European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T112803.20050818 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 August 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1128/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 93113159.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | G07D 7/00 G03G 21/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zur Erkennung von Druckbildern auf Dokumenten | ||||||||
Name des Anmelders: | Giesecke & Devrient GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | CLIPDRIVE LTD | ||||||||
Kammer: | 3.4.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (verneint) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen den Widerruf des europäischen Patentes 585 724 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit.
II. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 18. August 2005 reichte die beschwerdeführende Patentinhaberin einen einzigen Antrag ein. Anspruch 1 gemäß diesem Antrag hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Verhinderung des nicht autorisierten Duplizierens von Wertpapieren oder dergleichen, die mit Druckbildern ausgerüstet sind, die Strukturelemente enthalten, die einer Klasse von Wertpapieren gemeinsam sind und alle eine bestimmte geometrische Gesetzmäßigkeit aufweisen, wobei die Druckbilder in ihrer Gesamtheit oder in Teilbereichen elektronisch abgetastet, ihre Daten vollständig oder teilweise zwischengespeichert und dann mittels vorgegebener Vergleichsprogramme mit abgespeicherten Gesetzmäßigkeitsdaten daraufhin überprüft werden, wie oft oder mit welcher Dichte pro Flächeneinheit die Strukturelemente mit den bestimmten Gesetzmäßigkeiten im Druckbild vorhanden sind und abhängig vom Vorhandensein dieser Gesetzmäßigkeiten spezifische Maßnahmen eingeleitet werden."
III. Die Argumente der beschwerdeführenden Patentinhaberin können wie folgt zusammengefasst werden.
Die Ansprüche bezögen sich auf Strukturelemente des Druckbilds, die einer Klasse von Wertpapieren gemeinsam seien. Wie auch aus der Beschreibung klar hervorgehe, seien diese Strukturelemente Elemente, wie z.B. Linienkreuzungen, Dreiecke, Quadrate und dergleichen, deren geometrische Gesetzmässigkeiten aus dem Druckbild abstrahiert werden könnten. Damit unterscheide sich die beanspruchte Erfindung, in aus der ursprünglichen Offenbarung klar hervorgehender und erfinderischer Weise, von den aus dem Stand der Technik bekannten Möglichkeiten zur Erkennung von vorbestimmten Mustern wie Guillochen, aufgedruckten Stempeln und dergleichen auf spezifischen Wertpapieren. Auch sei es - entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin - aus der Beschreibung zwar nicht wortwörtlich, aber dennoch klar und zweifelsfrei zu erkennen, dass der in den Ansprüchen verwendete Begriff Klasse sich auf eine Gruppe von verschiedenen Wertpapieren beziehe und nicht auf eine Vielzahl gleicher Wertpapiere.
Somit seien, entgegen den Einwänden der Beschwerdegegnerin, die Ansprüche des Antrags klar, neu und erfinderisch, und enthielten nichts, das über die Offenbarung in der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe.
IV. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden.
Entgegen der Meinung der Einspruchsabteilung sei die von der Pateninhaberin vorgebrachte Bedeutung des Ausdrucks "Klasse" der ursprünglichen Offenbarung nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Wenn, wie hier, die zutreffende Bedeutung eines durch eine Änderung neu eingeführten Begriffs nur durch sorgfältiges Nachdenken ermittelt werden könne, dann müsse die Änderung unzulässig sein.
Auch sei die beanspruchte Erfindung aus dem schon im Einspruchsverfahren zitierten Stand der Technik, gegebenenfalls auch unter Zuhilfenahme des neu vorgelegten Dokuments
CD 23 US 4 823 393 A
bekannt oder zumindest ohne erfinderische Tätigkeit herzuleiten.
So offenbare, unter anderem, der aus Dokument D9 (IBM TDB, vol. 18, No. 1, June 1975, pp. 59-60) ersichtliche Stand der Technik, dass Papiere, die nicht kopiert werden sollen, automatisch auf die Anwesenheit von gewissen Strukturelementen im Druckbild überprüft werden, und der Kopiervorgang entsprechend unterbrochen oder unterbunden wird.
V. Die Beschwerdeführerin beantragt, dass die Entscheidung aufgehoben und das Patent in geänderter Form auf Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Unterlagen aufrechterhalten wird.
VI. Die Einsprechende als Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
2.1 Die Beschwerdegegnerin sah in dem während des Erteilungsverfahrens eingeführten Ausdruck "Klasse" eine unberechtigte Erweiterung des Inhalts der Anmeldung entgegen den Vorschriften des Artikels 123 (2) EPÜ.
2.2 Die beschwerdeführende Patentinhaberin argumentierte dagegen, dass es aus den, den Absätzen [0014] und [0015] des Streitpatents entsprechenden Absätzen der ursprünglich eingereichten Anmeldung klar hervorgehe, dass der Begriff Klasse gleichbedeutend mit Gruppe sei.
2.3 Nach Ansicht der Kammer ergibt es sich für den Fachmann aus den von der Beschwerdegegnerin zitierten Stellen der Beschreibung, dass es sich im Falle einer Klasse von Wertpapieren nicht um eine Vielzahl von identischen Wertpapieren, z.B. Banknoten des gleichen Nennwerts, handelt, sondern, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, um eine Gruppe von verschiedenen Wertpapieren, denen jedoch die Weise, in der gewisse Strukturelemente aufscheinen, gemeinsam ist. Es wird in diesem Zusammenhang auch der verwandte Begriff "Klassenzuordnung" in der Beschreibung verwendet. (Absatz [0014], Zeile 13). Daher verstösst die Einführung des Begriffs Klasse in dieser Bedeutung nicht gegen den Artikel 123 (2) EPÜ.
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1 In Dokument D9, das als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist, wird vorgeschlagen, Dokumente, die Information enthalten deren unberechtigtes Kopieren verhindert werden soll, durch ein zusätzlich aufgedrucktes, sich zyklisch wiederholendes Hintergrundmuster zu schützen. Dieses Hintergrundmuster kann aus regelmässig angeordneten, zwischen hell- und dunkelgrau wechselnden Linien bestehen (D9, Seite 59, Absatz 1), oder auch aus anderen Mustern, wie z.B. aus geradlinigen, schachbrett-artigen, überschneidenden kreisförmigen Mustern oder konzentrischen Kreisen (D9, Seite 60, letzter Absatz). Entsteht bei Abtasten des Dokuments durch die Kopiermaschine ein diesen regelmässigen Mustern entsprechendes Signal, so wird das Kopieren des Dokuments verhindert (Seite 60, vorletzter Absatz).
3.2 Die Beschwerdeführerin brachte die Meinung zum Ausdruck, dass der Aufdruck in Dokument D9 nicht Teil des Druckbildes sei. In Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung ist die Kammer jedoch der Ansicht, dass die Beschreibung des Streitpatents keine eindeutige, spezifische und restriktive Auslegung für den Begriff Druckbild vorgibt. Eine restriktive Auslegung lässt sich auch nicht aus den Ansprüchen selbst ableiten. Unter dem Begriff "Druckbild" ist daher die graphische Gestaltung eines Dokuments als Ganzes zu verstehen, unabhängig davon, ob diese Gestaltung in einem oder mehreren Druckvorgängen erreicht wird.
3.3 Es weisen also die in Dokument D9 erwähnten Dokumente Druckbilder der beanspruchten Art auf.
3.3.1 Die vorgenannten Druckbilder wiederum enthalten, wie aus Figur 1 ersichtlich, Strukturelemente im Sinne des Streitpatents, d.h. Linienkreuzungen und Quadrate und dergleichen, deren geometrische Gesetzmässigkeiten aus dem Druckbild abstrahiert werden können. In Dokument D9 sind auch weitere Strukturelemente in diesem Sinn des Wortes vorgeschlagen, in der Form der geradlinigen, schachbrett-artigen oder überschneidenden kreisförmigen Muster, usw., die alle diesen regelmässigen Mustern entsprechende, geometrische Gesetzmäßigkeiten aufweisen.
3.3.2 Druckbilder der vorgenannten Art werden nicht generell für Dokumente aller Art verwendet, sondern nur für diejenigen Dokumente, die nicht kopiert werden sollen. In diesem Sinn bilden daher solche Dokumente, die des Kopierschutzes bedürfen, offensichtlich eine ausgewählte Gruppe, d.h. eine Klasse von Dokumenten im Sinne der von der beschwerdeführenden Pateninhaberin vertretenen Bedeutung des Wortes.
3.3.3 Während des in Dokument D9 beschriebenen Kopiervorgangs werden die Druckbilder abgetastet. Wie in Figur 2 des Dokuments D9 dargestellt, entsteht bei Anwesenheit eines vorgegebenen Musters ein den geometrischen Gesetzmässigkeiten der Strukturelemente entsprechendes periodisches Analogsignal. Die Periode oder Frequenz dieses Signals ist ganz offensichtlich ein Maß dafür, wie oft (und somit auch, mit welcher Dichte pro Flächeneinheit), Strukturelemente mit den bestimmten Gesetzmäßigkeiten im Druckbild vorhanden sind. Dazu sei bemerkt, dass schon die reine Anzeige durch das Signal, ob ein Strukturelement anwesend ist oder nicht, der Formulierung "wie oft" (d.h. einmal oder keinmal) des Anspruchs 1 genügen würde.
3.4 Zusammenfassend sieht also das in Dokument D9 beschriebene Verfahren - in der Terminologie des Anspruchs 1 des Streitpatents - vor, einen Kopierschutz für Dokumente auf folgende Weise bereitzustellen: In einem Verfahren zur Verhinderung nicht autorisierten Duplizierens werden Dokumente, die mit Druckbildern ausgerüstet sind, die Strukturelemente enthalten, die einer Klasse von Dokumenten gemeinsam sind und alle eine bestimmte geometrische Gesetzmäßigkeit aufweisen, wobei die Druckbilder in ihrer Gesamtheit oder in Teilbereichen elektronisch abgetastet, und dann daraufhin überprüft werden, wie oft die Strukturelemente mit den bestimmten Gesetzmäßigkeiten im Druckbild vorhanden sind; abhängig vom Vorhandensein dieser Gesetzmäßigkeiten werden spezifische Maßnahmen, nämlich die Verhinderung des Kopiervorgangs, eingeleitet.
3.5 Im Falle von D9 sind die betroffenen Dokumente keine Wertpapiere im Sinne von Geldscheinen, aber immerhin privilegierte Dokumente, die unter einem besonderen Kopierschutz liegen und daher nach Beurteilung der Kammer Dokumente, die unter der expliziten eiusdem generis Ausdehnung des Begriffes "Wertpapiere oder dergleichen" im Anspruch 1 des Streitpatents fallen.
3.6 Wie aus einem Vergleich dieser Zusammenfassung mit Anspruch 1 ersichtlich ist, liegt der einzige Unterschied zwischen der in Anspruch 1 beanspruchten Erfindung und dem aus Dokument D9 offenbarten Stand der Technik darin, dass gemäss Anspruch 1 die Überprüfung des Dokuments mittels eines auf Digitaltechnik beruhenden Verfahrens durchzuführen ist. Es besteht jedoch nach Beurteilung der Kammer kein Zweifel, dass der Durchschnittsfachmann am Prioritätstag des Patents routinemässig erwogen hätte, das in Dokument D9 beschriebenen Analogverfahren durch ein für die Speicherung der Vorlage und die folgende Datenverarbeitung zweckmässigeres, entsprechendes Digitalverfahren zu ersetzen, in dem Daten vollständig oder teilweise zwischengespeichert und dann mittels vorgegebener Vergleichsprogramme mit abgespeicherten Gesetzmäßigkeitsdaten verglichen werden. Daher trägt auch die Verwendung einer zu dem Zeitpunkt schon fachnotorisch gewordenen Digitaltechnik nichts zur erfinderischen Tätigkeit bei.
3.7 Aus den angegebenen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass sich das in Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchte automatische Kopierschutzverfahren in naheliegender Weise aus dem in Dokument D9 beschriebenen Stand der Technik ergibt und die beanspruchte Erfindung daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.