T 0850/03 () of 21.4.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T085003.20050421
Datum der Entscheidung: 21 April 2005
Aktenzeichen: T 0850/03
Anmeldenummer: 97104097.7
IPC-Klasse: F24D 19/00
F24H 9/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anschlußverkleidung für Heizkörper-Vor- und/oder Rücklaufanschlüße
Name des Anmelders: Theodor Heimeier Metallwerk GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Danfoss A/S
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 0 864 817 betrifft eine Anschlussverkleidung für Heizkörper-Anschlüsse. Während des Prüfungsverfahrens hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) einen geänderten Anspruch 1 eingereicht, der dem erteilten Patent zugrundeliegt. Dieser Anspruch hat folgenden Wortlaut:

"1. Eine die Vor- und/oder Rücklaufanschlüsse an einem Heizkörper zumindest teilweise umgebende Anschlußverkleidung aus einem Kunststoff-Formteil, wobei die Anschlußverkleidung aus einer Schale (1) besteht, die von der Wand, an der der Heizkörper, steht wegweist, und ein Klemmittel zum Festklemmen der Schale (1) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Klemmittel aus mindestens einer Klammer (4) im Inneren (3) der Schale (1) angeordnet und einstückig mit der Schale (1) aus Kunststoff gespritzt ist, und welche im wesentlichen rohrförmige Teile (5) der Anschlüsse (2) umgreift."

II. Gegen dieses Patent hat die Beschwerdegegnerin Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen, da der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen eingereichten Fassung hinausgehe (Artikel 100 c) i. V. m. 123 (2) EPÜ) und nicht neu bzw. nicht erfinderisch sei (Artikel 100 a) i. V. m. 52 (1), 54 (1) und 56 EPÜ).

Die Einspruchsabteilung kam zum Ergebnis, dass die Änderung des Anspruchs 1 den ursprünglichen Unterlagen nicht entnommen werden könne und daher ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vorliege. Das in Anspruch 1 des erteilten Patents definierte Merkmal "mindestens einer Klammer... einstückig mit der Schale aus Kunststoff gespritzt ist" definiere einen Herstellungsschritt, der nicht in der ursprünglichen eingereichten Anmeldung offenbart sei. Mit ihrer am 10. Juni 2003 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung daher das Patent widerrufen.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 30. Juli 2003 Beschwerde eingelegt und am 4. August 2003 die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 14. Oktober 2003 eingereicht.

Die Beschwerdegegnerin hat mit Eingaben vom 18. Februar 2004 und 7. Dezember 2004 ihre Gegenargumente vorgebracht. Eine mündliche Verhandlung hat am 21. April 2005 stattgefunden.

Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin noch auf folgende Druckschriften verwiesen:

D1: DIN ISO 128-24 "Technische Zeichnungen, Allgemeine Grundlagen der Darstellung, Teil 24: Linien in Zeichnungen der mechanischen Technik", DIN Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin 1999.

D2: H. Hoischen, "Technisches Zeichnen", 25. Auflage, Seite 69, Cornelsen Verlag, Berlin 1994.

IV. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass das bestrittene Merkmal kein Herstellungsschritt sei, sondern ein körperliches Merkmal eines Sachanspruches und stützt sich zur Offenbarung auf die Zusammenschau einiger Bestandteile der veröffentlichten Anmeldung, insbesondere

a) die Figur 2;

b) die Ansprüche 1 und 2; und

c) die Beschreibung in Spalte 3, Zeile 53.

Sie argumentierte, dass Figur 2 eine zur Herstellung verwendete CAD-Zeichnung und keine schematische Darstellung sei und daher die fehlende Trennlinie zwischen den rippenförmigen Klammern und der Schale in der U-förmigen Stirnfläche einen klaren Hinweis auf eine Einstückigkeit gebe. Sie verwies auf D1 und D2 als Nachweis für die allgemeinen Kenntnisse des Fachmanns; D1 und D2 beschrieben die Grundlagen der Darstellung in einer technischen Zeichnung, insbesondere die Bedeutung von Linien bei der Darstellung von Kanten und Umrissen.

Die Beschwerdeführerin führte aus, der Anspruch 1 der Anmeldung definiere, dass die Anschlussverkleidung aus einem "Kunststoff-Formteil" bestehe, also aus einem Teil aus Kunststoff geformt sei, und dass die Anschlussverkleidung aus einer Schale bestehe, die Klemmmittel aufweise, woraus folge, dass die Klemmmittel Teil der Schale seien. Der Anspruch 2 der Anmeldung gebe einen Hinweis auf die Orientierung der Teile und auf die Ausführung der Klemmmittel als Teil der Schale. In Spalte 3, Zeile 53 der Beschreibung werde ausgeführt, dass die Schale aus Kunststoff gespritzt sei, woraus sich in Verbindung mit Spalte 3, Zeilen 40 bis 42, ergebe, dass die Schale und deren Teile, also auch die Klemmmittel, ein gemeinsames Kunststoffspritzteil seien.

V. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass die Einstückigkeit der Schale und der Klammer in der Anmeldung nicht unmittelbar und eindeutig offenbart sei.

Im Anspruch 1 der Anmeldung werde angegeben, dass die Anschlußverkleidung mindestens ein Kunststoff-Formteil aufweise. Das Wort "mindestens" drücke aus, dass die Anschlussverkleidung aus einem oder mehreren Kunststoffteilen geformt sei; eine Einstückigkeit sei somit nicht angegeben. Anspruch 1 der Anmeldung beschreibe auch, dass die Anschlussverkleidung aus einer Schale bestehe, die Klemmmittel aufweise. Das Wort "aufweisen" lasse nicht den Schluss auf Einstückigkeit zu, sondern sage nur, dass sich Klemmmittel an der Schale befänden.

Anspruch 2 der Anmeldung sage aus, dass das Klemmmittel mindestens eine im Inneren der Schale angeordnete Klammer sei. Gemäß diesem Anspruch würden die Schale und die Klammer mit dem Begriff "angeordnet" verknüpft, woraus sich aber nicht ergebe, dass sie einstückig seien. Weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung werde das Material des Klemmmittels beschrieben; es sei daher nicht klar, ob das Klemmmittel aus Kunststoff bestehe. In Spalte 3, Zeile 53 der Beschreibung werde offenbart, dass die Schale aus Kunststoff gespritzt sei, aber nicht, dass die Schale und die Klemmmittel ein gemeinsames Kunststoffspritzteil seien. Obwohl die funktionswichtigen Teile der Schale in Spalte 3, Zeilen 40 bis 42 angegeben seien, gebe es hier keinen Hinweis auf ihre Einstückigkeit. Die Klammern könnten beispielsweise mit einer Klebverbindung, mittels Kunststoffschweißen oder durch eine Steckverbindung befestigt werden.

Die Beschwerdegegnerin macht ferner geltend, dass aus der Anmeldung nicht hervorgehe, dass es sich bei den Figuren um CAD-Zeichnungen handele. Sie ist der Meinung, dass in den Figuren keine deutliche Unterscheidung zwischen Materialgrenzen und tangentialen Kanten erkennbar sei. Die Abwesenheit einer horizontalen Linie in der U-förmige Fläche der Figur 2 gebe daher keinen Hinweis auf die Einstückigkeit der Schale 1 und der Klammern. Außerdem seien die oben erwähnten Verbindungsarten ohne Wülste realisierbar, und an der U-förmigen Fläche müsse keine Trennlinie vorhanden seien, um auf eine Mehrstückigkeit schließen zu können.

VI. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang, hilfsweise Zurückverweisung an die erste Instanz zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123 (2) EPÜ legt zwingend fest, dass Änderungen einer europäischen Patentanmeldung nur insoweit zulässig sind, als der Gegenstand der geänderten Patentanmeldung oder des geänderten Patents nicht über den Inhalt der europäischen Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

Der in Artikel 123 (2) EPÜ verwendete Begriff "Inhalt der Anmeldung" bezieht sich auf die Teile einer europäischen Patentanmeldung, die für die Offenbarung der Erfindung maßgebend sind, nämlich die Beschreibung, die Patentansprüche und die Zeichnungen. Gemäß der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 0003/89 (ABl. EPA 1993, 117) kommt es bei einer Änderung nach Artikel 123 EPÜ darauf an, was der Fachmann den betreffenden Teilen einer europäischen Patentanmeldung objektiv entnehmen konnte. Er muss - unter Heranziehung des am Anmeldetag bestehenden allgemeinen Fachwissens - den Gegenstand einer Änderung unmittelbar und eindeutig aus der Offenbarung der betreffenden Teile der ursprünglich eingereichten Fassung der Patentanmeldung entnehmen können.

3. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob das in Anspruch 1 eingefügte Merkmal, dass die mindestens eine Klammer einstückig mit der Schale aus Kunststoff gespritzt ist, zu einem Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ führt. Es ist nicht strittig, dass dieses Merkmal in der ursprünglichen eingereichten Patentanmeldung nicht explizit erwähnt ist. Dies schließt aber nicht von vornherein aus, dass der Fachmann dieses Merkmal unmittelbar und eindeutig der Patentanmeldung entnehmen kann. Hierzu ist die genannte Offenbarung in den Ansprüchen der der Beschreibung und den Figuren zu berücksichtigen.

3.1 Die Ansprüche

Nach der Definition gemäß Anspruch 1 der Patentanmeldung besteht die Anschlußverkleidung aus einer Schale, die Klemmmittel aufweist. Der hier verwendete Begriff "aufweist" bedeutet dabei noch nicht, dass die Klemmmittel Teil der Schale sind. Allerdings könnte sich dies aus dem Begriff "besteht" ergeben, der üblicherweise abschließend gemeint ist, also die Schale als einzigen Bestandteil der Anschlußverkleidung definiert, der damit die Klemmmittel enthalten müsste. In diesem Fall müsste aber nur ein Kunststoff-Formteil und nicht gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 "mindestens" ein Kunststoff-Formteil vorhanden sein. Damit lässt Anspruch 1 offen, ob die Verkleidung einteilig oder mehrteilig, also mit Schale und separaten Klemmmitteln, ausgebildet sein soll. Auch Anspruch 2 kann hier nicht weiterhelfen, da dort nur ausgesagt ist, dass das Klemmmittel eine im Inneren der Schale angeordnete Klammer ist, was wiederum eine integrierte oder eine separate Klammer sein kann.

3.2 Die Beschreibung

In Spalte 3, Zeile 53 der veröffentlichten Patentanmeldung ist dargelegt, dass die Schale aus Kunststoff gespritzt ist; die Klemmmittel sind hier nicht erwähnt. Allerdings sind in Spalte 3, Zeilen 40 bis 42 inter alia die Klammern als funktionswichtige Teile der Schale bezeichnet. Wenn diese Schale aus Kunststoff gespritzt ist, müssten auch die Klammern als Teil der Schale zusammen mit der Schale, und damit einstückig mit dieser, aus Kunststoff gespritzt seien.

Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass die Offenbarung von Spalte 3, Zeile 53 der Anmeldung nur erkennen lässt, dass die Schale aus Kunststoff gespritzt sei. Aus Spalte 3, Zeilen 38 bis 44 ergebe sich lediglich, dass die Klammern zu den funktionswichtigen Teilen der Schale gehören. Die Eigenschaft "funktionswichtige Teile" sei kein eindeutiger Hinweis darauf, dass diese Teile aus dem gleichen Material wie die Schale bestünden, mit dieser Schale einstückig seien und diese Einstückigkeit durch einen Spritzvorgang erzeugt worden sei.

Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen. Die Klammern, die Ausnehmungen und die Rippen sind alle als funktionswichtige Teile der Schale definiert. Bezüglich der innen an den Ausnehmungen in der Schale angeordneten Rippen würde der Fachmann diese Aussage sinnvollerweise so verstehen, dass sie mit der Schale einstückig sind und damit zusammen mit der Schale und aus dem gleichen Material wie diese hergestellt sein sollen. Ein Anlass, dies bei den Klammern anders zu sehen als bei den Rippen, ist nicht erkennbar. Damit entnimmt der Fachmann der genannten Stelle der Beschreibung, dass die Klammern ebenfalls ein integriertes Teil der Schale sind.

3.3 Die Figuren

Figur 2 zeigt die Anschlussverkleidung zusammen mit den Klammern (4). In der Mitte sind unten und oben jeweils U-förmige Stirnflächen als gemeinsame Abschlußflächen der Klammern und der Schale dargestellt. In diesen Stirnflächen ist keine Trennlinie zwischen den Klammern und der Schale vorhanden. Die Beschwerdeführerin folgert hinaus, dass die Schale und die Klammern als ein einziges Stück anzusehen seien, da der Fachmann als Maschinenbauingenieur, der technische Zeichnungen zu lesen und erstellen gelernt habe, die fehlende Trennlinie als deutlichen Hinweis darauf, dass die Klammern keine getrennte Komponenten seien, verstehen würde. Die Beschwerdegegnerin macht dagegen geltend, dass nirgendwo in der Anmeldung gesagt werde, dass die Figuren technische Zeichnungen seien und es nicht möglich sei zu erkennen, ob die Schale aus einem oder mehreren Teilen bestehe, da Figur 2 lediglich ein fertig hergestelltes Produkt ohne Herstellungsinformation zeige.

Nach Auffassung der Kammer sind die Figuren in der Patentanmeldung zwar keine typischen technischen Zeichnungen, sondern dreidimensionale Darstellungen mittels eines CAD-Computerprogramms, die aber so maßstabsgerecht und detailliert sind, dass der Fachmann wie bei üblichen technischen Zeichnungen bei einer Grenze zwischen zwei Komponenten eine Trennlinie erwarten würde. Da diese hier fehlt, wird der Fachmann schließen, dass Einstückigkeit vorliegt.

4. Zusammenfassung

Im Ergebnis entnimmt der Fachmann an dem genannten Stellen der Beschreibung und aus den Figuren ohne weitere Überlegung, dass die Klammern einstückig mit der Schale aus Kunststoff gespritzt sind. Dies steht nicht im Widerspruch zu Anspruch 1 und ist auch im Hinblick auf die gemäß Spalte 1, Zeilen 32 bis 37, angestrebte einfache und kostengünstige Herstellung durch die einteilige Anbildung der Schale konsequent. Die Kammer ist daher der Meinung, dass der geänderte Anspruch 1 nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Einspruchsverfahren fortzusetzen.

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