T 0163/04 () of 30.11.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T016304.20061130
Datum der Entscheidung: 30 November 2006
Aktenzeichen: T 0163/04
Anmeldenummer: 98916841.4
IPC-Klasse: B62D 65/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Fahrzeugdach und Verfahren zur Montage des Fahrzeugdachs an einer Karosserie
Name des Anmelders: ArvinMeritor GmbH
Name des Einsprechenden: Webasto Vehicle Systems International GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gegen das europäische Patent Nr. 0 964 814 eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ gestützte Einspruch wurde von der Einspruchsabteilung mit der am 13. November 2003 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen. Der Einspruch wurde unter anderem auf die folgenden, vor der ersten Instanz zitierten Dokumente gestützt:

D1: FR-A-2 529 844

D3: DE-A-28 45 708

D4: Artikel "Moduldachsysteme für eine kundengerechte Fahrzeugindividualisierung", A. Weißbrich et al., VDI-Berichte Nr. 1264, 1996, Seite 513 bis 534

II. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr am 19. Januar 2004 Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung ist am 2. März 2004 eingegangen.

III. Am 30. November 2006 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde bzw. die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2.

IV. Die unabhängigen Patentansprüche 1, 2, 3 und 12 in der erteilten Fassung lauten wie folgt:

"1. Fahrzeugdach, insbesondere Kraftfahrzeugdach, das sandwichartig und an seiner Innenschale (2) als Dachhimmel ausgebildet, getrennt von der Fahrzeugkarosserie hergestellt, mit seinen Außenrändern auf einen Karosserierahmen (4) auflegbar und mit diesem fest verbindbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Innenschale (2) im Bereich der zur Auflage auf den Karosserierahmen (4) vorgesehenen Außenränder in zwei Schichten (5, 6) aufgeteilt ist, von denen die obere Schicht (5) auf den Karosserierahmen (4) auflegbar ist, während die untere Schicht (6) über die Außenränder des Fahrzeugdachs übersteht, für den Durchtritt durch die von dem Karosserierahmen (4) begrenzte Karosserieöffnung (35) unter partieller Faltung in den Eckbereichen nach unten ohne bleibende Deformationen umbiegbar und zur Verkleidung des Karosserierahmens (4) ausgebildet ist."

"2. Fahrzeugdach, insbesondere Kraftfahrzeugdach, das sandwichartig und an seiner Innenschale (2) als Dachhimmel ausgebildet, getrennt von der Fahrzeugkarosserie hergestellt, mit seinen Außenrändern auf einen Karosserierahmen (4) auflegbar und mit diesem fest verbindbar ist,

dadurch gekennzeichnet, daß die Innenschale (2) außen mit einer starren Dachhaut (1) versehen ist, deren

Außenränder zur Auflage auf den Karosserierahmen (4) vorgesehen sind, während die unterhalb der Dachhaut (1) befindliche Innenschale (2) im Bereich der Auflage auf den Karosserierahmen (4) nicht mit der Dachhaut (1) verbunden ist, über die Außenränder des Fahrzeugdachs übersteht, für den Durchtritt durch die von dem Karosserierahmen (4) begrenzte Karosserieöffnung (35) unter partieller Faltung in den Eckbereichen nach unten ohne bleibende Deformationen umbiegbar und zur Verkleidung des Karosserierahmens (4) ausgebildet ist."

"3. Fahrzeugdach, insbesondere Kraftfahrzeugdach, das sandwichartig an seiner Innenschale (29) als Dachhimmel ausgebildet, getrennt von der Fahrzeugkarosserie hergestellt, mit seinen Außenrändern auf einen Karosserierahmen (4) auflegbar und mit diesem fest verbindbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß der als Innenschale (29) vorgeformte Dachhimmel mit Abstand zu einer starren Dachhaut (1) an einem unterhalb der Dachhaut befestigten Schiebedachrahmen (25) angebracht ist, über die Außenränder des Fahrzeugdachs übersteht, für den Durchtritt durch die von dem Karosserierahmen (4) begrenzte Karosserieöffnung (35) unter partieller Faltung in den Eckbereichen nach unten ohne bleibende Deformationen umbiegbar und zur Verkleidung des Karosserierahmens (4) und des Schiebedachrahmens (25) ausgebildet ist."

"12. Verfahren zur Montage des nach einem der vorangehenden Ansprüche ausgebildeten Fahrzeugdachs an einem Karosserierahmen (4), dadurch gekennzeichnet, daß

(a) die über die Außenränder des Fahrzeugdachs überstehende Innenschale (2) bzw. die untere Schicht (6) der Innenschale (2) unter partieller Faltung in den Eckbereichen nach unten umgebogen wird,

(b) das Fahrzeugdach unter Durchtritt der umgebogenen Bereiche der Innenschale durch den Karosserierahmen (4) hindurch mit seinen Außenrändern von oben dem Karosserierahmen (4) aufgelegt und daran befestigt wird, und

(c) die Innenschale (2) mit ihren zur Verkleidung des Karosserierahmens (4) ausgebildeten Bereichen zurückgebogen, an die nach unten bzw. innen weisenden Flächen des Karosserierahmens (4) angelegt und dann am Karosserierahmen (4) befestigt werden."

V. Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen Folgendes vor:

In Bild 9 des Dokuments D4 sei ein Moduldach gezeigt, das sämtliche Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs 2 des Streitpatents offenbare. Das Modul könne von oben in der Dachöffnung eines Kraftfahrzeugs montiert werden (vgl. schwarze, senkrecht nach unten gerichtete Pfeile) und weise offensichtlich an seiner Oberseite eine starre Dachhaut auf, an deren Unterseite eine Innenverkleidung vorgesehen sei. Die Innenverkleidung sei in ihrem zentralen Bereich sandwichartig fest mit der Unterseite der starren Dachhaut verbunden und bestehe beispielsweise aus einem ausgeschäumten Himmelstoff (vgl. S. 528, erster Absatz). Randbereiche am Umfang der Innenverkleidung seien entlang von in Bild 9 klar ersichtlichen Faltlinien scharnierartig nach unten für den Durchtritt der Innenverkleidung durch die Dachöffnung umbiegbar. Aus den in Bild 9 dargestellten, gekrümmten Pfeilen sei ersichtlich, dass die in der Darstellung von Bild 9 nach unten umgebogenen Randbereiche der Verkleidung nach dem Einsetzen des Moduldaches in der Dachöffnung nach oben geklappt werden könnten. Da es sich bei der Darstellung von Bild 9 um eine korrekte perspektivische Darstellung eines Fahrzeuges handele, sei aus dieser Darstellung auch klar entnehmbar, dass die Randbereiche im nach oben geklappten Zustand über den Rand der Dachhaut überstünden. Der einzige, für den Fachmann vorstellbare sinnvolle Grund für ein solches "Nach-Oben-Klappen" nach der Montage liege darin, dass diese umbiegbaren Randbereiche der Innenverkleidung zur Überdeckung des die Dachöffnung umgebenden Karosserierahmens vorgesehen seien. Dabei sei für den Fachmann auch selbstverständlich, dass das Umbiegen der Randbereiche ohne bleibende Deformationen erfolgen solle, da andernfalls ästhetisch störende Beeinträchtigungen der Innenverkleidung auftreten würden. Zumindest im linken vorderen und im linken hinteren Eckbereich der Innenverkleidung von Bild 9 sei offensichtlich jeweils eine mit der feststehenden zentralen Fläche der Innenverkleidung an ihrem oberen Ende scharnierartig verbundene, nach unten umbiegbare Klappe zu sehen, die bei der Montage des Moduldaches bezüglich des zentralen Bereichs der Innenverkleidung nach unten gefaltet werde. Bei entsprechender, nicht ungerechtfertigt enger Auslegung des Begriffs der "partiellen Faltung" handele es sich dabei durchaus um eine partielle Faltung der Klappe in dem Eckbereich, nämlich dem Bereich, in welchem sie mit dem feststehenden zentralen Bereich der Innenverkleidung verbunden sei.

Sollte die Kammer zum Schluss gelangen, dass die Neuheit gegeben sei, dann ergebe sich ohnehin der Gegenstand des Patentanspruchs 2 in naheliegender Weise aus D1, die zweifelsohne den nächstliegenden Stand der Technik darstelle. D1 beschreibe ein Moduldach, das aus einer tragenden Dachhaut und einer aus Schaummaterial gebildeten Innenschale 11 bestehe. Die Innenschale weise Randbereiche 131, 132, 133, 134 auf, welche über die Dachhaut 2 bzw. 4 seitlich, sowie vorn und hinten überstünden. Diese überstehenden Bereiche seien nach unten ohne bleibende Deformation umbiegbar, wobei zumindest die seitlich überstehenden Bereiche 133, 134 nach der Montage der Dachhaut von unten an die Seitenholme angelegt würden, um diese zu verkleiden (siehe Fig. 5). Der Begriff "Karosserierahmen" sei im Streitpatent nicht näher definiert und sei insofern breit auszulegen. Folglich könnten die beiden Seitenholme der Karosserie der Dl durchaus als Karosserierahmen im Sinne von Anspruch 2 des Streitpatents verstanden werden. Es wäre jedoch auch für den Fachmann trivial, das Dachmodul der Dl auch für einen geschlossenen Karosserierahmen zu verwenden, da die seitlich umbiegbaren Bereiche 133, 134 und die vorderen bzw. hinteren umbiegbaren Bereiche 131, 132 funktional völlig äquivalent ausgebildet seien, so dass durch Hochklappen der vorderen und hinteren umbiegbaren Randbereiche auch ein geschlossener Dachrahmen mit vorderem und hinterem Querholm verkleidet werden könnte. Die Eckbereiche des Himmels seien gemäß der Darstellung von Fig. 1 jeweils ausgeschnitten, so dass als einziger wesentlicher Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 2 des Streitpatents und dem Dachmodul der Dl verbleibe, dass die Innenschale des Dachmoduls so ausgebildet sei, dass sie auch an den Eckbereichen überstehe und dass das Umbiegen der überstehenden Randbereiche nach unten unter partieller Faltung in den Eckbereichen erfolge.

Aus diesem Unterscheidungsmerkmal zu D1 und den daraus entstehenden technischen Wirkungen ergebe sich daher für den Fachmann die objektive Aufgabe, ein modulartiges Fahrzeugdach zu schaffen, welches noch kürzere Endmontagezeiten benötige und bei vollständiger Verkleidung des Dachrahmens eine fugenlose Gestaltung des gesamten Dachhimmels ohne zusätzliche Abdeckelemente auch in den Eckbereichen ermögliche.

Eine fugenlose Gestaltung eines Falthimmels, der den Dachrahmen auch in den Eckbereichen vollständig verkleiden solle, ohne dass zusätzliche Abdeckelemente in den Eckbereichen erforderlich seien, sei jedoch grundsätzlich nur möglich, wenn der Dachhimmel einstückig ausgebildet sei. Eine alternative Lösung ohne einstückige Gestaltung des Dachhimmels existiere für diese Aufgabe offenbar nicht. Eine einstückige Ausbildung eines faltbaren Dachhimmels bei einem Dachmodul gemäß Dl, bei welchem die umbiegbaren Randbereiche des Himmels seitlich über den Dachrahmen und die Dachhaut überstünden, erfordere jedoch zwangsläufig eine partielle Faltung in den Eckbereichen bei der Montage des Dachmoduls am Fahrzeug, um die seitlich überstehenden Randbereiche des Himmels auch in den Eckbereichen durch die Rahmenöffnung führen zu können. Auch hier sei schon aus rein geometrischen Gründen offensichtlich keine alternative Lösung ohne partielle Faltung in den Eckbereichen vorstellbar.

Somit wäre der von dem Dachmodul gemäß Dl ausgehende und mit der oben genannten Aufgabe konfrontierte Fachmann zwangsläufig und somit in naheliegender Weise zu der im Anspruch 2 des Streitpatents beanspruchten Lösung gelangt. Bedingt durch die Aufgabenstellung habe für den Fachmann somit gewissermaßen eine "Einbahnstraßensituation" bestanden.

Schließlich werde auch ausgehend vom Dokument D4 und aufgrund einer ähnlichen Argumentation die Merkmalskombination des Patentanspruchs 2 nahegelegt.

Auch die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1, 3 und 12 seien aus ähnlichen Gründen wie der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 2 nicht schutzfähig.

VI. Zu der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumentation lassen sich die Gegenargumente der Beschwerdegegnerin wie folgt zusammenfassen:

Der Gegenstand des Patentanspruchs 2 sei neu gegenüber dem Inhalt des Dokuments D4. Insbesondere sei dem Dokument D4 nicht eindeutig und unmittelbar zu entnehmen, dass das hier gezeigte Moduldachsystem sandwichartig mit einer Innenschale ausgebildet sei. In keinem Fall sei in D4 vorgesehen, dass ein Karosserierahmen von der überstehenden Verkleidung auch in den Eckbereichen überdeckt werden solle.

Wie schon von der Einspruchsabteilung zu Recht festgestellt, werde der Gegenstand des Patentanspruchs 2 weder durch die Entgegenhaltung D1 noch durch das Dokument D4 nahegelegt. In keiner dieser Druckschriften sei das Konzept eines sandwichartig ausgebildeten Fahrzeugdaches offenbart, das zur Aufnahme auf den Karosserierahmen eines Fahrzeugs geeignet und mit einer vorgeformten flexiblen Innenschale ausgebildet sei, die nach dem Einbau des Daches zur vollständigen Verkleidung des Karosserierahmens vorgesehen sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist somit zulässig.

2. Der Gegenstand der unhängigen Ansprüche des Streitpatents

Die unhängigen Ansprüche 1, 2 und 3 beziehen sich auf drei Varianten eines Fahrzeugdachs und wurden gegenüber der Entgegenhaltung D3 abgegrenzt. D3 beschreibt ein Fahrzeugdach 11, das sandwichartig aus mindestens einer Innenschale und einer Außenschale besteht, wobei die Innenschale als Dachhimmel (Textilbelag 17) ausgebildet ist. Das Dach ist getrennt von der Fahrzeugkarosserie hergestellt und mit seinen Außenrändern auf einen geschlossenen, eine Karosserieöffnung begrenzenden Karosserierahmen (Holme 13) auflegbar und mit diesem fest verbindbar.

Beim Fahrzeugdach gemäß Anspruch 1 ist die Innenschale im Bereich der zur Auflage auf den Karosserierahmen vorgesehenen Außenränder in zwei Schichten aufgeteilt, von denen die obere Schicht auf den Karosserierahmen auflegbar ist, während die untere Schicht über die Außenränder des Fahrzeugdachs übersteht.

Beim Fahrzeugdach gemäß Anspruch 2 besteht die Außenschale aus einer starren Dachhaut, deren Außenränder unmittelbar, d.h. ohne zwischenliegende Schaumschicht, auf den Dachrahmen auflegbar und daran fest verbindbar sind.

Das Fahrzeugdach nach Anspruch 3 ist mit einer bereits funktionsfähigen, vormontierten Schiebedacheinheit versehen.

Der unabhängige Anspruch 12 bezieht sich auf ein Verfahren zur Montage des nach einem der unabhängigen Ansprüche 1 bis 3 ausgebildeten Fahrzeugdachs an einem Karosserierahmen.

Wie im Absatz [0008] der Beschreibung des Patents ausführlich erläutert, ist allen drei Varianten des erfindungsgemäßen Fahrzeugdachs gemäß den Merkmalen des kennzeichnenden Teils der jeweiligen Ansprüche 1 bis 3 gemeinsam, dass die vorgeformte, den Dachhimmel bildende Innenschale über die Außenränder des Fahrzeugdachs allseits übersteht, d.h. auch an den Ecken. Die Innenschale ist somit größer als die Innenabmessungen der von den Holmen des geschlossenen Karosserierahmens begrenzten Karosserieöffnung und an den überstehenden Bereichen so flexibel oder elastisch, dass sie für den Durchtritt durch die von dem Karosserierahmen begrenzte Karosserieöffnung unter partieller Faltung in den Eckbereichen nach unten ohne bleibende Deformation umbiegbar und zur Verkleidung des Karosserierahmens ausgebildet ist. Die überstehenden Bereiche des Dachhimmels bilden somit die Verkleidungen für die Dachrahmenprofile, so dass zusätzliche Abdeckleisten und Abdeckprofile nicht erforderlich sind. Das getrennt hergestellte erfindungsgemäße Fahrzeugdach bringt in einteiliger Ausbildung schon alle Elemente mit, die nach dem Aufsetzen und Befestigen des Fahrzeugdachs auf den bzw. an dem Karosserierahmen zur vollständigen Verkleidung des Karosserierahmens erforderlich sind.

3. Neuheit

Das Dokument D4 beschreibt das Konzept eines modularen Dachsystems, das von oben auf die Fahrzeugkarosserie montiert wird. Das Moduldachsystem besteht aus folgenden Baugruppen (vgl. Seite 521):

- Dachblech (Basismodul) bzw. das Dachsystem (Systemmodul),

- Rahmen

- Innenverkleidung.

Diese Moduldachsysteme können auf Fahrzeuge verschiedenen Designs montiert werden, wobei der Rahmen den Adapter zwischen Fahrzeug und Modul bildet (Seite 524, Punkt 3.1.2). Die Gestaltung des Rahmens wird im Wesentlichen vom Fahrzeugrohbau und -design bestimmt (Seite 525, vorletzter Absatz und Bild 7.2). Der Rahmen ist somit ein Teil des Moduldachsystems.

Auch wenn gemäß den Ausführungen der Beschwerdeführerin davon ausgegangen wird, dass im Bild 9 von D4 das gesamte Modul gezeigt wird und dass die hier gezeigten Randbereiche der Innenverkleidung nach dem Einsetzen des Moduldaches in der Dachöffnung nach oben geklappt werden können, ist jedoch die von der Beschwerdeführerin aufgestellte Behauptung rein spekulativ, wonach der einzig für den Fachmann sinnvolle Grund für ein solches "Nach-Oben-Klappen" nach der Montage darin liege, diese umbiegbaren Randbereiche der Innenverkleidung zur Verkleidung des die Dachöffnung umgebenden Karosserierahmens vorzusehen. In D4 ist nicht offenbart, dass die Außenränder des Dachmoduls zur Auflage auf einen Karosserierahmen vorgesehen sind. D4 enthält nicht den geringsten Hinweis darüber, dass die Fahrzeugkarosserie einen zusätzlich zum bereits vorhandenen Dachrahmen, die Dachöffnung begrenzenden Karosserierahmen aufweist. In D4 ist die erforderliche Steifigkeit der Fahrzeugkarosserie bereits durch den im Dachmodul integrierten Rahmen gegeben. Es ist nicht ersichtlich, warum ein zusätzlicher, in Hinblick auf die Steifigkeit des Fahrzeugs überschwänglicher Karosserierahmen noch vorhanden sein sollte. Dazu sind die im Bild 9 von D4 dargestellten Umfangsrandbereiche der Innenverkleidung keinesfalls zur Verkleidung eines vermeintlichen die Dachöffnung umgebenden Karosserierahmens geeignet, sondern können allenfalls der Verkleidung des Rahmens des Moduls selbst dienen.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist dem Bild 9 von D4 auch nicht zu entnehmen, dass die Innenverkleidung über die Außenränder des Dachmoduls hinausgeht. Unter der Überschrift "Die Innenverkleidung" (vgl. D4, Seite 527, Punkt 3.1.3) ist in Verbindung mit dem Bild 9 im ersten Absatz der Seite 528 von D4 erwähnt, dass die Innenverkleidung der Module direkt an den Fahrzeugfesthimmel anschließt und dass die Abmessungen bei allen Modulen gleich sind, so dass die Anzahl an Festhimmelvarianten nur vom Angebot an Innenraumfarben abhängt. In Übereinstimmung mit dieser Aussage ist aus dem Bild 7.2 auf der Seite 525 von D4 ersichtlich, dass die mit dem Bezugszeichen 5 versehene Innenverkleidung der Module direkt an den Fahrzeughimmel der Karosserie anschließt. Der Fachmann hat somit keinen Grund anzunehmen, dass, wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt, die im Bild 9 dargestellte Situation anders als im Bild 7.2 sei, weil hier das Basismodul ohne Schiebedach dargestellt sei. Da eine volle Austauschbarkeit aller Module, sowohl der Basis- als auch der Systemmodule, untereinander gewährleistet werden soll (vgl. Seite 524, erster Absatz), ist in D4 kein Raum für die Interpretation der Beschwerdeführerin bzw. für eine Abweichung vom Prinzip der gleichen Abmessungen der Fahrzeughimmel bei den verschiedenen Modulen.

Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 2 des Streitpatents ist daher gegeben.

Aus den oben genannten Gründen erfüllen auch die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1, 3 und 12 des Streitpatents das im Artikel 52 (1) EPÜ verlangte Erfordernis der Neuheit (Artikel 54 EPÜ).

4. Erfinderische Tätigkeit

Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der Gegenstand des Anspruchs 2 des Streitpatents sich in naheliegender Weise aus der Entgegenhaltung D1, bzw. aus dem Dokument D4 ergebe.

D1 beschreibt ein Fahrzeugdach, das aus einer tragenden Außenschale 4, deren Außenhaut aus Stahlblech 2 geformt ist und aus einer aus Schaummaterial gebildeten Innenschale 11 besteht. Das Fahrzeugdach ist getrennt von der Karosserie hergestellt und auf die Karosserie montierbar. Es wird nicht auf einen die Karosserieöffnung begrenzenden Karosserierahmen, sondern lediglich auf zwei Seitenholme der Karosserie aufgesetzt (vgl. Figur 5). Vorne und hinten besitzt das Fahrzeugdach integrierte Holme 3 aus Blech, deren Kanten jeweils die Windschutzscheibe bzw. das Heckfenster aufnehmen (Seite 2, letzter Absatz).

Die Randbereiche 133, 134 des Himmels dienen der Verkleidung der Seitenholme der Karosserie, während die Randbereiche 131, 132 die im Fahrzeugdach integrierten, vorderen und hinteren Holme 3 verkleiden sollen. Die Randbereiche 131, 132 des Himmels stehen vorn und hinten nicht signifikant über die Holme 3 der Dachhaut 2 hinaus. Die Eckbereiche des Himmels sind gemäß der Darstellung von Fig. 1 jeweils ausgeschnitten. Es ist kein umlaufender Karosserierahmen vorhanden, der verkleidet werden soll. Es ist beim Fahrzeugdach gemäß D1 auch nicht möglich, durch Hochklappen der vier umbiegbaren Randbereiche 131-134 die Holme eines vermeintlichen Karosserierahmens vollständig zu verkleiden.

Aus den Darlegungen der Beschwerdeführerin ist nicht ersichtlich, welche Anregung der Fachmann aus dem Offenbarungsinhalt der D1 hätte bekommen können, um zum beanspruchten Gegenstand gemäß Patentanspruch 2 zu gelangen. Die Formulierung der Aufgabe in der Argumentationskette der Beschwerdeführerin zur erfinderischen Tätigkeit (fugenlose Gestaltung des Dachhimmels, kürzere Montagezeiten) beruht offensichtlich auf einer unzulässigen ex post facto Betrachtung. Für kürzere Montagezeiten oder eine fugenlose Gestaltung des Dachhimmels ergibt sich in D1 keine Veranlassung. D1 offenbart, wie nach dem Aufsetzen des Fahrzeugdachs die Innenverkleidung des Fahrzeughimmels durch das Zurückklappen und Auflegen der vier relativ starren Panels 131-134 vervollständigt werden kann. Bei diesem Montagevorgang entsteht keinesfalls der Bedarf nach kürzeren Montagezeiten. Warum bei dieser Ausgestaltung des Dachhimmels eine fugenlose Gestaltung vom Fachmann erwünscht werden könnte, ist auch nicht erkennbar. Die Argumentationskette der Beschwerdeführerin erscheint somit konstruiert in Kenntnis der Erfindung.

Auch in Kenntnis der Lehre der D4, die in Hinblick auf die erfindungsgemäße Ausbildung der Innenschale nicht über die der D1 hinausgeht, kommt der Fachmann zu keinem anderen Ergebnis.

Darüber hinaus lässt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin die beanspruchte Lösung nicht ohne weiteres aus der Aufgabenstellung erarbeiten, denn das Konzept einer flexiblen bzw. elastischen Ausbildung des Dachhimmels an den überstehenden Bereichen, derart dass dieser für den Durchtritt durch die von dem Karosserierahmen begrenzte Karosserieöffnung unter partieller Faltung in den Eckbereichen nach unten ohne bleibende Deformation umbiegbar und zur Verkleidung des Karosserierahmens ausgebildet ist, wird durch keines der zitierten Dokumente nahegelegt. In den Dokumenten D1 und D4 werden zur Innenverkleidung der Randbereiche einer Dachöffnung relativ steife Verkleidungsteile entlang scharnierartiger Verbindungsstellen umgeklappt. Eine solche Vorgehensweise bietet den Vorteil sehr kurzer Montagezeiten. Aufgrund der Beschaffenheit des hieraus bekannten verwendeten Abdeckmaterials lag der Weg zur erfindungsgemäßen Lösung nicht nahe, weil er ungelöste Schwierigkeiten (dauerhafte Materialstauchungen oder ­knickungen) mit sich gebracht hätte. Auch wäre a priori keine absehbare Verkürzung der Montagezeit zu erwarten. Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass die erfindungsgemäße Lösung durch die Dokumente D1 und D4 nicht nahegelegt wird.

Die Kammer kommt somit zum Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 2 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).

Die Varianten des erfindungsgemäßen Fahrzeugdachs gemäß den Ansprüchen 1 und 3 des Streitpatents beruhen auf demselben erfinderischen Konzept. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 3 erfüllen daher auch die Erfordernisse der Artikel 54 und 56 EPÜ.

Das Montageverfahren des nach einem der unabhängigen Ansprüche 1 bis 3 ausgebildeten Fahrzeugdachs gemäß dem unabhängigen Anspruch 12 des Streitpatents ist ebenfalls neu und erfinderisch.

Die abhängigen Ansprüche betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen der Gegenstände der unabhängigen Ansprüche und haben in Zusammenhang mit diesen Bestand.

5. Da die geltend gemachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des erteilten Patents nicht entgegenstehen, ist gemäß Artikel 102 (2) EPÜ der Einspruch zu Recht zurückgewiesen worden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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