European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T013004.20050524 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 24 Mai 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0130/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98946407.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29C 47/10 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung von eingefärbten Formmassen | ||||||||
Name des Anmelders: | BASF Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | General Electric Company | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der ihr Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 009 612 (nachstehend Streitpatent genannt) zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die in Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56. EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Streitpatents in unveränderter Form nicht entgegenstünden.
II. Im Beschwerdeverfahren wurden unter anderem die folgenden Dokumenten erwähnt:
D1: JP-A-4-250012 zusammen mit englischer Übersetzung
D2: JP-A-5-309647 zusammen mit englischer Übersetzung
D4: "Farbmittel brilliant solutions...", BASF
D5: DIN 55944, November 2003
V1: "Experimental Results", vom 26. März 2004
V2: "Versuchsbericht", eingereicht am 10. Dezember 2004.
III. Am 24. Mai 2005 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
IV. Es wurden folgende Anträge gestellt:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 009 612 in vollem Umfang.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
V. Anspruch 1 des Streitpatents in erteilter Fassung lautet wie folgt:
"1. Kontinuierliches Verfahren zur Herstellung von eingefärbten thermoplastischen Formmassen in einem Extruder, dadurch gekennzeichnet, daß man
I) in einer ersten Zone
A) 10 bis 99,999 Gew.-% eines thermoplastischen Polymeren in einen Extruder dosiert und
II) in einer folgenden Zone bei Temperaturen unterhalb der jeweiligen Glasübergangstemperatur des Thermoplasten A)
B) 0,001 bis 60 Gew.-% eines pulverförmigen Farbmittels zusetzt und
anschließend die Thermoplast/Farbmittel-Mischung in den folgenden Zonen erhitzt sowie die Polymerschmelze homogenisiert und die erhaltene Mischung extrudiert."
VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Das Merkmal des Anspruchs 1, gemäß dem das Farbmittel unterhalb der Glasübergangstemperatur der Thermoplaste zugesetzt werde, sei in Dokument D2 implizit offenbart.
Dieses Merkmal sei im Streitpatent nicht klar definiert und daher könne sich der Anspruch nicht von der Offenbarung des Dokuments D2 unterscheiden. Insbesondere sei im Streitpatent nicht offenbart, wo die Temperatur gemessen werde.
Dokument D2 lehre, das Farbmittel sofort nach der Zufuhr des Polymers dem Extruder zuzusetzen (vgl. Seite 2, Zeilen 2 bis 4; Seite 5, dritter Absatz; Seite 6, erster vollständiger Absatz (englische Übersetzung), und Figur 3). Weil das Polymer Zeit brauche, die Glasübergangstemperatur zu erreichen, könne es im Moment der Farbmittelzufuhr die Glasübergangstemperatur noch nicht erreicht haben.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher nicht neu.
Angenommen, der Gegenstand des Anspruchs 1 wäre neu, so beruhe er zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er sich in naheliegender Weise aus dem nächstliegenden Stand der Technik, d. h. dem Dokument D2, ergebe.
Das Streitpatent erwähne zwei Aufgaben. Die erste sei, Anbackungen und Verkrustungen zu vermeiden (Streitpatent, Absatz [0017]). Die zweite sei, eine bessere Farbkonstanz zu erreichen (Streitpatent, Absatz [0012]).
Während Dokument D2 bereits lehre, die zweite Aufgabe durch die separate Dosierung des Polymers und des Farbmittels zu lösen, gebe es keinen Beweis, dass die erste Aufgabe durch das im Streitpatent beanspruchte Verfahren gelöst werde.
Der Versuchsbericht V1 der Beschwerdeführerin beweise, dass weniger Farbschwankungen vorkämen, wenn das Farbmittel über der Glasübergangstemperatur zugesetzt werde (siehe insbesondere die Zahlenangaben für DeltaE unter Punkt 6). Die Zusetzung des Farbmittels unter der Glasübergangstemperatur sei daher höchstens eine Alternative, die schlechtere Ergebnisse liefere.
Anspruch 1 des Streitpatents sei nicht auf die Anwendung eines reinen Farbmittels beschränkt und schließe daher die Anwendung von Farbmitteln in Form von Masterbatches ein. Dass der Begriff "Farbmittel" Masterbatches einschließe, werde durch das Dokument D4 bestätigt.
Der Versuchsbericht V2 der Beschwerdegegnerin sei nicht geeignet, den Nachweis einer erfinderischen Tätigkeit zu erbringen. Die Vergleichsversuche (Versuchsnr. 3 und 4) seien bei viel zu hohen Temperaturen (230°C) durchgeführt worden. Zudem seien in der dritten Zone die Temperaturen in den beiden Versuchsreihen 1/2 bzw. 3/4 stark unterschiedlich.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:
In dem aus Dokument D2 bekannten Extruder seien die Förderschnecke und der Mantel geheizt. Es wäre ungewöhnlich, wenn der Thermoplast bei der Zufuhr des Farbmittels den Erweichungspunkt noch nicht erreicht hätte. Jede Stelle, die die sofortige Zuführung des Farbmittels erwähne, beziehe sich auf flüssiges Farbmittel.
Ein pulverförmiges Farbmittel werde in Dokument D2 nur im Absatz [0016] erwähnt. Es werde dort jedoch nicht offenbart, in welcher Form und an welcher Stelle ein pulverförmiges Farbmittel zugesetzt werde. Der Ausdruck "in the same way" in diesem Absatz impliziere die Zuführung des Farbmittels in Form einer Suspension.
Dokument D2 offenbare daher nicht die Zusetzung eines pulverförmigen Farbmittels unterhalb der Glasübergangstemperatur des Polymers.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher neu.
Der nächstliegende Stand der Technik ergebe sich aus Dokument D2.
Wie in dem Versuchsbericht V2 bestätigt, führe die Zugabe des Farbmittels in Pulverform unterhalb der Glasübergangstemperatur zu einer engeren Schwankungsbreite der Farbabweichung.
Der im Anspruch 1 verwendete Begriff "Farbmittel" sei in der Beschreibung des Streitpatents in Abschnitt [0122] definiert. Hier werde ausgeführt, dass man unter einem Farbmittel alle farbgebenden Stoffe nach DIN 55944 versteht. In DIN 55944 seien Mischungen von Pigmenten mit thermoplastischen Polymeren (Masterbatches) nicht erwähnt. Mischungen von Pigmenten mit thermoplastischen Polymeren fielen nicht unter den Begriff "Farbmittel" im Sinne von Anspruch 1. Im Versuchsbericht V1 würden die Merkmale des Anspruchs 1 nicht eingehalten, da hier eine Vorabmischung von Polybutylen-Terephthalat (PBT) und Pigment stattfinde.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Neuheit
Im Dokument D2 gibt es keine Angaben über die Temperatur des Polymers bei der Zusetzung des Farbmittels. Die Tatsache, dass sich die Öffnungen 9i für die Zusetzung des Farbmittels in der Nähe des Trichters 9d befinden, bedeutet nicht, dass die Temperatur bei der Zusetzung des Farbmittels unterhalb der Glasübergangstemperatur des Polymers liegt. Dabei ist zu beachten, dass die Förderschnecke 9c und der Mantel 9f geheizt sind (Dokument D2, Absatz [0008]). Es ist daher durchaus möglich, dass, wie in den von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Versuchen Nr. 3 und 4, die Temperatur im Bereich, wo das Pigment dosiert wird (Zylindernummer 2), über der Glasübergangstemperatur liegt (siehe Dokument V2, Tabelle 1 und Abbildung 1).
Die Verwendung von pulverförmigen Farbmitteln wird in Dokument D2 lediglich auf Seite 8, Zeilen 1 bis 3 erwähnt. Es finden sich jedoch keinerlei Angaben über die Methode, die anzuwenden ist, um ein solches Farbmittel zuzuführen. Selbst wenn angenommen wird, dass der Fachmann, der versucht, die Lehre des Absatzes [0016] des Dokuments D2 auszuführen, in Betracht ziehen würde, ein pulverförmiges Farbmittel in trockenem Zustand im Bereich der Öffnungen 9i des in Figur 3 gezeigten Extruders zuzusetzen, fehlt immer noch jede Angabe über die Temperatur des Polymers bei der Zusetzung des Farbmittels.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents unterscheidet sich daher von der Offenbarung des Dokuments D2 durch die Zusetzung des Farbmittels unterhalb der Glasübergangstemperatur des thermoplastischen Polymers.
2. Erfinderische Tätigkeit
Wie oben unter Punkt 1 dargelegt, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents von der Offenbarung des Dokuments D2 durch die Zusetzung des Farbmittels unterhalb der Glasübergangstemperatur des thermoplastischen Polymers.
Die Zugabe des Farbmittels in Pulverform unterhalb der Glasübergangstemperatur führt zu einer engeren Schwankungsbreite der Farbabweichung. Dies wird in Abb. 2 des Versuchsberichts V2 angedeutet.
Es wird von der Beschwerdeführerin moniert, dass bei diesen Versuchen die ausgewählte Temperatur zu hoch sei. Es gibt jedoch keinen Hinweis, dass eine niedrigere Temperatur oberhalb der Glasübergangstemperatur zu einem anderen Ergebnis führen würde.
Es ist auch unbedeutend, dass die Temperatur in der dritten Zone in den beiden Versuchsreihen nicht gleich ist. Auch wenn es möglich wäre, in den Vergleichsversuchen (Versuchsnr. 3 und 4) die Temperatur in der dritten Zone stark zu reduzieren, gibt es keinen Grund, dies zu versuchen.
In den Versuchsergebnissen der Beschwerdeführerin werden eine Mischung von Farbmittel und Polybutylen- Terephthalat ("colorant blend") verwendet. Anspruch 1 des Streitpatents bezieht sich auf die Zusetzung eines "Farbmittels". Der Begriff "Farbmittel" ist in der Beschreibung des Streitpatents in Abschnitt [0122] definiert. Hier wird ausgeführt, dass man unter einem Farbmittel alle farbgebenden Stoffe nach DIN 55944 versteht. In DIN 55944 sind Mischungen von Pigmenten mit thermoplastischen Polymeren (Masterbatches) nicht erwähnt. Auch in den folgenden Absätzen [0123] bis [0136] der Beschreibung des Streitpatents sind nur Pigmente ohne die Beimischung von Polymeren erwähnt. Obwohl Dokument D4 unter dem Oberbegriff "Farbmittel" Präparationen erwähnt, die in Polymer ausdispergierte Pigmentkonzentrate einschließen, bedeutet dies nicht, dass der Begriff "Farbmittel" im Streitpatent so ausgelegt werden muss. Es wird auch bemerkt, dass Absatz [0014] des Streitpatents hervorhebt, dass Farbpigmentpulver und Thermoplastpartikel getrennt in den Einfärbeextruder dosiert werden.
Mischungen von Pigmenten mit thermoplastischen Polymeren fallen daher nicht unter den Begriff "Farbmittel" im Sinne von Anspruch 1 des Streitpatents. Im Versuchsbericht der Beschwerdeführerin werden daher die Merkmale des Anspruchs 1 nicht eingehalten.
Nach Auffassung der Kammer liegt der Erfindung daher die Aufgabe zugrunde, eine engere Schwankungsbreite der Farbabweichung zu erreichen. Es ist nicht nötig zu untersuchen, ob die von der Beschwerdeführerin erwähnte zweite Aufgabe, Anbackungen und Verkrustungen zu vermeiden, gelöst wird oder nicht.
Der Stand der Technik enthält keinen Hinweis, ein pulverförmiges Farbmittel unterhalb der Glasübergangstemperatur des thermoplastischen Polymers zuzusetzen, um die Aufgabe, eine engere Schwankungsbreite der Farbabweichung zu erreichen, zu lösen. Dokument D1 erwähnt nur flüssige Farbmittel und enthält keine Temperaturangaben.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ und stellt somit eine patentfähige Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPU dar.
Das Gleiche gilt für die Gegenstände der auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7, welche besondere Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1 betreffen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.