T 1179/03 () of 31.1.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T117903.20060131
Datum der Entscheidung: 31 Januar 2006
Aktenzeichen: T 1179/03
Anmeldenummer: 98967119.3
IPC-Klasse: G01N 25/68
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Sensoranordnung zur Detektion von Kondensationen an Oberflächen
Name des Anmelders: UST Umweltsensortechnik GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit nach Beschränkung auf Verfahrensansprüche: bejaht
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 98 967 119.3 (Internationale Veröffentlichungsnummer WO-A-98/38499) wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Anmelder (Beschwerdeführer) Beschwerde eingelegt.

II. Die Zurückweisung wurde von der Prüfungsabteilung damit begründet, dass die Gegenstände des Anspruchs 3 gemäß einem Hauptantrag und des Anspruchs 2 gemäß einem Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Hierzu wurde auf die folgenden Druckschriften verwiesen:

D1: DE-A-3 231 534

D2: EP-A-0 178 071

Außerdem wurde von der Prüfungsabteilung darauf hingewiesen, dass aus den genannten Gründen auch die in dem jeweiligen Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags angegebenen Verfahren nicht erfinderisch seien. Weiterhin wurde ausgeführt, dass das in Figur 3 dargestellte Ausführungsbeispiel sich nicht den Ansprüchen des Haupt- und Hilfsantrags unterordnen lasse, was die Klarheit dieser Ansprüche hinsichtlich ihres Schutzbereichs in Frage stelle. Schließlich gehe der Gegenstand der Ansprüche 1 und 3 des Hauptantrags durch Streichung des jeweils sich auf ein Heizen mit dem Widerstandssensor beziehenden Merkmals über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

III. Mit der Beschwerdebegründung reichte der Anmelder Ansprüche ein, die dem der Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrag entsprachen. Außerdem reichte er als Hilfsantrag neu gefasste Ansprüche ein. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik bestehe die objektive Aufgabe der Erfindung darin, ein deutlich auswertbares Messsignal bereits bei einer Umgebungstemperatur zu erzeugen, die einige Kelvin oberhalb des Taupunkts liege. Schon diese Aufgabenstellung sei nicht nahe gelegt, da der Fachmann davon ausgehen musste, dass eine Betauung stets erst bei Erreichen der Taupunkttemperatur eintrete. Neben der Aufgabe sei im vorliegenden Fall aber auch die Lösung erfinderisch. Die relevanten Unterschiede der beanspruchten Merkmalskombinationen beträfen (1) das Messsignal zur Detektion der Betauung und (2) die zweischichtige Ausführung der Zusatzschicht.

Es treffe zwar zu, dass nach D1 auch oberhalb des Taupunkts ein Signal gemessen werde. Dieses sei jedoch nur ein Wert einer gemessenen Kapazität und lasse keine Rückschlüsse zu, bei welcher Temperatur die Betauung erfolgen werde. Diese werde durch eine mit dem Signal gesteuerte Abkühlung erreicht. Dagegen bestehe das durch die Erfindung gelieferte Signal in einer sprunghaften Änderung der Kapazität durch das plötzliche Auftreten eines Wasserfilms bereits oberhalb der Taupunkttemperatur, was eine Aussage über die bevorstehende Betauung ermögliche.

In D1 werde das einer Änderung der Dielektrizitäts konstante entsprechende Signal erst nach Kühlung bis zum Taupunkt erreicht. Im Gegensatz dazu sei bei der Erfindung kein Abkühlvorgang mit einer Kühleinrichtung nötig, da der Wasserfilm bereits bei einer höheren Temperatur erzeugt werde.

Neben dem strukturellen Unterschied gegenüber D1 des Vorhandenseins zweier Schichten stelle somit die Erzeugung eines auswertbaren Signals, welches durch die Erzeugung eines Wasserfilms bei einer Temperatur oberhalb des Taupunkts erreicht werde, einen wesentlichen funktionellen Unterschied dar.

Das Dokument D2 beschreibe eine Anordnung zur Messung der relativen Feuchte, d.h. es handele sich um eine Anordnung, mit der stetige Signaländerungen erfasst würden. Eine sprunghafte Signaländerung, wie dies der erfindungsgemäßen Aufgabe entspreche, sei zur Messung der relativen Feuchte weder möglich noch erforderlich. In D2 würde als Problem bei Feuchtigkeitssensoren mit sensitiver Schicht die Dauerfestigkeit der Schichten gesehen. Dieses Problem werde in D2 durch eine piezoelektrische Anordnung und die Verwendung einer hydrophilen und einer hydrophoben Schicht gelöst, wobei die hydrophile Schicht die Feuchtigkeit der Umgebung aufnehme und möglichst schnell ein Signal abgeben solle, während die hydrophobe Schicht zum Schutz der Elektroden schützen diene. Ein Wasserfilm wie bei der Erfindung könne und solle in D2 nicht erzeugt werden. Durch D2 sei dem Fachmann die Verwendung der hydrophilen Schicht zur Erzeugung eines Wasserfilms gerade nicht nahe gelegt worden, sondern D2 habe den Fachmann von der Anwendung dieser Schicht eher weggeführt.

Die hydrophobe Schicht verhindere bei der erfindungsgemäßen Anordnung, dass in der hydrophilen Schicht eine Elektrolyse stattfinde und die Schicht zerstöre. Ein Hinweis darauf, dass durch diese Anordnung eine Taupunktmessung oder eine Verschiebung des Signalsprungs auf der Temperaturskala erreicht werden könne, sei D2 nicht zu entnehmen. Darüber hinaus ergebe sich erst durch die erfindungsgemäße Kombination der synergetische Effekt der Wasserfilmbildung oberhalb des Taupunkts, der für den Fachmann nicht vorhersehbar gewesen sei.

IV. Im Einklang mit Artikel 12(2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern erfolgte eine vorläufige Mitteilung durch die Kammer, in der Einwände unter Artikel 123(2) und 84 EPÜ erhoben wurden, die so gravierend seien, dass eine abschließende Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit nicht möglich sei.

V. Mit Schreiben vom 23.02.2005 reichte der Anmelder einen neuen Haupt- und Hilfsantrag ein und setzte sich mit der Mitteilung der Kammer auseinander.

VI. Zur Vorbereitung der vom Anmelder hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung gab die Kammer in einer Anlage zur Ladung eine vorläufige Stellungnahme ab, in der sie insbesondere Einwände unter Artikel 123(2) und 56 EPÜ erhob.

VII. Mit Schreiben vom 17.06.2005 reichte der Anmelder weitere Hilfsanträge sowie diesbezügliche Ausführungen ein.

VIII. Eine mündliche Verhandlung hat am 31.01.2006 statt gefunden. In der mündlichen Verhandlung hat der Anmelder beantragt, ein Patent auf der Grundlage folgender Ansprüche zu erteilen:

"1. Verfahren zur Detektion von Kondensationen an Oberflächen durch Auswertung der Änderung der Dielektrizitätskonstante im Streufeld eines Kondensators (Cs), wobei am Kondensator (Cs) die Temperatur mit einem elektrischen Widerstandssensor (Rmeß) gemessen wird und wobei mit dem Widerstandssensor (Rmeß) gleichzeitig die Anordnung geheizt wird

dadurch gekennzeichnet, dass eine Anordnung verwendet wird, bei der auf einer Trägerschicht eine Metallschicht als Interdigitalstruktur angebracht ist, die den Kondensator (Cs) bildet, wobei in dem Kondensator (Cs) ein temperaturabhängiger Widerstand integriert ist, der gleichzeitig als Temperatursensor und als Heizelement verwendet wird und bei der auf der Metallschicht außer einer Passivierungsschicht eine die Betauung fördernde Zusatzschicht angebracht ist, so dass bei der Abkühlung der Anordnung bereits einige Kelvin vor dem Erreichen des Taupunktes ein detektierbarer Wasserfilm gebildet wird, der an der Anordnung ein auswertbares Signal erzeugt.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als die die Betauung fördernde Zusatzschicht Kondensationskeime verwendet werden."

Entscheidungsgründe

1. Artikel 123(2) EPÜ

Der Anspruch 1 ist inhaltlich eine Zusammenfassung der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2, ergänzt durch das in der ursprünglichen Beschreibung, Seite 2, Zeile 23 bis Seite 3, Zeile 2, offenbarte Merkmal, dass auf der Metallschicht außer einer Passivierungsschicht eine die Betauung fördernde Zusatzschicht angebracht ist.

Der Gegenstand des Anspruchs 2 ergibt sich aus den Angaben zur Figur 3 in der ursprünglichen Beschreibung, Seite 4, Zeilen 5 und 6, sowie Seite 5, Zeilen 5 und 6.

Die Änderungen der Beschreibung sind lediglich redaktioneller Art.

Die geänderte Anmeldung geht daher nicht über den Inhalt in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

2. Artikel 52(1) EPÜ

2.1 Aus der Druckschrift D1, siehe insbesondere die Figuren 1 bis 3 mit der sie erläuternden Beschreibung, ist ein Verfahren zur Detektion von Kondensationen an Oberflächen nach dem Oberbegriff des vorliegenden Anspruchs 1 bekannt, das darüber hinaus eine Anordnung verwendet, bei der auf einer Trägerschicht (2) eine Metallschicht (3, 4) als Interdigitalstruktur (5, 6) angebracht ist, die einen Kondensator (CM) bildet, wobei in dem Kondensator ein temperaturabhängiger Widerstand (RM) integriert ist, der gleichzeitig als Temperatursensor und Heizelement verwendet wird (siehe Seite 11, 3. Absatz, und Seite 12, 2. Absatz, sowie den Anspruch 13 auf Seite 3) und bei der auf dem Kondensator eine Passivierungs- bzw. Schutzschicht (10) angeordnet ist.

Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich das Verfahren gemäß dem Anspruch 1 zunächst dadurch, dass bei der verwendeten Anordnung auf der Metallschicht außer der Passivierungsschicht eine die Betauung fördernde Zusatzschicht angebracht ist. Das beanspruchte Verfahren ist daher schon aufgrund dieses Merkmals neu.

Gemäß einem weiteren Unterschied gegenüber D1 wird das beanspruchte Verfahren so betrieben, dass sich bei der Abkühlung der Anordnung bereits einige Kelvin vor dem Erreichen des Taupunkts ein detektierbarer Wasserfilm gebildet wird, der an der Anordnung ein auswertbares Signal erzeugt. Damit wird die Aufgabe gelöst, bei der Anwendung in von der Feuchtigkeit abhängigen Heiz- bzw. Kühlsystemen rechtzeitig, d.h. bereits vor der Betauung, ein Signal bereitzustellen, das zu Steuerungszwecken verwendet werden kann.

2.2 In der Druckschrift D2 ist zwar eine Zusatzschicht (3b in Figur 3) mit hydrophilen Gruppen auf einer hydrophoben Schicht (3a) in einem feuchtigkeits sensitiven Film eines Feuchtesensors beschrieben, der in einer Ausführung nach dem Kapazitätsprinzip mit einer interdigitalen Elektrodenstruktur arbeitet, siehe Seite 9, Zeilen 2 bis 11. Die hydrophilen Gruppen, die in die Zusatzschicht eingearbeitet sind, ermöglichen eine gleichmäßigere Adsorption und Desorption von Wasser und verbessern das Ansprechverhalten, die Stabilität und die Standzeit des Detektors, siehe Seite 10, Zeilen 9 bis 19. Selbst wenn man die hydrophile Schicht in D2 mit der die Betauung fördernden Zusatzschicht in dem beanspruchten Verfahren identifizieren würde, wäre jedoch D2 kein Hinweis zu entnehmen, mit einer solchen Schicht bei der Abkühlung bereits vor der Betauung einen Wasserfilm zu erzeugen, da die Bildung eines Wasserfilms in einem Feuchtsensor, wie ihn D2 betrifft, eher vermieden wird.

2.3 Auch das erfindungswesentliche aus der Bildung des Wasserfilms resultierende Merkmal, wonach ein detektierbares Signal bereits einige Kelvin vor Erreichen des Taupunkts erzeugt wird, wird durch den ermittelten Stand der Technik in keiner Weise nahe gelegt.

2.4 Dem Verfahren vor der Prüfungsabteilung lagen gemäß einem Haupt- und einem Hilfsantrag jeweils nur Anspruchssätze zugrunde, die als unabhängige Ansprüche neben auf Verfahren, auch auf Anordnungen gerichtete enthielten. Die Begründung in der Entscheidung der Prüfungsabteilung befasst sich ausführlich lediglich mit den auf Anordnungen gerichteten unabhängigen Ansprüchen, die das Merkmal, dass sich bei der Abkühlung der Anordnung bereits einige Kelvin vor dem Erreichen des Taupunkts ein detektierbarer Wasserfilm gebildet wird, nicht enthalten. Solche Ansprüche wurden jedoch vom Anmelder in der Beschwerde nicht weiterverfolgt. Zu den Verfahrensansprüchen hat die Prüfungsabteilung lediglich ausgeführt, sie beruhten aus den gleichen Gründen wie die Vorrichtungsansprüche nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.5 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass es für den Fachmann nicht nahe liegend war, die in D2 beschriebene hydrophile Schicht in dem aus D1 bekannten Verfahren einzusetzen und dieses zur Lösung der o.g. Aufgabe so zu betreiben, dass sich bei der Abkühlung der Anordnung bereits einige Kelvin vor dem Erreichen des Taupunkts ein detektierbarer Wasserfilm gebildet wird. Das Verfahren gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 ist daher nicht nur neu, sondern beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Der einzige abhängige Anspruch betrifft eine Ausführungsart des Verfahrens nach Anspruch 1. Die Beschreibung ist an die geänderten Ansprüche angepasst worden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Beschreibung:

Seiten 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 31.01.2006;

Ansprüche:

Nr. 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 31.01.2006;

Zeichnungen:

Figuren 1 bis 4, wie ursprünglich eingereicht.

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