdings nicht explizit offenbart, dass das Haarkonditioniermittel ein haarpflegender Stoff mit einer kationaktiven Gruppe sein könnte.

4.3 Die Beschwerdeführerin war allerdings der Auffassung, dass das in D1 verwendete Terpolymer sowohl der Definition des Bestandteils (a) als auch der des Bestandteils (b) entsprechen könne, weil der Bestandteil (a) eine basisches Acrylamid und damit eine kationaktive Gruppe enthalte. Daher beschreibe D1 ein Haarbehandlungsmittel mit den Komponenten (a) und (b). Ferner wies sie daraufhin, dass es zum allgemeinen Wissen des Fachmanns gehöre als Konditioniermittel Polymere in Form von kationaktiven Verbindungen einzusetzen. Die Beschwerdeführerin zitierte hierbei D7, die Beschwerdegegnerin verwies ihrerseits auf D9.

4.3.1 Nach der Systematik des Anspruchs 1 muss das Haarbehandlungsmittel zumindest zwei Bestandteile enthalten, nämlich einen sehr eng definierten Bestandteil (a) und einen davon verschiedenen, breit definierten Bestandteil (b). Die Streitpatentschrift enthält keine Hinweise, dass das spezielle Terpolymer (a) gleichzeitig auch der Bestandteil (b) sein darf. Die Beschwerdeführerin hat hierzu nichts gegenteiliges gezeigt. Daher ist bei der Neuheit zu überprüfen, ob der Stand der Technik ein Haarbehandlungsmittel beschreibt, das zwei voneinander verschiedene Bestandteile (a) und (b), wie im Anspruch 1 definiert und von der Beschreibung erläutert, enthält.

4.3.2 Bei Verweis auf weitere Literatur, wie D7, ist zu beachten, dass sich normalerweise die Neuheitschädlichkeit aus einem einzigen Dokument (hier D1) ergeben muss. D7 stellt zwar ein Handbuch über die Grundlagen und Rezepturen der Kosmetika dar (siehe Titel) und beschäftigt sich unter dem Punkt 2.2.2.9 mit Aktivverbindungen (Konditioniermittel)-Wirkstoffe. In diesem Kapitel werden Konditioniermittel in Shampoos behandelt. Hiernach ist die konditionierende Behandlung der Haare nach dem Shampoonieren mit z.B. Creamrinses zweckmäßig. Durch Zusatz von bestimmten Substanzen in Shampoos lässt sich die Kämmbarkeit, Weichheit, Schmiegsamkeit, Griffigkeit und den Glanz verbessern. D7 nennt als Zusatzstoffe hauptsächlich Polymere, kationaktive Verbindungen, die mit gebräuchlichen waschaktiven Substanzen verträglich sind, wobei auch eine Reihe von beispielhaften Handelsprodukten in Form von quaternisierten Ammoniumpolymeren aufgeführt sind. Diese Produkte fallen unter die Polymeren mit kationischen Gruppen nach Anspruch 2 des Streitpatentes.

4.3.3 Der Hinweis auf "hauptsächlich Polymere" (Hervorhebung durch die Kammer) in Form von "kationaktiven Verbindungen" in D7 lässt allerdings bereits erkennen, dass D7 keine abschliessende Auflistung von Konditioniermitteln enthält. Ferner beschäftigt sich D7 an der zitierten Stelle nur mit Shampoos, während D1 auf Haarfixiermitteln und Haarsprays gerichtet ist. D7 wäre daher eher bei der Frage der erfinderischen Tätigkeit zu beachten.

4.3.4 Ferner geht aus dem Handbuch und Lexikon D9 hervor, dass Haarkonditionierungmittel, wie sie in D1 generell genannt werden, Materialien sind, die für spezielle Effekte auf dem Haar verwendet werden, etwa zur Erhöhung von Volumen oder Glattheit, zur Erleichterung des Stylings, zur Verbesserung des Glanzes oder der Verbesserung der Textur des Haares (S. 1642). D9 beschreibt dabei eine große Vielzahl von Konditionierungmitteln mit sehr unterschiedlicher chemischer Struktur. Hierzu gehören zwar auch Verbindungen mit kationischen Gruppen, aber auch Verbindungen mit anionischen Gruppen oder neutrale Verbindungen, etwa Ether, Ester, Polyole, Fettalkohole, Silikone usw. Hiernach können die in D1 genannten Fettalkohole oder Silikone auch Konditioniermittel sein.

4.3.5 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Fachmann bei dem Begriff Konditionierungsmittel, wie er in D1 verwendet wird, nicht unmittelbar und eindeutig an Verbindungen mit kationenaktiven Gruppen denken wird. Daher ist die mangelnde Neuheit des Streitpatents gegenüber dem Dokument D1 nicht belegt.

5. D5 beschreibt ein Haarkonditioniermittel, das ein Polymerisationsprodukt von Vinylpyrrolidon, einem Ammoniumderivatmonomer mit 6 bis 12 Kohlenstoffatomen, ausgewählt aus der Gruppe Dialkylaminoalkylmethacrylamide, Dialkyldialkenylammoniumhalogenide und Dialkylaminoalkylmethacrylate oder -acrylate enthält, wobei N-Vinylcaprolactam Hauptbestandteil, bezogen auf die Monomeren, ist und das Haarkonditioniermittel ein Zahlendurchschnittsmolekulargewicht zwischen 20 000 und 700 000 aufweist (Anspruch 1). Das Polymer enthält vorzugsweise 17-32 Gew.-% N-Vinylpyrrolidon (VP), 65-80 Gew.-% N-Vinylcaprolactam (VCPL) und 3-6 Gew.-% der genannten Ammoniumderivatmonomere sowie 0-5 Gew.- Stearylmethacrylat (Anspruch 3). Als besonders geeignetes Ammoniumderivatmonomer ist Dimethylaminoethylmethacrylat (DMAEMA) genannt (Anspruch 4).

5.1 In den Beispielen 1 bis 4 werden Terpolymere von VCPL, VP und DMAEMA in unterschiedlichen Gewichtprozentsätzen hergestellt. In Beispiel 4 ist ein Teil des VCPL im Terpolymer durch hydrophobe Monomere wie Laurylmethacrylat, Stearylmethacrylat und Vinylacetat ersetzt, so dass Tetrapolymere entstehen. In den Beispielen 3 und 4 sind Haarsprays getestet worden, die neben dem Polymeren nur ein Lösungsmittelsystem enthalten. Im ersten Teil von Beispiel 5 (Spalte 7, Zeilen 60 bis Spalte 8, Zeile 17) wird ein Tetrapolymer hergestellt, das neben VP, VCPL und DMAEMA zusätzlich Stearylmethacrylat enthält.

5.1.1 Im zweiten Teil von Beispiel 5 (Spalte 6, Zeile 18 bis Spalte 8, Zeile 8) werden Zusammensetzungen von zwei Shampoos und zwei Haarspülungen beschrieben. Die beiden Haarspülungen enthalten neben dem Terpolymer VCLP/VP/DMAEMA einerseits Stearyldimethylbenzylammoniumchlorid (Spalte 8, Zeile 36) und andererseits Ollyldimethylbenzylammoniumchlorid (Spalte 9, Zeile 4). Die zuletzt genannten Verbindungen sind kationische Konditioniermittel in Form von kationischen Tensiden.

5.2 Die Beschwerdeführerin war jedoch der Auffassung, dass der Bestandteil DMAEMA durch das Monomere Dimethylaminopropylmethacrylamid ohne weiteres ersetzt werden könne.

5.2.1 Nach D5 können die verbesserten Haarkonditioniermittel auch erreicht werden, wenn in den obigen Beispielen DMAEMA durch in D5 beschriebene andere Ammoniumderivatmonomere ersetzt werden (Spalte 9, Zeilen 27 bis 31). Geeignete Ammoniumderivatmonomere mit 6 bis 12 Kohlenstoffatomen umfassen Dialkylaminoalkylmethacrylamide, wie Dimethylamino propylmethacrylamid, Dialkyldialkenylammoniumhalogenide, etwa Dimethylallylammoniumchlorid und Dialkylamino alkylmethacrylate oder -acrylate wie Dimethylamino ethyl methacrylat (DMAEMA) (Spalte 3, Zeilen 39 bis 45). Geeignete Ammoniumderivate sind also zunächst durch eine allgemeine Monomerklasse (Ammoniumderivatmonomere mit 6 bis 12 Kohlenstoffatomen) spezifiziert, bei denen die exakte chemische Struktur der Monomeren offen ist. Diese Monomerklasse ihrerseits weist mindestens vier verschiedene, strukturelle Monomeruntergruppen auf, nämlich Methacrylamide, Allylverbindungen, Acrylate und Methacrylate. Die vorstehende Auflistung von geeigneten Ammoniumderivaten kann also nicht auf die speziellen, individualisierten drei Monomeren Dimethylaminopropylmethacrylamid, Dimethylallylammoniumchlorid und Dimethylaminoethylmethacrylat reduziert werden. Vielmehr kommen als Ersatz für DMAEMA eine große Fülle von Ammoniumderivat-Monomeren in Betracht.

5.2.2 Ferner ist zu beachten, dass die Modifizierung des Terpolymeren in den Beispielen nicht auf die beiden Creamspülungen in Beispiel 5 beschränkt werden darf, sondern auch Modifizierungen anderer Beispiele zu berücksichtigen sind. So führt der Ersatz von DMAEMA in einem Tetrapolymer selbst im Falle von Dimethylaminopropylmethacrylamid nicht zu einem Haarpflegemittel nach Anspruch 1. Dies gilt auch dann, wenn in einem Terpolymer DMAEMA durch Dimethyldiallylammoniumchlorid oder ein anderes Dialkylaminomethacrylat oder -acrylat ersetzt würde, oder wenn Dimethylaminopropylmethacrylamid statt DMAEMA in dem Terpolymeren eingesetzt würde, aber in einer anderen Zusammensetzung als in den beiden Creamspülungen nach Beispiel 5.

5.3 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass, um zum Gegenstand von Anspruch 1 zugelangen, eine Auswahl aus mindestens drei Listen folgender Bestandteile erforderlich ist: Art des Polymeren (Ter- oder Tetrapolymer), Art der Monomeren aus einer breiten Liste von möglichen Ammoniumderivatmonomeren sowie Typ der Zusammensetzungen der beispielhaften Formulierungen, die Haarsprays, Shampoos und Haarspülungen umfassen. Zur Verneinung der Neuheit reicht es nicht aus, wenn die einzelnen, beanspruchten Merkmale mosaikartig in einem Dokument erwähnt sind und der Fachmann in Kenntnis der Erfindung aus verschiedenen, im Stand der Technik angebotenen Möglichkeiten die für das Haarpflegemittel nach dem Streitpatent erforderlichen Bestandteile auswählen muss. Um den beanspruchten Gegenstand neuheitsschädlich zu treffen, muss vielmehr die beanspruchte Kombination direkt und unmittelbar aus dem Dokument ableitbar sein, was aber bei D5 nicht der Fall ist.

5.4 Bei dieser Sachlage kann die Frage, ob ein Terpolymer mit Dimethylaminopropylmethacrylamid als Monomer nach D5 herstellbar ist, auf sich beruhen. Daher ist D5 für den beanspruchten Gegenstand nicht neuheitsschädlich.

5.5 Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik als neu anzusehen ist.

Erfinderische Tätigkeit

Nächstliegender Stand der Technik

6. Die Einspruchsabteilung ist von D1 als nächstliegenden Stand der Technik ausgegangen. Von den Parteien wurden in der mündlichen Verhandlung zum Hauptantrag zusätzlich auch D8 als möglicher Ausgangspunkt diskutiert.

6.1 Das Streitpatent betrifft ein volumengebendes Haarbehandlungsmittel mit einem Gehalt an einem Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und einem basischen Acrylamidmonomer sowie einem weiteren, haarpflegenden kationisch aktiven Stoff (Streitpatent, Titel, Paragraph 0001). Das Streitpatent selbst geht von D1 als nächstliegenden Stand der Technik aus. Hiernach sind Terpolymere aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und 3-(N-Dimethylaminopropyl)-methacrylamid sowie deren Verwendung in haarfestigenden Mitteln, insbesondere in Form von Haarsprays mit einem geringen Anteil an flüchtigen organischen Bestandteilen ("low VOC-Sprays",) bekannt. Diese Terpolymeren haben gute haarfestigende Eigenschaften, verleihen dem Haar aber einen relativ rauen Griff und eine relativ hohe Belastung (Paragraph 0003).

6.2 Nach D1 enthalten solche Haarpflegeprodukte den Bestandteil (a) des Streitpatents (vergleiche obigen Punkt 4.) können aber noch verschiedene weitere Komponenten, etwa Konditioniermittel, wie Silikone, Fettalkohole usw. enthalten und als Styling- und Konditionierprodukte eingesetzt werden (S. 14, erster und zweiter Absatz). Nach Seite 16 von D1 zeigt eine homogene Zusammensetzung des Haarsprays von Beispiel 5 eine Verbesserung im Hinblick auf Festigkeit, Lockenhaltevermögen (curl memory) und Lockenspannkraft (curl snap) gegenüber einer nicht-homogenen Zusammensetzung nach Beispiel 9.

6.3 D8 beschreibt ein quaternisiertes Panthenol, dass insbesondere in Form von Haarstylingprodukten, Haarsprays oder Haarpflegeprodukten Verwendung findet (Ansprüche 1, 14, 17, 23). Dieses quaternisiertes Panthenol verleiht den Haaren eine erhöhte Substantivität (Seite 8, Zeilen 7 bis 9). In Beispiel IV ist eine Haarlotion beschrieben, die neben dem quaternisierten Panthenol als Haarfestiger ein Terpolymer aus Vinylcaprolactam, Polyvinylpyrrolidon und Dimethylaminoethylmethacrylat enthält. Die Formulierung liefert eine gutes Nass- und Trockenkämmen, Volumen und verbessert die Haarlocken (Seite 32, letzter Absatz).

6.4 Bei der Wahl des nächstliegenden Standes der Technik kommt es im allgemeinen darauf an, dass seine Lösung auf den gleichen oder vergleichbaren Zweck bzw. dieselbe oder eine ähnliche Wirkung wie die Erfindung gerichtet ist und die wenigsten strukturellen und funktionellen Änderungen erfordert (Rechtsprechung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts, 5. Auflage, 2006, I.D.3.1).

6.5 Während das Haarbehandlungsmittel nach D1 zwar das gleiche Terpolymer (a) wie beansprucht aufweist, enthält es aber kein kationisches Haarpflegemittel (b) und zielt auf gute Lockenhalteeigenschaften, also auf einen gewissen Volumeneffekt ab. In D8 ist zwar ein volumengebender Effekt aufgrund der spezifischen Panthenolverbindung angesprochen, jedoch enthält das Haarbehandlungsmittel nicht das Polymer (a) des Streitpatents. Andererseits geht das Streitpatent selbst von D1 als nächstliegenden Stand der Technik aus (Paragraph 0003). Es ist also nicht erkennbar, weshalb D1 als Ausgangspunkt im Streitpatent unzutreffend wäre.

6.6 Aus dem vorstehenden ergibt sich, dass D1 und D8 einen vergleichbaren Zweck wie der Gegenstand des Streitpatents anstreben, dass D1 aber aufgrund der Identität mit dem Bestandteil (a) dem Streitpatent näher steht als D8, bei der lediglich die quaternisierte Panthenolverbindung den sehr weitgefassten Bestandteil (b) der kationaktiven Verbindung erfüllt. Daher wird in Übereinstimmung mit dem Streitpatent und der Einspruchsabteilung von D1 als nächstliegenden Stand der Technik ausgegangen.

Aufgabe und Lösung

7. Nach dem Streitpatent sind Haarbehandlungsmittel, die dem Haar mehr Volumen und Halt geben, bekannt. "Die für diese Zwecke üblicherweise eingesetzten kosmetischen Polymere zeigen in wässrigen oder alkoholischen Lösungen gute Festigungseigenschaften, die nach der Anwendung mehr oder weniger gut die Haare verformen und festigen und die dem Haar zusätzlich auch mehr Volumen geben können. Häufig hält dieser Effekt aber nicht lange an und schon beim Durchkämmen der Haare geht der erwünschte Volumeneffekt wieder teilweise verloren. Insbesondere bei feinem Haar fällt die Frisur bereits innerhalb weniger Stunden wieder teilweise zusammen, d.h. der Volumeneffekt hält nicht über einen ganzen Tag von morgens bis abends an. Viele der festigenden oder Volumen gebenden Polymere haben darüberhinaus häufig unerwünschte Nebeneffekte, die sich dadurch bemerkbar machen, dass das behandelte Haar einen zu rauhen Griff, eine zu hohe Belastung oder eine ungenügende Elastizität aufweist oder sich zuviele sichtbare Rückstände auf dem Haar bilden" (Paragraph 0002).

7.1 Es bestand daher die Aufgabe, ein Haarbehandlungsmittel zur Verfügung zu stellen, welches die Vorteile eines typischen Stylingmittels aufweist, sich insbesondere durch einen langanhaltenden Volumeneffekt auszeichnet, gleichzeitig aber auch gute haarpflegende Eigenschaften, insbesondere hinsichtlich Elastizität, geringer Belastung und geringer Rückstände gewährleistet (Paragraph 0003).

7.2 Es stellt sich die Frage, ob die im Streitpatent gestellte Aufgabe gelöst ist.

7.2.1 Im Streitpatent ist bereits darauf hingewiesen, dass Haar-Volumeneffekte in der aller Regel nicht lange anhalten, insbesondere nicht über einen ganzen Tag von morgens bis abends. Daher kommt dem langanhaltenden Volumeneffekt bei der Aufgabenformulierung eine besondere Bedeutung zu, während es sich bei den guten haarpflegenden Eigenschaften eher um Nebeneffekte handelt. Nach der Aufgabe des Streitpatents geht es also nicht nur darum, lediglich einen Volumeneffekt zu erzielen, sondern das der Effekt im wesentlichen über einen gesamten Tag anhält.

7.2.2 Im Streitpatent sind in den Beispielen 1 bis 3 ein Aerosol-Schaumfestiger, eine Pump-Sprühlotion und ein Pump-Schaumfestiger erläutert, die alle ein speziellen Vinylcaprolactam/PVP/DMAPA Copolymer enthalten. Nach dem Streitpatent ist als dritter Bestandteil des Terpolymeren das Monomer Dimethylaminopropylmethacrylamid bevorzugt. Die Herstellung eines derartigen Polymers wird gemäß Streitpatent in der WO 96/19971 (D1) beschrieben und es ist unter der Bezeichnung Aquaflex SF 40 (ISP) im Handel erhältlich (Paragraph 0007). Nachdem im Streitpatent als einzige individualisierte Verbindung im Zusammenhang mit dem Terpolymer Dimethylaminopropylmethacrylamid erwähnt ist, und hierbei speziell auf die Lehre von D1 Bezug genommen wird, ergibt sich, dass unter der Abkürzung DMAPA in den Beispielen des Streitpatents ein Dimethylaminopropylmethacrylamid umfasst sein muss.

7.2.3 Dies war im gesamten Einspruchs- und Beschwerdeverfahren auch völlig unstreitig, und es wurde erst am letzten Tag der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin vorgebracht, dass es sich bei der Abkürzung DMAPA um ein Acrylamid und nicht um ein Methacrylamid handeln könnte. Obwohl die Abkürzung DMAPA nicht mit der Abkürzung übereinstimmt, die in D1 verwendet wird (DMAPMA), ergibt sich aus dem gesamten Inhalt des Streitpatentes (vgl. Punkt 7.2.2), dass mit der Abkürzung DMAPA kein Acrylamid gemeint sein kann.

7.2.4 Nach dem Streitpatent enthält der Areosol-Schaumfestiger von Beispiel 1 neben dem Terpolymer, Polyquaternium-11 und Cetyltrimethylammoniumchlorid. Die Pump-Sprühlotion nach Beispiel 2 enthält ein PVP/VA-Copolymer und Cetyltrimethylammoniumchlorid. Der Pump-Schaumfestiger nach Beispiel 3 enthält zusätzlich Polyvinylpyrrolidon, Cetrimoniumchlorid und ein Betain. Die haartechnischen Untersuchungen in diesen Beispielen beschäftigen sich allerdings nur mit den Nebeneffekten (wie Abstauben des Polymers, stärkere Festigung, weniger Belastung und natürlicher Griff) nicht aber mit dem angestrebten langanhaltenden Volumeneffekt, können also keine Aussage darüber liefern, ob die nach dem Streitpatent angestrebte Aufgabe im beanspruchten Umfang gelöst ist.

7.2.5 Lediglich das Beispiel 5 veranschaulicht eine Pump-Sprühlotion, mit der die damit behandelten Haare einen über einen ganzen Tag hinweg anhaltenden Volumeneffekt zeigen, bei einer guten Festigung und einer guten Frisier- und Fönbarkeit. Dieser langanhaltende Volumeneffekt tritt aber nur dann ein, wenn die Lotion wenigstens vier Bestandteile enthält, nämlich ein spezifisches Terpolymer (Vinylcaprolactam/PVP/DMAPA Copolymer), ein kationisches Polymer (Polyquaternium-16), ein filmbildendes, nicht ionisches Polymer (PVP/VA Copolymer) und ein kationisches Tensid (Cetrimoniumphosphat). Daher ist der geltend gemachte langanhaltende Volumeneffekt nur für eine spezielle Kombination von vier obligatorischen Bestandteilen belegt, so dass die im Streitpatent beschriebene Aufgabe nicht im Umfang des erteilten Anspruchs 1 gelöst ist, der nur zwei Bestandteile umfasst. Es liegen keine weiteren Belege vor, dass der langanhaltende Volumeneffekt im beanspruchten Umfang des Hauptantrages erreicht werden könnte.

7.2.6 Aus dem vorstehenden ergibt sich, dass die im Streitpatent beschriebene Aufgabe im Umfang des erteilten Haarbehandlungsmittel als nicht gelöst angesehen werden kann. Die weiteren Vorteile nach dem Streitpatent beruhen auf der Beseitigung von unerwünschten Nebeneffekten, die im Zusammenhang mit den Volumengebenden Mitteln auftreten können, so dass ihnen keine eigenständige Bedeutung bei der Formulierung der Aufgabe zukommt. Somit muss die Aufgabe des Streitpatents weniger ehrgeizig formuliert werden.

7.2.7 Daher kann die der Erfindung zu Grunde liegende Aufgabe gegenüber D1 nur darin gesehen werden, weitere Haarbehandlungsmittel auf Basis von aus D1 bekannten Terpolymeren zur Verfügung zu stellen.

Naheliegen

8. Es ist die Frage zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nahe gelegt ist.

8.1 In D1 wird schon darauf hingewiesen, dass ein Aerosol-Haarspray vorzugsweise ein Haarkonditioniermittel enthält (Anspruch 17). Zur Lösung einer alternativen Aufgabenstellung wird der Fachmann solche Konditionierungmittel in Betracht ziehen, die ihm üblicherweise für solche Zwecke angeboten werden. Nach D7 lässt sich durch Zusatz von bestimmten Substanzen in Shampoos die Kämmbarkeit, Weichheit, Schmiegsamkeit, Griffigkeit und der Glanz, also auch die im Streitpatent angesprochenen haarpflegenden Eigenschaften, verbessern. D7 nennt hauptsächlich Polymere, kationaktive Verbindungen, insbesondere Handelsprodukte in Form von quaternisierten Ammoniumpolymeren. Diese Produkte fallen unter die Polymeren mit kationischen Gruppen nach Anspruch 3 des Streitpatentes. Obwohl diese Produkte für Shampoos beschrieben sind, wird dies den Fachmann nicht davon abhalten, Haarsprays nach D1 zu modifizieren, zumal Anspruch 1 generell auf Haarbehandlungsmittel gerichtet ist. Der Fachmann erhält somit eine Anregung bei der Formulierung weiterer Haarbehandlungsmittel, die in D1 beschriebenen Haarfixiermittel oder Pumpsprays mit solchen bekannten kationischen Polymeren nach D7 zu modifizieren. In gleicher Weise wird der Fachmann auch quaternisierte Panthenole nach D8 zur Modifizierung der Haarbehandlungsmittel nach D1 in Betracht ziehen, da sie die Substantivität des Haares erhöhen. Daher ist der Gegenstand des Hauptantrages ausgehend von D1 nahegelegt.

Beweisanzeichen

8.2 Bei den von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Beweisanzeichen für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit, nämlich der Befriedigung eines bestehenden Bedürfnisses und dem großen wirtschaftlichen Erfolg ist folgendes zu beachten:

8.2.1 Solche Beweisanzeichen sind lediglich Hilfserwägungen für die Beurteilung erfinderische Tätigkeit und stellen keinen Ersatz für die technisch-fachmännische Bewertung der Erfindung gegenüber dem Stand der Technik nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz dar. Ferner sind solche Beweisanzeichen nur in den Zweifelsfällen von Bedeutung, wenn die objektive Bewertung der Lehren des Standes der Technik noch kein klares Bild ergibt (Rechtsprechung, supra, I.D.9).

8.2.2 Bei der Befriedigung eines bestehenden Bedürfnisses ist zu beachten, dass dieses eine lange Zeit bestanden haben muss. Der Zeitfaktor und das Alter der Entgegenhaltung spielen dabei eine maßgebliche Rolle (Rechtsprechung, supra, I.D.9.4). Die als nächstliegender Stand der Technik herangezogenen Druckschriften D1 und D8 sind nur vier beziehungsweise acht Jahre vor dem Anmeldetag veröffentlich worden und können so nicht als Anzeichen eines seit langem bestehenden dringenden Bedürfnisses für die Schaffung eines lang anhaltenden Volumeneffektes gewertet werden.

8.3 Der in D14 beschriebene wirtschaftliche Erfolg kann durch Werbemaßnahmen oder durch eine effiziente Verkaufstechnik erzielt worden sein (Rechtsprechung, supra, I.D.9.5). Er geht insbesondere nicht unmittelbar auf die beanspruchte Zusammensetzung zurück, die nach Anspruch 1 des Hauptantrages lediglich zwei Bestandteile (a) und (b) umfasst. Der angebliche Erfolg nach D14 kann allenfalls mit der getesten Sprühlotion in Verbindung gebracht werden, die weitgehend der Zusammensetzung des Beispiels 5 des Streitpatentes entspricht und vier wesentliche Bestandteile (a) bis (d) enthält (vgl. obigen Punkt 7.2.5). Eine solche Zusammensetzung mit vier Bestandteilen spiegelt sich aber im erteilten Anspruch 1 nicht wider. Der angebliche Erfolg kann also nicht unmittelbar der Zusammensetzung des beanspruchten Produktes zugeschrieben werden und ist damit für den Hauptantrag nicht aussagefähig.

8.4 Daher sind die vorgebrachten Beweisanzeichen nicht stichhaltig und können die erfinderische Tätigkeit des Hauptantrages nicht begründen.

8.5 Aus dem vorstehenden ergibt die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit nach dem Aufgabe-Lösung-Ansatz ein klares Bild, dass der Fachmann ausgehend von D1 in nahe liegender Weise zum Anspruch 1 des erteilten Patents gelangt. Bei dieser Sachlage braucht nicht noch weiter untersucht zu werden, wie die erfinderische Tätigkeit des Streitpatents ausgehend von D8 zu beurteilen wäre, da bei dem im Streitpatent selbst gewählten Ausgangspunkt Anspruch 1 nicht erfinderisch ist.

Hilfsanträge 1 bis 3

9. Die Hilfsanträge 1 bis 3 wurden mit Eingabe vom 28. September 2007 etwa einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht. Die Ansprüche lagen in Reinschrift vor, enthielten jedoch keine Hinweise, welche Änderungen in den Ansprüchen vorgenommen wurden. Hierzu sind auch keine Erläuterungen in der begleitenden Eingabe zu finden, obwohl im Ladungsbescheid ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, anzugeben, welche Änderungen gegenüber den erteilten Ansprüchen vorgenommen wurden und wo die Basis für die Änderungen zu finden sind. Die Änderungen in den Ansprüchen sind relativ komplex und betreffen die Zusammenfassung von Merkmalen aus Ansprüchen, die Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung, sowie Streichungen aus umfangreichen Listen. Gerade die letzte Form der Änderungen ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Es wäre eigentlich Aufgabe der Patentinhaberin gewesen, bereits im Vorfeld der mündlichen Verhandlung diese Änderungen zu erläutern (siehe Bescheid vom 24. Juli 2007, Punkt 6.), damit die Verhandlung zügig durchgeführt werden könnte.

Hilfsantrag 1

9.1 Im Anspruch 1 und 6 des 1. Hilfsantrages wurde der Bestandteil (b) auf ein Polymer eingeschränkt, welches quaternäre Amingruppen enthält. Der neue Unteranspruch 2 geht auf den erteilten Anspruch 5 zurück, wobei die Liste der kationischen Polymeren verkürzt wurde und Verbindungen wie Chitosan, Chitosansalze und Chitosanderivate gestrichen wurden. Die gleiche Änderung ergibt sich auch im Anspruch 7. Normalerweise können nur durch Änderungen in einem unabhängigen Anspruch Einspruchsgründe nach Regel 57 a EPÜ ausgeräumt werden. Dies gilt in aller Regel nicht für Änderungen in Unteransprüchen.

9.2 Bei den gestrichenen Verbindungen handelt es sich um kationische Polymere, da diese im erteilten Anspruch 5 und 11 als solche bezeichnet sind (siehe auch Seite 9, Zeilen 3 und 4 der ursprünglichen Unterlagen). Nach den ursprünglichen Unterlagen kommen als Chitosanderivate auch quaternisierte Derivate in Betracht (Seite 9, Zeilen 1 bis 4 von unten). Die Streichung sämtlicher Chitosanderivate aus den Ansprüchen 2 und 7 ist daher weder durch die Änderung im Anspruch 1 bzw. 6 (Polymer mit quaternären Amingruppen) bedingt, noch räumt sie einen Einspruchsgrund nach Regel 57 a EPÜ aus. Der erste Hilfsantrag ist daher nach Regel 57 a EPÜ zu beanstanden und daher nicht zulässig.

Hilfsantrag 2

9.3 Im Anspruch 5 des 2. Hilfsantrages sind Änderungen bei der Definition der Bestandteile (a), (b) und (d) erfolgt. Bei Bestandteil (a) ist das basische Acrylamidmonomere durch das besonders bevorzugte Dimethylaminopropylmethacrylamid spezifiziert, wie der ursprünglichen S. 3, Zeilen 5 und 6 zu entnehmen ist. Dieses Monomer ist als einziges basisches (Meth)acrylamid im Streitpatent erwähnt. Diese Änderung wurde von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet.

9.4 Das kationische Polymere (b) ist auf einen Teil der Liste von im erteilten Anspruch 11 aufgeführten kationischen Polymeren beschränkt, wobei diese Liste von Verbindungen durch eine Streichung verkürzt ist und nunmehr Chitosan, Chitosansalze und Chitosanderivate nicht mehr enthält. Das kationische Tensid (d) wurde durch die allgemeine Formel (i) entsprechend dem erteilten Anspruch 13 mit der Maßgabe eingeschränkt, dass aromatische Gruppen, Arylgruppen und Alkarylgruppen gestrichen wurden. Der geänderte Anspruch 5 weist also Streichungen in zwei Listen von einander völlig unabhängigen Bestandteile (b) und (d) der Zusammensetzung auf. Diese Streichung in zwei Listen führt zu einer Aussonderung von besonderen Kombinationen, da nunmehr nur noch Tenside mit aliphatischen Gruppen in Kombination mit bestimmten kationischen Polymeren umfasst sind. Für diese spezielle Kombination findet sich aber in den Anmeldungsunterlagen keine Basis, so dass Artikel 123 (2) EPÜ verletzt ist.

Hilfsantrag 3

9.5 Anspruch 5 von Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von Anspruch 5 von Hilfsantrag 2 bezüglich der Bestandteile (b) und (d) noch dadurch, dass im Bestandteil (b) zusätzlich die kationisch derivatisierten Polysaccharide gestrichen sind. Damit führt diese weitere Streichung zu einer noch kürzeren Liste beim Bestandteil (b) (zwei Polymere). Die Streichung in zwei Listen der voneinander unabhängigen Bestandteile (b) und (d) führt zu einer Aussonderung in Form von besonderen Kombinationen in der Zusammensetzung. Es gelten somit die gleichen Überlegungen für Hilfsantrag 3, wie bei Anspruch 5 von Hilfsantrag 2 erläutert ist (Punkte 9.3 und 9.4). Daher ist auch Hilfsantrag 3 nach Artikel 123(2) EPÜ nicht zulässig.

9.6 Die Hilfsanträge 1 bis 3 sind somit nicht zulässig.

4. Hilfsantrag

10. Die Kammer hatte der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung am 7. November 2007 noch eine Gelegenheit gegeben, einen weiteren Hilfsantrag 4 einzureichen, um die Einwände zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrages auszuräumen.

Berichtigung nach Regel 140 EPÜ 2000 (Regel 89 EPÜ 1973)

10.1 Wie in der Mitteilung der Kammer vom 16. November 2007 erläutert ist und zutreffend von der Beschwerdegegnerin bestätigt wurde (vgl. Punkt XIII), weist, gegenüber dem mündlichen Vortrag der Beschwerdegegnerin, wie von der Kammer und allen Parteien verstanden, die mit handschriftlichen Änderungen eingereichte Version von Anspruch 1, Merkmal (a), eine offenbare Unrichtigkeit auf, die wie folgt zu korrigieren ist:

"(a) 0,01 - 20 Gew.% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und Dimethylaminopropylmethacrylamid,"

Dieser Korrektur haben auch die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin zugestimmt (vgl. Punkte XIII und XIV).

Die Berichtigung eines offensichtlichen Fehlers bei den während der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche, auf die die Entscheidung gestützt wurde, ist auch nach Verkündigung der Entscheidung nach Regel 140 EPÜ 2000 (Regel 89 EPÜ 1973) zulässig (T 965/98 vom 3. Mai 1999 und 26. August 1999, Punkt 2; vgl. Rechtsprechung, supra, VI.M.6.1).

10.2 Um die offenbaren Unrichtigkeiten im Merkmal (a) zu berichtigen, trifft die Kammer hiermit gemäß Regel 140 EPÜ 2000 (Regel 89 EPÜ 1973) eine Berichtigungsentscheidung entsprechend der Entscheidungsformel.

10.3 Im folgenden wird daher von der berichtigten Fassung des Hilfsantrages 4 ausgegangen.

Verspätung

10.4 Anspruch 1 geht im wesentlichen auf den erteilten Anspruch 9 zurück und berücksichtigt Änderungen, die bereits in den jeweiligen Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 und 3 aufgeführt sind (vgl. insbesondere das Merkmal "Dimethylaminopropylmethacrylamid"). Die Aufnahme der Obergrenzen der Mengenangaben hatte sich aus der Diskussion zur erfinderischen Tätigkeit ergeben. Die Beschwerdeführerin konnte sich daher auf solche Änderungen einstellen. Da Hilfsantrag 4 im Ergebnis zu einer gewährbaren Fassung führt, hat die Kammer den verspäteten Antrag im Rahmen ihres Ermessens ins Verfahren zugelassen (Rechtsprechung, supra, VII.D.14.1).

Änderungen

11. Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 geht auf den ursprünglichen und erteilten Anspruch 9 zurück. Hierbei wurde das basische Acrylamidmonomere durch das besonders bevorzugte Dimethylaminopropylmethacrylamid spezifiziert, wie der ursprünglichen Seite 3, Zeilen 5 und 6 zu entnehmen ist. Ferner wurden die Gewichtsangaben eingeschränkt und zwar entsprechend der ursprünglichen Seite 21, Zeilen 6, 10, 13 und 16 (Patentschrift, Paragraph 0045). Gegen die vorgenommen Änderungen hatte die Beschwerdeführerin keine Bedenken. Die vorgenommenen Änderungen sind somit aus den ursprünglichen Unterlagen direkt und unmittelbar ableitbar und führen zu einer Einschränkung des Schutzbereiches und sind daher nach Artikel 123(2) und (3) EPÜ nicht zu beanstanden.

Klarheit

12. Die Beschwerdeführerin war allerdings der Auffassung, dass Anspruch 1 eine Mischform aus Mittel- und Vorrichtungsanspruch enthalte und daher nach Artikel 84 EPÜ unklar sei.

Die Mischform von Mittel- und Vorrichtungsanspruch war jedoch bereits Gegenstand des erteilten Anspruchs 9, so dass die vorgenommenen Änderungen nicht die Mischform in der erteilten Fassung berühren. Da mangelnde Klarheit kein Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ ist, können im Einspruchsverfahren nur Einwände gegen Änderungen berücksichtigt werden, nicht aber gegenüber bereits in der erteilten Fassung vorliegende Merkmale (Rechtsprechung, supra, VII.C.6.2). Der vorgebrachte Einwand kann daher nach Artikel 102 (3) EPÜ nicht berücksichtigt werden.

Neuheit

13. Die Neuheit von Hilfsantrag 4 wurde nicht angegriffen. Sie ergibt sich auch aus der nachfolgenden Diskussion zur erfinderischen Tätigkeit.

Erfinderische Tätigkeit

14. Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt. Zum einen ist das Haarbehandlungsmittel statt durch zwei Bestandteile (a) und (b) durch vier Bestandteile (a) bis (d) definiert. Hierbei ist der Bestandteil (a) durch ein ganz bestimmtes individualisiertes Terpolymer präzisiert. Der Bestandteil (b) ist nun ein kationisches Polymer und nicht mehr irgendein haarpflegender Stoff mit mindestens einer kationaktiven Gruppe. Das beanspruchte Haarbehandlungsmittel enthält ferner als Bestandteile (c) ein filmbildendes, nichtionisches Polymer sowie als Bestandteil (d) ein kationisches Tensid. Darüberhinaus sind die Mengen der Bestandteile (a) bis (d) durch spezielle Gewichtsbereiche präzisiert.

Nächstliegender Stand der Technik

14.1 Bei Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dieses Hilfsantrages sind die Parteien übereinstimmend nur noch von D1 als nächstliegenden Stand der Technik ausgegangen. Die Kammer sieht nach der erfolgten Einschränkung von Anspruch 1 auf eine Vierkomponentenzusammensetzung keine Veranlassung einen anderen Ausgangspunkt als das Dokument D1 zu wählen (siehe auch obige Punkte 6.2 bis 6.6).

Aufgabe und Lösung

14.2 Es stellt sich die Frage, ob die in der Streitpatentschrift beschriebene Aufgabe, nämlich einen langanhaltenden Volumeneffekt zu erzielen, im beanspruchten Umfang gelöst ist. Der langanhaltende Volumeneffekt ist durch das Beispiel 5 im Streitpatent belegt. Vergleicht man die Zusammensetzung von Beispiel 5 des Streitpatentes mit der Zusammensetzung von Anspruch 1, so ergibt sich, dass der Bestandteil (a) durch ein spezifisches Terpolymer (Vinylcaprolactam/PVP/DMAPA Copolymer), das kationische Polymer (b) durch Polyquaternium-16, das filmbildende, nicht ionische Polymer (c) durch ein PVP/VA Copolymer und das kationisches Tensid (d) durch Cetrimoniumphosphat verwirklicht ist. Damit enthält die Zusammensetzung der Pump-Sprühlotion von Beispiel 5 alle wesentlichen Bestandteile von Anspruch 1, die notwendig sind, um einen über einen ganzen Tag hinweg anhaltenden Volumeneffekt bei guter Festigung und einer guten Frisier- und Fönbarkeit zu erreichen (Streitpatent, Paragraph 0062).

14.3 Dieser Volumeneffekt wird durch eine Zusammensetzung in Dokument 14 bestätigt, die bezüglich der qualitativen Zusammensetzung mit derjenigen von Beispiel 5 identisch ist und nur hinsichtlich der Mengen abweicht.

An diesem Verbrauchertest nahmen 60 Personen teil, die regelmäßig übliche Volumenprodukte verwendeten. Das Produkt wurde zuhause zwei Wochen lang bei durchschnittlich neun Anwendungen pro Person getestet. 81% der Testpersonen waren dabei der Auffassung, dass der Volumeneffekt einen ganzen Tag andauerte, was das Versuchsergebnis in Beispiel 5 bestätigt. Daher ist ein langanhaltende Volumeneffekt im nunmehr beanspruchten Umfang belegt.

14.4 Somit kann die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D1 gelöste Aufgabe darin gesehen werden, ein Haarbehandlungsmittel zur Verfügung zu stellen, welches sich durch einen über einen ganzen Tag lang anhaltenden Volumeneffekt auszeichnet und gleichzeitig gute Frisier- und Föneigenschaften hat.

Naheliegen

14.5 Das Dokument D1 selbst gibt keinerlei Hinweise wie ein über einen Tag anhaltender Volumeneffekt des Haares erzielt werden kann. Der Fachmann wird daher auch nicht angeregt, neben dem Bestandteil (a) drei weitere in D1 nicht angesprochene, spezifische Bestandteile (b) bis (d) zu verwenden.

14.6 Das Dokument D7 beschäftigt sich nicht mit einem langanhaltenden Volumeneffekt und beschreibt nur kationische Polymere als geeignete Konditionierungsmittel, um bestimmte haarpflegende Eigenschaften in Shampoos zu erzielen. Das Dokument D7 enthält keinen Hinweis auf die Bestandteile (c) und (d) und gibt daher dem Fachmann auch keine Anregung das Dokument D1 in Richtung auf die beanspruchte Erfindung zu modifizieren.

14.7 Das Dokument D8 beschreibt ebenfalls keinen über einen Tag lang andauernden Volumeneffekt des Haares und verwendet lediglich ein spezifisches quaternisiertes Panthenol, dass ein kationisches Tensid (d) sein kann. Es fehlt aber jeglicher Hinweis auf den Bestandteil (a) und jegliche Anregung, diesen Bestandteil zusammen mit den weiteren Bestandteilen (b) und (c) zur Erzielung eines langanhaltenden Volumeneffektes in Kombination einzusetzen.

14.8 D5 erwähnt zwar den Monomerbestandteil Dimethylaminopropylmethacrylamid, ohne jedoch das konkrete, beanspruchte Terpolymer (a) zu spezifizieren. Auch das konkrete kationische Tensid Stearyldimethylammoniumchlorid in einem spezifischen Beispiel hilft dem Fachmann nicht weiter, da D5 keinen Hinweis gibt, diesen Bestandteil zur Lösung eines langanhaltenden Volumeneffekt einzusetzen.

14.9 Der Fachmann erhält somit durch D5, D7 oder D8 keinerlei Anregung eine Haarsprayzusammensetzung nach D1 in Richtung auf Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 zu modifizieren. Der übrige im Verfahren diskutierte Stand der Technik liegt noch weiter ab, zumal sich keiner mit einem über einen Tag lang anhaltenden Haarvolumeneffekt beschäftigt.

Anderer Ausgangspunkt

15. Auch ein anderer Ausgangspunkt als D1 würde zu keinem anderen Ergebnis führen. Das beim Hauptantrag diskutierte Dokument D8 liegt für Hilfsantrag 4 noch weiter ab, da die bekannte Zusammensetzung keine der jetzt beanspruchten Bestandteile (a) und (b) in Kombination umfasst und auch den über einen Tag anhaltenden Volumeneffekt nicht anspricht, so dass die ausgehend von D1 definierte Aufgabe entsprechend auch für D8 gelten würde (siehe obigen Punkt 14.4). Der weiter diskutierte Stand der Technik (siehe Punkt 14.5 bis 14.9) einschließlich Dokument D1, gibt dem Fachmann keine Anregung, D8 in Richtung auf die nunmehr beanspruchte Kombination der Merkmale (a) bis (d) zu modifizieren, um die relevante Aufgabe zu lösen.

16. Daher hat auch bei Zusammenschau des nachgewiesenen Standes der Technik weder ausgehend von D1 noch von D8 der Gegenstand von Hilfsantrag 4 nahe gelegen und weist auch die erforderliche erfinderische Tätigkeit auf. Dieser Anspruchsatz ist daher in der korrigierten Fassung gewährbar, so dass das angegriffene Patent in diesem Umfang aufrechterhalten werden kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen, mit der Anordnung, das Patent auf der Basis der Ansprüche 1 bis 4 des in der mündlichen Verhandlung am 7. November 2007 eingereichten Hilfsantrags 4, wobei das Merkmal (a) von Anspruch 1 korrekt wie folgt zu lesen ist: "(a) 0,01 - 20 Gew.% mindestens eines Terpolymeren aus Vinylpyrrolidon, Vinylcaprolactam und Dimethylaminopropylmethacrylamid," und einer daran noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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