T 1163/03 () of 13.12.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T116303.20051213
Datum der Entscheidung: 13 Dezember 2005
Aktenzeichen: T 1163/03
Anmeldenummer: 98120751.7
IPC-Klasse: A47L 13/17
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren für das Waschen und gebrauchsfertig Imprägnieren eines lappenartigen oder mopartigen Schmutzaufnehmers
Name des Anmelders: Johannes Kiehl KG
Name des Einsprechenden: Firma Carl Freudenberg
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
Schlagwörter: Anspruch 1 wie erteilt
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0229/85
T 0219/87
T 0455/94
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende) und die Beschwerdeführerin II (Patentinhaberin) haben am 14. respektive am 28. November 2003 gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 18. September 2003, mit der sie befand, dass unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen das europäische Patent den Erfordernissen des EPÜ genügt, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 21. respektive am 27. Januar 2004 die Beschwerden schriftlich begründet.

II. Der Einspruch wurde auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) (bzw. Artikel 54 und 56) EPÜ gestützt.

III. Folgende Beweismittel haben während des Beschwerdeverfahrens eine Rolle gespielt:

D2: Gutachten "Das Swep-System in der Krankenhausreinigung" von Professor Dr. K.D. Zastrow

D3a: Prüfbericht FIGR Forschung- und Prüfinstitut für Gebäudereinigungstechnik GmbH: "Untersuchung der High-Speed-Wischmethode der Fa. Swep Oy" vom 22. November 1990

D6a: Schmutz und Flecken von J. Pütz und R. Weber, vgs Verlagsgesellschaft, 1. Auflage, 1995, Seiten 5 bis 8, 62 bis 73 und 89 bis 94

D22: Entscheidung der Kommission vom 27. Juni 2001 zur Festlegung der Umweltkriterien für die Vergabe des EG-Umweltzeichens an Allzweckreiniger und Reinigungsmittel für sanitäre Einrichtungen; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 11. Juli 2001.

IV. Anspruch 1 wie erteilt, lautet wie folgt:

"1. Verfahren für das maschinelle Waschen und gebrauchsfertig Imprägnieren eines lappenartigen oder mopartigen Schmutzaufnehmers, wie er für das Wischen, beispielsweise von Böden, verwendet wird, gekennzeichnet durch die folgenden Schritte:

(a) Waschen des Schmutzaufnehmers in einer Lösung, die ein kombiniertes Wisch/Waschmittel und Wasser enthält, um den vom Wischen verschmutzten Schmutzaufnehmer zu säubern,

(b) Tränken des Schmutzaufnehmers mit einer Imprägnierlösung, die das kombinierte Wisch/Waschmittel und Wasser enthält,

(c) Abtrennen der Imprägnierlösung von dem Schmutzaufnehmer, bis dieser eine Restfeuchte in einem vorbestimmten Bereich besitzt, so daß der Schmutzaufnehmer gebrauchsfertig ist."

V. Am 13. Dezember 2005 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Die Beschwerdeführerin I beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Sie hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

D3a offenbare (siehe Seite 1, Punkt 1), die in Anspruch 1 wie erteilt angegebenen Verfahrensschritte a) bis c). In diesem Anspruch werde zwar auf ein "kombiniertes Wisch/Waschmittel" Bezug genommen; das in D3a als Allzweckreiniger bezeichnete Produkt falle jedoch auch unter den Begriff "kombiniertes Wisch/Waschmittel". Daher sei Anspruch 1 wie erteilt nicht neu.

Aber selbst wenn unterstellt würde, dass ein Allzweckreiniger kein kombiniertes Wisch/Waschmittel wäre, beruhe Anspruch 1 wie erteilt nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. In diesem Fall sei die zu lösende Aufgabe darin zu sehen, unter Verwendung desselben Reinigungsmittels das maschinelle Waschen und gebrauchsfertige Imprägnieren des Schmutzaufnehmers durchzuführen. In D6a werde ein Baukastensystem zur Herstellung von Wischmitteln sowie von Waschmitteln offenbart. Daher sei es für einen Fachmann offensichtlich mit diesem System, anhand einfacher Experimente, ein kombiniertes Wisch/Waschmittel herzustellen und es in einem Verfahren gemäß D3a oder D2 anzuwenden.

Die Beschwerdeführerin II (Patentinhaberin) hat den Ausführungen der Beschwerdeführerin I widersprochen und im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Ein Allzweckreiniger sei kein kombiniertes Wisch/Waschmittel. Wie in der Beschreibung des angefochtenen Patents angegeben, sei unter einem kombinierten Wisch/Waschmittel ein Mittel zu verstehen, das sowohl für das Wischen als auch für das Waschen gebrauchstauglich sei. Auch durch das Mischen eines Wischmittels mit einem Waschmittel entstehe noch kein kombiniertes Wisch/Waschmittel, weil diese Mittel üblicher Weise chemisch unverträglich seien. Beim Verfahren gemäß D3a enthalte die Imprägnierlösung nur den Allzweckreiniger (also kein kombiniertes Wisch/Waschmittel) und daher sei die Neuheit des erteilten Anspruchs 1 gegeben.

Die zu lösende Aufgabe bestehe darin, die Eingriffs möglichkeiten des Bedienungspersonals einzuschränken und die Arbeitseffizienz zu steigern. D6a offenbare ein Baukastensystem zur Herstellung von Reinigungsmitteln. Auch wenn eine gleiche Basiskomponente in verschiedenen Mitteln verwendet werde, rege D6a einen Fachmann nicht dazu an, ein kombiniertes Wisch/Waschmittel herzustellen. Im Gegensatz dazu empfehle D6a für jede Anwendung ein spezifisch zusammengestelltes Mittel herzustellen.

Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag), hilfsweise die Zurückweisung der Beschwerde der Beschwerdeführerin I (Hilfsantrag I), oder die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des mit Schreiben vom 14. September 2005 eingereichten Hilfsantrags II.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Auslegung des Anspruchs 1 wie erteilt

In der Beschreibung (Patentschrift, Abschnitt [0006]) wird klargestellt, dass ein Waschmittel ein Mittel ist, das zum Waschen der Mops in der Waschmaschine verwendet wird, und dass ein Wischmittel ein Mittel ist, das zum Reinigen von Böden benutzt wird.

Ein kombiniertes Wisch/Waschmittel ist also ein Mittel, das sowohl im Waschvorgang in der Waschmaschine als auch beim Reinigen von Böden gebrauchstauglich verwendet werden kann (Patentschrift, Seite 3, Zeilen 12 bis 14, 17 bis 19 und 25 bis 28).

3. Neuheit

3.1 Die Offenkundigkeit von D3a ist von der Beschwerde führerin II bestritten worden. Dieser Punkt ist aber nur von Bedeutung, falls D3a die Patentfähigkeit des Anspruchs 1 wie erteilt in Frage stellen kann, und wird von der Kammer auch nur in diesem Fall untersucht werden.

3.2 In D3a wird auf die Verwendung eines Allzweckreinigers Bezug genommen. In D22 wird ein Allzweckreiniger wie folgt definiert: "Reinigungsmittel, die zur regelmäßigen Reinigung von Böden, Wänden, Decken und anderen festen Oberflächen bestimmt sind, und vor der Anwendung in Wasser aufgelöst oder verdünnt werden."

Die Beschwerdeführerin I hat zwar bemängelt, dass dieses Dokument nach dem Prioritätstag des angefochtenen Patents veröffentlicht wurde. Dies spielt im vorliegenden Fall aber keine Rolle, weil es hier nicht um eine Offenbarung, sondern um die Definition eines bereits bekannten Begriffs geht. Die Bedeutung eines eingebürgerten Begriffs wird nicht erst am Herausgabedatum eines Dokumentes, das dessen Definition enthält, festgelegt. Die Veröffentlichung dieser Definition stellt nur eine formale Bestätigung dessen dar, was bislang auch allgemein unter dem besagten Begriff verstanden wurde.

Daraus ergibt sich, dass das ein Allzweckreiniger kein gebrauchstaugliches Waschmittel ist und somit auch kein kombiniertes Wisch/Waschmittel im Sinne des angefochtenen Patents ist.

3.3 In dem Verfahren gemäß D3a (Seite 1, Abschnitt "1.0 Allgemeines", Punkt 1) werden die mit Allzweckreiniger imprägnierten Bezüge nach Verwendung in einer Waschmaschine gewaschen. Es ist implizit, dass dazu Waschmittel zugefügt wird.

Nach dem Waschvorgang werden die Bezüge gespült. Beim letzten Spülvorgang, wobei "letzter" wenigstens einen vorhergehenden Spülvorgang voraussetzt, der auch unverzichtbar ist, um den sich in der Lösung befindlichen Schmutz von der Wäsche zu trennen, wird dann ein Allzweckreiniger zum Imprägnieren der Bezüge zugegeben.

Da die Bezüge vor dem Imprägnieren gespült worden sind, ist kein gebrauchstauglicher Anteil an Waschmittel mehr vorhanden (das heißt kein genügender Anteil, um einen Waschvorgang durchzuführen). Da der hinzugefügte Allzweckreiniger aber kein gebrauchstaugliches Waschmittel bildet, ist, unabhängig davon ob nun der Allzweckreiniger mit dem Waschmittel überhaupt chemisch verträglich wäre, in der Spüllösung kein kombiniertes Wisch/Waschmittel vorhanden.

3.4 Daher offenbart D3a nicht den folgenden Verfahrens schritt "(b) Tränken des Schmutzaufnehmers mit einer Imprägnierlösung, die das kombinierte Wisch/Waschmittel und Wasser enthält". Somit ist die Neuheit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 wie erteilt gegenüber D3A gegeben.

Ein Vergleich mit dem Verfahren gemäß D2 führt zu den gleichen Schlussfolgerungen.

Auch keine der anderen im Beschwerdeverfahren genannten Dokumente vermag die Neuheit des Anspruchs 1 in Frage zu stellen.

3.5 Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 wie erteilt ist gegenüber dem von der Beschwerdeführerin I vorgebrachten Stand der Technik gegeben.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Falls der Prüfbericht D3a dem Stand der Technik angehört, stellt er den nächstkommenden Stand der Technik dar.

4.2 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 wie erteilt unterscheidet sich von dem Verfahren gemäß D3a dadurch, dass die Waschlösung und die Tränklösung für die Bezüge ein kombiniertes Wisch/Waschmittel enthalten.

4.3 Die zu lösende Aufgabe kann darin gesehen werden, die Arbeitseffizienz weiter zu verbessern (Patentschrift, Abschnitt [0009]).

Die Beschwerdeführerin I hat die Aufgabe darin gesehen, unter Verwendung desselben Reinigungsmittels das maschinelle Waschen und gebrauchsfertige Imprägnieren des Schmutzaufnehmers durchzuführen und verweist zur Lösung dieser Aufgabe auf D6a. Dem kann nicht zugestimmt werden, da die so formulierte Aufgabe bereits Lösungsansätze enthält (siehe T 229/85, ABl. EPA 1987, 237, Abschnitt 5, dritter Absatz).

4.4 Es ist auch zweifelhaft ob ein Fachmann auf D6a zurückgegriffen hätte, um die objektiv gestellte Aufgabe zu lösen.

Aber selbst falls er D6a in Betracht gezogen hätte, um effizientere Reinigungsmittel herzustellen, wäre er nicht zu einem kombinierten Wisch/Waschmittel gelangt.

D6A beschreibt ein "Baukastensystem" zur Herstellung von Reinigungsmitteln; sie sieht vor, für jede Anwendung ein verschiedenes spezifisch zusammengestelltes Mittel zu verwenden. Daher kann diese Druckschrift einen Fachmann nicht dazu anregen, für zwei verschiedene Anwendungen ein einziges kombiniertes Wisch/Waschmittel herzustellen.

Falls ein Fachmann in Betracht gezogen hätte, die Effizienz des in D3a offenbarten Waschverfahrens mit Hilfe von D6a zu verbessern, so hätte er gemäß D6a ein der Anwendung besser angepasstes Waschmittel oder waschspezifischere Additive in den Waschvorgang gegeben bzw. ein der Anwendung besser angepasstes Wischmittel oder wischspezifischere Additive in den Imprägniervorgang gegeben.

Um zur Erfindung zu gelangen, hätte er jedoch auf den Gedanken kommen müssen, Wischmittel in den Waschvorgang und Waschmittel in den Imprägniervorgang zuzugeben. Ein solches Vorgehen ist in D6a aber weder offenbart noch nahegelegt und wäre mit der Lehre von D6a auch unvereinbar; es ist auch nicht offensichtlich, dass dadurch eine Effizienzsteigerung erfolgen kann. Abgesehen davon, wäre es für einen Fachmann auch nicht naheliegend, Wischmittel und Waschmittel, die chemisch nicht unbedingt verträglich sind, miteinander zu mischen.

4.5 Bestimmte Basiskomponenten sind sowohl in Waschmitteln als auch in Wischmitteln, die in D6 offenbart werden, vorhanden. Diese Basiskomponenten bilden jedoch alleine weder ein gebrauchtaugliches Waschmittel, noch ein gebrauchtaugliches Wischmittel.

Die Beschwerdeführerin I vertrat die Auffassung, ein Fachmann könnte durch Zusammenstellungsversuche zu einem kombinierten Wisch/Waschmittel gelangen.

Es wird in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass es nicht darauf ankommt, ob ein Fachmann durch Modifikation des Stands der Technik zur Erfindung hätte gelangen können; zu fragen ist vielmehr, ob er in Erwartung der tatsächlich erzielten Vorteile, d. h. im Lichte der bestehenden Aufgabe, so vorgegangen wäre, weil im Stand der Technik Anregungen für die Erfindung zu entnehmen waren (siehe T 219/87, Abschnitt 7.4; T 455/94, Abschnitt 4.7). Wie oben dargelegt fehlen im vorliegenden Fall solche Anregungen.

4.6 Die Beschwerdeführerin I hat auch vorgebracht, dass die D2 alleine (insbesondere der Abschnitt "Zusammenfassung") zum beanspruchten Verfahren führen könne. Zwar wird durch das in D2 offenbarte Verfahren bereits die Arbeitseffizienz verbessert, jedoch werden in D2 die Bezüge in einem Waschmittel gewaschen, gespült und anschließlich mit einer Desinfektionsmittellösung getränkt. Es ist aber aus D2 nicht zu entnehmen und es wird darin auch nicht nahegelegt, dass die Desinfektionsmittellösung ein kombiniertes Wisch/Waschmittel ist, bzw. dass dieses Mittel auch ein gebrauchtaugliches Waschmittel ist. Daher kann D2 auch nicht zum beanspruchten Verfahren führen.

4.7 Da auch in den anderen von der Beschwerdeführerin I genannten Dokumenten des Stands der Technik kein kombiniertes Wisch/Waschmittel offenbart oder nahegelegt wird, beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Da dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin II (Patentinhaberin) stattgegeben wird, sind ihre Hilfsanträge gegenstandlos.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird aufrechterhalten wie erteilt.

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