European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T005704.20061010 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 10 October 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0057/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95932684.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01M 1/06 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Wuchtmaschine | ||||||||
Name des Anmelders: | Beissbarth GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Snap-On Equipment GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Haupt- und Hilfsantrag: erfinderische Tätigkeit verneint | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin und Einsprechende hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 728 300 (Anmeldenummer 95 932 684.4) zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.
Mit dem Einspruch war das gesamte Patent unter Hinweis auf Artikel 100a) i.V.m. Artikel 52 (1) und 56 EPÜ angegriffen worden.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem im Einspruch genannten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Sie hat die folgenden Dokumente berücksichtigt:
E1: DE-A-3501557
E2: US-A-4435982
E3: Hoffmann Info Nr. 8, Druckdatum 02177
E4: EP-A-0198248
E5: EP-A-0584560
E6: WO-A-94/19864
E7: US-A-4046017
E8: Soviet Inventions Illustrated, Week 8349, 25. Jan. 1984, Derwent Publications Ltd., London, GB; AN 83-838210 & SU-A998687 (Krupnik V I), 23. März 1983
E9: S. Jordan: "Geregelte elektrische Antriebe für die Fertigungsautomatisation", Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech, Deutschland
II. Die Einsprechende hat den Widerruf des Patents beantragt und noch die folgenden Dokumente genannt:
E10: US-A-4085619
E11: US-A-5209116
Ihre Ausführungen in der Beschwerdebegründung lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Das angegriffene Patent betreffe eine Wuchtmaschine zum Auswuchten eines Rades mit
(1) einer Antriebseinrichtung, die einen Motor und eine von dem Motor angetriebene Auswuchtwelle umfasst, auf der das Rad zum Messen der Unwucht befestigt ist;
(2) einem Unwuchtsensor zur Messung der Unwucht; und
(3) einer Drehzahlregeleinrichtung zur Regelung der Geschwindigkeit der Antriebseinrichtung.
Eine derartige Wuchtmaschine solle nach der Aufgabenstellung im Hinblick auf die jeweiligen Anforderungen bezüglich Auswuchtqualität und Messdauer optimiert werden.
Zur Lösung dieser Aufgabe sei die Wuchtmaschine dadurch gekennzeichnet, dass
(4) die Drehzahlregeleinrichtung einen steuerbaren Frequenzumrichter und einen Rechner zur Regelung der steuerbaren Frequenzumrichtung umfasst; und
(5) die Drehzahlregeleinrichtung geeignet ist, die Drehzahl der Auswuchtwelle in Abhängigkeit von einer gewählten Auswuchtqualität zu regeln, wobei
(6) die Auswuchtwelle bei niedrigen Drehzahlen anzutreiben ist, wenn die Dauer des Auswuchtvorganges kurz gehalten werden soll; und
(7) das Rad mit großen Drehzahlen anzutreiben ist, wenn die Auswuchtqualität hoch sein soll, um ein hohes Ausgangssignal des Auswuchtsensors zu erhalten.
In der gekennzeichneten Lösung seien die Bedingungen "in Abhängigkeit von einer gewählten Auswuchtqualität", "wenn die Dauer des Auswuchtvorganges kurz gehalten werden soll"; und "wenn die Auswuchtqualität hoch sein soll" keine technischen Merkmale, die zur Kennzeichnung der Auswuchtmaschine geeignet seien. Diese Bedingungen lägen im Belieben der Serviceperson bzw. des Auftraggebers, welcher die Auswuchtung des Rades veranlasse. Diese Bedingungen seien daher in den Merkmalen (5), (6) bzw. (7) unbeachtlich.
Aus E1 sei eine Wuchtmaschine zum Auswuchten eines Rades mit den Merkmalen (1) und (2) bekannt, wobei die Art des Antriebs offen gelassen sei. In E1 werde darüber hinaus die Geschwindigkeit der Antriebseinrichtung auf eine bestimmte Umlaufgeschwindigkeit geregelt, die groß genug sein solle, damit Messwerte erzeugt würden. Das entspreche dem Merkmal (3).
Aus den Angaben in E1 hinsichtlich der Verwendung je nach Anwendungsfall verschiedener Drehzahlen und die Bezugnahme auf E2 ergebe sich, dass auch die Merkmale (5) bis (7) aus E1 bekannt seien. E1 sei auch nicht auf Handbetrieb beschränkt, vielmehr werde ein motorischer Antrieb vom Fachmann mitgelesen, wie auch durch E10 belegt werde.
Mithin verbleibe als neues Merkmal nur noch das Merkmal (4), gemäß welchem die Drehzahleinrichtung einen steuerbaren Frequenzumrichter und einen Rechner zur Regelung der steuerbaren Frequenzumrichtung umfasse.
Aus E2 sei ebenfalls eine Auswuchtmaschine mit den Merkmalen (1), (2) und (3) bekannt. Ferner sei aus dieser Entgegenhaltung bekannt, dass die Auswuchtwelle mit unterschiedlichen Drehzahlen, insbesondere zwei Drehzahlen, angetrieben werden könne. Die Drehzahlen beim Hochlauf der Wuchtmaschine würden so ausgewählt, dass die niedrigste Drehzahl bis zum Erreichen der vorbestimmten Messdrehzahl eine ausreichende Einstellzeit des Messsystems erlaube. Die Drehzahl der Auswuchtwelle werde somit in Abhängigkeit von einer gewählten Auswuchtqualität für unterschiedliche Radtypen geregelt, wobei vorzugsweise zwei Drehzahlen für den Hochlauf vorgesehen seien. Soweit es die gegenständlichen Merkmale (5), (6) und (7) ohne die oben angegebenen Bedingungen betreffe, seien auch diese Merkmale aus der E2 bekannt.
Was die erfinderische Tätigkeit anbelange, so sei es aus E1 bekannt, bei einer Radauswuchtmaschine unterschiedliche Messdrehzahlen zu verwenden, wobei die Qualität des gemessenen Ausgangssignals bei höherer Drehzahl besser sei als bei niedriger Drehzahl. In der Entgegenhaltung E3, welche das allgemeine Fachwissen dokumentiere, sei darauf hingewiesen, dass es generell zur Kosten- und Zeiteinsparung wünschenswert sei, bei kleinen Drehzahlen auszuwuchten. E1 sei entnehmbar, die Messdrehzahl so groß zu wählen, dass die Messempfindlichkeit der Auswuchtmaschine ausreiche, nachdem die Amplitude des Messsignals von der Drehzahl abhänge. Der Fachmann enthalte mithin aus der E1 den Hinweis, dass in Abhängigkeit von der Messdrehzahl die Auswuchtqualität bestimmt werden könne.
Wie schon ausgeführt, verbleibe als neues Merkmal im Anspruch 1 das Merkmal (4), gemäß welchem die Drehzahlregeleinrichtung einen steuerbaren Frequenzumrichter und einen Rechner zur Regelung der steuerbaren Frequenzumrichtung umfasse. Die durch dieses Merkmal gegenüber E1 gelöste Aufgabe bestehe in der Automatisierung der Drehzahleinsteilung des Antriebsmotors, mit welchem das auszuwuchtende Rad angetrieben werde. Die Aufgabe sei daher nicht in der Optimierung der Auswuchtqualität und Messdauer zu sehen, sondern in der Vereinfachung der Einstellung der Drehzahl des Antriebsmotors.
Aus E4 sei hierzu eine Steuereinheit für einen Drehstrommotor, insbesondere Asynchronmotor bekannt, der von einem Frequenzumrichter gespeist werde und einen Mikrorechner zur Regelung der steuerbaren Frequenzumrichtung umfasse. Diese Steuereinrichtung werde u.a. auch zur Drehzahlregelung verwendet. Ferner solle sie an verschiedene Aufgabenstellungen in der Praxis anpassungsfähig sein. Die bekannte Steuereinheit könne daher nicht nur zur Drehzahlregelung des Antriebsmotors, sondern auch zur Steuerung von Antrieben, die andere Funktionen erfüllten, zum Einsatz gebracht werden. Die bekannte Vorrichtung eigne sich mithin auch für die in Spalte 2, Absatz [0009] des Streitpatents beschriebene rechnergesteuerte Drehzahlregelung der anderen Antriebsmotoren. In Fig. 1 von E4 sei eine Steuereinheit mit zehn verschiedenen Ein- und Ausgängen 6 bis 15 dargestellt.
Die Verwendung eines rechnergestützten Frequenzumrichters für den Antrieb eines auszuwuchtenden Kraftfahrzeugrades sei dem Auswuchtfachmann geläufig. Es werde hierzu auf E5 verwiesen. Bei der in dieser Entgegenhaltung beschriebenen Wuchtmaschine werde die Antriebskraft des Motors über ein Friktionsrad auf das Kraftfahrzeugrad übertragen. Die Drehzahl des Motors werde dabei in Abhängigkeit von der Differenz der Umfangsgeschwindigkeiten des Friktionsrades und des Kraftfahrzeugrades geregelt. Für eine stetige Regelung werde die Differenz der beiden Umfangsgeschwindigkeiten rechnerisch ermittelt und die Frequenzregelung des Antriebsmotors in Abhängigkeit von der berechneten Größe durch einen Frequenzumrichter durchgeführt. Auf diese Weise sei es möglich, das Drehmoment des Motors ständig der aktuellen Anpresskraft, mit welcher das Friktionsrad gegen den Reifen des Kraftfahrzeugrades gedrückt werde, unter Vermeidung von Schlupf anzupassen.
Ferner würden mit der bekannten Wuchtmaschine unterschiedliche Radtypen ausgewuchtet, beispielsweise Räder für Personenkraftwagen und Lastkraftwagen. Die für die Unwucht erforderlichen Messdrehzahlen unterschieden sich für diese unterschiedlichen Radtypen ähnlich wie bei E1 und E3.
Angesichts E5 bedürfe es keiner erfinderischen Leistung, auch den Antriebsmotor einer Radauswuchtmaschine, wie sie aus der E10 bekannt sei, oder den Antrieb des gemäß E1 auszuwuchtenden Rades entsprechend zu regeln, um dieses Rad mit einer oder mehreren der vorbestimmten Messdrehzahlen anzutreiben.
Die Einsprechende hat ferner argumentiert, dass sich der Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 durch eine naheliegende Kombination des aus E1 und E11 bekannten Standes der Technik ergebe.
III. Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin hat zunächst beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten. Ihre Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Mit den von der Einsprechenden beanstandeten Merkmalen "in Abhängigkeit von einer gewählten Auswuchtqualität", "wenn die Dauer des Auswuchtvorganges kurz gehalten werden soll" und "wenn die Auswuchtqualität hoch sein soll" werde dargestellt, dass die Wuchtmaschine so aufgebaut sei, dass dem Bediener zwei Auswahlmöglichkeiten angeboten werden könnten, nämlich zum einen, die Dauer des Auswuchtvorganges kurz zu halten, und zum anderen, die Maschine auf eine hohe Auswuchtqualität einzustellen. Diese Merkmale seien daher sehr wohl Merkmale der Auswuchtmaschine selbst.
Die Entgegenhaltung E1 betreffe ein primitives, handbetriebenes Gerät, bei dem das Rad so weit hoch gedreht werde, dass man ein (wie auch immer geartetes) Unwuchtsignal messen könne. Diese Entgegenhaltung liege daher weit ab von dem Gegenstand des Streitpatents, insbesondere, weil überhaupt keine Drehzahlregeleinrichtung vorgesehen sei, geschweige denn eine Regeleinrichtung, die gezielt zwei Zustände für den Betrieb der Maschine ansteuern könne.
E2 zeige eine Wuchtmaschine ähnlich wie die bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigte Entgegenhaltung E7. Auch in E2 sei eine einzige Messdrehzahl vorgegeben, und es sei in keiner Weise vorgesehen, eine hohe oder eine niedrige Messdrehzahl anfahren zu können, wie es bei der vorliegenden Wuchtmaschine der Fall sei. Die unterschiedlichen "Anfangsgeschwindigkeiten" bedeuteten lediglich, dass das Rad auf eine Drehzahl beschleunigt werden solle, die genügend weit über der Messdrehzahl liege, damit sich das Rad in dem Zeitintervall zwischen dem Abschalten des Antriebs und dem Erreichen der Messdrehzahl beruhige. Dies habe nichts mit unterschiedlichen Messdrehzahlen zu tun, die bei der vorliegenden Wuchtmaschine angefahren werden könnten.
Die Entgegenhaltung E8 besage nur, dass das Rad nicht auf die Betriebsdrehzahl angetrieben werden müsse, um vernünftige Unwuchtmessungen zu machen. Die Möglichkeit der Abstimmung der Wuchtmaschine auf unterschiedliche Vorgaben sei weder angesprochen noch nahegelegt.
E4 entspreche im Wesentlichen der bereits im Prüfungsverfahren genannten Entgegenhaltung D2 und betreffe nur die Tatsache, dass ein Drehstrommotor von einem Frequenzumrichter unter einem Rechner gesteuert werden könne. Die Vorteile einer solchen Regelung für eine Wuchtmaschine und deren Einsatz zur Verwirklichung der Abstimmbarkeit der Wuchtmaschine seien nicht erwähnt.
E10 offenbare eine Wuchtmaschine, bei der es möglich sei, das Rad auf eine vorgegebene Drehgeschwindigkeit zu beschleunigen. E10 enthalte keine Informationen darüber, unterschiedliche Messdrehzahlen zu benutzen bzw. eine Drehzahlregeleinrichtung vorzusehen, um gezielt zwei Zustände für den Betrieb der Maschine ansteuern zu können.
E11 offenbare eine Wuchtmaschine und ein dazugehöriges Verfahren, bei welchen es möglich sei, einen auszuwuchtenden Körper bei einer hohen Drehzahl auszuwuchten. E11 enthalte allerdings ebensowenig wie E10 Informationen darüber, unterschiedliche Messdrehzahlen zu benutzen bzw. eine Drehzahlregeleinrichtung vorzusehen, um gezielt zwei Zustände für den Betrieb der Maschine ansteuern zu können.
Was den erfinderischen Schritt des Gegenstand des Streitpatents anbelange, so dürfe der Stand der Technik nicht mosaikartig zusammensetzt werden. Keine der genannten Entgegenhaltungen gebe einen Hinweis auf die Möglichkeit, eine Wuchtmaschine durch einen rechnergesteuerten Frequenzumrichter auf unterschiedliche Betriebsbedingungen einstellen zu können.
IV. Mit der Ladung zu der von beiden Parteien hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung hatte die Kammer eine vorläufige Stellungnahme abgegeben, in der sie insbesondere die Frage aufgeworfen hatte, welche Einschränkung im Sinne von gegenständlichen Merkmalen mit dem in dem strittigen Anspruch 1 verwendeten Wortlaut verbunden seien, wonach "die Drehzahleinrichtung geeignet ist, die Drehzahl in Abhängigkeit von einer gewählten Auswuchtqualität zu regeln, wobei, wenn die Dauer des Auswuchtvorganges kurz gehalten werden soll, die Auswuchtwelle bei niedrigen Drehzahlen anzutreiben ist, und wenn die Auswuchtqualität hoch sein soll, das Rad mit großen Drehzahlen anzutreiben ist, um ein hohes Ausgangssignal des Auswuchtsensors zu erhalten." Handele es sich hierbei um die Definition zweier Betriebszustände, die die Wuchtmaschine dem Benutzer zur Auswahl anbiete, wie die Patentinhaberin annehme, oder seien entsprechend der Interpretation der Einsprechenden diese Angaben im Belieben des Benutzers, so dass die Wuchtmaschine lediglich geeignet sein müsse, so betrieben zu werden?
V. In der mündlichen Verhandlung, die am 10. Oktober 2006 stattgefunden hat, beantragte die Patentinhaberin, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage eines Haupt- bzw. Hilfsantrags aufrecht zu erhalten.
Die Einsprechende beantragte den vollständigen Widerruf des Patents.
Der dem Hauptantrag zugrunde liegende Anspruch 1 lautet:
"1. Wuchtmaschine zum Auswuchten eines Rades, mit einer Antriebseinrichtung, die einen Motor (8) und eine von dem Motor (8) angetriebene Auswuchtwelle umfasst, auf der das Rad zum Messen der Unwucht befestigt ist, einem Unwuchtsensor (4,5) zur Messung der Unwucht und einer Drehzahlregeleinrichtung (1,6) zur Regelung der Geschwindigkeit der Antriebseinrichtung,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Drehzahleinrichtung (1,6) einen steuerbaren Frequenzumrichter (6) und einen Rechner (1) zur Regelung des steuerbaren Frequenzumrichters (6) umfasst, dass die Drehzahlregeleinrichtung (1, 6) die Wahl unterschiedlicher Drehzahlen der Auswuchtwelle in Abhängigkeit von einer gewählten Auswuchtqualität erlaubt, wobei, wenn die Dauer des Auswuchtvorganges kurz gehalten werden soll, die Auswuchtwelle bei niedrigen Drehzahlen anzutreiben ist, und wenn die Auswuchtqualität hoch sein soll, das Rad mit großen Drehzahlen anzutreiben ist, um ein hohes Ausgangssignal des Unwuchtsensors zu erhalten."
Der Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag lautet:
"1. Wuchtmaschine zum Auswuchten eines Rades, mit einer Antriebseinrichtung, die einen Motor (8) und eine von dem Motor (8) angetriebene Auswuchtwelle umfasst, auf der das Rad zum Messen der Unwucht befestigt ist, einem Unwuchtsensor (4,5) zur Messung der Unwucht und einer Drehzahlregeleinrichtung (1,6) zur Regelung der Geschwindigkeit der Antriebseinrichtung,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Drehzahlregeleinrichtung (1,6) einen steuerbaren Frequenzumrichter (6) und einen Rechner (1) zur Regelung des steuerbaren Frequenzumrichters (6) umfasst, dass die Drehzahlregeleinrichtung (1, 6) die Wahl unterschiedlicher Drehzahlen der Auswuchtwelle in Abhängigkeit von einer gewählten Auswuchtqualität erlaubt, wobei, wenn die Dauer des Auswuchtvorganges kurz gehalten werden soll, die Auswuchtwelle bei niedrigen Drehzahlen anzutreiben ist, und wenn die Auswuchtqualität hoch sein soll, das Rad mit großen Drehzahlen anzutreiben ist, um ein hohes Ausgangssignal des Unwuchtsensors zu erhalten, und dass zum Eindrehen des Rades für das Anbringen der Ausgleichsgewichte der Rechner (1) dafür ausgebildet ist, den Motor (8) über den Frequenzumrichter (6) in Abhängigkeit von der Winkellage der Auswuchtwelle so zu steuern, dass die Auswuchtwelle motorisch in die Ausgleichsposition eingedreht und festgehalten wird."
Entscheidungsgründe
1. Interpretation des Anspruchswortlauts
1.1 Da es sich bei den Versionen des Anspruchs 1 gemäß dem Haupt- bzw. Hilfsantrag um auf Vorrichtungen gerichtete Ansprüche handelt, kann das Merkmal "wobei, wenn die Dauer des Auswuchtvorganges kurz gehalten werden soll, die Auswuchtwelle bei niedrigen Drehzahlen anzutreiben ist, und wenn die Auswuchtqualität hoch sein soll, das Rad mit großen Drehzahlen anzutreiben ist, um ein hohes Ausgangssignal des Unwuchtsensors zu erhalten" nur im Sinne eines funktionellen Merkmals interpretiert werden. Eine Wuchtmaschine, bei der ein Betrieb bei unterschiedlichen Drehzahlen vorgesehen ist, ermöglicht automatisch eine kürzere Auswuchtdauer bei niedrigeren Drehzahlen als bei höheren und erzeugt automatisch eine höhere Auswuchtqualität bei höheren Drehzahlen als bei niedrigeren. Die Wahl der Zeitdauer bzw. der Qualität sind der Entscheidung des Bedienungspersonals überlassen und stellen somit keine Merkmale einer Vorrichtung dar.
1.2 Die Patentinhaberin hat eingewandt, dass der Anspruch 1 mit dem genannten Merkmal zwei Betriebszustände definiere, die dem Bedienpersonal von der Auswuchtmaschine zur Auswahl angeboten würden und damit Vorrichtungsmerkmale dieser Maschine seien.
1.3 Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass jede Auswuchtmaschine, die Betriebszustände mit unterschiedlichen Drehzahlen aufweist, den Betrieb im Sinne des genannten Merkmals ermöglicht. Ob dieser Betrieb auch durchgeführt wird, ist eine Sache der Bedienung, auf die eine Maschine in einem Vorrichtungsanspruch nicht beschränkt werden kann.
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Eine Wuchtmaschine mit den im Oberbegriff des Anspruchs 1 gemäß dem Haupt- bzw. Hilfsantrag angegebenen Merkmalen ist in dem Dokument E2 offenbart. Darüber besteht Einigkeit der Parteien. Bei der bekannten Wuchtmaschine, siehe E2, Abstract, wird die Auswuchtwelle mit dem auszuwuchtenden Reifen auf eine anfängliche Drehzahl angetrieben, dann wird der Antrieb abgekoppelt, worauf die Drehzahl abfällt, und schließlich wird die Unwuchtmessung bei einer bestimmten Messdrehzahl durchgeführt. Die anfängliche Drehzahl ist so gewählt, dass durch die Abkopplung des Antriebs in dem Reifen erzeugte Vibrationen abgeklungen sind, wenn die Messdrehzahl erreicht ist. Die anfängliche Drehzahl hängt somit von der Art des Reifens ab.
2.2 Von dem aus E2 bekannten Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des dem Hauptantrag zugrunde liegenden Anspruchs 1 gemäß dem kennzeichnenden Teil dadurch dass
(1) die Drehzahlregeleinrichtung einen steuerbaren Frequenzumrichter und einen Rechner zur Regelung des steuerbaren Frequenzumrichters umfasst;
(2) die Drehzahlregeleinrichtung die Wahl unterschiedlicher Drehzahlen der Auswuchtwelle in Abhängigkeit von einer gewählten Auswuchtqualität erlaubt;
(3) wobei, wenn die Dauer des Auswuchtvorganges kurz gehalten werden soll, die Auswuchtwelle bei niedrigen Drehzahlen anzutreiben ist, und, wenn die Auswuchtqualität hoch sein soll, das Rad mit großen Drehzahlen anzutreiben ist, um ein hohes Ausgangssignal des Unwuchtsensors zu erhalten.
2.3 Im Rahmen der in dem vorliegenden Patent genannten Aufgabe, den Betrieb einer Wuchtmaschine gemäß den jeweiligen Anforderungen bezüglich Auswuchtqualität und Messdauer zu optimieren, wird mit dem Merkmal (1) die objektive Aufgabe gelöst, eine zeitgemäße Ansteuerung für den Motor bereitzustellen.
2.4 Diese Aufgabe wird bei der in dem Dokument E11 anhand der Figuren 1 bis 3 beschriebenen Wuchtmaschine auf die im Merkmal (1) angegebene Weise gelöst, nämlich mit einem Frequenzumrichter in Form eines Spannungsfrequenzwandlers (VCO 14), der von einem Rechner (Mikrocomputer, siehe Spalte 11, Zeilen 25 bis 32) zur Drehzahlregelung angesteuert wird. Es war daher naheliegend, diese Drehzahlregelung bei der in E2 beschriebenen Wuchtmaschine einzusetzen.
2.5 Das Merkmal (2) beinhaltet bereits die von ihm gelöste Aufgabe, nämlich die Drehzahl an die gewählte Auswuchtqualität anzupassen. Hierzu ist es in dem Dokument E10 bei einer Auswuchtmaschine angegeben, dass eine vorbestimmte Drehzahl für ein Rad-Reifen-System unter Berücksichtigung der Betriebsbedingungen des Fahrzeugs ausgewählt wird, bei dem dieses Rad-Reifen-System eingesetzt werden soll, siehe Spalte 1, Zeile 19 bis 24 und 45 bis 49. Für einen Fachmann ist aus dieser Angabe ersichtlich, dass sich die "Berücksichtigung der Betriebsbedingungen des Fahrzeugs" auf die noch tolerierbare Unwucht bezieht, so dass es hier ebenfalls um die Anpassung der Drehzahl an die Auswuchtqualität geht. Bekanntlich nimmt die Auswuchtqualität mit der Drehzahl zu, wie aus grundsätzlichen Überlegungen zur Abhängigkeit einer auf der Zentrifugalkraft beruhenden Unwucht vom Quadrat der Drehzahl folgt. Hierzu ist auf die allgemeinen Angaben zu der in E2 beschriebenen Auswuchtmaschine, siehe Seite 6, zweiter Absatz, hinzuweisen. Aus der Druckschrift E3 geht ebenfalls hervor, dass die Messempfindlichkeit mit der Drehzahl zunimmt.
Damit lag es nahe, auch das Merkmal (2) bei der aus E2 bekannten Auswuchtmaschine einzusetzen.
Übrigens wird auch in E10, siehe Spalte 15, Zeilen 15 bis 20, und Spalte 16, Zeilen 6 bis 16, ein steuerbarer Frequenzumrichter in Form des Oszillators 250 verwendet, dessen Frequenz von der gewünschten Drehzahl des Motors abhängt, wie es dem beanspruchten Merkmal (1) entspricht.
2.6 Was das Merkmal (3) anbelangt, so wurde oben ausgeführt, dass es sich auf den Betrieb einer Auswuchtmaschine bezieht und keine Einschränkungen im Sinne von konkreten Vorrichtungsmerkmalen beinhaltet mit der Ausnahme, dass die Maschine Merkmale aufweist, die diesen Betrieb ermöglichen. Dies ist, wenn nicht schon bei der aus E2, so doch bei der in E10 bekannten Auswuchtmaschine der Fall, wie oben gezeigt wurde. Abgesehen davon sind die der Abhängigkeit der Auswuchtqualität von der Drehzahl zugrunde liegenden Überlegungen, wie schon erwähnt wurde, bekannt. Damit lag es auch nahe, die Drehzahl an die erforderliche Auswuchtqualität anzupassen, was bei gewünschter relativ niedriger Qualität automatisch zur Wahl einer niedrigen Drehzahl mit entsprechender kurzer Auswuchtdauer führt und bei hoher Qualität entsprechend eine große Drehzahl erfordert.
2.7 Der Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag weist zusätzlich das Merkmal auf, dass:
(4) zum Eindrehen des Rades für das Anbringen der Ausgleichsgewichte der Rechner dafür ausgebildet ist, den Motor über den Frequenzumrichter in Abhängigkeit von der Winkellage der Auswuchtwelle so zu steuern, dass die Auswuchtwelle motorisch in die Ausgleichsposition eingedreht und festgehalten wird.
Damit wird die Aufgabe gelöst, den Eindrehvorgang zu automatisieren. Dieser Vorgang wird in E11, siehe Spalte 7, Zeilen 10 bis 17 und 31 bis 36 sowie Figur 2 und 3 und Spalte 8, Zeilen 50 bis 65, ebenfalls so ausgeführt, dass der Motor 3 über den Frequenzumrichter VCO 14 in Abhängigkeit von der Winkellage der Auswuchtwelle (Feedback control) so gesteuert wird, dass die Auswuchtwelle motorisch in die Ausgleichsposition eingedreht und festgehalten wird. Da es, wie oben gezeigt wurde, ohnehin nahelag, das sich auf den rechnergesteuerten Frequenzumrichter beziehende und in E11 beschriebene Merkmal (1) bei der aus E2 bekannten Wuchtmaschine einzusetzen, lag es auch nahe, diesen rechnergesteuerten Frequenzumrichter - ebenfalls entsprechend E11 - für das Eindrehen im Sinne des Merkmals (4) zu verwenden.
3. Argumente
3.1 Die Patentinhaberin hat eingewandt, dass E10 keine Informationen darüber enthalte, unterschiedliche Messdrehzahlen zu benutzen bzw. eine Drehzahlregeleinrichtung vorzusehen, um gezielt zwei Zustände für den Betrieb der Maschine ansteuern zu können. Mehrere Drehzahlen seien in E10 nur in der Beschreibung des Standes der Technik genannt. Die in E10 verwendete Drehzahl sei durch das Fahrzeug vorgegeben. Außerdem offenbare E10 keinen rechnergesteuerten Frequenzumrichter.
3.2 Diese Argumentation konnte die Kammer nicht überzeugen. Wie oben ausgeführt, lehrt E10 für die dort beschriebene Erfindung die Verwendung unterschiedlicher Messdrehzahlen in Abhängigkeit vom Fahrzeugtyp, was auf die Berücksichtigung der jeweils erforderlichen Auswuchtqualität in dem Sinne hinausläuft, dass bei erforderlicher hoher Qualität eine hohe Drehzahl und bei tolerierbarer niedriger Qualität eine niedrige Drehzahl zu wählen ist. E10 offenbart, wie oben gezeigt wurde, einen Frequenzumrichter für die Ansteuerung des Motors. Diesen von einem Rechner zu steuern entspricht dem, was mittlerweile, d.h. zum Prioritätszeitpunkt des vorliegenden Patents, üblich war, wie aus dem Dokument E11 hervorgeht, das ca. 15 Jahre nach E10 veröffentlicht wurde.
3.3 Die Patentinhaberin hat zu E11 ausgeführt, dass es dort um das Eindrehen gehe, das mit Hilfe einer Rückkopplungssteuerung des Frequenzumrichters VCO ausgeführt werde. Mit dem VCO würden aber keine unterschiedlichen Messdrehzahlen eingestellt. Es gebe daher keinen Hinweis auf die im vorliegenden Patent definierten zwei Messzustände. Das Eindrehen werde in E11 nicht wie in dem vorliegenden Patent in Abhängigkeit von der Winkellage der Auswuchtwelle durchgeführt, sondern mit einer "fixed rate", wie aus Spalte 12, Zeilen 47 bis 50, hervorgehe.
3.4 Dieses Argument überzeugt die Kammer ebenfalls nicht. Für einen Fachmann ist es ohne weiteres ersichtlich, dass sich mit dem aus E11 bekannten rechnergesteuerten Frequenzumrichter die in E10 offenbarten unterschiedlichen Messdrehzahlen realisieren lassen. Was das Eindrehen anbelangt, so vermag die Kammer keinen Unterschied zwischen dem im Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag definierten Merkmal und der in E11 anhand Figur 2 beschriebenen Art und Weise zu erkennen. Es geht aus Spalte 7, Zeilen 31 bis 36, sowie Spalte 9, Zeilen 3 bis 6, hervor, dass die Rückkopplung beim Eindrehen von größerer Bedeutung ist. Diese Rückkopplung gewährleistet offenbar ebenfalls eine Steuerung des Motors über den Frequenzumrichter in Abhängigkeit von der Winkellage der Auswuchtwelle.
3.5 Die Kammer vermag sich daher nicht der Meinung der Patentinhaberin anzuschließen, dass nur eine mosaikartige ex-post-facto-Analyse zu dem Gegenstand des vorliegenden Patents führe. Die Tatsache, dass drei Dokumente kombiniert wurden, ist dann unbeachtlich, wenn wie im vorliegenden Fall den verschiedenen Merkmalen unterschiedliche Teilaufgaben zugrunde liegen, deren Lösung zu keinem besonderen kombinatorischen Effekt führte.
4. Auch bei Würdigung der wesentlichen Argumente der Patentinhaberin kommt die Kammer daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl des Hauptantrags als auch des Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht. Ein Einpruchsgrund unter Artikel 100 a) EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des vorliegenden Patents entgegen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.