T 0714/03 (Beschleuniger/GIULINI) of 27.1.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T071403.20050127
Datum der Entscheidung: 27 Januar 2005
Aktenzeichen: T 0714/03
Anmeldenummer: 96937236.6
IPC-Klasse: C04B 22/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Erstarrungs- und Erhärtungsbeschleuniger für hydraulische Bindemittel
Name des Anmelders: BK Giulini GmbH
Name des Einsprechenden: SIKA SCHWEIZ AG
MBT HOLDING AG
Beitretende:
MBT Austria Bauchemie GmbH
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
European Patent Convention 1973 Art 123
Schlagwörter: Zulässigkeit der Änderungen: ja
Ausreichende Offenbarung: ja
Neuheit: ja
Erfinderische Tätigkeit: ja, nicht nahe gelegte Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0099/85
T 0229/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0702/02

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die beiden gegen das Europäische Patent Nr. 0 946 451 eingelegten Einsprüche zurückzuweisen.

II. Anspruch 1 des Streitpatents hat folgenden Wortlaut:

"1. Erstarrungs- und Erhärtungsbeschleuniger für hydraulische Bindemittel, erhältlich durch ein Verfahren, das dadurch gekennzeichnet ist, daß folgende Komponenten

Komponente a: basische Aluminiumsalze und/oder Aluminiumhydroxyd

Komponente b: Aluminiumsulfat und/oder Schwefelsäure

Komponente c: organische Carbonsäuren oder Mischungen zumindest zwei der organischen Carbonsäuren

Komponente d: Aluminiumsalze der organischen Carbonsäuren

Komponente e: organische und/oder anorganische Sulfate und/oder Hydrogensulfate und/oder Carbonate und/oder Hydrogencarbonate und/oder Erdalkalioxyde und/oder Erdalkalihydroxyde

bei Temperaturen bis 150 °C in Wasser zur Reaktion gebracht werden, so daß dabei eine Lösung erhalten wird, wobei

1. alle Komponenten oder eine Auswahl der Komponenten miteinander reagieren, so daß die Molverhältnisse des Aluminiums zu Sulfat im Endprodukt 0,83 bis 13,3 und die Molverhältnisse des Aluminiums zur organischen Carbonsäure 0,67 bis 33,3 betragen oder

2. alle Komponenten außer Komponente e oder eine Auswahl der Komponenten außer Komponente e miteinander reagieren, so daß die Molverhältnisse des Aluminiums zu Sulfat im Endprodukt 0,83 bis 13,3 und die Molverhältnisse des Aluminiums zur organischen Carbonsäure im Endprodukt 0,67 bis 33,3 betragen oder

3. die Komponente e nachträglich im Reaktionsprodukt nach Punkt 2, aufgelöst wird."

III. Im Einspruchsverfahren wurden die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) und b) EPÜ geltend gemacht und unter anderem folgende Dokumente genannt:

D1: EP-A1-0 742 179 (Veröffentlichungstag 13.11.1996)

D2: EP-B1-0 076 927

D5: EP-A1-0 798 300 (Veröffentlichungstag 01.10.1997)

D6: DD-A-266 344

D7: GB-A-2 298 860

Die Einspruchsabteilung kam zu dem Schluß, dass die beanspruchte Erfindung ausreichend offenbart sei, dass der Gegenstand der Ansprüche im Hinblick auf D1 und D5 neu und im Hinblick auf D2, D6 und D7 auch erfinderisch sei.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 01) machte in ihrer Beschwerdebegründung Ausführungen zur Interpretation von Anspruch 1 und beanstandete die mangelnde Ausführbarkeit. Ferner machte sie mangelnde Neuheit gegenüber D1, D2 und D5, und mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf D2 und eine Kombination von D6 und D7 geltend. Mit ihrem letzten Schriftsatz vom 23. Dezember 2004 hat sie folgendes Dokument nachgereicht:

VB4: Untersuchungsbericht betreffend die Offenbarung der D2.

V. Mit Schreiben vom 11. Mai 2004 gelangte eine Eingabe Dritter zur Akte, in der mangelnde Offenbarung geltend gemacht wurde mit der Begründung, dass zwischen Anspruch und den Ausführungsbeispielen ein Widerspruch bestünde.

VI. Mit Schreiben vom 22. Juli 2004 hat die Firma MBT Austria Bauchemie GmbH (Beitretende) unter Gebührenzahlung und unter Einreichung einer Kopie der Klageschrift der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) ihren Beitritt zum vorliegenden Verfahren gemäß Artikel 105 EPÜ erklärt. In ihrer Beitrittserklärung hat die Beitretende Einwände unter Artikel 100 a) und b) EPÜ erhoben, unter Bezugnahme auf die Eingabe Dritter, auf die Dokumente D1, D2 und D5, auf die neu eingereichten Entgegenhaltungen

D8: WO-A-95/28362 und

D9: WO-A-96/05150,

sowie auf Auszüge aus Internet-Lexika betreffend organische Säuren. Insbesondere machte sie mangelnde Neuheit im Hinblick auf D1, D2, D5, D8 und D9 geltend, sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf D9.

Zur Untermauerung Ihrer Einwände hat sie mit Schreiben vom 3. Dezember 2004 folgende Unterlagen eingereicht, und die Einreichung von Berichten über die Reproduktion der durchgeführten Versuche durch externe Institute angekündigt:

VB1-0: Versuchsbericht betreffend die Offenbarung des Streitpatents ("Anlage 1")

VB2-0: Versuchsbericht betreffend die Offenbarung der D9 ("Anlage 2", "Lösungsversuch A").

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2004 hat sie unterschriebene Kopien dieser beiden Berichte und einen unterschriebenen Farbausdruck der zu VB2-0 gehörenden Abbildung nachgereicht, wobei die unterschriebene Anlage 1 eine handschriftliche Änderung und die unterschriebene Anlage 2 einen Klarstellungshinweis enthalten.

Mit ihrer letzten schriftlichen (Fax-)Eingabe vom 22. Januar 2005 hat sie folgende Dokumente eingereicht, und die Vorlage der Original am Tag der mündlichen Verhandlung angekündigt:

VB1-1: Fax-Version eines unterschriebenen Versuchsberichts der BMG Engineering AG vom 21. Januar 2005 betreffend die Offenbarung des Streitpatents

VB1-2: Fax-Version des unterschriebenen Versuchsberichts der EMPA vom 21. Januar 2005 betreffend die Offenbarung des Streitpatents.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat in mehreren Schriftsätzen alle erhobenen Einwände zurückgewiesen. Zur Untermauerung ihres Vorbringens hat sie mit Schreiben vom 22. Dezember 2004 folgendes Dokument eingereicht:

VB3: Versuchsbericht, welcher auf VB1-0 Bezug nimmt.

Mit Schreiben vom 6. Januar 2005 hat sie einen Farbausdruck der Abbildung eingereicht, die in VB3 inkludiert war.

VIII. Am 27. Januar 2005 fand eine mündliche Verhandlung statt.

Obwohl die Einsprechende 02 ebenfalls ordnungsgemäß geladen worden war, hat sie an dieser Verhandlung nicht teilgenommen.

Im Verlauf der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin einen neuen Anspruchssatz und eine daran angepaßte Beschreibungsseite 2 eingereicht. Die einzige in den Ansprüchen vorgenommene Änderung betrifft das Voranstellen des Ausdrucks "Für die Verwendung im Naßspritzverfahren geeigneter ..." in Anspruch 1.

Die Beitretende hat folgende Dokumente eingereicht:

i) wie im Fax vom 22. Januar angekündigt:

VB1-1': Original-Version des Berichts VB1-1 und

VB1-2': Original-Version des Berichts VB1-2

ii) und zusätzlich:

VB2-1: Unterschriebener BMG-Versuchsbericht vom 21. Januar 2005 betreffend die Offenbarung der D9 ("Lösungsversuch A") und

GA: Graphische Datensauswertung der BMG-EMPA Versuchsberichte (total 59 Versuche).

IX. Die bezüglich der geänderten Ansprüche relevanten Ausführungen der Parteien können wie folgt zusammengefaßt werden:

Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Beitretende beanstandeten die Klarheit des in Anspruch 1 eingefügten Ausdrucks und betrachteten die Änderung auch als einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ. Insbesondere habe der eingefügte Ausdruck keine genau definierte Bedeutung, und die Eignung für das Nass-Spritzen sei im Streitpatent (Abschnitt [0007]), im Gegensatz zum Wortlaut des geänderten Anspruchs 1, nur im Zusammenhang mit einer konzentrierten Beschleunigerlösung erwähnt. Allerdings gehe auch die genaue Bedeutung des Begriffs "konzentriert" aus dem Patent nicht klar hervor.

Die Beschwerdegegnerin war der Auffassung, dass ein Fachmann unterscheiden könne, ob ein Beschleuniger für das Nass-Spritzen geeignet sei oder nicht. Sie verwies auch auf die Angaben auf Seite , Zeilen 39 bis 42, welchen im Zusammenhang mit Abschnitt [0007] indirekt zu entnehmen sei, wie konzentriert die Beschleunigerlösungen zu sein hätten, um für das Nass- Spritzverfahren geeignet zu sein. Die zusätzliche Aufnahme des Begriffs "konzentrierte" in Anspruch 1 brächte daher keinen Gewinn an Klarheit und wäre als Überbestimmung anzusehen.

Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung auf Befragen durch die Kammer angegeben, dass sich Anspruch 1 für sich genommen klar auf die Zugabe von 5 Komponenten a bis e beziehe und daher nicht mit den Beispielen des Streitpatents "zusammenpasse", wo lediglich 3 oder 4 (Beispiel 5) Ausgangsprodukte zum Einsatz kämen. Die Beispiele seien demnach "unzutreffend" und "unbenutzbar". Andererseits enthielten weder Anspruch 1 noch die restliche Beschreibung hinreichende detaillierte Informationen zu den für die Herstellung von Beschleuniger-Lösungen erforderlichen Maßnahmen. Daher sei es nicht möglich, das beanspruchte Produkt genau zu kennen und es mit den gemäß den Beispielen des Streitpatents erhältlichen Produkten zu vergleichen. Auch die Beitretende hat bestätigt, dass bei wortgemäßer Lesart von Anspruch 1 alle 5 Komponenten a bis e anwesend sein müssten. Insbesondere im Hinblick auf die Versuchsberichte VB1-0 und VB1-1 haben sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Beitretende geltend gemacht, dass die Ausführbarkeit der Erfindung nicht über die gesamte Breite von Anspruch 1 gegeben sei. Der Fachmann könne - wenn überhaupt - nur durch unzumutbaren Aufwand oder durch die Anwendung von Kenntnissen, die nicht in der Patentschrift offenbart seien, im gesamten angegebenen Zusammensetzungsbereich zu Lösungen gelangen, welche als Beschleuniger anzusehen seien. Um zu den erfindungsgemäßen Beschleuniger-Lösungen zu gelangen seien zahlreiche Auswahlen bezüglich der einzusetzenden Edukte und ihrer relativen Mengen, der anzuwendenden Temperaturen und Zeiten, der Abfolge der Schritte und der Prozess-Steuerung zu treffen, wobei die Patentschrift keinerlei Angaben zu den bei diesen Auswahlen anzuwenden Kriterien enthalte. Die Chancen bei der Nacharbeitung der Erfindung an Hand der Offenbarung des Streitpatents auch tatsächlich eine Beschleuniger- Lösung zu erhalten seien derart gering, dass es dazu einer erfinderischen Tätigkeit bedürfe.

Die Beschwerdegegnerin war dar Auffassung, dass Anspruch 1 klar sei und einen Vorschlag enthalte, wie das beanspruchte Produkt erhalten werden könne. Wesentliches Merkmal des Produkts sei die Tatsache, dass es als konzentrierte Lösung mit gewissen molaren Verhältnissen von Aluminium, Sulfat und Carbonsäure vorliege. Der erste Teil von Anspruch 1 gebe nicht bloß 5, sondern eine Vielzahl geeigneter Komponenten an, welche bei ausreichender Temperatur und Behandlungsdauer durch Reaktion und Lösungsbildung zu dem beanspruchten Produkt führen könnten. Demnach sei eine Vielzahl von Herstellverfahren offenbart, und auch solche, bei denen sich gewisse Komponenten lediglich in situ bildeten. Letzteres wurde von den beiden anderen Parteien jedoch bestritten. Die Beschwerdegegnerin wies auch darauf hin, dass nicht nachgewiesen worden sei, dass die Beispiele gemäß Streitpatent nicht "funktionierten". Die Versuchsberichte VB1-0 und VB1-1 seien nicht geeignet, die Nicht-Herstellbarkeit von Produkten gemäß Anspruch 1 zu beweisen, da die beschriebenen Löseversuche alle unter im wesentlichen gleichen Bedingungen, nämlich bei Temperaturen von um die 60 °C und einer Behandlungsdauer von 1 Stunde, durchgeführt worden seien. Die in VB3 beschriebenen, eigenen Versuche zeigten exemplarisch, dass die von der Beitretenden untersuchten Mischungen bei Variation des Herstellverfahrens im Sinne von etwas energischeren Bedingungen durchaus in Lösungen überführt werden könnten.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin ihre Neuheitseinwände lediglich auf D1 und D5 gestützt. In D1 seien wäßrige Beschleuniger offenbart, welche die Komponenten Aluminium, Sulfat und Karbonsäure in gelöster Form und in den von Anspruch 1 geforderten Mengenverhältnissen enthielten. Bei Abtrennung von ungelöstem Gips aus den offenbarten Slurries würden Lösungen nach Anspruch 1 erhalten. Slurry C (ohne Gips) liege zwangsläufig als eine Lösung gemäß Streitpatent vor. D5 offenbare konzentrierte flüssige Beschleuniger, welche Aluminium, Sulfat und Karbonsäure enthielten und aus den gleichen Komponenten hergestellt würden wie die Produkte nach Anspruch 1 des Streitpatents. Bezüglich der Molverhältnisse seien in D5 Bereiche offenbart, welche mit den Bereichen nach Anspruch 1 überlappten. Auch die gemäß D5 gebildeten Dispersionen gingen nach einiger Zeit in Lösungen über. In Beispiel 33 sei zudem ausdrücklich die Bildung einer Lösung beschrieben.

Die Beitretende hat in der mündlichen Verhandlung zusätzlich noch mangelnde Neuheit im Hinblick auf D8 und D9 geltend gemacht. Beide Entgegenhaltungen offenbarten wäßrige Beschleunigermischungen, welche zwingend Aluminium, Sulfat und Carbonsäure in gelöster Form enthielten. Da die in Anspruch 1 für die Mengenverhältnisse der Komponenten angegebenen Bereiche sehr breit und außerdem willkürlich gewählt seien, könnten sie nicht die Neuheit des Anspruchsgegenstands begründen. Ferner gehe auch aus VB2-0 und -1 hervor, dass die Ausführung der Lehre von D9 zu Lösungen gemäß Anspruch 1 führe.

Die Beschwerdegegnerin führte bezüglich der Neuheit aus, dass die angezogenen Dokumente keine Beschleuniger- Lösungen offenbarten, ganz zu schweigen von Lösungen, in denen die Komponenten Aluminium, Sulfat und Carbonsäure in den von Anspruch 1 geforderten Molverhältnissen vorlägen. Lediglich ein einziges Beispiel in D5 offenbare eine Lösung, wobei jedoch das Molverhältnis von Aluminium zu Sulfat in diesem Fall außerhalb des angegebenen Bereichs liege. Die Löseversuche der Beitretenden (VB2-0) seien in Kenntnis der Erfindung durchgeführt worden, und bezögen sich auf Verfahrensmaßnahmen, welche in D9 so nicht beschrieben seien. Zudem hätten die in VB2-0 beschrieben Lösungen lediglich eine relativ niedrige Konzentration von etwa 7,2% Al2O3.

In der mündlichen Verhandlung basierten alle Einwände der Beschwerdeführerin und der Beitretenden betreffend die erfinderische Tätigkeit auf den Dokumenten D2 beziehungsweise D9, welche jeweils als Ausgangspunkt angezogen wurden. Die Kombination von D6 mit D7 wurde von der Beschwerdeführerin nicht weiterverfolgt. Ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik und unter Bezugnahme auf VB4 hat letztere geltend gemacht, dass man durch zufällige Auswahl von Komponenten und deren relativen Mengen nach Maßgabe der breiten Ansprüche der D2 zu Beschleuniger-Dispersionen gelangen könne, welche auch jeweils eine Lösung mit einer Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 enthielten. Die Bereiche in Anspruch 1 entsprächen keinem technischen Effekt und seien daher bedeutungslos für die erfinderische Tätigkeit. Um ausgehend von D2 zu den gewünschten Beschleuniger-Lösungen zu gelangen, sei ein nicht erfinderisches, einfaches Ausprobieren ausreichend. Anderenfalls sei der Gegenstand des Streitpatents nicht ausführbar. Obwohl D9 nur von Dispersionen spreche, müßten auch bei einem Arbeiten innerhalb der auf Seite 5 der D9 angegebenen Bereiche unter Verwendung von Ameisensäure Lösungen mit den Molverhältnissen gemäß Anspruch 1 erhalten werden. D9 schließe die Verwendung jeder Art von Aluminiumhydroxysulfat mit ein, also auch von Lösungen, welche gemäß VB2-0 hergestellt werden können.

Die Beitretende hat zusätzlich geltend gemacht, dass die Aufgabe in der Erzielung einer Beschleunigungswirkung und guten Frühfestigkeiten bestanden habe. Die Parameterbereiche in Anspruch 1 seien willkürlich gewählt, extrem breit und begründeten keinen technischen Effekt oder Vorteil, ebensowenig wie die Verwendung der Beschleuniger-Komponenten in gelöster anstatt in dispergierter Form. Sie hat auf die Gefahr des Verfestigens der notwendigerweise konzentrierten Beschleuniger-Lösungen hingewiesen, welche bei Dispersionen nicht bestünde. Die Verwendung von Lösungen brächte nur Nachteile. Unter Bezugnahme auf VB2-0 hat auch sie geltend gemacht, dass bei einem Nacharbeiten der Lehre von D9 gewisse naheliegende Auswahlen der Komponenten zu Lösungen gemäß Anspruch 1 führten.

Die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung auf die im Streitpatent unter [0007] angegebene Aufgabe verwiesen. Sowohl D2 als D9 offenbarten lediglich die Herstellung von Dispersionen und enthielten keinerlei Hinweis auf die Herstellung von Beschleuniger-Lösungen. Lösungen gemäß Streitpatent seien am Markt sehr erfolgreich und könnten daher nicht nachteilig angesehen werden. Der Fachmann könne demnach lediglich durch rückschauende Betrachtungsweise und unter Anwendung von in D2 beziehungsweise D9 nicht angesprochenen Maßnahmen ausgehend von diesen Dokumenten zu Beschleuniger- Lösungen gemäß Anspruch 1 gelangen.

X. Die Beschwerdeführerin und die Beitretende beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (Ansprüche 1 bis 9, Beschreibung Seite 2) sowie der Beschreibung Seiten 3 bis 5 wie erteilt.

Die Einsprechende 02 hat im Beschwerdeverfahren keinerlei Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

1. Der Beitritt der MBT Austria Bauchemie GmbH erfüllt die Bedingungen des Artikels 105 EPÜ, was auch nicht bestritten wurde.

2. Die im Beschwerdeverfahren erfolgte Änderung von Anspruch 1 wurde unter Artikel 123 (2) EPÜ und unter Artikel 84 EPÜ beanstandet.

2.1 Diesbezüglich stellt die Kammer zunächst fest, dass die vorgenommene Änderung eine Einschränkung des Anspruchsgegenstands auf jene Beschleuniger darstellt, welche sich tatsächlich für die Verwendung im Nass- Spritzverfahren eignen. Die Änderung ist auch durch die dem Streitpatent zugrunde liegende Anmeldung gestützt, wo die Bereitstellung derartiger Beschleuniger expressis verbis bereits als Aufgabe angegeben ist (siehe Seite 2, vorletzter Absatz). Auch die in der Anmeldung beschriebenen Versuche zur Anwendung der Abbindebeschleuniger beziehen sich auf ein Nass- Spritzverfahren (siehe Seite 6).

2.2 Ferner wird bereits in der Anmeldung herausgestrichen, dass gewisse Aluminiumsalzlösungen mit Aluminiumgehalten von ca. 8% Al2O3 beziehungsweise 5% Al2O3 aufgrund des mit ihrer Verwendung verbundenen hohen Wassereintrags in die Betonmasse für das Nass-Spritzverfahren nicht geeignet sind (siehe Seite 2, dritter Absatz von unten), selbst wenn diese Lösungen bezüglich der dort erwähnten Aluminiumverbindungen als "konzentriert" bezeichnet werden. In dem unmittelbar anschließenden Absatz wird betont, dass die Bereitstellung konzentrierter, besonders für das Nass-Spritzverfahren geeigneter Beschleunigerlösungen angestrebt wird. Aus diesem Teil der Beschreibung ergibt sich demnach für den Fachmann eindeutig ein Zusammenhang zwischen der Konzentration einer Beschleunigerlösung und seiner Eignung für das Nass-Spritzen: Die Eignung einer Beschleunigerlösung für das Nass-Spritzen erfordert demnach implizit eine relativ konzentrierte Lösung. Dass der geänderte Anspruch nicht explizit auf die Konzentration der Lösungen Bezug nimmt, stellt demnach kein Hinzufügen von ursprünglich nicht offenbarten Gegenständen, etwa im Sinne einer unzulässigen Verallgemeinerung der Beispiele, dar.

2.3 Wie von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgeführt wurde, weiß ein Fachmann auf dem betreffenden Gebiet durchaus, und zwar insbesondere aufgrund der Aluminium-Konzentration der Lösung, ob sich ein gegebener Beschleuniger für das Nass-Spritzen eignet oder nicht. Dies ist von den anderen Parteien lediglich in nicht weiter substantiierter Weise bestritten worden, unter Hinweis auf die zahlreichen existierenden und sehr unterschiedlichen Anforderungen, die an Beschleuniger für Spritzverfahren gestellt sein können. Da die Eignung eines gegebenen Beschleunigers, also auch einer Lösung mit einer molaren Zusammensetzung gemäß Anspruch 1, für das Nass-Spritzen außerdem ja auch praktisch nachprüfbar ist, sieht die Kammer den in Anspruch 1 erfolgten Einschub als hinreichend klar an.

2.4 Die Änderung in Anspruch 1 steht demnach im Einklang mit den Erfordernissen der Artikel 123 (2) und (3) sowie 84 EPÜ.

3. In der mündlichen Verhandlung ist ausführlich diskutiert worden, ob der Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 für sich genommen klar sei oder nicht, und ob er demnach auszulegen sei oder nicht. Die folgenden Ausführungen gelten ebenso für den geänderten Anspruch 1, da die vorgenommene Änderung in diesem Zusammenhang nicht von Belang ist.

3.1 Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei Anspruch 1 nicht um einen Verfahrensanspruch handelt. Vielmehr bezieht sich Anspruch 1 auf ein Produkt, welches durch das angegebene Verfahren erhältlich ist. In den Verfahren vor den Beschwerdekammern des EPA ist ein derartiger Anspruch als auf das Produkt als solches gerichtet anzusehen. Unter Anspruch 1 fallen also auch Produkte, welche durch andere Verfahren als das in Anspruch 1 angegebene erhältlich sind, sofern sie die gleichen (Produkt-)Merkmale aufweisen wie die nach der im Anspruch selbst angegebenen Methode erhaltenen.

3.2 Laut dem ersten Teil von Anspruch 1 beinhaltet das angegebene Verfahren, dass fünf Komponenten a bis e "bei Temperaturen bis 150 °C zur Reaktion gebracht werden, so daß dabei eine Lösung erhalten wird". Laut dem zweiten Teil des Anspruchs "reagieren" dabei alle oder nur einige Komponenten "miteinander", und im Endprodukt müssen bestimmte Molverhältnisse von Aluminium zu Sulfat beziehungsweise zu organischer Carbonsäure eingehalten sein. Dass Anspruch 1 für sich genommen so zu lesen ist, wurde von der Beschwerdeführerin und der Beitretenden in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Während also der erste Teil des Anspruchs angibt, dass im Verlauf des angegebenen Herstellverfahrens jede der fünf Komponenten a bis e zugegeben wird, ergibt sich aus dem zweiten Teil, dass nicht unbedingt alle fünf Komponenten miteinander reagieren müssen.

3.3 Die von der Patentinhaberin in diesem Zusammenhang erwähnte Möglichkeit einer in situ Bildung von gewissen Komponenten - an Stelle einer Zugabe dieser Komponenten - ist weder in Anspruch 1 noch in der Beschreibung erwähnt, und wird daher von der Kammer auch nicht weiter in Betracht gezogen. Aber auch für die Behauptung der Beitretenden, wonach der Wortlaut des Anspruchs impliziere, dass bereits zu Beginn der Herstellung alle 5. Komponenten a bis e parallel zugeführten werden müssten, findet sich weder in der Beschreibung noch in den Beispielen ein entsprechender Hinweis. Auch diese Behauptung bleibt demnach unberücksichtigt. Hingegen ergibt sich aus Anspruch 1 eindeutig, und auch im Einklang mit der Beschreibung, dass das Endprodukt des Verfahrens, also das beanspruchte Produkt, eine Lösung ist (siehe Seite 2, Abschnitte [0001] und [0007], und Zeilen 47 bis 57), welche zumindest Aluminium, Sulfat und organische Carbonsäure in den angegebenen Mengenverhältnissen enthält.

3.4 Die Beispiele 1 bis 7 der Patentschrift offenbaren spezielle Herstellungsverfahren, die ebenfalls zu Lösungen führen, in welchen die in Anspruch 1 angegebenen Mengenverhältnisse eingehalten sind. Es liegt demnach kein Widerspruch zwischen dem Produktanspruch 1 und diesen Beispielen vor, auch wenn die Lösungen anders als in Anspruch 1 angegeben hergestellt wurden, nämlich unter Zugabe von nur 3. beziehungsweise 4 (Beispiel 6) der Komponenten a bis e.

3.5 Einige der in Anspruch 1 als Beispiele für die Komponenten angegebenen Verbindungstypen werden jeweils in der Mehrzahl angegeben. Aus dem die Komponente c betreffenden Satz "... Carbonsäuren oder Mischungen zumindest zwei der Carbonsäuren ..." geht jedoch hervor, dass der Plural bezüglich der Verbindungstypen nicht so zu verstehen ist, dass jeweils mehrere Verbindungen dieses Typs vorliegen müssen. Dieser Spezialfall wird vielmehr durch den Begriff "Mischungen" zum Ausdruck gebracht. Die Kammer teilt demnach nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach Anspruch 1 so zu verstehen sei, dass jeweils eine Mehrzahl von Verbindungen der besagten Typen zum Einsatz kommen müsse.

3.6 Der Kammer ist durchaus bewusst, dass die Grenze zwischen einer Dispersion oder Suspension einerseits und einer Lösung andererseits nicht immer einfach zu ziehen ist. Die Beispiele des Streitpatents beschreiben "klare", "fast klare" und "leicht trübe" Lösungen als erfindungsgemäß. Daraus ist ersichtlich, dass der Begriff "Lösung", wie er im Anspruch 1 verwendet wird, nicht in seiner strengsten Bedeutung zu verstehen ist. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die Frage, ob eine gegebene Zusammensetzung als Lösung oder Dispersion anzusehen ist, im vorliegenden Fall für jede Zusammensetzung einzeln zu entscheiden ist. Unstrittig handelt es sich bei Zusammensetzungen, wie sie zum Beispiel auf den Farbausdrucken zu VB-3 und VB2-0 zu sehen sind, um Lösungen, die allerdings leicht trüb sind.

4. Ausführbarkeit - Offenbarung

4.1 Zunächst ist festzustellen, dass weder die Beschwerdeführerin noch die Beitretende Versuche zur Nacharbeitung der Beispiele des Streitpatents unternommen haben. Weder die Ausführbarkeit dieser Herstellungs-Beispiele noch die Eignung der dabei erhaltenen Lösungen für das Nass-Spritzverfahren wurden als solche bestritten.

4.1.1 Die Betretende hat in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung lediglich behauptet, die Natur der in den Beispielen des Streitpatents erwähnten Ausgangsprodukte "basisches Aluminiumcarbonat" und "basisches Aluminiumcarbonatsulfat" sei unklar, und ein Nacharbeiten dieser Beispiele demnach "sehr schwierig" beziehungsweise "sinnlos".

4.1.2 Der Fachmann weiß einerseits, dass der Begriff "basische Salze" Hydroxygruppen-haltige Salze umfasst, und andererseits kennt er Aluminium-Salze, welche neben Säureresten auch Hydroxygruppen enthalten, wie Aluminiumhydroxysulfat (siehe zum Beispiel D9, Seite 2, 3. Absatz) oder auch Aluminiumhydroxysalze organischer Säuren (siehe zum Beispiel D6, Anspruch 2). Auch die Autoren der D1 haben den Begriff "basische Aluminiumsalze" zur Bezeichnung Hydroxygruppen-haltiger Salze verwendet. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass dem Fachmann die qualitative Zusammensetzung der besagten Salze klar ist, auch wenn sie unter den angegebenen Bezeichnungen nicht im Handel erhältlich sein sollten, und obwohl ihre quantitative Zusammensetzung variieren kann. Wie von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen ausgeführt wurde, handelt es sich bei dem von der Beitretenden verwendeten und von der Firma Taurus als Al(OH)3 80% vertriebenen Aluminiumhydroxid de facto um amorphes Aluminiumhydroxid, welches Carbonat enthält und demnach als "basisches Aluminiumcarbonat" anzusehen ist.

4.1.3 Ein Nacharbeiten zumindest der Beispiele 1 bis 6 war also durchaus möglich. In Anbetracht dieser Sachlage hat die Kammer keinerlei Veranlassung, die in den Beispielen des Streitpatents berichteten Resultate in Frage zu stellen. Diese Resultate belegen die Herstellbarkeit von Lösungen, welche im Hinblick auf ihre Zusammensetzung und Eignung für das Nass-Spritzverfahren unter Anspruch 1 fallen.

4.2 Der Fachmann wird die konkreten, im Streitpatent enthaltenen Herstellungs-Beispiele auch als Ausgangspunkt für die Nacharbeitung der Erfindung im gesamten Anspruchsbereich, also für die Herstellung weiterer, konzentrierter und daher für Nass- Spritzverfahren geeigneter Beschleuniger-Lösungen ansehen.

4.2.1 Durch Variation der Komponenten und ihrer relativen Mengen kann er in einfacher Weise zu weiteren Zusammensetzungen gemäß Anspruch 1 (Aluminium, Sulfat und Carbonsäure in den angegebenen Mengenverhältnissen) gelangen, welche auch die für Nass-Spritzverfahren notwendige Konzentration aufweisen.

4.2.2 Aufgrund seines chemischen Grundwissens ist dem Fachmann bekannt, dass bei der Bildung von Lösungen aus Feststoffen Temperatur und Zeit primäre Faktoren sind. Im Streitpatent findet sich die zusätzliche Information, dass bei der Herstellung der erfindungsgemäßen Produkte Reaktionen diverser Verbindungen in Wasser eine Rolle spielen können, und dass dabei Temperaturen von bis zu 150 °C erforderlich sein können (siehe Anspruch 1: "in Wasser zur Reaktion gebracht"). In den Beispielen des Streitpatents werden Temperaturen von bis zu 80 °C und Rührzeiten von bis zu 4 Stunden erwähnt (siehe Beispiele 4 und 5).

4.2.3 Um von den gewählten Ausgangsverbindungen zu weiteren, unter Anspruch 1 fallenden Beschleunigern zu gelangen, wird der Fachmann im Hinblick auf diese Hinweise die in den Beispielen angegebenen Bedingungen zwangsläufig in dem für Bildung eines gelösten Beschleunigers erforderlichen Ausmaß variieren, erforderlichenfalls in Richtung längerer Mischzeiten und höherer Temperaturen. In Abwesenheit von Beweismitteln, die das Gegenteil zeigen, hält die Kammer eine derartige Vorgangsweise im Gegensatz zu den Auffassungen der beiden angreifenden Parteien für erfolgversprechend und zumutbar.

4.3 Bei den von der Beitretenden bezüglich der Offenbarung des Streitpatents durchgeführten Löseversuchen wurden Mischungen aller Komponenten jedoch stets nur jeweils 1. Stunde lang bei einer Temperatur von lediglich 60 °C gerührt. Höhere Temperaturen oder längere Rührzeiten werden nicht erwähnt. Die angegebenen Konsistenzen wurden erst nach 3-tägigem Stehenlassen bei 20 °C festgestellt. Im Gegensatz zu den Beispielen des Streitpatents wurde Aluminiumsulfat jeweils als erste Komponente und das schwerer lösliche Aluminiumhydroxid jeweils als letzte Komponente eingerührt. Siehe VB1-0, "Anlage zu Anlage 1", Abschnitt "2.3 Allgemeine Vorschrift"; und VB1-0, "Anlage 1", Abschnitt "I. Versuchsbedingungen und Versuchsergebnisse".

4.3.1 Die Ergebnisse belegen, dass unter den angegebenen experimentellen Bedingungen und nach der angegebenen Ruhezeit auch bei Einhaltung der Mengenverhältnisse von Aluminium, Sulfat und Carbonsäure gemäß Anspruch 1 (siehe Versuche beziehungsweise Versuchsserien 1a, 2b, 3b, 4b, 5a-3, 5a-4, 6a-3 bis 6a-7 und 7a-5 bis 7a-7) zwar nicht zwangsläufig, aber in gewissen Fällen sehr wohl (trübe) Lösungen erhalten werden (siehe Versuche 2b-1, 2b-5, 2b-7, 5a-3, 5a-4, 6a-3, 6a-4 und 6a-6).

4.3.2 Die Nacharbeitung dieser Versuche durch die Firma BMG (siehe die entsprechenden Beispiele beziehungsweise Beispielserien in VB1-1 und VB1-1', insbesondere die Fotos) liefert ähnliche Resultate, außer im Fall der Versuche 2b-1, 5a-4 und 6a-6, wo bei der Nacharbeitung ein Bodensatz, eine Dispersion mit festem Bodensatz beziehungsweise eine Suspension erhalten wurde. Als "homogene" Lösungen innerhalb der Zusammensetzungsgrenzen werden hier lediglich die resultierenden Produkte der Versuche 6a-3 und 6a-4 bezeichnet. Ferner geht aus VB1-1 hervor, dass es bei der Herstellung der Mischungen unter Umständen zu einer exothermen Reaktion und/oder zu starkem Schäumen kommen kann, siehe zum Beispiel die bereits erwähnten Versuche 5a-4, 6a-3, 6a-4 und 6a-6.

4.3.3 Die Beitretende hat sich bei ihren Versuchen nicht an die in den Beispielen des Streitpatents beschriebene Reihenfolge der Chemikalienzugabe gehalten und hat trotz der unter Punkt 4.2.2 angesprochenen Hinweise in der Patentschrift und trotz der in manchen Fällen offensichtlich ablaufenden Reaktionen nicht versucht, die ausgewählten Mischungen durch energischere Verfahrensbedingungen (Temperatur und Behandlungsdauer) jeweils in eine "homogene" Lösung zu überführen. Letzteres hat sie mit dem ihrer Auffassung nach unzumutbaren höheren Aufwand begründet. Diesem Argument kann die Kammer nicht folgen. Ihrer Auffassung nach würde ein Fachmann bei einer gewählten Mischung mit unbekanntem Verhalten zunächst unter eher energischen Bedingungen versuchen, die Bildung einer Lösung zu erreichen (siehe "bis 150°C" in Anspruch 1 und die Behandlungszeiten von 3 beziehungsweise 4 Stunden in den Beispielen 4 und 5), wobei er, wie in allen Beispielen des Streitpatents, mit dem Einrühren der schwerer löslichen Aluminiumverbindung beginnen würde. Die Beitretende hat jedoch nicht nachgewiesen, dass der Fachmann bei seinen Versuchen zur Bildung von Lösungen gemäß dieser Vorgangsweise mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert worden wäre, welche eine unzumutbare Anzahl von Versuchen notwendig gemacht hätten.

4.3.4 Die Beschwerdegegnerin hat ihrerseits an Hand von Gegenversuchen (siehe VB3) zu den in VB1-0 protokollierten Versuchen 1a-8 und 4b-3 gezeigt, wie ausgehend von den dort beschriebenen Komponenten bereits bei Anwendung etwas höherer Temperaturen und gegebenenfalls etwas längerer Rührzeiten durchaus konzentrierte Lösungen erhalten werden können, welche Aluminium, Sulfat und Carbonsäure in den vorgeschriebenen Mengenverhältnissen enthalten und auch nach 3 Tagen Lagerung nur leicht trüb sind, im Gegensatz zu den gemäß VB1-0 erzielten Ergebnissen (Dispersion mit Bodensatz beziehungsweise feste Masse), vergleiche VB3, Seite 1, 1. Absatz und die Proben 930-996 und 930-997 auf dem Farbausdruck zu VB3, mit VB1-0, "Anlage 1", Seiten 2 und 9, "Anlage zu Anlage 1", Seite 2, Punkt 2.3; und VB1-1, Seiten 2, 5 und 18. Die Reihenfolge der Zugabe der Komponenten gemäß VB3 unterscheidet sich zwar von der in VB1-0 beschriebenen, entspricht jedoch im Wesentlichen der Verfahrensweise gemäß den Beispielen des Streitpatents. Auch dort wird das Aluminiumsulfat (Komponente b) einer wässrigen Mischung einer basischen Aluminiumverbindung (Komponente a) und einer Carbonsäure (Komponente (c)) hinzugefügt. Die gemäß VB3 gewählte Reihenfolge stellt demnach keine zusätzliche, aus dem Streitpatent nicht ableitbare Information dar. Der Versuch der Beschwerdegegnerin mit der Nummer 930-998 illustriert zudem die von der Beitretenden bestrittene Möglichkeit der Bildung einer Aluminium-reichen Lösung bei einem Molverhältnis von Aluminium zu Carbonsäure (Ameisensäure) von etwa 25.

Die Beitretende hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass die gemäß VB3 erhältlichen Lösungen nach einer längeren Lagerung von etwa 10 Tagen zu festen Massen würden. Da eine Lagerbeständigkeit von mehreren Tagen nicht zu den zwingenden Merkmalen der beanspruchten Lösungen zählt, bleibt dieser Einwand unberücksichtigt. Die Beitretende hat in der mündlichen Verhandlung ferner darauf hingewiesen, dass die Versuche der Patentinhaberin nicht von einer externen Firma durchgeführt wurden und nicht unterzeichnet sind. Die Kammer hat im vorliegenden Fall keinerlei Veranlassung, die Glaubhaftigkeit des Inhalts und die Aussagekraft des Dokuments VB3 aus diesen Gründen in Frage zu stellen. Da im Verfahren vor den Beschwerdekammern der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt, muss der Einwand der Beitretenden ohne Folge bleiben.

4.3.5 Die Ergebnisse dieser Gegenversuche bestätigen, dass all jene in VB1-0 und VB1-1 protokollierten Versuche, die nicht zu einer Lösung führen, in Abwesenheit von weiterem Beweismaterial lediglich zu belegen vermögen, dass bei gewissen Mengen spezieller Ausgangstoffe und einer anderen Abfolge der Chemikalienzugabe als in Beispielen des Streitpatents, ein 1-stündiges Rühren bei etwa 60 °C nicht zielführend ist, zumindest nicht wenn die erhaltenen Zusammensetzungen dann noch drei Tage gelagert werden. Insbesondere im Hinblick auf VB-3 bedeuten die Resultate in VB1-0 und VB1-1 jedoch keinesfalls, dass bei den gewählten Ausgangskomponenten und Mengenverhältnissen die Bildung einer Lösung, welche gegebenenfalls auch eine Lagerstabilität von weniger als 3. Tagen haben kann, unter Anwendung einer anderen Reihenfolge der Chemikalien-Zugabe und unter energischeren Bedingungen (Temperatur bis 150 °C, längeres Rühren) nicht möglich wäre.

4.3.6 Die Versuche der Beitretenden sind demnach nicht geeignet, eine unzureichende Offenbarung oder die Nicht- Herstellbarkeit von für die Verwendung in Nass-Spritz- Verfahren geeigneten Beschleuniger-Lösungen mit unterschiedlichen, im Rahmen der in Anspruch 1 angegebenen Mengenbereiche ausgewählten Zusammensetzungen, nachzuweisen.

4.4 Die Beitretende hat in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf VB1-2 und GA auch geltend gemacht, dass von den 33 Versuchen, welche unter Berücksichtigung der von Anspruch 1 vorgegebenen molaren Verhältnisse der Komponenten durchgeführt wurden, lediglich einer (6a-3) zu einer Lösung geführt habe, welche als Beschleuniger nach fachüblichen Kriterien anzusehen sei. Nur im Falle der bei Versuch 6a-3 erhaltenen Lösung seien der Abbindebeginn < 4 Minuten, das Abbindeende < 15 Minuten, und die Druckfestigkeit nach 24 Stunden > 15, siehe GA, Blatt 2, letztes Diagramm und Kästchen "definitions", sowie VB1-2, die Tabellen auf Seiten 4 und 5. Dies entspräche einer Erfolgschance von lediglich 3%.

4.4.1 In diesem Zusammenhang ist zunächst anzumerken, dass bei allen in VB1-0 und VB1-1 beschriebenen Versuchen nach einer anderen Herstellweise vorgegangen wurde als in den Beispielen des Streitpatents, und dass bei den meisten der besagten 33 Versuche innerhalb der beanspruchten Zusammensetzungsgrenzen nicht versucht wurde, durch Variation der Verfahrensbedingungen (Reihenfolge der Chemikalienzugabe, Temperatur, Dauer) eine möglichst "homogene" Lösung zu erhalten. Diese Beispiele lassen daher keine genaue Aussage über die Wirksamkeit zu, die diese Zusammensetzungen hätten, wenn sie in Lösungen überführt worden wären. Schon aus diesem Grund ist die Stichhaltigkeit des Wertes 3% zumindest fraglich.

4.4.2 Nur in 3 der 33 Versuche (2b-5, 2b-7 und 5a-3) wurde lediglich eine "trübe" Lösung beziehungsweise ein "feiner Bodensatz" erhalten, und nur in 2 Versuchen eine "homogene" Lösung (6a-3 und 6a-4), siehe VB1-0, "Anlage zu Anlage 1", Seiten 5, 9 und 10; und VB1-1, Seiten 11 und 21 bis 23. Allerdings liegt bei diesen 5 Versuchen das Al:SO4-Verhältnis (0,92 in Versuchen 2b-5 und 2b-7) oder das Al:RCOO-Verhältnis (0,82 in Versuchen 5a-3, 6a- 3 und 6a-4) jeweils nahe an den in Anspruch 1 angegebenen Grenzwerten, siehe dazu die Tabellen in VB1-0,"Anlage 1", Seiten 5, 10 und 11. Diese Versuche sind daher nicht unbedingt repräsentativ für die Gesamtheit der beanspruchten Lösungen.

4.4.3 Laut VB1-2 (siehe Tabellen) variieren die bezüglich dieser 5 Versuche gemessenen Werte für den Abbindebeginn (3' bis 35'), das Abbindeende (4' 30'' bis 60')und die 24-Stunden-Festigkeit (3,6 bis 22 N/mm2) stark. Da Anspruch 1 keine mindestens zu erzielenden Abbinde- Geschwindigkeiten und 24-Stunden-Festigkeiten vorschreibt, muss ein besonderer Effekt im Sinne der Erzielbarkeit besonders guter Werte nicht gegeben sein. Die Beitretende hat nicht nachgewiesen, dass die besagten 5 Lösungen keine die Erstarrung und Erhärtung beschleunigende Wirkung haben.

4.4.4 Unter diesen Umständen kann sich die Kammer auf der Grundlage des vorgelegten Beweismaterials nicht der von der Beitretenden vorgenommenen Einschätzung der Erfolgschancen anschließen.

4.5 Es liegt auch kein Beweismaterial dafür vor, dass ein Fachmann die beanspruchten Produkte unter Beachtung des allgemeinen Fachwissens nicht auch unter Verwendung von 5. Komponenten a bis e herstellen könnte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wieso der Fachmann ausgehend von den in den Beispielen des Streitpatents angegebenen Vorgangsweisen Schwierigkeiten haben könnte, zusätzlich eine oder zwei der in Anspruch 1 erwähnten Komponenten c, d beziehungsweise e, einzusetzen. Die Kammer kann daher dem Argument der Beitretenden nicht folgen, wonach zur Ausführung der in Anspruch 1 angegebenen Herstellweisen eine erfinderische Tätigkeit notwendig wäre.

4.6 Summa summarum haben die Einsprechende und die Beitretende die Kammer also nicht davon überzeugen können, dass der Fachmann unter Beachtung der gesamten im Streitpatent enthaltenen Information nur mittels eines unzumutbaren Aufwands oder nur mittels im Streitpatent nicht offenbarter Information in der Lage wäre, Beschleuniger-Lösungen gemäß Anspruch 1 in seiner gesamte Breite herzustellen.

5. Neuheit

5.1 Dokument D1 offenbart Abbinde- und Erhärtungsbeschleuniger für Zement, welche insbesondere alkalifrei sind und auch sehr gut in Form wäßriger Dispersionen (in D1 auch als "slurries" bezeichnet) verwendet werden können. Die Beschleuniger enthalten einerseits Kalziumsulfat, zum Beispiel als Gips, und andererseits amorphes Aluminiumoxid und/oder basische Aluminiumsalze, vorzugsweise "amorphes basisches Aluminiumsulfat, mit weniger als 25% von anderen Anionen wie Phosphate, Karbonate, Azetate, Formiate etc." Die wäßrigen Dispersionen können noch bis zu 10% Dispergierhilfsmittel, inter alia Zitronensäure, sowie Verdickungsmittel und weitere Zusätze enthalten. Die Beschleuniger sind für den Einsatz im Zusammenhang mit Spritzmörtel und Spritzbeton vorgesehen und eignen sich auch für das Nass-Spritzverfahren. Siehe Ansprüche 1, 3, 6. und 17, Beschreibung Seite 2, Zeilen 3 bis 4, Seite 2, Zeile 35 bis Seite 3, Zeile 5, Seite 3, Zeilen 14 bis 16 und Zeilen 43 bis 49.

5.1.1 Die beschriebenen Beschleuniger werden, sofern sie flüssig zum Einsatz kommen, stets in Form einer Dispersion verwendet. Selbst wenn die Gips-Komponente nicht mit dem Beschleuniger sondern mit dem Beton oder Zement zugeführt wird, handelt es sich bei dem verwendeten Beschleuniger dennoch um eine Dispersion ("slurry"), siehe Seite 3, Zeilen 8 bis 10 sowie Beispiel 2, "slurry C". In Abwesenheit von entsprechendem Beweismaterial hat die Kammer erhebliche Zweifel bezüglich des Zutreffens der Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach sich bei einem Vorgehen gemäß D1 Aluminium, Sulfat und Carbonsäure zwangsläufig in den von Anspruch 1 geforderten Mengenverhältnissen in der wäßrigen Phase lösen würden. Da jedoch an keiner Stelle der D1 von einer Auflösung aller Komponenten oder von einer Abtrennung ungelöster Bestandteile aus den durchgehend als Dispersionen ("Slurries")bezeichneten Mischungen die Rede ist, ist die Kammer selbst unter der Annahme, dass die Behauptung der Beschwerdeführerin zutreffend ist, nicht restlos davon überzeugt, dass D1 Lösungen mit der von Anspruch 1 geforderten Zusammensetzung offenbart.

5.1.2 D1 stellt demnach keine klare und eindeutige Offenbarung einer Lösung nach Anspruch 1 dar.

5.2 D5 offenbart Aluminium-Verbindungen, die als abbindungsbeschleunigende Zusatzmittel für hydraulische Bindemittel verwendet werden. Es werden unter anderem Verbindungen offenbart, welche durch Reaktion von gefälltem Aluminiumhydroxycarbonatsulfat mit organischen Säuren erhalten werden. Das molaren Verhältnis von Aluminium zu Sulfat kann gemäß Anspruch 1 im Bereich von 1:0 bis 1:0,4 (unendlich bis 2,5) liegen. Siehe Ansprüche 1, 4 und 5. Die Herstellung von Lösungen derartiger Verbindungen wird in D5 nicht explizit erwähnt. Hingegen wird sowohl in der allgemeinen Beschreibung der Herstellung der Verbindungen (siehe Seite 2, Zeile 54 bis Seite 3, Zeile 2), als auch in Beispiel 1 (siehe Seite 3, Zeile 50), die erhaltene Mischung ausdrücklich als Dispersion bezeichnet.

5.2.1 Lediglich in Beispiel 33 wird eine Zusammensetzung erhalten, die als "leicht opake Flüssigkeit" bezeichnet wird und demnach als Lösung im Sinne des Streitpatents angesehen werden kann. Es war allerdings unstrittig, dass gemäß diesem Beispiel das Verhältnis von Aluminium zu Sulfat etwa 188 beträgt und außerhalb des in Anspruch 1 bezüglich dieses Verhältnisses vorgeschriebenen Bereichs liegt.

5.2.2 D5 offenbart demnach weder explizit noch implizit in klarer und eindeutiger Weise eine Lösung, welche Aluminium, Sulfat und organische Säure in den Mengenverhältnissen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents enthält.

5.3 D8 offenbart die Verwendung wäßriger Dispersionen spezieller, nicht vollständig in Wasser löslicher (Kamm-)Polymere zur Kontrolle des Fließverhaltens von zementhaltigen Mischungen, wie zum Beispiel Nass- Spritzbeton. Die Polymer-Dispersionen können zusätzlich Aluminiumhydroxid und/oder Aluminiumhydroxysulfat als Beschleuniger enthalten und werden bevorzugt beim Spritzen an der Düse zugegeben. Bevorzugt wird das Aluminiumhydroxysulfat alleine verwendet, insbesondere das kommerzielle Produkt "Gecedral L" (Ex Giulini GmbH), welches laut der unwidersprochenen Auskunft der Beschwerdegegnerin durch Fällung in Wasser hergestellt ist und daher zumindest weitgehend wasserunlöslich ist. Siehe dazu Seite 3, Zeilen 4 bis 6, Seite 4, erster Absatz und letzter Absatz, Seite 5, dritter Absatz, Seite 7, vorletzter Absatz, das Beispiel sowie die Ansprüche 1, 6 und 8 bis 10.

Die Beitretende hat nicht aufgezeigt, wo in D8 eine Beschleunigermischung offenbart sein soll, welche Karbonsäure(-anionen) enthält. Die auf Seite 6, Zeilen 14. und 15 erwähnten Karbonsäuren wirken als Chelate bildende Verbindungen, und werden der zementhaltigen Mischung bereits vor dem Spritzen, also getrennt vom Beschleuniger hinzugefügt, siehe Seite 5, Zeilen 8 bis 10, Seite 6, Zeilen 12 und 13, Seite 7, Zeilen 19 und 20 sowie Anspruch 9. Eine Lösung, welche Aluminium, Sulfat und Karbonsäure enthält ist demnach in D8 nicht offenbart, ganz zu schweigen von den Molverhältnissen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents.

5.4 D9 offenbart Beschleuniger-Zusammensetzungen für das Nass-Spritzen von z. B. Beton, welche zumindest amorphes Aluminiumhydroxid und/oder Aluminiumhydroxysulfat sowie ein Amin enthalten. Vorzugsweise wird Aluminiumhydroxysulfat alleine verwendet, insbesondere in Form des Produkts mit dem Handelsnamen "Gecedral L". Flüssige Beschleuniger-Zusammensetzungen werden laut D9 durch Bildung einer Dispersion des Aluminiumhydroxids und/oder Aluminiumhydroxysulfats in Wasser unter Zugabe des Amins hergestellt. Die erhaltene Dispersion kann dann der Spritzdüse zugeführt werden. Die Beschleuniger- Zusammensetzung enthält vorzugsweise eine Dispersion eines nicht vollständig in Wasser löslichen Polymers. In diesem Fall muß die Zusammensetzung sauer sein, was durch Zugabe einer starken organischen Säure oder vorzugsweise einer Mineral-Säure, insbesondere Salpetersäure, erreicht werden kann. Siehe dazu Seite 1, Zeilen 2 und 3; Seite 2, Zeilen 3 bis 12 und Zeilen 22 bis 23; Seite 3, Zeilen 1 bis 5; den die Seiten 3 und 4 verbindenden Absatz; Seite 4, Zeilen 12 bis 20; Seite 5, Zeilen 6 bis 17; die Anwendungsbeispiele sowie Ansprüche 1 bis 3, 5, 8 und 9.

5.4.1 In Anspruch 6 und auf Seite 5, Zeilen 1 bis 5, der D9 sind zwar unter Angabe von Konzentrationsbereichen wäßrige Formulierungen offenbart, welche Aluminiumhydroxid/Aluminiumhydroxysulfat (20% - 60%) und eine an dieser Stelle nicht näher definierte Säure (1% - 20%) enthalten. Das Ansäuern der Mischung ist jedoch lediglich im Fall des (optionalen) Vorliegens einer Polymerdispersion notwendig. D9 erwähnt zwar in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Verwendung starker organischer Säuren, bevorzugt jedoch ausdrücklich mineralische Säuren, siehe Seite 4, Zeilen 9 bis 20 und Seite 5, Zeilen 6 bis 12. Außerdem ist auch in D9 durchwegs nur vom Dispergieren der aluminiumhaltigen beziehungsweise der polymeren Komponente die Rede (siehe Seite 2, Zeilen 3 bis 6, Seite 3, Zeilen 4 und 26 bis 28, sowie Seite 6, Zeilen 2 und 25), obwohl bezüglich des Standes der Technik sowohl Lösungen als auch Dispersionen erwähnt werden (siehe Seite 1, Zeilen 7 bis 10 und 19 bis 23).

5.4.2 Im Hinblick auf diese Angaben liegt keine klare und eindeutige implizite oder explizite Offenbarung einer Lösung vor, welche Aluminium, Sulfat und Carbonsäure in den Molverhältnissen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents enthält.

5.4.3 Der von der Beitretenden bezüglich D9 durchgeführte Lösungsversuch ist nicht geeignet, eine derartige implizite Offenbarung nachzuweisen. Die in VB2-0 und VB2-1 angegebenen Resultate dieser in Kenntnis der Erfindung durchgeführten Versuche zeigen zwar, dass es unter bestimmten Bedingungen möglich ist, ausgehend von Aluminiumsulfat und Aluminiumhydroxid eine wässrige Lösung herzustellen, in welcher dann noch Ameisensäure und Diäthanolamin gelöst werden können, um zu einer Lösung zu gelangen, welche auch bezüglich der Molverhältnisse unter Anspruch 1 des Streitpatents fällt.

Die spezielle Bedingungen, welche zur Herstellung einer homogenen Lösung führen, und insbesondere das zuerst erfolgte, sequentielle Auflösen von Aluminiumsulfat und Aluminiumhydroxid unter 1-stündigem Rühren bei 60 °C sind aber in D9 nicht erwähnt. In Unkenntnis der Erfindung erschließt sich die Möglichkeit einer derartigen Vorgangsweise dem Fachmann nicht in klarer und eindeutiger Weise bei der Lektüre von D9. Vielmehr entnimmt der Fachmann der D9, dass vorzugsweise das unstrittig als wasserunlöslich bekannte Aluminiumhydroxysulfat mit dem Handelsnamen "Gecedral L" (ex Giulini GmbH) in Wasser auf konventionelle, nicht näher beschriebene Weise dispergiert werden sollen, also ohne Anwendung besonderer Bedingungen wie längeres Rühren bei höheren Temperaturen, siehe Seite 2, Absätze 2 und 3; Seite 6, Zeilen 21 und 26.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1 Die Dokumente D1 und D5 gehören zum Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ und bleiben daher bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit außer Betracht.

6.2 Als nächstliegenden Stand der Technik sieht die Kammer die im Streitpatent erwähnten, stark alkalischen flüssigen Beschleuniger wie Natriumaluminat-Lösungen oder Wasserglas an, auf die auch in D8 (Seite 3, Zeilen 20 bis 23) und D9 (Seite 1, Zeilen 7 bis 12) Bezug genommen wird. Es wurde nicht bestritten, dass diese Beschleuniger im Nass-Spritzverfahren eingesetzt werden können. Aufgrund ihrer hohen Alkalikonzentration sind diese Beschleuniger stark ätzend und führen zu einem unerwünschten Abfall der Endfestigkeit des Betons (siehe Streitpatent, Seite 2, Zeilen 32 bis 34.

6.3 Ausgehend von diesem Stand der Technik besteht die technische Aufgabe in der Bereitstellung weiterer Erstarrungs- und Erhärtungsbeschleuniger für hydraulische Bindemittel in Form von Lösungen, welche nicht die Nachteile der bekannten Beschleunigerlösungen aufweisen, und doch hinreichend konzentriert sind um für das Nass-Spritzverfahren geeignet zu sein, siehe Seite 2, Abschnitt [0007] des Streitpatents. Die Eignung von ausreichend konzentrierten Lösungen mit einer Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 für das Nass-Spritzen ist plausibel und durch die Ergebnisse laut den Abschnitten [0020] bis [0022] belegt. Es bleibt demnach zu prüfen, ob die im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit von der Beschwerdeführerin und/oder der Beitretenden angezogenen Dokumente vermögen, die Bereitstellung von derart zusammengesetzten Beschleunigerlösungen nahezulegen.

6.4 D2 offenbart alkalifreie Abbinde- und Erhärtungsbeschleuniger für hydraulische Bindemittel, wie z. B. Spritzbeton. Die Beschleuniger enthalten feinteiliges amorphes Aluminiumhydroxyd, in Kombination mit wenigstens einem wasserlöslichen Sulfat und/oder Nitrat und/oder Formiat vorzugsweise mehrwertiger Kationen, wobei letztere die beschleunigende Wirkung des Aluminiumhydroxids steigern sollen. In D2 wird unter anderem der Einfluß von Aluminiumsulfat und Natriumformiat auf die Wirkung des Beschleunigers untersucht. Die Beschleuniger werden entweder als Pulver oder fein dispergiert in Wasser eingesetzt. Siehe dazu insbesondere Ansprüche 1 bis 3, 7 und 9 bis 11, Seite 2, Zeilen 1, 2, 9, 10 und 45 bis 54, Seite 3, Zeilen 19 und 24 ("Nr.4" und "Nr.9") sowie die Anwendungsbeispiele 10 bis 12.

6.4.1 Die von der Beschwerdeführerin in Kenntnis des Streitpatents unter Bezugnahme auf D2 durchgeführten Versuche (siehe VB4) zeigen, dass sich gewisse Anteile von speziellen, in D2 nicht offenbarten, pulverförmigen Mischungen aus Aluminiumhydroxid und bestimmten Sulfaten, Nitraten und Formiaten, beim Dispergieren und längerem Rühren bei Raumtemperatur in Wasser lösen können. Aus dem Bericht ergibt sich auch, dass erst durch abschließende Filtration Lösungen erhalten werden konnten. Dabei können sich Mengenverhältnisse von gelöstem Aluminium zu gelöstem Sulfat beziehungsweise Formiat einstellen, welche innerhalb der in Anspruch 1 des Streitpatents definierten Grenzen liegen, siehe insbesondere die beiden Tabellen in VB4.

6.4.2 Allerdings wird in D2 weder das Nass-Spritzen noch die Bildung einer Beschleunigerlösung angesprochen, ganz zu schweigen von einer eventuellen Eignung der wässrigen Phase (mit gelösten Anteilen) der beschriebenen Dispersionen für das Nass-Spritzverfahren. Insbesondere enthält D2 keinerlei Hinweise auf zur Lösungsbildung möglicherweise geeignete Maßnahmen wie zum Beispiel längeres Rühren, Filtrieren oder Erhitzen einer Dispersion der Beschleunigermischung. Dass die offenbarten Dispersionen als flüssige Phase eine Lösung der verwendeten Komponenten enthalten, ändert nichts an der Tatsache, dass es sich bei den beschriebenen Mischungen um Dispersionen und nicht um Lösungen handelt.

6.4.3 Selbst unter der Annahme, dass der mit der angegebenen Aufgabe konfrontierte Fachmann Dokument D2 trotz dieser Unterschiede überhaupt in Betracht ziehen würde, kommt die Kammer zu dem Schluß, dass D2 keinerlei Information enthält, die den Fachmann - ohne die Anwendung einer rückschauenden Betrachtungsweise - zur Herstellung einer Lösung als Ersatz für die bekannten Beschleuniger- Lösungen anzuregen vermag. D2 führt den Fachmann vielmehr in die Richtung der Verwendung von Beschleuniger-Dispersionen.

6.4.4 Im Übrigen beruht keines der Beispiele von D2 auf einer gemeinsamen Verwendung von Aluminium, Sulfat und Formiat, und es finden sich in D2 keine Angaben zu dem Mengenverhältnis von Sulfat zu Formiat. Selbst unter der rein hypothetischen Annahme, dass die Bereichsangaben in Anspruch 1 des Streitpatents entsprechend der Behauptung der Beschwerdeführerin willkürlich gewählt worden seien, hatte der Fachmann in Unkenntnis der Erfindung überhaupt keine Veranlassung, ausgerechnet eine Kombination von Aluminiumhydroxid, Sulfat und Formiat mit den Mengenverhältnisse gemäß Anspruch 1 ins Auge zu fassen. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach simples Ausprobieren innerhalb der breiten, in D2 angegebenen Zusammensetzungsgrenzen zu Lösungen gemäß Anspruch 1 führen würden, kann demnach auch aus diesem Grund nicht akzeptiert werden.

6.5 In D9 finden wäßrige Beschleuniger-Lösungen als älterer Stand der Technik Erwähnung (Seite 1, Zeilen 7 bis 10). Auch die Autoren von D9 waren auf der Suche nach in der Anwendung weniger unangenehmen Alternativen zu den bekannten stark alkalischen Beschleuniger-Lösungen (Seite 1, Zeilen 13 bis 15). In D9 werden auch bekannte Beschleuniger-Mischungen auf Basis von Aluminiumhydroxid erwähnt, welche beim Spritzen als wäßrige Dispersion zum Einsatz gelangen (Seite 1, Zeilen 15 bis 23). Um das mit der Verwendung einer derartigen Dispersion verbundene Problem der Lagerstabilität des Beschleunigers zu beheben, schlägt D9 die Verwendung von amorphem Aluminiumhydroxid und/oder Aluminiumhydroxysulfat in Verbindung mit einem Amin vor. D9 zielt also - in Kenntnis der klassischen Lösungen - eindeutig auf die Bereitstellung von besonders stabilen Dispersionen, siehe Seite 1, Zeile 20, und Seite 2, Zeilen 3 bis 6.

6.5.1 Die in Kenntnis der Erfindung durchgeführten und in VB2-0 und VB2-1 beschriebenen Löseversuche umfassen Maßnahmen, welche in D9 weder offenbart noch angeregt werden und dennoch lediglich zu einer Lösung mit relativ niedrigem Aluminium-Gehalt führen, siehe die nicht bestrittenen Resultate der Auswertung von VB2-0 im Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 22. Dezember 2004, Punkt IV. Gemäß Dokument D9 wird das konventionelle Dispergieren von wasserunlöslichem Aluminiumhydroxysulfat bevorzugt. In D9 wird keinerlei andere Maßnahme zur Bildung von Lösungen offenbart oder angeregt, auch nicht die Verwendung von durch spezielle Maßnahmen schon vorher in Wasser gelöstem Aluminiumhydroxysulfat, siehe diesbezüglich die obigen Punkte 5.4 bis 5.4.3. Die Möglichkeit der in VB2-0 und - 1. beschriebenen Vorgangsweise unter Verwendung spezieller, in D9 nicht erwähnter Ausgangsprodukte und Herstellbedingungen, erschließt sich dem Fachmann lediglich in Kenntnis des Streitpatents. D9 darf folglich nicht so interpretiert werden, als offenbare es diese Möglichkeit.

6.5.2 Die Kammer gelangt daher zu dem Schluß, dass auch D9 keinerlei Information enthält, die den Fachmann - ohne die Anwendung einer rückschauenden Betrachtungsweise - zur Herstellung einer Lösung mit der in Anspruch 1 definierten Zusammensetzung als Ersatz für die bekannten Beschleuniger-Lösungen anzuregen vermag. Wie D2, führt auch D9 den Fachmann vielmehr in die Richtung der Verwendung von Beschleuniger-Dispersionen.

6.6 Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Beitretende sind bei ihrer Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von den in D2 und D9 offenbarten Beschleunigern als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen. Aus den obenstehenden Ausführungen geht hervor, dass D2 und D9 lediglich Beschleuniger-Dispersionen offenbaren. Ausgehend von den dort beschriebenen Dispersionen als nächstliegendem Stand der Technik kann die Aufgabe auf jeden Fall in der Bereitstellung weiterer flüssiger Erstarrungs- und Erhärtungsbeschleuniger für hydraulische Bindemittel gesehen werden, welche sich für das Nass-Spritzen eignen. Aus dem oben Gesagten ergibt sich aber auch, dass der Fachmann weder in D2 noch D9 eine Anregung findet, sich auf der Suche nach einer Lösung überhaupt mit der Möglichkeit der Herstellung von Beschleuniger-Lösungen zu befassen. Auf keinen Fall ist D2 oder D9 eine Anregung zu entnehmen, durch die Auswahl spezieller Komponenten und Herstellbedingungen eine für das Nass-Spritzen geeignete Lösung mit der Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 herzustellen.

6.6.1 Die von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgeschlagene Formulierung der Aufgabe, welche ausgehend von D2 oder auch D9 darin bestanden haben soll, "einen gelösten flüssigen Beschleuniger" bereitzustellen, enthält bereits Ansätze zur Lösung dieser Aufgabe (nämlich das Merkmal "gelösten") und kann daher nicht übernommen werden, siehe dazu beispielsweise T 0229/85 (ABl. 1987, 237), T 0099/85 (ABl. 1987, 413) und die weiteren, in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 4. Auflage, 2001, Seite 123, Abschnitt I.D.4.2, genannten Entscheidungen.

6.6.2 Die Beitretende ist für ihre Behauptung, wonach die Verwendung der beanspruchten Beschleuniger in Form von Lösungen im Vergleich zu den in D2 oder D9 offenbarten Dispersionen nur Nachteile brächte, den Beweis schuldig geblieben. In diesem Zusammenhang ist zunächst anzumerken, dass eine mehrtägige Stabilität der Beschleuniger-Lösungen oder eine Verbesserung der Beschleuniger-Wirkung gegenüber den Dispersionen nach D2 oder D9 nicht primär angestrebt wurde und gemäß Anspruch 1 auch nicht zwingend erforderlich ist. Außerdem kann das von der Beitretenden angesprochene Risiko der vorzeitigen Verfestigung der Lösung im Hinblick auf den unbestrittenen kommerziellen Erfolg derartiger Lösungen nicht als eindeutiger Nachteil angesehen werden.

6.7 Aus den angegebenen Gründen vermögen D2 und D9 nicht, die Beschleuniger gemäß Anspruch 1 nahezulegen. Bezüglich der von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht weiter angezogenen Kombination von D6 und D7 hat die Kammer keine Veranlassung, von der Meinung der Einspruchsabteilung abzuweichen. Die anderen von den Parteien genannten Dokumente sind auch nicht geeignet, die Neuheit oder erfinderische Tätigkeit in Frage zu stellen, auch nicht in Kombination mit D2 oder D9.

7. Die Beschleuniger gemäß Anspruch 1 sind aus den angeführten Gründen neu und erfinderisch. Das Gleiche gilt daher auch für die Beschleuniger gemäß den abhängigen Ansprüchen 2 bis 8 und für den Zement, Mörtel und Beton gemäß Anspruch 9, welcher bezüglich des enthaltenen Beschleunigers ebenfalls einen Rückbezug auf Anspruch 1 enthält.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Verfahren wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit dem Auftrag, das Patent auf der Basis der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 9, wie vorgelegt in der mündlichen Verhandlung,

- Beschreibung Seite 2, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung,

- Beschreibung Seiten 3 bis 5 wie erteilt.

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