T 0090/04 () of 20.9.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T009004.20060920
Datum der Entscheidung: 20 September 2006
Aktenzeichen: T 0090/04
Anmeldenummer: 97109083.2
IPC-Klasse: C08J 3/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Polymerisatpulver
Name des Anmelders: BASF Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Wacker Polymer Systems GmbH & Co. KG
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Stand der Technik - Zugänglichkeit (bejaht)
Neuheit (bejaht)
Zurückverweisung (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das Europäische Patent Nr. 812 872 wurde auf die europäische Patentanmeldung Nr. 97 109 083.2 der BASF Aktiengesellschaft mit 31 Ansprüchen erteilt.

Die unabhängigen Verfahrensansprüche 1 und 2; die Produktansprüche 28, 30 und 31; und der Verwendungsanspruch 29 lauteten:

"1. Verfahren zur Herstellung von zur Modifikation von minerali schen Bindebaustoffen geeignetem Polymerisatpulver durch Trocknung einer wäßrigen Polymerisatdispersion, deren Film eine Glasübergangstemperatur Tg <= 30ºC aufweist, nach Zusatz von Trocknungshilfsmittel, dadurch gekennzeichnet, daß der wäßrigen Polymerisatdispersion vorab ihrer Trocknung als Trocknungshilfsmittel nur im mit Wasser gebrauchsfertig ange machten mineralischen Bindebaustoff verflüssigend wirkende Trocknungshilfsmittel zugesetzt werden und dem nach der Trocknung resultierenden Polymerisatpulver in Anschluß an die Trocknung wenigstens noch ein im mit Wasser gebrauchsfertig angemachten mineralischen Bindebaustoff verfestigend wirkendes Hilfsmittel als feinteiliger Feststoff zugemischt wird.

2. Verfahren zur Herstellung von zur Modifikation von minerali schen Bindebaustoffen geeignetem Polymerisatpulver durch Trocknung einer wäßrigen Polymerisatdispersion, deren Film eine Glasübergangstemperatur Tg <= 30ºC aufweist, nach Zusatz von Trocknungshilfsmittel, dadurch gekennzeichnet, daß der wäßrigen Polymerisatdispersion vorab ihrer Trocknung als Trocknungshilfsmittel nur im mit Wasser gebrauchsfertig ange machten mineralischen Bindebaustoff verfestigend wirkende Trocknungshilfsmittel zugesetzt werden und dem nach der Trocknung resultierenden Polymerisatpulver in Anschluß an die Trocknung wenigstens noch ein im mit Wasser gebrauchsfertig angemachten mineralischen Bindebaustoff verflüssigend wirkendes Hilfsmittel als feinteiliger Feststoff zugemischt wird.

28. Polymerisatpulver, erhältlich nach einem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 27.

29. Verwendung von Polymerisatpulvern gemäß Anspruch 28 zur Modifikation von mineralischen Bindebaustoffen.

30. Mineralische Bindebaustoffe, enthaltend Polymerisatpulver gemäß Anspruch 28.

31. Trockenmörtelzubereitung, bestehend aus:

- 20 bis 60 Gew.-% mineralische Bindemittel,

- 0,1 bis 20 Gew.-% Polymerisatpulver nach Anspruch 28,

- bis zu 25 Gew.-% übliche Hilfsmittel und

- als Restmenge Zuschläge wie Sand, Füllstoffe, Pigmente, natürliche Fasern und/oder synthetische Fasern".

II. Gegen das Patent wurde, gestützt auf die Bestimmungen des Artikels 100 (a) EPÜ, von der Firma Wacker Polymer Systems GmbH & Co KG Einspruch erhoben und der Widerruf des Patents im gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit beantragt.

III. Im Einspruchsverfahren wurde unter anderem der folgende Stand der Technik angeführt:

D1: DE-A-24 45 813

D2: DE-A-2 049 114

D3: EP-A-0 632 096

D4: "Vinnapas®-Dispersionspulver", Firmenschrift Nr. 3828.195, Wacker-Chemie GmbH.

IV. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 18. November 2003 stellte die Einspruchsabteilung im wesentlichen fest, dass der Gegenstand der Ansprüche 2 und 28 in der erteilten Fassung durch die Offenbarung in D4 neuheitsschädlich vorweggenommen werde. Dementsprechend wurde der Widerruf des europäischen Patents verkündet.

V. Gegen die schriftlich begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 4. Dezember 2003, wurde am 17. Januar 2004 von der Patentinhaberin Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerdebegründung vom 26. März 2004 wurde ein geänderter Anspruchssatz mit 27 Ansprüchen eingereicht.

VI. Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdegegnerin unter anderem folgende zusätzlichen Dokumente vorgelegt:

B1: Rechnung der Druckerei Holzmann Druck vom 31. Januar 1995/1. Februar 1995.

B4: Redispersionspulver in Zement, Sonderdruck aus TIZ, No.9, 1985.

VII. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdekammer den Parteien mitgeteilt, dass in der Verhandlung zu entscheiden sein werde, ob D4 tatsächlich zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehörte. Die Beurteilung der Neuheit des Patentgegenstands würde dementsprechend im Hinblick auf die Entgegenhaltungen D1 bis D3, und gegebenenfalls auch im Hinblick auf D4 erfolgen.

VIII. In der am 20. September 2006 stattgefundenen mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer wurde im Anschluss an die Diskussion der Neuheit auch die Frage der erfinderischen Tätigkeit des Patentgegenstandes kurz erörtert. In diesem Zusammenhang hat die Beschwerde führerin zwei neue Anspruchssätze mit 29, bzw. 27 Ansprüchen, unter dem Titel Hilfsantrag 1 bzw. Hilfsantrag 2 vorgelegt. Der mit der Beschwerde begründung eingereichte Anspruchssatz wurde in Hilfsantrag 3 umbenannt.

IX. Die Beschwerdeführerin machte folgende Argumente geltend:

- Es sei fraglich, ob die Rechnung B1 die Firmenschrift D4 betreffe. Auch dann sei nicht bewiesen, dass D4 vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Eine Anfrage bei der Firma Wacker selbst nach dem Publikationsdatum habe zu keiner zusätzlichen Information geführt. Es gebe daher keine Sicherheit, dass D4 tatsächlich eine Vorveröffentlichung im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ darstelle.

- D4 betreffe lediglich die Herstellung von Betonreparaturmörteln, und nicht die Herstellung eines Polymerisatpulvers wie gemäß Anspruch 2 des Streitpatents. Darüber hinaus sei der Zusatz von Betonverflüssiger nicht zwingend sondern nur optional.

- Demnach nehme D4 den Gegenstand des Verfahrens gemäß dem erteilten Anspruch 2 nicht vorweg, selbst wenn der Beweis erbracht werden könnte, dass D4 zum Stand der Technik gehöre.

- D2 offenbare eine Vielzahl von einsetzbaren Polymeren, welche hinsichtlich ihrer Tg nicht näher spezifiziert seien. Außerdem gehe aus D2, insbesondere aus den Beispielen 2a bis 2d, hervor, dass das Sprühhilfsmittel der wässrigen Polymerisatdispersion zugegeben und das Gemisch anschließend der Sprühtrocknung unterworfen werde.

- Zusammengefasst lasse sich der Gegenstand gemäß Anspruch 1 oder gemäß Anspruch 2 aus D1 oder D2, bzw. aus D3 oder D4, nur durch mehrfache Auswahl konstruieren.

- Eine Diskussion über die erfinderische Tätigkeit komme unerwartet, weil in der Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei. Die Angelegenheit solle daher an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werden.

X. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen wie folgt vorgetragen:

- B1 zeige, dass D4 schon anderthalb Jahre vor dem Prioritätstag des Streitpatents in einer Auflage von über 1000 Exemplaren gedruckt und somit nach menschlichem Ermessen auch ausgeliefert worden sei.

- D4 sei eine Ausgabe aus der Schriftenreihe Vinnapas®-Dispersionspulver, die eine kommerziell erfolgreiche Produktgruppe bildeten und schon lange vor dem Ausgabedatum von D4 auf dem Markt erhältlich gewesen seien. Es sei daher selbstverständlich, dass Exemplare von D4 an Kunden und auf Messen verteilt wurden.

- D4 lehre, bei der Herstellung von Betonreparatur mörteln das Dispersionspulver RE 545 Z zusammen mit Betonverflüssiger einzusetzen. Aus B4 gehe hervor, dass dieses Dispersionspulver eine Glasübergangs temperatur Tg von -7ºC aufweise. Folglich fehle dem Verfahren gemäß Anspruch 2 und dem Produkt gemäß Anspruch 28 die Neuheit.

- Das Verfahren gemäß Anspruch 2 sei ebenfalls durch D3 neuheitsschädlich vorweggenommen.

- Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu, weder gegenüber der Entgegenhaltung D1 noch gegenüber D2.

- Gegen eine Zurückverweisung an die erste Instanz sei nichts einzuwenden.

XI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in der erteilten Fassung, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

Stand der Technik

1. Status der Entgegenhaltung D4

1.1 D4 ist eine Firmenschrift aus der Reihe Vinnapas®-Dispersionspulver der Firma Wacker-Chemie GmbH. Auf der letzten Seite der Broschüre befindet sich der Aufdruck "Nr. 3828.195 (ersetzt Fassung 892)". Gemäß Vortrag der Beschwerdegegnerin würden der erste Teil der Nummerangabe ("3828") die Nummer der Druckschrift bezeichnen, während sich die letzten 3 Ziffern ("195") auf das Druckdatum beziehen, was in diesem Falle Januar 1995 bedeuten würde. Die Kammer hält die Erklärung der Beschwerdegegnerin in dieser Hinsicht für glaubhaft, weil diese Art der Codierungen bei Firmenschriften nicht nur gängig ist, sondern auch mit den Angaben in der Rechnung B1 übereinstimmt.

Mit Schreiben vom 31.01.95/01.02.95 wurde von der Firma Holzmann Druck eine Rechnung (B1) für die Auslieferung von 1650 Exemplaren der «Druckschrift Nr. 3828 "Vinnapas Dispersionspulver" deutsch» an die Wacker Chemie GmbH ausgestellt. Als Lieferdatum wird der 30.01.95 angegeben. Somit stehen die relevanten Daten in der Rechnung B1 in jeder Hinsicht im Einklang mit denen in D4. Die Kammer geht daher davon aus, dass die Rechnung B1 tatsächlich die Druckschrift D4 betrifft, und als Beweis für das Druckdatum "Januar 1995" gelten kann.

1.2 Die Beschwerdeführerin hat ferner angezweifelt, dass D4 tatsächlich der Öffentlichkeit rechtzeitig zugänglich gemacht wurde. Es seien Ausnahmefälle bekannt, bei denen Firmenschriften zwar gedruckt aber dann vernichtet worden seien, bevor sie an die Öffentlichkeit gelangten. Die Beschwerdeführerin hat jedoch keinen Anhaltspunkt dafür angegeben, dass eine solche Ausnahme hier vorliegt. Auf der anderen Seite wurde von der Beschwerdegegnerin unwidersprochen vorgetragen, dass es sich bei D4 um Informationsmaterial über eine erfolgreiche Produktreihe handelt. Der Kammer ist nicht ersichtlich, warum eine Neuauflage aus dieser Schriftenreihe plötzlich nicht mehr verteilt worden sein sollte, es sei denn es hätte dafür einen triftigen Grund gegeben. So einen Grund hat die Beschwerdeführerin aber nicht genannt, geschweige denn glaubhaft gemacht. Im Gegenteil, wie oben bereits festgestellt, weist D4 ausdrücklich daraufhin, dass diese Ausgabe die "Fassung 892" ersetzt (siehe Punkt 1.2 oben). Nach Auffassung der Kammer bedeutet diese Angabe, dass der Inhalt der "Vorläufer-Fassung 892" auf den aktuellen Stand gebracht werden sollte. Dies macht nur dann Sinn, wenn die in D4 enthaltenen Informationen der Öffentlichkeit durch Verteilung dieser Druckschrift auch bekannt gemacht wurden.

1.3 Die Kammer stellt ferner fest, dass das Streitpatent den Prioritätstag vom 12. Juni 1996 in Anspruch nimmt, d.h. rund 18 Monate nach dem Druck- und Auslieferungsdatum von D4 (30. Januar 1995). Unter diesen Umständen ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass D4 vor diesem Prioritätstag an die Öffentlichkeit gelangt ist. Daraus folgert die Kammer, dass D4 zum Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ gehört.

1.4 Die Kammer nimmt zur Kenntnis, dass eine Email-Anfrage der Beschwerdeführerin bei Wacker Polymer Systems Burghausen, Abteilung "Construction Polymers" betreffend Publikationsdatum, Erscheinen und Auslieferung der Schrift D4 keine positive Antwort ergeben hat. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass aus dem Unwissen der Befragten keine Schlussfolgerung welcher Art immer gezogen werden kann. Darüber hinaus lassen sich diese Fragen aus Plausibilitätsüberlegungen wie oben indirekt beantworten.

Hauptantrag

2. Anspruch 1

2.1 Anspruch 1 betrifft im wesentlichen ein Verfahren zur Herstellung von Polymerisatpulver durch Trocknung einer wässrigen Polymerisatdispersion, deren Film eine Glasübergangstemperatur Tg <= 30ºC aufweist. Der Dispersion wird vorab ihrer Trocknung ein verflüssigend wirkendes Trocknungshilfsmittel zugesetzt. In Anschluss an die Trocknung wird dem Polymerisatpulver ein verfestigend wirkendes Hilfsmittel als feinteiliger Feststoff zugemischt.

2.2 D1 offenbart die Herstellung von redispergierbaren Polymerpulvern durch Versprühen der entsprechenden Basisdispersion in Gegenwart von Sulfonsäure- oder Sulfonatgruppen enthaltenden Kondensationsprodukten. Es besteht Einigkeit darüber, dass diese Kondensationsprodukte den verflüssigend wirkenden Trocknungsmitteln des Streitpatents entsprechen. Es ist ferner unbestritten, dass die redispergierbaren Polymerpulver andere Zusatzmittel enthalten können, wie beispielsweise Polyvinylalkohol, Cellulosederivate, Kasein oder Inertstoffe wie Kaolin, Kreide, Silikate und Kieselsäure. Derartige Zusätze können entweder vor der Sprühtrocknung oder danach zugesetzt werden. Als Beispiele für pulverförmige Polymere sind Polyvinylacetat, Polyvinylpropionat, Polyvinylchlorid, Polyvinylidenchlorid, Polyvinyllaurat sowie deren Mischpolymerisate allein oder in Kombination mit Äthylen und Polyacrylaten genannt (Seite 2, Absatz 3; Seite 5, Absätze 1 und 2).

Wie von der Beschwerdeführerin unwiderlegt vorgetragen, werden in D1 als pulverförmige Polymere auch solche in Betracht gezogen, die bzw. deren Film eine Glasübergangstemperatur deutlich über 30ºC aufweist (beispielsweise Polyvinylchlorid 77ºC: Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry Bd. A21, Seite 169). Wie oben schon erwähnt, ist unter den vorgeschlagenen Zusatzmitteln in einer mehrere Mitglieder enthaltenden Liste auch Kasein genannt, das zu den verfestigend wirkenden Hilfsmitteln zählt. Darüber hinaus können diese Zusatzmittel vor oder nach der Trocknung eingegeben werden. Um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, müsste der Fachmann somit eine mehrfache Auswahl von Kriterien (Tg), Materialien (Zusatzmittel) bzw. Maßnahmen (Zugabe von Kasein nach der Trocknung) vornehmen, und diese kombinieren.

2.3 Eine analoge Situation liegt im Hinblick auf die Offenbarung von D2 vor. Auch dort ist die Zugabe sulfonathaltiger Kondensationsprodukte, die als Verflüssiger wirken, vor dem Verdüsen beschrieben für eine Vielzahl von Polymeren, darunter auch solche mit einer Tg über 30ºC, ebenso wie die mögliche Zugabe von verfestigend wirkenden Schutzkolloiden (Seite 2, Absatz 3; Seite 3, letzter Absatz; Seite 6, Absatz 2). Auch hier müsste der Fachmann somit eine vielfache Auswahl vornehmen, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.

Infolgedessen ist das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren neu gegenüber D1 und D2.

3. Anspruch 2

3.1 Anspruch 2 betrifft im wesentlichen ein Verfahren zur Herstellung von Polymerisatpulver durch Trocknung einer wässrigen Polymerisatdispersion, deren Film eine Glasübergangstemperatur Tg <= 30ºC aufweist. Der wässrigen Polymerisatdispersion wird vorab ihrer Trocknung ein verfestigend wirkendes Trocknungshilfsmittel zugesetzt. In Anschluss an die Trocknung wird dem Polymerisatpulver ein verflüssigend wirkendes Hilfsmittel als feinteiliger Feststoff zugemischt.

3.2 D3 ist auf die Herstellung von redispergierbaren Polymerisatpulvern aus Dispersionen gerichtet. Der Dispersion wird Polyvinylalkohol als verfestigend wirkend bekanntes Trocknungshilfsmittel beigemischt. Weitere Zusatzstoffe, darunter Zementverflüssiger, können zwar nachträglich zugemischt werden, vorzugsweise werden sie aber dem in Dispersion vorliegenden Gemisch vor der Trocknung zugegeben (Seite 3, Zeilen 45 bis 54).

Die Beschwerdeführerin hat korrekt darauf hingewiesen, dass das Verfahren gemäß D3 nicht auf Basispolymere mit einer Glasübergangtemperatur von höchstens 30ºC eingeschränkt ist, sondern auch eine Reihe von Homo- und Copolymeren in Betracht zieht, die eine Glasübergangtemperatur oberhalb der angegebenen Grenze aufweisen (z.B. Methacrylat- und Styrol Polymerisate; Seite 2, Zeilen 38 bis 47). Auch werden Zementverflüssiger nur als einer von vielen möglichen Zusatzstoffen genannt, die nicht zwingend nach der Trocknung sondern sogar vorzugsweise vor der Trocknung der Dispersion zuzugeben werden. Somit würde sich die Merkmalskombination des Anspruchs 2 auch nur durch eine mehrfache Auswahl aus D3 ergeben.

3.3 D4 ist eine von der Wacker-Chemie herausgegebene Schrift über Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten der Vinnapas®-Dispersionspulver, die durch Sprühtrocknung der entsprechenden Dispersionen in Gegenwart eines wasserlöslichen Schutzkolloids erhalten werden (Seite 1 und Seite 3, linke Spalte). Speziell für das Produkt mit der Bezeichnung RE 545 Z wird PVAL (Polyvinylalkohol) als Schutzkolloid verwendet (D4, Seite 17). Es wird von der Beschwerdeführerin nicht mehr bestritten, dass das Ausgangsprodukt für RE 545 Z eine Tg -7ºC aufweist und dass das Schutzkolloid PVAL ein verfestigend wirkendes Trocknungshilfsmittel im Sinne des Streitpatents ist (siehe hierzu auch B4, Seite 1, mittlere Spalte, Absatz 1 bis rechte Spalte, Absatz 2 und Seite 2, linke Spalte, vorletzter Absatz).

Die Kammer kann weiterhin der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung zustimmen, dass RE 545 Z als besonders gut geeignet für die Herstellung von Reparaturmörteln angepriesen wird und dass D4 darüber hinaus verschiedene Additive für die Herstellung von Betonreparaturmörteln vorschlägt, wozu auch Betonverflüssiger zählen (Seite 6, Spalte 3). Diese Vorschläge betreffen jedoch die mögliche Verwendung des Polymerisatpulvers RE 545 Z und nicht dessen Herstellung. Folglich stellt die Kammer fest, dass das Verfahren gemäß Anspruch 2 neu im Hinblick auf D4 ist, schon allein weil diese Druckschrift den Zusatz eines verflüssigend wirkenden Hilfsmittel bei der Herstellung des Polymerisatpulvers RE 545 Z nicht offenbart.

3.4 Die Beschwerdegegnerin hat keine weiteren Dokumente gegen die Neuheit der Verfahren gemäß Anspruch 1 und 2 angeführt. Auch der Kammer ist nicht ersichtlich, dass die Kombination aller Merkmale, ob gemäß Anspruch 1 oder 2, in einer der vorliegenden weiteren Druckschriften klar und eindeutig offenbart ist. Infolgedessen ist der Gegenstand dieser Ansprüche sowie der abhängigen Ansprüche 3 bis 27 neu, Artikel 54 EPÜ.

4. Anspruch 28

4.1 Anspruch 28 ist auf Polymerisatpulver gerichtet, erhältlich unter anderem nach den Verfahren gemäß Anspruch 1 oder 2.

4.2 In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass am Dispersionspulver feststellbar sei, ob und welches Trocknungsmittel vorab der Trocknung zugesetzt bzw. im Anschluss an die Trocknung zugemischt wird. Diesem Vortrag wurde von der Beschwerdegegnerin ausdrücklich zugestimmt. Folglich hat die Kammer keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die oben dargelegten Argumente in Bezug auf die Neuheit der beanspruchten Verfahren auch für die Neuheit der so erhaltenen Produkte gelten.

4.3 Aus dem selben Grunde ist auch die Verwendung gemäß Anspruch 29 neu.

5. Anspruch 30

5.1 Anspruch 30 betrifft mineralische Bindebaustoffe, enthaltend Polymerisatpulver gemäß Anspruch 28.

5.2 In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin eingeräumt, dass in einem Gemisch mit mineralischen Baustoffen im Endeffekt nicht festzustellen sein würde, ob ein Hilfsmittel schon bei der Herstellung des Dispersionspulvers oder erst bei der Bereitung des Baustoffgemisches beigegeben wird. Diese Aussage hat zur Folge, dass mineralische Bindebaustoffe, enthaltend ein nach dem Verfahren gemäß Anspruch 2 hergestelltes Dispersionspulver, auch Reparaturmörtel umfassen würden, falls diese gleichzeitig das Dispersionspulver RE 545 Z und Betonverflüssiger enthalten.

Der Beschwerdeführerin kann jedoch gefolgt werden, dass in D4 für Reparaturmörtel neben RE 545 Z auch andere Dispersionspulver vorgeschlagen werden. Die Kammer kann der Beschwerdeführerin auch darin zustimmen, dass D4 die Verwendung von Betonverflüssiger nur als eines von verschiedenen Additiven bei der Herstellung von Reparaturmörteln erwähnt, welche Additive noch dazu insgesamt nicht zwingend (sondern nur "in der Regel": Seite 6, 3. Spalte, Zeile 3) anwesend sein müssen. Infolgedessen ist die Kammer der Auffassung, dass D4 keine eindeutige Offenbarung von Reparaturmörteln enthält, die das Dispersionspulver RE 545 Z in Kombination mit einem Betonverflüssiger enthält. Somit nimmt der Inhalt von D4 den Gegenstand gemäß Anspruch 30 nicht neuheitsschädlich vorweg.

5.3 Die anderen sich im Verfahren befindlichen Druckschriften wurden dem Gegenstand des Anspruchs 30 nicht als neuheitsschädlich entgegengehalten. In der Tat kommen sie ihm auch nicht näher als das Dokument D4.

6. Anspruch 31

Es ist unbestritten, dass keine der Entgegenhaltungen eine Trockenmörtelzubereitung gemäß Anspruch 31 offenbart. Auch spielt es keine Rolle, ob - wie von der Beschwerdegegnerin unsubstantiiert vorgetragen, von der Beschwerdeführerin jedoch bestritten - die Gewichtsangaben gemäß Anspruch 31 fachüblich sind.

Aus denselben Gründen wie oben für Anspruch 30 angegebenen ist der Gegenstand dieses Anspruchs neu gegenüber dem zitierten Stand der Technik (siehe Punkte 5.2 und 5.3).

7. Zurückverweisung, Artikel 111 (1) EPÜ

Der Widerrufgrund mangelnder Neuheit gegenüber D4 ist gegenstandlos geworden. Um den Beteiligten den Instanzenzug zu erhalten, sieht die Kammer davon ab, den Fall abschließend auf der Basis des Hauptantrags zu entscheiden und verweist stattdessen die Angelegenheit zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die erste Instanz zurück, Artikel 111 (1) EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

- Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zurückverwiesen.

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