European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T076803.20050518 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 18 Mai 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0768/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99106200.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B41F 13/004 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Rotationsdruckmaschine | ||||||||
Name des Anmelders: | Maschinenfabrik Wifag | ||||||||
Name des Einsprechenden: | KBA Koenig & Bauer Aktiengesellschaft READ Matthew Charles |
||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Der Beschwerdeführer (Einsprechender 02) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der die Einsprüche gegen das europäische Patent Nr. 0 930 159 zurückgewiesen worden sind, Beschwerde eingelegt.
II. Am 18. Mai 2005 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die weitere Verfahrensbeteiligte (Einsprechende 01) hat der Kammer am 10. Mai 2005 mitgeteilt, daß sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.
III. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 930 159 in vollem Umfang.
Die weitere Verfahrensbeteiligte hat im schriftlichen Verfahren keine Anträge gestellt.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent auf der Grundlage des am 8. April 2004 als Hilfsantrag eingereichten Anspruchs 1 aufrechtzuerhalten.
IV. Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung lautet:
"1. Rotationsdruckmaschine
a) mit Gummituchzylindern (2), die mit Gegendruckzylindern (2; 4) oder einem gemeinsamen Gegendruckzylinder (6) Druckstellen bilden,
b) mit Plattenzylindern (3), die mit den Gummituchzylindern (2) jeweils-paarweise durch mechanische Kopplung für ihren Antrieb zu Zylindergruppen (10) zusammengefaßt sind,
c) wobei die Zylindergruppen (10) jeweils von einem eigenen Antriebsmotor (5) angetrieben werden,
d) mit einem Istwert-Geber (21) zur Erzeugung eines Drehwinkellagen- oder Drehzahl- IstwertsundeinemSollwert-Geber (22) zur Ausgabe eines Drehwinkellagen- oder Drehzahl-Sollwerts für je eine der Zylindergruppen (10) und
e) mit einem Regler (23), dem der Sollwert des Sollwert- Gebers (22) und der Istwert des Istwert-Gebers (21) aufgegeben werden und der den Antriebsmotor (5) dieser Zylindergruppe (10) in Abhängigkeit von einem Vergleich des Sollwerts und des Istwerts regelt,
dadurch gekennzeichnet, daß
f) der Istwert-Geber (21) an dem momentenfreien Wellenende des Zylinders (2; 3) der Zylindergruppe (10) angebracht ist, der von dem mittels des Reglers (23) geregelten Antriebsmotor (5) angetrieben wird."
V. Im Beschwerdeverfahren wurde insbesondere auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: JP-A-63 236 651 inklusive englischer Übersetzung
D11: "Elektronische Welle mit digitalen intelligenten Antrieben für Druckmaschinen", Mannesmann Rexroth Indramat, HMI/04.93, handschriftlich bezeichnete Seiten 155 bis 165
D14: DE-A-4 104 209
VI. Der Beschwerdeführer hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Im Hinblick auf die Mitteilung der Kammer vom 2. März 2005 werde zugestimmt, daß das Streitpatent dem Erfordernis des Artikels 83 EPÜ genüge.
Es werde gleichfalls zugestimmt, daß Anspruch 1 des Streitpatents so auszulegen sei, daß der Istwert-Geber an dem direkt angetriebenen Zylinder angebracht sei.
Nächstliegender Stand der Technik sei Dokument D1, von dem das Streitpatent ausgehe und das die Merkmale a) bis e) des Anspruchs 1 des Streitpatents zeige. Dokument D11 zeige in der oberen Figur der Seite 164 einen von einem Motor über ein Getriebe direkt angetriebenen Druckzylinder und einen am Motor angebrachten Istwert- Geber. Dies entspreche der in Figur 5 des Streitpatents gezeigten Anordnung. Die untere Figur der Seite 164 des Dokuments D11 zeige ebenfalls einen von einem Motor über ein Getriebe direkt angetriebenen Druckzylinder, wobei aber sowohl am Motor als auch am momentenfreien Wellenende des Zylinders ein Istwert-Geber angebracht sei. Dies entspreche der in Figur 6 des Streitpatents gezeigten Anordnung. Der Text unter der unteren Figur der Seite 164 des Dokuments D11 gebe an, daß die Verwendung des zweiten Istwert-Gebers durch Erfassung und Ausgleich von Getriebefehlern zu einer höheren Genauigkeit gegenüber der in der oberen Figur gezeigten Anordnung führe. Eine solche höhere Genauigkeit sei gemäß Absatz [0012] des Streitpatents auch die dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents zugrunde liegende Aufgabe. Es liege deshalb nahe, den Istwert- Geber auch bei dem angetriebenen Zylinder der Druckmaschine des Dokuments D11 am momentenfreien Wellende des Zylinders anzubringen, um die höhere Genauigkeit zu erzielen. Es sei dabei unerheblich, daß Dokument D11 auf Seite 157 Zylinder mit Einzelantrieben zeige. Der Titel des Dokuments D11 sei allgemein gehalten, und die Figuren der Seite 164 zeigten jeweils nur einen Zylinder, so daß die auf dieser Seite offenbarten Regelungskonzepte auch auf einen gruppenweisen Antrieb gemäß Dokument D1 übertragbar seien. Somit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VII. Die weitere Verfahrensbeteiligte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.
VIII. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Dokument D11 beziehe sich auf ein Antriebskonzept, bei dem jeder Zylinder einen eigenen Antrieb aufweise. Dies gehe eindeutig aus den Seiten 156 und 157 des Dokuments D11 hervor. Auch das vergleichbare Dokument D14 zeige einen Einzelantrieb von Zylindern. Ausgangspunkt für das Streitpatent sei dagegen das in Dokument D1 gezeigte Antriebskonzept, bei dem nur jeweils ein Zylinder einer Gruppe von Zylindern einen direkten Antrieb habe. Eine Kombination der Dokumente D1 und D11 liege somit nicht nahe. Ein Fachmann, der sich dennoch bei der Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe mit Dokument D11 befasse, würde nicht nur Merkmale der in Dokument D11 gezeigten Regelung übernehmen, sondern auch das Einzelantriebskonzept dieses Dokuments und damit nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents gelangen, der einen gruppenweisen Zylinderantrieb aufweise. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag der Beschwerdegegnerin
1. Die Kammer ist der Auffassung, daß das Streitpatent den Gegenstand des Anspruchs 1 so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann ihn ausführen kann, und daß das Streitpatent somit dem Erfordernis des Artikels 83 EPÜ genügt. Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung dieser Auffassung nicht mehr widersprochen.
2. Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Streitpatents wurde im Beschwerdeverfahren nicht bestritten.
3. In Übereinstimmung mit den Beteiligten sieht die Kammer Dokument D1 als nächstliegenden Stand der Technik an. Es ist auch unstrittig, daß dieses Dokument die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 des Streitpatents (Merkmale a) bis e)) zeigt.
3.1 Die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe, eine Regelung für den Antrieb eines Druckmaschinenzylinders zu schaffen, die eine hohe Regelgüte aufweist, preiswert ist und keine hohen Anforderungen an die Kopplung von Motor und Last stellt (vgl. Absatz [0012] des Streitpatents), wird durch das Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Streitpatents (Merkmal f)) gelöst. Gemäß diesem Merkmal ist der Istwert-Geber zur Erzeugung eines Drehwinkellagen- oder Drehzahl-Istwerts am momentenfreien Wellenende des vom Antriebsmotor angetriebenen Zylinders der Zylindergruppe angebracht. Der Istwert-Geber ist also nicht am Motor oder dem motorseitigen Wellende des Zylinders, sondern am dem Motor abgewandten Wellende des Zylinders angebracht. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Merkmale d) bis f) des Anspruchs 1 des Streitpatents in Zusammenschau und auch im Hinblick auf Anspruch 7 des Streitpatents nur so zu interpretieren sind, daß für die Regelung des Zylinderantriebs nur ein einziger Istwert- Geber Verwendung findet.
3.2 Dokument D11 zeigt auf Seite 164 zwei Ausführungsarten für die Regelung eines Druckmaschinenzylinder-Antriebs. Die eine, für geringere Anforderungen an die Genauigkeit gedachte Ausführung verwendet einen einzigen Istwert- Geber am Antriebsmotor. Die andere, für höhere Genauigkeiten gedachte Ausführung verwendet zusätzlich zu dem Istwert-Geber am Antriebsmotor noch einen zweiten Istwertgeber am dem Motor abgewandten, also dem momentenfreien, Wellenende des angetriebenen Zylinders. Von dieser letztgenannten Ausführung unterscheidet sich die Regelung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents dadurch, daß nur der zweite, am momentenfreien Wellenende des Zylinders angebrachte Istwert-Geber Verwendung findet, der am Motor angebrachte Istwert-Geber also entfällt. Ein solches Regelungskonzept ist in Dokument D11 nicht gezeigt. Dokument D11 enthält auch keine Hinweise darauf, daß man eine höhere Regelungsgenauigkeit schon dadurch erzielen kann, daß man statt des einzigen Istwert-Gebers am Motor einen einzigen Istwert-Geber am momentenfreien Wellenende des Zylinders anbringt. Dokument D11 lehrt dem Fachmann, daß zur Erzielung der höheren Genauigkeit zusätzlich zum Istwert-Geber am Motor ein zweiter Istwert-Geber am momentenfreien Wellenende des Zylinders vorhanden sein muß. Ein Fachmann würde demnach, ausgehend von Dokument D1 und bei Berücksichtigung von Dokument D11, zur Lösung der beim Streitpatent gestellten Aufgabe das in der unteren Figur der Seite 164 des Dokuments D11 gezeigte Regelungskonzept mit zwei Istwert-Gebern einsetzen. Er hätte aber keine Veranlassung, auf den Istwert-Geber am Motor zu verzichten und, wie in Anspruch 1 des Streitpatents definiert, nur am momentenfreien Wellende des Zylinders einen Istwert-Geber anzubringen.
3.3 Die in Figur 6 des Streitpatents gezeigte, am Motor angebrachte weitere Istwerterfassung steht diesen Überlegungen nicht entgegen. Sie ist gemäß Anspruch 8 und Absatz [0049] des Streitpatents als Überwachungseinrichtung zum Auslösen einer Notabschaltung des Antriebsmotors konzipiert, erfüllt jedoch keine Funktion hinsichtlich der Regelung des Zylinderantriebs.
3.4 Dokument D14 zeigt in der einzigen Figur zwei von jeweils einem eigenen Motor angetriebene Zylinder einer Druckmaschine. An dem vom Motor abgewandten Ende des einen Zylinders 10 ist ein Positionsgeber 18 eingezeichnet. Der zugehörige Beschreibungstext (vgl. Spalte 2, Zeilen 30 bis 35) gibt an, daß es sich dabei um eine schematische Andeutung dieses Positionsgebers (Istwert-Geber) handelt. Dokument D14 enthält keine Angaben, daß diese schematische Andeutung, die nur so in der Figur die Markierungen für Anfang und Ende des Druck-Klischees veranschaulichen kann (vgl. Spalte 2, Zeilen 40 bis 42), auch dem tatsächlichen Anbringungsort des Istwert-Gebers entspricht. Eine Auslegung des Dokuments D14 dahingehend, die schematische Andeutung des Istwert-Gebers mit seinem tatsächlichen Anbringungsort gleichzusetzen, wäre spekulativ und eine rückschauende Betrachtung in Kenntnis des Streitpatents.
3.5 Die Kammer ist deshalb der Auffassung, daß eine Kombination der Dokumente D1 und D11 oder D1 und D14 nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents führt. Dieser Gegenstand beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies trifft auch auf die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 13 zu, in denen weitere Ausgestaltungen des Gegenstands des Anspruchs 1 definiert sind.
3.6 Bei dieser Sachlage erübrigt sich eine Erörterung des Hilfsantrags der Beschwerdegegnerin.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.