T 0767/03 (Datenabgleich/INDATEX) of 10.8.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T076703.20050810
Datum der Entscheidung: 10 August 2005
Aktenzeichen: T 0767/03
Anmeldenummer: 00117096.8
IPC-Klasse: G06F 17/60
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Portal für Finanzdienstleister
Name des Anmelders: Indatex GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (verneint: Abwägung des Fachmanns)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0641/00
T 1067/03
T 0300/04
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung 00 117 096.8. Die Prüfungsabteilung beurteilte die Streichung von nicht- technischen Anspruchsmerkmalen als unzulässig (Artikel 123 (2) EPÜ) und befand ferner, dass der Stand der Technik gemäß

D1: WO-A-98/56024

den beanspruchten Gegenstand vorwegnehme oder in Verbindung mit allgemeinem Fachwissen nahelege (Artikel 54 bzw. 56 EPÜ).

II. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Mit der Beschwerdebegründung hat sie zwei geänderte Anspruchssätze (Haupt- und Hilfsantrag) eingereicht, in denen insbesondere die gestrichenen Merkmale wieder enthalten sind.

III. Mit der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung erläuterte die Kammer ihre Bedenken, dass der Gegenstand der geänderten Ansprüche 1 durch D1 und allgemeines Fachwissen nahegelegt erscheine. Zum Beleg des Fachwissens führte die Kammer folgende Druckschrift ein:

D3: WO-A-00/29998.

Ferner schienen die Ansprüche 7 und 8 beider Anträge nicht in Einklang mit der Aufgabenstellung der Anmeldung zu stehen und somit nicht von der Beschreibung gestützt zu sein (Artikel 84 EPÜ).

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, den anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen, weil die Ladung ungewöhnlich kurzfristig erfolgt sei und der Termin mit dem geplanten Sommerurlaub des bearbeitenden Vertreters kollidiere.

In einer Kurzmitteilung stellte die Kammer fest, dass die Ladung frist- und formgerecht ergangen war, und nahm Bezug auf die "Mitteilung der Vizepräsidenten Generaldirektionen 2 und 3 vom 1. September 2000 über mündliche Verhandlungen vor dem EPA" (ABl. EPA 2000, 456), insbesondere Ziffer 2.2, letzter Satz, Ziffer 2.3, letzter Satz, sowie Ziffer 2.5. Angesichts der Arbeitsbelastung der Kammer und der Knappheit von Verhandlungssälen wurde dem Verlegungsantrag aufgrund unzureichend substantiierter Begründung nicht stattgegeben.

V. Die mündliche Verhandlung fand am anberaumten Termin in Anwesenheit eines Vertreters der Beschwerdeführerin statt. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents aufgrund folgender Ansprüche:

Hauptantrag:

Ansprüche 1-12, als Hauptantrag eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 18. Juni 2003.

1. Hilfsantrag:

Ansprüche 1-10, überreicht in der mündlichen Verhandlung (hervorgegangen aus dem Hauptantrag durch Streichung der Ansprüche 7 und 8 und Umnummerierung der übrigen Ansprüche).

2. Hilfsantrag:

Ansprüche 1-12, als Hilfsantrag eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 18. Juni 2003.

3. Hilfsantrag:

Ansprüche 1-10, überreicht in der mündlichen Verhandlung (hervorgegangen aus dem 2. Hilfsantrag durch Streichung der Ansprüche 7 und 8 und Umnummerierung der übrigen Ansprüche).

VI. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und erstem Hilfsantrag lautet:

"1. Verfahren zur elektronischen Datenübermittlung von wenigstens einem Vermittlerterminal (3, 4), das Dienstleistungen von verschiedenen Finanzdienstleistungs-Unternehmen gegenüber Endkunden vermittelt und eine Bestandsverwaltung der vermittelten Dienstleistungen durchführt, zu einem von mehreren Terminals (2) von Finanzdienstleistungs-Unternehmen mittels eines Datennetzes (10), wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:

- Eingabe von Daten, die für eine Finanzdienstleistungs-Bestandsbearbeitung relevant sind, in das Datenverwaltungssystem (16) des Vermittlerterminals (3, 4),

- Automatisches Auslesen der eingegebenen und ggf. ergänzten Daten in eine Konverteranwendung (18),

- Konvertieren (18) der ausgelesenen Daten in ein Standardformat,

- Übertragen der konvertierten Daten über das Datennetz (10) zu einem von dem Vermittlerterminal (3, 4) und dem Terminal (2) unabhängigen Portalserver (1), und

- Übertragen der Daten über das Datennetz (10) von dem Portalserver (1) in das Verwaltungsprogramm des Terminals (2) unter Anpassung an das von dem Verwaltungsprogramm des Terminals (2) erforderliche Format,

wobei bei einer Datenübertragung von dem Vermittlerterminal (3, 4) zu einem Terminal (2) für den Fall, dass im Terminal (2) bereits ein älterer Datensatz gleicher Bedeutung vorliegt, nicht der gesamte Datensatz, sondern nur der geänderte Teil des Datensatzes übertragen und in das Verwaltungsprogramm des Terminals (2) eingeschrieben wird."

Aus vorstehendem Anspruch 1 geht der gemeinsame Anspruch 1 des zweiten und dritten Hilfsantrags hervor, indem die Ausdrücke "Dienstleistungen von verschiedenen Finanzdienstleistungs-Unternehmen", "Bestandsverwaltung der vermittelten Dienstleistungen", "Finanzdienstleistungs-Bestandsbearbeitung" und "Terminal von Finanzdienstleistungs-Unternehmen" durch die Ausdrücke "Dienstleistungen von verschiedenen Versicherungen", "Bestandsverwaltung der vermittelten Versicherungs-Dienstleistungen", "Versicherungs- Bestandsbearbeitung" und "Versicherungs-Terminal" ersetzt werden.

VII. Hauptargument der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung war, dass weder in D1 noch in D3 nur der geänderte Teil eines Datensatzes zwischen den Terminals übertragen werde. Falls also der Fachmann wider Erwarten die an sich unverträglichen Lehren der D1 und der D3 zu vereinigen versuche, würde er immer noch nicht zum beanspruchten Verfahren gelangen, sondern komplette Datensätze übertragen und somit den anmeldungsgemäßen Erfolg (minimaler Datenstrom beim Abgleich zwischen den Datenbanken) verfehlen.

Im Gegensatz zum einzelfallorientierten Geldtransaktionsverfahren gemäß D1 würden die beanspruchten Verfahren Bestandsdaten auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen, insbesondere Versicherungen, verwalten und somit zusätzliche technische Anforderungen, nämlich hinsichtlich Langzeitspeicherung und Änderbarkeit der Daten, stellen.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

Entscheidungsgründe

1. Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung

Die Ablehnung des Antrags auf Verlegung der mündlichen Verhandlung beruhte auf den in der Kurzmitteilung der Kammer genannten Gründen (siehe Punkt IV supra) entsprechend den in den Entscheidungen T 300/04 und T 1067/03 dargelegten Kriterien der Kammer.

2. Änderungen in den unabhängigen Ansprüchen

2.1 Im Vergleich zu den von der Prüfungsabteilung zurückgewiesenen Ansprüchen enthalten die unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags und der Hilfsanträge wieder die Angabe des Anwendungsgebiets, nämlich des Gebiets der Finanzdienstleistungen bzw. der Versicherungen, wie in den ursprünglichen Ansprüchen 1, 10, 11, 20 und 21 (siehe Spalten 10 bis 14 der veröffentlichten Anmeldung EP-A1-1 179 793, nachstehend "A1" genannt). Beide Anwendungsgebiete sind in der ursprünglichen Beschreibung dargelegt (A1, z. B. [0002]).

2.2 Zu dem am Ende des Anspruchs 1 (Haupt- und Hilfsanträge) hinzugetretenen Merkmal, dass nur der geänderte Teil eines Datensatzes zwischen den Terminals übertragen wird, hält die Kammer zunächst fest, dass die ursprüngliche Fassung der Anmeldung zwei Versionen des Datenabgleichs offenbart: Entweder werden "geänderte Datensätze" übertragen (A1, [0021] und Anspruch 8), oder es werden "nur Änderungsdaten, aber nie gesamte Datensätze" übertragen (A1, [0051]).

Der letzte Absatz des Anspruchs 1 stützt sich auf die zweite Version.

2.3 Die Änderungen genügen somit den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.

3. Nächstliegender Stand der Technik

3.1 Unstreitig ist, dass die Druckschrift D1 den nächstliegenden ermittelten Stand der Technik offenbart, nämlich die Infrastruktur zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 (Haupt- und Hilfsanträge). Insbesondere Figur 1 der D1 zeigt Vermittlerterminals mit Anwendungsprogrammen (12, 14, 16) sowie einen unabhängigen Portalserver (message agent server 10), der elektronische Nachrichten über ein Datennetz (Ethernet, TCP/IP, SWIFT-Netzwerk: siehe Seite 3, Zeilen 20-26 und Seite 13, Zeilen 22-27) zu und von den Terminals, ggf Finanzinstitutionen, übermittelt.

Die Anwendungsprogramme (12, 14, 16) in den Vermittlerterminals wandeln die eingegebenen Daten in das sog. SWIFT-Format, welches von der "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications" als Norm für die Übermittlung elektronischer Nachrichten verabschiedet wurde (siehe D1, Seite 1, Zeilen 18-26; Seite 2, Zeilen 21-31; Seite 17, Zeilen 20-25; Figur 2). Im Gegensatz zu proprietären (firmeneigenen) Lösungen ermöglicht die Benutzung eines standardisierten maschinenlesbaren Formats (SWIFT-Format in D1; PDF in der Anmeldung) unterschiedlichen Vermittlern eine Kommunikation mit unterschiedlichen Finanzinstitutionen ohne kostspielige, fehlerträchtige und zeitaufwändige manuelle Konvertierung.

Ferner offenbart D1 die Möglichkeit, die SWIFT- Nachrichten im Server an ein weiteres Format anzupassen (Seite 20, Zeilen 7-9).

3.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, D1 betreffe nur kurzfristige, individuelle Geldtransaktionen, die nach ihrer Erledigung keiner weiteren Bearbeitung bedürften und daher keine Veranlassung zu einer langfristigen, aktualisierbaren Datenspeicherung gäben. Demgegenüber erfordere die beanspruchte Verwaltung von Datenbeständen, die vermittelte Finanzdienstleistungen beträfen, besondere technische Maßnahmen und Hintergrundüberlegungen aufgrund der Notwendigkeit einer Datenpflege über längere Zeiträume.

Wie von der Kammer in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben, betreffen jedoch auch die auf den Vermittlerterminals gemäß D1 ablaufenden Anwendungen bereits verschiedene langfristige Finanzdienstleistungen einschließlich eines Portfolio-Managements (Seite 5, Zeilen 8-12), einer bewertenden Beobachtung von verpfändeten Vermögen (Seite 14, Zeilen 8-10) oder einer Speicherung von historischen Daten (Seite 15, Zeilen 29- 31). Zumindest die beiden erstgenannten Anwendungen implizieren auch eine Datenpflege. Explizit erwähnt ist ein Datenabgleich zwischen Terminals und Server (Seite 19, Zeilen 27-29: "synchronized at certain intervals").

Mangels technischer Einzelheiten in der vorliegenden Anmeldung ist die Kammer der Überzeugung, dass die beanspruchten Finanzdienstleistungen oder Versicherungsdienstleistungen nicht stärker auf Langfristigkeit und Datenpflege angelegt sind als die aus D1 bekannten langfristigen Dienstleistungen. Eine Bestandsverwaltung/-bearbeitung und deren etwaige speichertechnischen Implikationen rechnet die Kammer daher dem nächstkommenden Stand der Technik zu.

4. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

D1 erwähnt zwar, wie vorstehend festgestellt, einen Datenabgleich (Synchronisierung) zwischen Terminals und Server (Seite 19, Zeilen 27-29), offenbart hierzu jedoch keine Einzelheit der Durchführung.

Demnach ist das Verfahren nach Anspruch 1 (Haupt- und Hilfsanträge) neu gegenüber der Lehre der D1, weil D1 nicht offenbart, dass beim Abgleich nur der geänderte Teil eines bestehenden Datensatzes zwischen den Terminals übertragen werden soll.

5. Technische Wirkung und Aufgabe

Das vorstehend genannte neuheitsbegründende Merkmal vermeidet die Übertragung von in älteren Datensätzen bereits vorhandenen unveränderten Informationen. Dadurch werden beim Datenabgleich zwischen Datenbanken die Netzwerk-Ressourcen geschont (A1, [0051]).

Aufgrund dieser technischen Wirkung lässt sich die technische Aufgabe formulieren, das aus D1 bekannte Datenaustauschverfahren hinsichtlich der Synchronisierung seiner Datenbanken (D1, Seite 19, Zeilen 27-29) weiterzuentwickeln und nach einem der üblichen Datenübertragungskriterien (Übertragungskapazität und -effizienz, Hardware- und Softwareaufwand) zu optimieren. Dies ist eine neutral formulierte (d. h. keine Lösungsmerkmale vorwegnehmende) und dem Fachmann zuzurechnende Aufgabenstellung.

6. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

6.1 Nach Ansicht der Kammer wird der Fachmann aufgrund der vorstehend formulierten, von D1 ausgehenden Aufgabenstellung die Lehre der D3 hinzuziehen, da diese die Synchronisierung von Datenbanken betrifft (D3, z. B. Seite 1, Zeilen 10 bis 13).

Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die gemäß D3 zu synchronisierenden Datenbanken von vornherein zueinander kompatibel seien, also keiner Formatstandardisierung bedürften, und somit mit dem Ziel der D1 - Einführung eines standardisierten Datenaustauschformats - nichts gemein hätten. Der Fachmann würde daher die Lehren der D1 und der D3 nicht zu kombinieren versuchen.

Die Kammer merkt hierzu zunächst an, dass die Aufgabe ausgehend von D1 formuliert ist, nicht ausgehend von dem der D1 zugrunde liegenden Stand der Technik. Ausgangspunkt ist also ein Datenaustauschverfahren, das hinsichtlich seines Formats bereits standardisiert ist (D1, SWIFT) und somit der Lehre der D3 nicht so fremd gegenübersteht wie behauptet. Vor allem aber ist die Auswahl der zwecks Synchronisierung zu übertragenden Daten ersichtlich unabhängig vom Format, in dem sie übertragen werden sollen. Ein Synchronisierungskonzept, das die zu übertragende Datenmenge reduziert, wird den Datenstrom in jedem Format reduzieren. Deshalb wird im Zusammenhang mit einer Synchronisierungsaufgabe der Fachmann die zugehörigen Konzepte der D3 aufgreifen, ohne sich durch etwaige Formatierungsfragen abbringen zu lassen.

6.2 Die Druckschrift D3 lehrt in ihrer Einleitung den grundsätzlichen Gedanken, die in den Datenbanken zweier Geräte gespeicherten Informationen in der Weise abzugleichen, dass nur geänderte Informationen verarbeitet und übertragen werden (Seite 1, Zeilen 20-23: "synchronize the added, modified or deleted information"). D3 offenbart insbesondere einen Abgleich mit Hilfe einer Änderungshistorie ("change log"), die für geänderte Datensätze ("records" oder "database entries") Identifikatoren speichert. Mit deren Hilfe werden nur die geänderten Datensätze in die Zieldatenbank übertragen und eingeschrieben (D3, Seite 2, Zeilen 1-11; Seite 7, Zeilen 22-27). Dadurch wird der zu übertragende Datenstrom verringert, ohne die Qualität des Abgleichs zu beeinträchtigen.

Die Beschwerdeführerin betont, dass in D3 ein kompletter Datensatz, etwa ein "Outlook"-Datensatz oder ein Telefonbucheintrag, zwischen den Geräten übertragen werde, selbst wenn nur ein Teil des Datensatzes geändert worden sei. Im beanspruchten Verfahren dagegen werde nur der geänderte Teil des Datensatzes übertragen, so dass das übertragene Datenvolumen noch weiter als in D3 reduziert werde.

Abgesehen davon, dass auch das beanspruchte Verfahren wenigstens ein unverändertes Kennzeichen des abzugleichenden Datensatzes mitübertragen muss (sonst könnten die geänderten Daten nicht richtig in die Zieldatenbank eingeordnet werden), liegt es nach Ansicht der Kammer im Ermessen des Fachmanns, die zu übertragende Datenmenge innerhalb ihrer technisch unvermeidlichen Grenzen zu wählen. Die geänderten Daten stellen offensichtlich die Mindestmenge an Daten dar, die zum aktualisierenden Abgleich eines in zwei Datenbanken gehaltenen Datensatzes benötigt werden. Ob und wann die Übertragung eines gesamten Datensatzes einfacher zu handhaben ist als die Identifizierung und Übertragung lediglich seines geänderten Teils, wägt der Fachmann nach üblichen Kriterien und Bedürfnissen ab (Geschwindigkeit und Kosten der Datenübertragung, Netzkapazität, Hardware-, Software-, Entwicklungsaufwand). Die Umsetzung dieser Abwägung wird offenbar auch vom Verfasser der Anmeldung als Routinearbeit des Fachmanns betrachtet, denn die Anmeldungsunterlagen offenbaren nur wenige technische Einzelheiten.

6.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert ferner, in D3 stelle sich nicht die spezielle Aufgabe der Anmeldung, die Übertragungseffizienz noch weiter zu erhöhen. D3 widme sich lediglich der allgemeinen Aufgabe, zwei Datenbanken effizient miteinander abzugleichen, und schlage als Lösung die Übertragung nur derjenigen (kompletten) Datensätze vor, die irgendeine Änderung enthalten.

Nach Ansicht der Kammer liegt eine weitere Erhöhung der Übertragungseffizienz im normalen ständigen Bestreben des Fachmanns. Der ausdrücklich genannte allgemeine Zweck der D3, nämlich die Effizienz des Synchronisationsvorgangs zu steigern, und die zugehörige allgemeine Lösung, nämlich nur geänderte Datensätze zu übertragen, stehen diesem Bestreben nicht entgegen. In der Praxis nötigen spätestens die üblicherweise steigenden Kapazitätsanforderungen den Fachmann zu fortgesetzten Überlegungen, wie er die Datenübertragung noch effizienter gestalten kann. Die Druckschrift D3 suggeriert nicht, dass sie den Endpunkt einer Entwicklung darstellen würde.

6.4 Die Beschwerdeführerin macht einen synergetischen Zusammenhang zwischen der Nutzung eines Standardformats und der ausschließlichen Übertragung geänderter Daten insofern geltend, als der Übergang auf ein Standardformat (z. B. PDF) bekanntlich das Datenvolumen erhöhe und die Anmelderin zum Ausgleich eine besonders effiziente und ressourcenschonende Übertragungstechnik gewählt habe.

Nach Ansicht der Kammer drängt sich das genannte Kompensationsziel dem Fachmann wiederum spätestens dann auf, wenn er im praktischen Betrieb an Kapazitätsgrenzen der Datenübertragung stößt. Die genannten Maßnahmen (Übergang auf ein Standardformat; ausschließliche Übertragung geänderter Daten) lösen unterschiedliche Teilaufgaben, eine nicht-naheliegende technische Wechselwirkung ist nicht ersichtlich. Es steht dem Fachmann frei, den erforderlichen Datenstrom zu minimieren (in der durch D3 vorgezeichneten Richtung), unabhängig davon, ob er zuvor das zu übertragende Datenvolumen erweitert hat.

6.5 Zusammenfassend erkennt die Kammer in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und erstem Hilfsantrag kein Merkmal, das auf erfinderische Tätigkeit schließen ließe.

6.6 Gegenüber der vorstehend erörterten Fassung des Anspruchs 1 besteht der einzige Unterschied des Anspruchs 1 gemäß zweitem und drittem Hilfsantrag in einer Anwendung auf das Versicherungswesen. Laut Beschwerdeführerin setzt die Angabe einer solchen Anwendung klarer als bei allgemeinen Finanzdienstleistungen eine langfristige Bestandsdatenspeicherung und -pflege voraus.

Die Kammer weist wiederum darauf hin (siehe Punkt 3.2 supra), dass das Datenaustauschverfahren gemäß D1 bereits im Zusammenhang mit einer langfristigen Dienstleistung (z. B. Portfolio-Management) betrieben werden soll und daher ebenfalls eine Bestandsdatenspeicherung und -pflege bedingt, die zeitlich über eine Einzeltransaktion hinausreicht. Ein darüber hinausgehender technischer Beitrag durch versicherungstypische Anforderungen ist nicht erkennbar. Falls eine Akkumulation eines großen Datenbestands gemeint sein sollte (und nicht vom Portfolio-Management der D1 umfasst sein sollte), spielt die Gesamtgröße des Datenbestands jedenfalls hinsichtlich der Datenübertragungskapazität beim Abgleich keine kritische Rolle, da (nach dem Vorbild der D3) bei jedem Abgleich nur diejenigen Daten übertragen werden, die sich seit dem vorhergehenden Abgleich geändert haben.

Nicht-technische Unterschiede, die sich aus der Beschränkung auf Versicherungs-Dienstleistungen ergeben mögen, haben bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit außer Betracht zu bleiben (T 641/00, ABl. EPA 2003, 352).

6.7 Das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß zweitem und drittem Hilfsantrag genügt daher ebenfalls nicht den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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