European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T089103.20070412 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 12 April 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0891/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94103240.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | A23K 1/16 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Tierfuttermittel-Additiv auf Fermentationsbrühe-Basis, Verfahren zu dessen Herstellung und dessen Verwendung | ||||||||
Name des Anmelders: | Degussa GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BASF Aktiengesellschaft, Ludwigshafen Ajinomoto Co., Inc. Archer-Daniels-Midland Company |
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Kammer: | 3.3.09 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Änderungen (ja) - keine Merkmalskombination aus mehreren Listen. Neuheit, erfinderische Tätigkeit des Herstellungsverfahrens (ja). |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Erteilung des Europäischen Patents Nr. 0 615 693 auf die am 4. März 1994 angemeldete Europäische Patentanmeldung Nr. 94 103 240.1 der Firma Degussa Aktiengesellschaft, jetzt Degussa GmbH, wurde am 25. Oktober 2000 im Patentblatt 2000/43 bekannt gemacht.
Das Patent mit dem Titel "Tierfuttermittel-Additiv auf Fermentationsbrühe-Basis, Verfahren zu dessen Herstellung und dessen Verwendung" wurde mit fünfzehn Ansprüchen erteilt. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 11 lauteten wie folgt:
"1. Tierfuttermittel-Additiv auf Fermentationsbrühe-Basis, enthaltend ein Fermentationsprodukt und den überwiegenden Teil der weiteren Inhaltsstoffe der Fermentationsbrühe wobei die Fermentations-Biomasse zu 0 bis 100 % enthalten ist,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Tierfuttermittel-Additiv ein Aufbaugranulat ist und das Fermentationsprodukt zu mind. 33 Gew.-% enthält, wobei 90 Gew.-% des Granulats eine Korngröße unterhalb 2 mm aufweisen."
"11. Verfahren zur Herstellung eines Tierfuttermittel-Additivs auf Fermentationsbrühe-Basis, das ein Fermentationsprodukt und den überwiegenden Teil der weiteren Inhaltsstoffe der Fermentationsbrühe enthält, wobei die Fermentations-Biomasse zu 0 bis 100 % vorliegt,
dadurch gekennzeichnet,
daß man die Fermentationsbrühe, ggf. nach Entfernung eines Teils der Inhaltsstoffe, zu einem Feinkorn, das zu mind. 70 Gew.-% eine maximale Partikelgröße von 100 mym hat, sprühtrocknet, und daß man dieses Feinkorn zu einem Granulat aufbaut, das zu mind. 30 Gew.-% das Feinkorn enthält."
Die Ansprüche 2 bis 10 waren direkt oder indirekt vom Anspruch 1 und die Ansprüche 12 bis 14 vom Anspruch 11 abhängig. Anspruch 15 betraf die Verwendung des Tierfuttermittel-Additivs nach den Ansprüchen 1 bis 10 zur Supplementierung oder Herstellung eines Tierfuttermittels oder Prämixes.
II. Gegen das Patent wurde Einspruch eingelegt von den Firmen:
I BASF Aktiengesellschaft am 24. Juli 2001;
II Ajinomoto Co., Inc. am 25. Juli 2001;
III Archer-Daniels-Midland Company am 25. Juli 2001.
Die Einsprechenden beantragten, gestützt auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100a) und 100b) EPÜ, den Widerruf des Patents.
Im Rahmen von Artikel 100 a) machten die Einsprechenden geltend, dass der Gegenstand des Patents nicht neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruhe.
Unter anderem wurden diesbezüglich folgende Dokumente zitiert:
D1 EP-A 0 345 717
D6 EP-A 0 533 039
D9 US-A 5 133 976
D10 Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, vol. B2, Seite 7-21.
D6 repräsentiert einen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ.
III. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2001 und vom 29. November 2002 reichte die Patentinhaberin jeweils neue Anspruchssätze gemäß Hauptantrag ein. Ferner wurde mit Schreiben vom 23. Januar 2003 ein Versuchsbericht vorgelegt.
In der mündlichen Verhandlung am 29. Januar 2003 wurde der Anspruchssatz vom 29. November 2002 durch zwei geänderte Anspruchssätze gemäß Haupt- und Hilfsantrag ersetzt.
Die Ansprüche 1 und 4 des aus neun Ansprüchen bestehenden Anspruchsatzes gemäß Hauptantrag lauteten wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung eines Tierfuttermittel-Additivs auf Fermentationsbrühe-Basis, enthaltend Lysin als Fermentationsprodukt und den überwiegenden Teil der weiteren Inhaltsstoffe der Fermentationsbrühe, wobei die Fermentations-Biomasse zu 0 bis 100 % enthalten ist, dadurch gekennzeichnet, dass man
a) einen Lysin produzierenden Mikroorganismus der Gattung Corynebacterium oder Brevibacterium in Gegenwart von Ammoniumsulfat unter Gewinnung einer Fermentationsbrühe kultiviert;
b) die Fermentationsbrühe, ggf. nach Entfernung eines Teils der Inhaltsstoffe, zu einem Vorkonzentrat mit einem Feststoffgehalt von 30-60 Gew.-% eindickt;
c) das Vorkonzentrat sprühtrocknet unter Gewinnung eines Feinkorns mit
c1) einer Schüttdichte von 350 bis <550 kg/m**(3),
c2) einem Wassergehalt <5 Gew.- %,
c3) einem Anteil von mindestens 70 Gew.- % mit einer Partikelgröße von < 100mym;
d) das Feinkorn unter Zuhilfenahme von Wasser aufbaut unter Gewinnung des Tierfuttermittel-Additivs als Aufbaugranulat mit
d1) einer erhöhten Schüttdichte von mindestens 550 kg/m**(3), und
d2) einem Gehalt von mindestens 30 Gew.- % des Feinkorns."
"4. Tierfuttermittel-Additiv, erhältlich nach dem Verfahren von einem der Ansprüche 1 bis 3, wobei das Fermentationsprodukt zu mind. 33 Gew.- % enthalten ist und wobei 90 Gew.-% des Granulats eine Korngröße unterhalb 2 mm aufweisen."
Die Einsprechenden brachten zusätzliche Einwände unter den Artikeln 84, 123 (2) und 123 (3) EPÜ gegen die geänderten Ansprüche vor.
IV. Mit der am 29. Januar 2003 mündlich verkündeten Zwischenentscheidung, die am 19. Mai 2003 schriftlich erging, hielt die Einspruchsabteilung das Patent in geändertem Umfang auf Basis des Hauptantrags vom 29. Januar 2003 aufrecht.
Der Versuchsbericht vom 23. Januar 2003 wurde nicht mehr zum Verfahren zugelassen.
Die Einspruchsabteilung sah die Einwände der Einsprechenden unter den Artikeln 83, 84, 123 (2) und 123 (3) nicht als überzeugend an.
Bezüglich des Einwands der mangelnden Neuheit argumentierte sie, dass D6 und D9 das beanspruchte zweistufige Verfahren zur Herstellung des Tierfuttermittel-Additivs nicht beschrieben. Insbesondere fehle die zweite Stufe d), bei der ein Aufbaugranulat mit den Merkmalen d1) (Schüttdichte >550 kg/m**(3)) und d2) (Gehalt von mindestens 30 Gew.- % des Feinkorns) gebildet werde.
Ebenso sei in den obigen Dokumenten kein Produkt mit einem Gehalt an Fermentationsprodukt von mindestens 33 Gew.- % und dem Gehalt eines Granulats der Korngröße unterhalb 2 mm von 90% beschrieben.
Das Verfahren der Ansprüche 1 bis 3, das Additiv der Ansprüche 4 bis 8 und die Verwendung des Additivs gemäß Anspruch 9 seien daher neu.
Die Einspruchsabteilung hielt das Verfahren gemäß Anspruch 1 gegenüber D9 als nächstliegendem Stand der Technik auch für erfinderisch. Sie sah die erfindungsgemäße Aufgabe darin, ein alternatives Verfahren zur Verfügung zu stellen, das zu einem Tierfuttermittel-Additiv führt, welches eine hohe Lysinkonzentration, geringe Hygroskopizität und Neigung zum Stauben sowie gute Rieselfähigkeit und Lagerstabilität besitzt.
Es sei für den Fachmann aus D9 nicht nahegelegt, ein zweistufiges Trocknungsverfahren mit den anspruchsgemäßen Stufen c) und d) zur Lösung der Aufgabe einzusetzen.
Eine separate Begründung für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit des Tierfuttermittel-Additivs gemäß Anspruch 4 wurde nicht gegeben.
V. Am 25. Juli 2003 reichte die Einsprechende III
Archer-Daniels-Midland Company (nachfolgend Beschwerdeführerin III) und am
28. Juli 2003 die Einsprechende I
BASF Aktiengesellschaft (nachfolgend Beschwerdeführerin I)
Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein. Beide Beschwerdebegründungen gingen am 29. September 2003 ein.
Die Beschwerdeführerinnen wiederholten ihre im Einspruchsverfahren vorgebrachten Einwände der mangelnden Klarheit (Artikel 84 EPÜ), unzulässigen Änderung (Artikel 123 (2) EPÜ), mangelnden Neuheit gegenüber D6 (Artikel 54 (3) EPÜ) und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Zudem wurden noch weitere Dokumente genannt, unter anderen
D13 US-A 4 134 725.
Die Beschwerdeführerin III sah ferner die Entscheidung der Einspruchsabteilung als nicht ausreichend begründet an, da in den Entscheidungsgründen nicht dargelegt worden sei, warum das Tierfuttermittel gemäß Anspruch 4 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie beantragte daher die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ. Dieser Antrag wurde in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2007 zurückgezogen.
VI. Die Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin verteidigte zunächst das Patent im Umfang des von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten Anspruchssatzes gemäß Hauptantrag vom 29. Januar 2003. Mit Schreiben vom 16. April 2004 wurden weitere Anspruchssätze gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 eingereicht. Ferner wurde der von der Einspruchsabteilung nicht mehr zugelassene Versuchsbericht vom 23. Januar 2003 nochmals vorgelegt.
In Reaktion auf den Bescheid der Kammer vom 1. März 2007 (ersetzt durch den am 5. März 2007 per Fax zugestellten berichtigten Bescheid) und die per Fax am 7. März versandte Mitteilung der Kammer reichte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 12. März 2007 eine Reinschrift sämtlicher Anträge ein und ersetzte mit Schreiben vom 26. März 2007 die Hilfsanträge 1 bis 3 durch neue Hilfsanträge 1 bis 4.
In der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin - nach umfangreicher Diskussion der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 sowie der Neuheit des Produktes gemäß Anspruch 4 des Hauptantrags - als Basis eines neuen Hauptantrags einen nur mehr aus den drei Verfahrensansprüchen des vorherigen (von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten) Hauptantrags bestehenden Anspruchssatz ein, dessen Ansprüche wie folgt lauten:
"1. Verfahren zur Herstellung eines Tierfuttermittel-Additivs auf Fermentationsbrühe-Basis, enthaltend Lysin als Fermentationsprodukt und den überwiegenden Teil der weiteren Inhaltsstoffe der Fermentationsbrühe, wobei die Fermentations-Biomasse zu 0 bis 100 % enthalten ist, dadurch gekennzeichnet, dass man
a) einen Lysin produzierenden Mikroorganismus der Gattung Corynebacterium oder Brevibacterium in Gegenwart von Ammoniumsulfat unter Gewinnung einer Fermentationsbrühe kultiviert;
b) die Fermentationsbrühe, ggf. nach Entfernung eines Teils der Inhaltsstoffe, zu einem Vorkonzentrat mit einem Feststoffgehalt von 30-60 Gew.-% eindickt;
c) das Vorkonzentrat sprühtrocknet unter Gewinnung eines Feinkorns mit
c1) einer Schüttdichte von 350 bis <550 kg/m**(3),
c2) einem Wassergehalt <5 Gew.- %,
c3) einem Anteil von mindestens 70 Gew.- % mit einer Partikelgröße von <100mym;
d) das Feinkorn unter Zuhilfenahme von Wasser aufbaut unter Gewinnung des Tierfuttermittel-Additivs als Aufbaugranulat mit
d1) einer erhöhten Schüttdichte von mindestens 550 kg/m**(3), und
d2) einem Gehalt von mindestens 30 Gew.- % des Feinkorns."
"2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man das Granulat aus dem Feinkorn durch Zugabe von Wasser oder Fermentationsbrühe, die ggf. nur einen Teil er Inhaltsstoffe enthält, aufgebaut wird."
"3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Feinkorn mit stark scherenden Mischwerkzeugen zu dem Granulat aufgebaut wird."
VII. Die bezüglich der Verfahrenansprüche schriftlich und mündlich vorgetragenen Einwände der Beschwerdeführerinnen gegen die Klarheit, Zulässigkeit der Änderungen, Neuheit und erfinderische Tätigkeit lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Klarheit - Artikel 84 EPÜ
Das Merkmal d) des Anspruchs 1, dass das Feinkorn "unter Zuhilfenahme von Wasser" aufgebaut wird, sei im Lichte des abhängigen Anspruchs 2, wonach der Granulataufbau auch durch Zugabe von Fermentationsbrühe erfolgen kann, unklar. So seien in der A2-Veröffentlichung auf der Seite 8, Zeilen 1 bis 4 Wasser und Fermentationsbrühe als Alternativen nebeneinander gestellt, was bedeute, dass man entweder Wasser - zum Beispiel Leitungswasser, jedoch nicht ein beliebiges wässriges Medium - oder Fermentationsbrühe verwenden könne. Demgegenüber impliziere das Merkmal d) des Anspruchs 1, dass es lediglich auf die Anwesenheit von Wasser in welcher Form auch immer, ob als Fermentationsbrühe oder aber als alkoholisch-wässriges Medium, ankomme. Zudem schließe das Merkmal nicht aus, dass bereits im Feinkorn vorhandenes Wasser, zum Beispiel Restwasser, nach der Sprühtrocknung des Vorkonzentrats gemäß Stufe c), zur Bildung des Aufbaugranulats verwendet werden könne.
Das Merkmal d2): "Gehalt von mindestens 30 Gew.- % des Feinkorns" sei interpretationsfähig. Einerseits könne es bedeuten, dass das Aufbaugranulat aus mindestens 30 Gew.- % Feinkorn besteht und der Rest "Grobkorn" mit einem Partikeldurchmesser von >100 mym ist. Andererseits lasse sich das Merkmal dahingehend interpretieren, dass das Aufbaugranulat mindestens 30 Gew.- % Feinkorn enthält und der Rest auf das Feinkorn aufgranulierte Masse ist.
b) Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ
Gegenüber dem ursprünglichen Verfahrensanspruch 11 enthalte der geltende Verfahrensanspruch 1 Merkmalskombinationen, die in dieser Form ursprünglich nicht offenbart waren. So sei die Kombination, dass der Lysin produzierende Mikroorganismus in Gegenwart von Ammoniumsulfat kultiviert werde, und das Vorkonzentrat durch Sprühtrocknung zu einem Feinkorn mit einem Wassergehalt kleiner 5 Gew.- % entwässert werde, nicht unmittelbar aus den Ursprungsunterlagen herleitbar.
In den Ursprungsunterlagen sei eine Zweiteilung der Beschreibung in einen das Tierfuttermittel-Additiv (Produkt) betreffenden Teil (Seiten 1 bis 16) und einen die Herstellung eines Tierfuttermitteladditivs (Verfahren) betreffenden Teil (ab Seite 17) festzustellen.
In dem das Verfahren betreffenden Teil sei auf der Seite 17, Absatz 1 die Partikelgröße von mindestens 70 Gew.- % des Feinkorns mit maximal - das heißt kleiner oder gleich (Hervorhebung durch die Kammer) - 100mym definiert, was mit dem ursprünglichen Verfahrensanspruch 11 im Einklang stehe.
Demgegenüber sei im geltenden Verfahrensanspruch 1 der Partikelgrößenbereich auf kleiner 100 mym abgeändert worden. Ein Bereich von kleiner 100 mym sei aber nur in dem das Produkt betreffenden Teil der Ursprungsunterlagen auf der Seite 4, Absatz 2 durch die Bezugnahme auf den ursprünglichen Produktanspruch 2 sowie auf der Seite 5, letzter Absatz offenbart.
Das Merkmal c3) des Anspruchs 1, das heißt die Kombination der Partikelgröße "< 100 mym" mit dem Verfahren stelle daher eine unzulässige Änderung dar.
c) Neuheit
D6 offenbare die Herstellung eines Tierfuttermittel-Additivs enthaltend Lysin als Fermentationsprodukt unter Kultivierung von Mikroorganismen der Gattung Corynebacterium oder Brevibacterium in Gegenwart von Ammoniumsulfat und Sprühtrocknung der Fermentationsbrühe zu einem Feinkorn mit einem Wassergehalt von <5 Gew.-% (Seite 5, Zeilen 21, 22; Zeilen 29 bis 32 und Zeilen 38 bis 48). Auf der Seite 3, Zeilen 32 bis 36 werde die Verarbeitung zu einem Granulat beschrieben, und gemäß Seite 4, Zeilen 52/53 könne die Schüttdichte bei 0,4 bis 0,7 kg/l (= 400 bis 700 kg/m**(3)) liegen.
Unter dem Aspekt, dass das Merkmal d) des beanspruchten Verfahrens, wonach das Feinkorn "unter Zuhilfenahme von Wasser" aufgebaut wird, unklar sei und den Granulataufbau mit Hilfe von Restwasser nicht ausschließe, könne zwischen der Sprühtrocknung (Stufe c)) unter Gewinnung des Feinkorns und der Aufbaugranulation d) nicht eindeutig unterschieden werden. Somit müsse D6 als neuheitsschädlich auch für das beanspruchte Verfahren angesehen werden.
d) Erfinderische Tätigkeit
Als nächstliegender Stand der Technik sei die Druckschrift D9 anzusehen. D9 offenbare ein Verfahren zur Herstellung eines lysinhaltigen Tierfuttermittel-Additivs durch Kultivierung eines Lysin produzierenden Mikroorganismus der Gattung Corynebacterium oder Brevibacterium in Gegenwart von Ammoniumsulfat (anspruchsgemäße Stufe a)), Eindicken der erhaltenen Fermentationsbrühe auf einen Feststoffgehalt von 50 bis 70 Gew.- % (Stufe b)) sowie Entwässerung des Vorkonzentrats, zum Beispiel durch Atomisierung, die bestimmte Arten der Sprühtrocknung einschließe (Stufe c), vgl. D10). Da gleiche Verfahrensmaßnahmen zu gleichen Produkten führten, erfülle das erhaltene Produkt die Spezifikationen c1) bis c3) des anspruchsgemäßen Feinkorns.
Das beanspruchte Verfahren unterscheide sich davon lediglich durch den weiteren Verfahrensschritt d) der Aufbaugranulation mit Hilfe von Wasser.
Es sei jedoch für den Fachmann aus D13 nahegelegt, zur Vermeidung der Staubneigung und Verbesserung der Rieselfähigkeit sprühgetrockneter pulveriger Tierfuttermittel-Additive eine Aufbaugranulation nachzuschalten.
D13 offenbare nämlich (Spalte 1, Zeilen 15 bis 32 und Spalte 2, Zeilen 47 bis 58), dass feine, staubende Pulver durch eine Aufbaugranulation unter Verwendung von Wasser als Granulierflüssigkeit in weitgehend staubfreie Granulate umgewandelt werden können. Diese Aufbaugranulation sei gemäß Spalte 3, Zeilen 57/58 und Anspruch 4 von D13 besonders für hygroskopische Substanzen geeignet und könne zudem auch für Tiernahrung eingesetzt werden.
Das beanspruchte Verfahren sei aber auch durch eine Kombination von D9 mit D1 nahegelegt. Auch D1 befasse sich mit der Herstellung von nicht staubenden und gut rieselfähigen Mikrogranulaten für den Einsatz als Tierfuttermittel-Additiv durch Aufbau eines Fermentations-Trockenpulvers mittels Wirbelschichttrocknung zu Granulatpartikeln im Korngrößenbereich von 100 bis 250 mym (Seite 2, Zeilen 32 bis 35 und Seite 3, Zeilen 16 bis 23). Das im Beispiel 1 von D1 beschriebene Verfahren im Wirbelschichttrockner umfasse dabei nicht nur einen Trocknungs- sondern auch einen Aufbauprozess im Sinne der anspruchsgemäßen Stufe d), zumal es eine Rückführung einer durch Sieben abgetrennten feinteiligen Fraktion in die Wirbelschicht für den erneuten Aufbau zum gewünschten Granulat (= Aufbaugranulierung) vorsehe.
Für den Fachmann sei es kein Problem, das im Zusammenhang mit Riboflavin enthaltenden Fermentationsprodukten beschriebene Verfahren gemäß D1 auf die Herstellung lysinhaltiger Produkte gemäß D9 zu übertragen.
VIII. Die Beschwerdegegnerin verteidigte sich mit folgenden Argumenten:
a) Klarheit
Bei der Aufbaugranulation komme es auf die ausreichende Anfeuchtung des Feinkorns mittels Wasser an. Dabei seien gemäß den Ursprungsunterlagen im Hinblick auf die A2-Schrift, Seite 3, Zeilen 22 und folgende in Verbindung mit Seite 8, Zeilen 1 bis 4 mehrere Varianten denkbar. Einerseits könne das Aufbaugranulat zu 100 % aus Feinkorn bestehen, wobei in diesem Fall Wasser zugesetzt werde. Zum anderen könne das Aufbaugranulat aber auch weniger als 100 % Feinkorn (maximal 99 %) enthalten; in diesem Fall sei der Rest Bindemittel, das in Form einer auf Wasser basierenden Fermentationsbrühe zugesetzt werde.
Es sei daher klar, dass das Merkmal "unter Zuhilfenahme von Wasser" in dem Sinne zu verstehen sei, dass generell Wasser, entweder in reiner Form oder in Form wasserhaltiger Bindemittelzubereitungen zugegeben werden müsse.
Die Zugabe von Fermentationsbrühe sei dabei nur eine von den auf der Seite 8, Zeilen 1 bis 4 genannten Varianten der Bindemittelzugabe.
Im Lichte der vorgenannten Passage auf der Seite 3 der A2-Schrift sei auch klar, dass das Merkmal d2) des Anspruchs 1 "mit einem Gehalt von mindestens 30 Gew.- % des Feinkorns" einen maximalen Gehalt von 70 Gew.- % Bindemittel für das Aufbaugranulat zulasse.
b) Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ
Das Verfahrensmerkmal, dass das Vorkonzentrat unter Gewinnung eines Feinkorns sprühgetrocknet wird, sei dem ursprünglichen Anspruch 11 zu entnehmen. Die Sprühtrocknung sei daher als Methode der Wahl eindeutig offenbart und nicht als ein aus einer Liste von mehreren Möglichkeiten (Seite 7, Zeilen 55 bis 57 der A2-Schrift) ausgewähltes Merkmal anzusehen. Die Kombination der Sprühtrocknung mit dem Wassergehalt von <5 % des resultierenden Feinkorns (A2-Schrift, Seite 7, Zeilen 55 bis 57) sei daher keine Auswahl aus mehreren Listen.
Außerdem stützten alle Beispiele, die die Herstellung von Lysin enthaltender Fermentationsbrühe beträfen, (Beispiele 1 bis 3) die Verwendung von Ammoniumsulfat als Stickstoffquelle. Ein direkter Zusammenhang zwischen einem Lysin produzierenden Mikroorganismus und Ammoniumsulfat als Stickstoffquelle der Wahl sei daher eindeutig offenbart.
Auch könne die von den Beschwerdeführerinnen behauptete Zweiteilung der Anmeldeunterlagen in einen Produkt- und einen Verfahrensteil nicht gesehen werden. Der Zusammenhang zwischen dem Tierfuttermittel-Additiv als Produkt und dem Verfahren zu seiner Herstellung gehe eindeutig aus dem Kontext der Ursprungsunterlagen hervor.
Der Bereich von < 100 mym für das Feinkorn sei daher auch für das beanspruchte Verfahren offenbart.
c) Neuheit
Da das Merkmal "unter Zuhilfenahme von Wasser" klarstelle, dass das beanspruchte Verfahren eine weitere Aufbaustufe unter zusätzlicher Anfeuchtung des Feinkorns vorsehe, könne D6 das beanspruchte Verfahren nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen, da eine solche Stufe dort nicht offenbart sei. Zudem wäre es unmöglich, allein mit dem Restwassergehalt von maximal 5 % in dem in D6 (Seite 5, Zeilen 31/32) genannten sprühgetrockneten Feinkorn eine Aufbaugranulation vorzunehmen.
d) Erfinderische Tätigkeit
Die Erfindung gehe von der Erkenntnis aus, dass Fermentationsbrühen dann ein schlechtes Trocknungsverhalten zeigten, wenn sie speziell Lysin als Fermentationsprodukt enthielten. Getrocknete Produkte dieser Art seien zudem hygroskopisch, daher verklumpungsgefährdet und nicht rieselfähig.
Dieses Problem werde mit dem beanspruchten Herstellungsverfahren, dessen wesentliches Element die Aufbaugranulation d) des Feinkorns unter Zuhilfenahme von Wasser sei, gelöst. Mit dieser Verfahrensstufe sei es möglich, ein rieselfähiges Produkt mit einer relativ hohen Schüttdichte von mindestens 550 kg/m**(3) zu erhalten.
Eine Gegenüberstellung der technischen Daten für das Ausgangsprodukt (Feinkorn c)) und das Aufbaugranulat d) auf der Seite 9 der Patentschrift zeige, dass das nach dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellte Granulat über einen Zeitraum von 60 beziehungsweise 120 Minuten eine gewisse Toleranz gegenüber Feuchtigkeitsaufnahme besitze und trotzdem sehr gut rieselfähig bleibe, während das Feinkorn in dieser Zeit verklebe und nicht rieselfähig sei.
Diese Eigenschaften würden durch den Versuchsbericht vom 23. Januar 2003 bestätigt. So zeige ein herkömmliches Sprühpulver gemäß dem Beispiel von D9 über einen Feuchtigkeitsbereich von 2 bis 4,3 % eine konstant schlechte Rieselfähigkeit (Note 6), während das Aufbaugranulat d) über einen weiten Feuchtigkeitsbereich von 1,7 bis 4,7 % eine sehr gute Rieselfähigkeit besitze (Linien 1 und 1A des Diagramms). Ähnlich positive Ergebnisse seien auch für das Abriebverhalten des Granulats festzustellen (Linien 2 und 2A).
Aus keinem der Dokumente D1, D9 oder D13 in der Kombination D9/D13 oder D9/D1 ergebe sich in naheliegender Weise, dass die anspruchsgemäße Aufbaugranulation zu lysinhaltigen Produkten mit den erfindungsgemäßen vorteilhaften Eigenschaften führe.
D13 beschreibe zwar die Technik der Aufbaugranulation mittels Wasser als Granulierflüssigkeit, beschränke sich jedoch im wesentlichen auf die Granulierung von Reinstoffen. Es gebe keinen Hinweis, dass dieses Granulierverfahren für derart komplexe Tierfuttermittel-Zusammensetzungen wie Fermentationsbrühen geeignet sei. Daran ändere auch der allgemeine Hinweis auf Tierfutter im Anspruch 4 nichts.
Was die in Spalte 3, Zeilen 57/58 angesprochene Eignung für hygroskopische Substanzen angehe, betreffe dies hygroskopische Substanzen vor der Granulation. Daraus könne der Fachmann aber nicht ableiten, dass das fertige Granulat die erfindungsgemäß erwünschten Eigenschaften der Toleranz gegenüber Feuchtigkeitsaufnahme unter Beibehaltung der Rieselfähigkeit besitze. Es bestehe für ihn daher kein Anlass, die Aufbaugranulation gemäß D13 zur Lösung des erfindungsgemäß gestellten Problems einzusetzen.
D1 beschreibe Tierfuttermittel-Additive auf Basis von Riboflavin und könne daher zur Lösung der Problematik der Verklumpung und mangelnden Rieselfähigkeit, die speziell bei Lysin enthaltenden Additiven auftrete, ebenfalls nichts beitragen, weil Riboflavin-Produkte diesbezüglich unkritisch seien. Zudem sei keine Aufbaugranulation im Sinne des beanspruchten Verfahrens genannt. Eine Kombination von D9 mit D1 führe daher nicht zum beanspruchten Verfahren.
IX. Die Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
X. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent mit den Ansprüchen 1 bis 3 gemäß Hauptantrag vom 12. April 2007 aufrechtzuerhalten.
Sie beantragte ferner, bei Zulassung des verspätet vorgelegten Dokuments D13 zum Verfahren, und - falls unter Berücksichtigung von D13 die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes nicht anerkannt werden sollte - die Sache zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Die Druckschrift D13 wird wegen ihrer Relevanz für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zum Verfahren zugelassen.
3. Zulassung des neuen Hauptantrags zum Verfahren
Die gegen Ende der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdegegnerin eingereichten Verfahrensansprüche 1 bis 3 gemäß dem neuen Hauptantrag stellen lediglich eine um die Produktansprüche 4 bis 8 und den Verwendungsanspruch 9 gekürzte Anspruchsfassung gemäß dem alten Hauptantrag dar, der im Laufe der Verhandlung umfassend diskutiert worden war. Der neue Hauptantrag bringt daher keine neuen Umstände und Tatsachen ein, auf die die beschwerdeführenden Parteien nicht vorbereitet gewesen wären. Er wird daher zugelassen.
4. Klarheit - Artikel 84 EPÜ
Nach Abwägung der Argumente der Parteien und unter Berücksichtigung der aus D13 ableitbaren Information, wonach die Aufbaugranulation mit Hilfe von Granulierflüssigkeiten ein gängiges Granulierverfahren darstellt, kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Fachmann das Merkmal d) des Granulataufbaus "unter Zuhilfenahme von Wasser" als Aufbaugranulation unter zusätzlicher Anfeuchtung des Feinkorns versteht.
Der Fachmann, der mit Granuliertechniken vertraut ist, wird nach Überzeugung der Kammer das Merkmal d2) des Anspruchs 1 dahingehend auslegen, dass bei einer Aufbaugranulation aus einem Feinkorn unter Zuhilfenahme von Wasser im Falle der im Anspruch 2 genannten Fermentationsbrühe, die ja ebenfalls auf Wasser basiert, die Bestandteile der Fermentationsbrühe als Bindemittel für das Feinkorn in das Granulat eingebaut werden.
Der Anspruch 1 wird daher als klar angesehen.
5. Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ
Im ursprünglichen Verfahrensanspruch 11, der nicht auf die Herstellung eines bestimmten Fermentationsproduktes beschränkt ist, wird offenbart, dass das Vorkonzentrat der Fermentationsbrühe durch Sprühtrocknung zu einem Feinkorn entwässert wird. Daraus lässt sich unmittelbar ableiten, dass die Sprühtrocknung die Methode der Wahl für die Trocknung aller Arten der Vorkonzentrate zum Feinkorn ist. Ebensowenig ist die Offenbarung in der A2-Schrift auf der Seite 7, Zeilen 55 bis 57, dass das Feinkorn einen Wassergehalt von <5 Gew.- % hat, auf bestimmte Fermentationsprodukte beschränkt.
Zudem lässt sich aus der Tatsache, dass alle Beispiele, die die Kultivierung von Lysin produzierenden Mikroorganismen betreffen, Ammoniumsulfat als Stickstoffquelle verwenden (Beispiele 1 bis 3), ein direkter Zusammenhang zwischen Lysin und Ammoniumsulfat ableiten. Die Beschränkung auf die Herstellung Lysin enthaltender Fermentationsprodukte in Gegenwart von Ammoniumsulfat im Zusammenhang mit der Sprühtrocknung zu einem Feinkorn mit einem Wassergehalt von <5 Gew.- % ist daher keine Kombination, die aus einer Auswahl aus mehreren Listen resultiert.
Die Kammer schließt sich auch dem Argument der Beschwerdegegnerin an, dass die gesamte Beschreibung im Kontext zu lesen und das Tierfuttermittel als Ergebnis des beanspruchten Verfahrens anzusehen ist. Dafür spricht allein schon der einleitende Satz (Seite 1, Absatz 1 der Ursprungsunterlagen): "Die Erfindung betrifft ein neues Tierfuttermittel-Additiv ..., ein Verfahren zu dessen Herstellung und dessen Verwendung". Die Einschränkung des Merkmals c3) auf eine Partikelgröße < 100 mym (d.h. Ausschluss des Wertes 100 mym) ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt nach Artikel 123 (2) nicht zu beanstanden.
Die Änderungen im Anspruch 1 stehen daher im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ.
6. Neuheit
Gemäß Anspruch 1 umfasst die Umwandlung der Fermentationsbrühe zum Granulat zwei Stufen:
1. das eingedickte Vorkonzentrat wird durch Sprühtrocknung zu einem Feinkorn mit einem Restwassergehalt von < 5 Gew.- % entwässert;
2. das Feinkorn wird unter Zuhilfenahme von Wasser, das heißt unter zusätzlicher Anfeuchtung (siehe vorstehender Punkt 4), zum Granulat aufgebaut.
Keines der zitierten Dokumente beschreibt ein derartiges zweistufiges Verfahren. Insbesondere das von den Beschwerdeführerinnen angezogene Dokument D6 beschreibt keinen Granulataufbau in zwei aufeinander folgenden Stufen mit einer Anfeuchtung des Produkts in der letzten Stufe.
Das beanspruchte Verfahren ist daher neu.
7. Erfinderische Tätigkeit
7.1 Der Erfindungsgegenstand
Das beanspruchte Verfahren betrifft die Herstellung von Tierfuttermittel-Additiven in Granulatform auf Fermentationsbrühe-Basis, die Lysin als Fermentationsprodukt enthalten. Die Erfindung geht von der Feststellung aus, dass insbesondere lysinhaltige Fermentationsbrühen hygroskopisch und schlecht zu trocknen sind. Daher neigen die nach Entwässerung der Fermentationsbrühen erhaltenen Additive zur Verklumpung und sind nicht rieselfähig (Seite 2, Absatz [0003] der Patentschrift). Diese Nachteile können erfindungsgemäß vermieden werden, indem man die Fermentationsbrühe, nach Sprühtrocknung zu einem Feinkorn, einer Aufbaugranulation unter Zuhilfenahme von Wasser unterzieht (Seiten 6 und 7, Absätze [0046] und [0067] in Verbindung mit Seite 5, Absätze [0033] und [0035] der Patentschrift).
7.2 Nächstliegender Stand der Technik
Die Kammer sieht, in Übereinstimmung mit den Parteien, die Druckschrift D9 als nächstliegend an. D9 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung pulverförmiger, feuchtigkeits- und lagerstabiler Tierfuttermittel-Additive mit verringerter Neigung zum Verklumpen, auf Basis einer Lysin enthaltenden Fermentationsbrühe (Anspruch 1 in Verbindung mit Spalte 2, Zeilen 1 bis 10, Zeilen 17 bis 20 und 28/29). Dabei wird - wie in den Stufen a) und b) des beanspruchten Verfahrens - ein Lysin enthaltender Mikroorganismus der Gattung Corynebacterium oder Brevibacterium in Gegenwart von Ammoniumsulfat unter Gewinnung einer Fermentationsbrühe kultiviert (Spalte 3, Zeilen 19 bis 25 und Zeile 64 bis Spalte 5, Zeile 2) und diese dann zu einem Vorkonzentrat mit einem Feststoffgehalt von 50 bis 70 Gew.- % eingedickt (Spalte 4, Zeilen 12 bis 20). Im Anschluss daran erfolgt eine weitere Trocknung, beispielsweise durch "Atomisierung", die gemäß D10 bestimmte Arten der Sprühtrocknung einschließt. Diese Entwässerung entspricht der Stufe c) des beanspruchen Verfahrens.
7.3 Aufgabe und Lösung
Das beanspruchte Verfahren unterscheidet sich davon dadurch, dass der Sprühtrocknungsstufe c) eine Aufbaugranulation d) unter Zuhilfenahme von Wasser, das heißt unter zusätzlicher Anfeuchtung des Sprühpulvers, nachgeschaltet ist.
Auf der Seite 9 der Patentschrift, werden die Feuchtigkeitsaufnahme und die Rieselfähigkeit des nach Stufe c) erhaltenen Sprühpulvers und des nach dem erfindungsgemäßen Verfahren erhaltenen Aufbaugranulats gegenübergestellt. Der Vergleich zeigt, dass das mit der erfindungsgemäßen Aufbaustufe erhaltene Granulat mit einer Feuchtigkeit nach 60 Minuten von 0,81 % seine Rieselfähigkeit auch bei einem Feuchtigkeitszuwachs auf 1,75 % innerhalb von weiteren 60 Minuten nicht verliert. Demgegenüber besitzt das Sprühpulver bereits nach 60 Minuten eine Feuchtigkeit von 1,24 %, die nach weiteren 60 Minuten auf 2,59 % anwächst, und ist über den gesamten Zeitraum verklebt.
Die in der Patentschrift dargestellten vorteilhaften Eigenschaften des Aufbaugranulats werden - wie die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat (Punkt VIII d)) - durch die in der Tabelle des Versuchsberichts vom 23. Januar 2003 dargestellte hohe Toleranz gegen Feuchtigkeit bei gleichbleibender guter Rieselfähigkeit und gutem Abrieb (Graphen 1A und 2A) bestätigt.
Die Beschwerdeführerinnen argumentierten in der mündlichen Verhandlung, dass sowohl in der Patentschrift als auch im Versuchsbericht kein objektivierbares Kriterium zur Bestimmung der Rieselfähigkeit und des Abriebs angegeben und der Vergleich damit nicht aussagekräftig sei.
Diesem Argument kann die Kammer nicht zustimmen. So ist in der Patentschrift auf der Seite 5, Zeilen 46 bis 48 die Methode der Bestimmung der Rieselfähigkeit angegeben und in der dem Versuchsbericht beiliegenden Erklärung die Ermittlung des Abriebs definiert. Selbst wenn es sich hierbei nicht um standardisierte Bestimmungsmethoden handeln sollte, sind die Ergebnisse dennoch aussagekräftig, da - wie die Beschwerdegegnerin bestätigt hat - die Versuche für die Vergleichsproben und die erfindungsgemäß hergestellten Granulate unter identischen Bedingungen durchgeführt wurden.
Obwohl das in dem Versuchsbericht vom 23. Januar 2003 zu Vergleichszwecken eingesetzte pulverförmige Additiv gemäß dem Beispiel von D9 nicht durch Sprühtrocknung, sondern durch azeotrope Destillation mittels Paraffinöl entwässert wurde, zweifelt die Kammer nicht daran, dass dieses Additiv repräsentativ und aussagekräftig für den nächstliegenden Stand der Technik D9 ist. Wie die Beschwerdegegnerin nämlich zutreffend in der Verhandlung dargelegt hat, wurde dieses Beispiel für den Versuchsbericht deshalb als Vergleich gewählt, da die in D9 als eine mögliche Trocknungsmethode genannte azeotrope Destillation (Spalte 4, Zeile 32) die einzige durch ein Beispiel gestützte und daher ohne Spekulation experimentell nachvollziehbare Alternative ist.
Die erfindungsgemäß zu lösende Aufgabe wird daher darin gesehen, ein Verfahren zu entwickeln, das zu einem Tierfuttermittel-Additiv auf Basis Lysin in Granulatform führt, welches - ohne Einbuße an Rieselfähigkeit und Abrieb in gepresster Form - eine gute Toleranz gegenüber Feuchtigkeitsaufnahme besitzt.
7.4 Naheliegen
D13 beschreibt, dass die Staubneigung von feinen Pulvern mittels einer Aufbaugranulation unter Zuhilfenahme einer Granulierflüssigkeit, wie Wasser, weitgehend beseitigt werden kann und dieses Granulierverfahren insbesondere auch für hygroskopische Substanzen anwendbar ist (Spalte 1, Zeilen 15 bis 32; Spalte 2, Zeilen 55 bis 58 und Spalte 3, Zeilen 57/58). Letztere Information bezieht sich jedoch nur auf eine hygroskopische Ausgangssubstanz und sagt nichts aus über die Eigenschaften des fertigen granulierten Endprodukts. Somit liefert auch die Offenbarung im Anspruch 4 von D13, dass das Granulat unter anderem ein Tierfuttermittel sein kann, dem Fachmann keinen Hinweis, dass bei Verwendung eines pulverförmigen hygroskopischen Fermentations-Sprühpulvers gemäß D9 das Granulierverfahren gemäß D13 zu einem Granulat führt, welches auch nach Abschluss des Granulierverfahrens Feuchtigkeit aufnehmen kann, ohne die Rieselfähigkeit zu verlieren.
Das beanspruchte Verfahren war somit durch eine Kombination von D9 mit D13 nicht nahegelegt.
Ebenso kann D1 nichts zur Lösung des Problems beitragen, da sich D1 ausschließlich mit Riboflavin enthaltenden Tierfuttermittel-Additiven befasst, bei denen - wie von der Beschwerdegegnerin dargelegt und von den Beschwerdeführerinnen nicht bestritten wurde - die Problematik der Hygroskopie und der damit verbundenen Beeinträchtigung der Rieselfähigkeit keine wesentliche Rolle spielt.
Das Verfahren gemäß Hauptantrag beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
8. Aus den unter den Punkten 4 bis 7 dargelegten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Hauptantrag gewährbar ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, mit der Auflage, das Europäische Patent aufrechtzuerhalten mit den Ansprüchen 1 bis 3 gemäß Hauptantrag vom 12. April 2007 und einer daran noch anzupassenden Beschreibung.