T 1001/03 () of 14.4.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T100103.20050414
Datum der Entscheidung: 14 April 2005
Aktenzeichen: T 1001/03
Anmeldenummer: 98951637.2
IPC-Klasse: B23F 21/03
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verbundhonring
Name des Anmelders: Rappold International Sales AG
Name des Einsprechenden: Hermes Schleifmittel GmbH & Co.
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0380/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die am 31. Juli 2003 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 030 757 am 8. September 2003 Beschwerde eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 27. November 2003 eingereicht.

II. In ihrer Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Meinung, der neu vorgelegte Anspruch 1 sei in unzulässiger Weise geändert worden, wodurch sein Gegenstand gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße. Außerdem stellte die Einspruchsabteilung fest, daß selbst bei Unterstellung, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei ursprünglich offenbart, er sich in naheliegender Weise durch Zusammenschau folgender Dokumente ergebe:

D3: DE-A-19 530 462, und

D2: US-A-3 623 275.

III. Zusammen mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin neue Patentansprüche gemäß Haupt-, erstem und zweitem Hilfsantrag ein. Außerdem stützte sie ihre Begründung auf das neu zitierte Dokument

D10: DE-C2-4 300 417.

Mit ihrer Erwiderung vom 14. April 2004 reichte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) folgendes Dokument nach:

D9: König, Klocke: "Fertigungsverfahren", Band 2, Bild 3-9/10.

IV. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung äußerte die Beschwerdekammer Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der neu vorgelegten Haupt- und Hilfsanträge im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

V. Mit Schreiben vom 10. März 2005 reichte die Beschwerdeführerin neue Haupt- und Hilfsanträge sowie folgende neue Dokumente ein:

Stellungnahme zur Anfrage "Definition des Begriffes Material(ien)" und "Poren in Epoxidharzen" von O.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. mont. Reinhold W. Lang;

D11: DE-C1-4 447 036.

VI. Am 14. April 2005 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 6, der gleichzeitig überreichten Beschreibung sowie der Zeichnungen des Patents in der erteilten Form. Außerdem reichte sie Seiten 34 bis 43 aus König, Klocke, "Fertigungsverfahren" als Ergänzung von D9 ein.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

VII. Anspruch 1 in der zuletzt vorgelegten Fassung lautet wie folgt:

"1. Verbundhonring, bestehend aus einem Honteil und einem Trägerteil, die aus unterschiedlichen Materialien bestehen und jeweils Epoxydharz als Bindemittel umfassen, wobei der schleifaktive Honteil (1) heißverpreßt ist, eine niedrige Porosität von unter 5 % aufweist und vorzugsweise faserförmige Verstärkungselemente (5) enthält wobei der Trägerteil (2) höhere Elastizität als der Honteil (1) aufweist, aus ungefülltem Epoxidharz besteht und unter Spannung Fließeigenschaften aufweist."

VIII. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin folgendes vorgetragen.

Dokument D11, welches als nächstliegender Stand der Technik anzusehen sei, offenbare einen Verbundhonring, bei dem sowohl der Honteil als auch der Trägerteil aus mit Schleifpartikeln gefülltem Epoxy bestanden. Demgegenüber bestehe der Trägerteil des Verbundhonringes gemäß dem Patentanspruch 1 aus ungefülltem Epoxydharz. Der Trägerteil sei dabei elastisch und bewirke eine Dämpfung von Maschinenvibrationen und Lagerschwingungen, so daß ein stabilerer Honprozess ermöglicht werde. Darüber hinaus sei im schleifaktiven Honteil eine niedrige, bewusst eingestellte Porosität von unter 5 % vorhanden, wodurch hochpräzise Oberflächen hergestellt werden könnten und möglichst hohe Standzeiten erreichbar seien. Diese niedrige Porosität werde durch das Heißverpressen erreicht. In D11 sei Porosität nicht erwähnt und gemäß dem damaligen Wissenstand sei entweder von einer praktischen Nullporosität von weniger als 1 %, welche jedoch nicht unter dem Wortlaut des Anspruchs falle, oder von einer Porosität von 20-30 % auszugehen.

IX. Die Beschwerdegegnerin trug im wesentlichen vor, die Angabe in der D11, wonach "Kunstharzmatrix" generell auch eine Schleifpartikel enthaltende Kunstharzmatrix zu verstehen sei, sei für den Fachmann ein Hinweis, den Trägerteil des Honrings aus ungefülltem Kunstharz, insbesondere Epoxydharz, herzustellen. Ferner lasse die D11 nichts erkennen, was den Fachmann davon abhalten würde, ungefülltes Epoxydharz für den Trägerteil zu verwenden. Darüber hinaus falle die bei der Herstellung von kunstharzgebundenen Schleifkörpern unvermeidbare Restporosität von weniger als 1 %, die insbesondere in D9 beschrieben wird, unter den Wortlaut "niedrige Porosität von unter 5 %". Aus D9 sei außerdem bekannt, solche Schleifkörper durch Heißpressen herzustellen. Daraus ergebe sich, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 dem Fachmann nahegelegt worden sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Die Merkmalskombination des Anspruchs 1 hat ihre Basis in den Ansprüchen 1, 5, 6 und in der Beschreibung, Seite 2 (Zeilen 1, 2) der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 4, 7 und 8.

Die geltende Beschreibung ist gegenüber der ursprünglichen Beschreibung nur dahingehend geändert worden, dass sie dem geltenden Patentanspruch 1 angepasst ist und den Stand der Technik gemäß D11 angibt.

Schließlich bedeuten die gegenüber dem erteilten Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen lediglich eine Einschränkung des Schutzbereichs.

Die Fassung der Patentansprüche und der Beschreibung ist daher hinsichtlich Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht zu beanstanden.

3. Neuheit

Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 ist nicht bestritten worden und auch die Kammer sieht keinen Grund, diese in Frage zu stellen.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 D11 stellt für den Gegenstand des Anspruchs 1 den als nächstliegend anzusehenden Stand der Technik dar. Dieses Dokument betrifft nämlich das gleiche Anwendungsgebiet und offenbart einen Verbundhonring, welcher die geringste Zahl an strukturellen und funktionellen Änderungen aufweist (vgl. z. B. T 380/93, Entscheidungsgründe, 3.1).

Während der mündlichen Verhandlung führte die Beschwerdeführerin aus, als Ausgangspunkt für die Erfindung sei ein bekannter Verbundhonring anzusehen, bei dem der schleifaktive Honteil eine Porosität im Bereich von 20-30 % aufweise. Abgesehen davon, dass dieser angebliche Stand der Technik nicht dokumentiert wurde, spielt bei diesem die hohe Porosität eine wesentliche Rolle, so dass er, objektiv gesehen, vom Gegenstand des Anspruchs 1 weiter entfernt ist als D11.

4.2 D11 offenbart (siehe Figur 1) einen Verbundhonring, bestehend aus einem Honteil (14) und einem Trägerteil (12), die aus unterschiedlichen Materialien bestehen und jeweils Epoxydharz als Bindemittel umfassen (siehe Spalte 3, Zeilen 39 bis 41 und 48 bis 62). Da der Honteil größere Schleifkörper (22, 30; vgl. Spalte 3, Zeilen 48 bis 52) als der Trägerteil enthält, weist letzterer eine höhere Elastizität als der Honteil auf. Hierzu ist zu bemerken, dass wie beim Streitpatent (vgl. z. B. Absatz [0011]: der Trägerteil besteht aus ungefülltem Epoxydharz und der Honteil aus gefülltem Epoxydharz) die unterschiedliche Elastizität auf die unterschiedliche Füllung zurückzuführen ist. Bei dem bekannten Trägerteil sind außerdem Fließeigenschaften unter Spannung unmittelbar durch die Verwendung von Epoxydharz als Bindemittel gegeben.

Daher unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem aus D11 bekannten Verbundhonring dadurch, dass der Trägerteil aus ungefülltem Epoxydharz besteht, dass der schleifaktive Honteil heißverpresst ist und, da D11 keine Angabe zur Porosität des Honteils enthält, dass der schleifaktive Honteil eine niedrige Porosität von unter 5 % aufweist.

4.3 Durch die niedrige Porosität von unter 5 %, welche durch das Heißverpressen erreicht wird, wird die Festigkeit erhöht und gleichzeitig die Schartigkeit nach der Zahnung des Abrasivteils verringert, was die Neigung zu Absplitterungen an den gehonten Werkstücken nahezu eliminiert und eine hohe Formstabilität des Honrings bewirkt (siehe Absatz [0005] des Streitpatents). Dadurch, dass der Trägerteil aus ungefülltem Epoxydharz besteht, wird eine Dämpfung von Maschinenvibrationen und Lagerschwingungen bewirkt, die vom Trägerteil aufgenommen werden, so dass optimale Honergebnisse erzielt und schwellende Prozesskräfte vermieden werden (siehe Absatz [0007] des Streitpatents). Die Kombination der unterscheidenden Merkmale trägt also dazu bei, den Honprozess stabiler zu gestalten.

Daher ist die durch die Merkmale des Anspruchs 1 gelöste objektive Aufgabe darin zu sehen, den aus D11 bekannten Verbundhonring so weiterzuentwickeln, dass er einen stabileren Honprozess ermöglicht.

4.4 Es gibt keinen Grund, warum die Definition "niedrige Porosität von unter 5 %" nicht auch die herstellungsbedingte unvermeidbare Restporosität umfassen sollte, welche gemäss D9 (Seite 36, 4. Absatz) sowie der Stellungnahme von Prof. Lang (Seite 6) unter ca. 1 % liegt. Da es an sich bekannt ist, bei Schleifwerkzeugen aus Epoxydharz einen möglichst niedrigen Porositätsgrad anzustreben, und zwar mittels des Heißpressverfahrens (siehe die obengenannte Stelle auf Seite 36 der D9), ist es für den Fachmann naheliegend, den Honteil des aus D11 bekannten Verbundhonrings als heißverpressten Teil mit einer Porosität von unter 5 % herzustellen. Nicht naheliegend ist es dagegen, gemeinsam mit der Auswahl einer solchen geringen Restporosität im Honteil, ungefülltes Epoxydharz als Material für den Trägerteil auszuwählen, um die genannte Aufgabe zu lösen. Tatsächlich ist im zitierten Stand der Technik weder einen Trägerteil aus ungefülltem Epoxydharz offenbart, noch einen Hinweis vorhanden, dass die Füllung bzw. das Fehlen einer Füllung im Trägerteil irgendwelchen Einfluss auf den Honprozess, insbesondere auf dessen Stabilität, haben könnte.

Zwar führte die Beschwerdegegnerin aus, die Angabe in der D11, wonach unter "Kunstharzmatrix" generell auch eine Schleifpartikel enthaltende Kunstharzmatrix zu verstehen sei (siehe Spalte 6, Zeilen 11 bis 16), weise den Fachmann darauf hin, im Trägerteil eine Kunstharzmatrix ohne Schleifpartikel vorzusehen. Eine solche Auslegung findet aber in der gesamten Offenbarung der D11 keine Stütze. Gemäss der Lehre der D11 besteht der Trägerteil entweder aus mit Schleifpartikeln gefülltem Kunstharz (Spalte 3, Zeilen 39 bis 41) oder aus Metall (Spalte 4, Zeilen 2 bis 4). Im Honteil kann eine Kunstharzmatrix vorhanden sein, in welcher aus durch ein Bindemittel zusammengehaltenen Schleifpartikeln bestehende Schleifkörper eingebettet sind (siehe Anspruch 1). Die Kunstharzmatrix kann die gleiche Mikrostruktur aufweisen wie die Kunststoffmatrix des Trägerteils, inklusive Schleifpartikeln (Spalte 3, Zeilen 48 bis 54). Hieraus folgt, dass die obengenannte Angabe sich eindeutig nur auf die Kunstharzmatrix des Honteils bezieht, die zusätzlich zu den Schleifkörpern Schleifpartikeln enthalten kann oder nicht. Anspruch 11 der D11, welcher besagt, dass der Trägerteil frei von Schleifkörpern ist, kann ebenfalls nicht als ein Hinweis angesehen werden, den Trägerteil frei von Schleifpartikeln sowie jeglicher anderer Füllung herzustellen. Ein Hinweis, den Trägerteil aus ungefülltem Kunstharz herzustellen, ist in der D11 daher nicht zu finden, ebensowenig wie D11 nichts enthält woraus der Fachmann schließen könnte, eine höhere Honstabilität durch irgendwelche Anpassungen des Trägerteils zu erreichen.

4.5 Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht in naheliegender Weise aus dem genannten Stand der Technik herleitbar ist und somit auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).

5. Die Unterlagen gemäß dem Antrag der Beschwerdeführerin sind daher für die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung geeignet.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 6 und Beschreibung Spalten 1 bis 3, wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht;

- Figuren 1 bis 6, wie erteilt.

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