T 0665/03 (Hautpflegemittel/BEIERSDORF) of 26.9.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T066503.20060926
Datum der Entscheidung: 26 September 2006
Aktenzeichen: T 0665/03
Anmeldenummer: 95915156.4
IPC-Klasse: A61K 7/48
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hautpflegemittel
Name des Anmelders: Beiersdorf Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Krüger GmbH & Co. KG
HENKEL KGaA
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Hauptantrag: erfinderische Tätigkeit (nein) - beanspruchte Mengenangabe weder zielgerichtet noch kritisch - Routinetätigkeit
Hilfsanträge 1 und 2: erfinderische Tätigkeit (nein) - Verwendungszweck bekannt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0181/82
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 16. Juni 2003 eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers (Einsprechender I) richtet sich gegen die am 15. Mai 2003 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, dass das europäische Patent Nr. 751 762 in geänderter Fassung den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang vom Beschwerdeführer und dem Verfahrensbeteiligten (Einsprechender II) aus den Einspruchsgründen des Artikels 100 (a) EPÜ, insbesondere wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit, angegriffen worden. Zur Stützung des Einspruchs wurden unter anderem die folgenden Druckschriften angezogen:

(7) EP-A-461 333 und

(8) Handbuch der Kosmetika und Riechstoffe, I. Band, H. Janistyn, Dr. Alfred Hüthig Verlag Heidelberg, 1978, Seiten 981 bis 983.

III. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung, der geänderte Ansprüche 1 bis 10 zugrunde lagen, fest, dass das Streitpatent in seinem geänderten Umfang die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) erfülle, sowie neu und erfinderisch sei.

Die Zubereitungen gemäß Anspruch 1 seien neu, denn in keiner der Entgegenhaltungen werde eine Kombination von Retinal und/oder ß-Carotin (Gruppe A) mit Verbindungen aus der Gruppe (b) offenbart. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 2 unterscheide sich von dem der Druckschrift (7) darin, dass die Menge an Retinol in den Zubereitungen mindestens 0,01 Gew.-% betrage. Zwar offenbare Beispiel 1 der Druckschrift (7) eine Kombination aus Retinol und einem Ubichinon, das Retinol sei aber nur in einer Menge von 300 mIU (ca. 0,1 myg) anwesend. Diese Menge liege unter der im Anspruch 2 angegebenen Gewichtsuntergrenze.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ging die Einspruchsabteilung von der Druckschrift (7) als nächstliegendem Stand der Technik aus. Die beanspruchten Kombinationen seien erfinderisch, da sie einen unerwarteten synergistischen, antioxidativen Effekt aufwiesen, der durch einen Versuchsbericht belegt worden sei.

IV. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 26. September 2006 hat der Beschwerdegegner (Patentinhaber) einen neuen, aus sieben Sachansprüchen und einem Verwendungsanspruch bestehenden Hauptantrag und zwei aus jeweils sieben Verwendungsansprüchen bestehende Hilfsanträge eingereicht und die Aufrechterhaltung des Streitpatentes nur noch in diesem Umfange begehrt.

Der Anspruch 1 des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrages lautet wie folgt:

"1. Topische Zubereitungen mit einem Gehalt an einer Verbindung oder mehreren Verbindungen ausgewählt aus der Gruppe (a) bestehend aus Retinolen, Retinalen und ß-Carotin in Kombination mit einem Gehalt an einer Verbindung oder mehreren Verbindungen ausgewählt aus der Gruppe (b) bestehend aus Ubichinonen und deren Derivaten und Plastichinonen und deren Derivaten, wobei der Gehalt an Verbindungen der Gruppe (a) 0,01 bis 10 Gew.-% und der Gehalt an Verbindungen der Gruppe (b) 0,001 bis 10 Gew.-% beträgt."

Der Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 richtet sich auf die kosmetische Verwendung der topischen Zubereitungen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages "zur Pflege und prophylaktischen Behandlung bei Akne und zur Pflege und Prophylaxe bei Lichtalterung und zur Behandlung lichtgealteter Haut".

Der Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 nur dadurch, dass die Verwendung auf die "Prophylaxe bei Lichtalterung der Haut" beschränkt worden ist.

V. Der Beschwerdeführer hat die Neuheit des Gegenstandes der neuen Anträge nicht mehr angegriffen. Er hat jedoch die erfinderische Tätigkeit des Streitgegenstandes bestritten. Beispiel 1 der Druckschrift (7) beschreibe eine Antifaltencreme, die Vitamin A (ein Retinol) in einer Menge von 300 "mIU" und Coenzym Q10 (ein Ubichinon) enthalte. Das Akronym "IU" sei die englische Bezeichnung für "Internationale Einheit" und eine Internationale Einheit entspreche einer Menge von 0,30 myg Vitamin A. Daraus ergebe sich lediglich ein Milliardstel Gew.-% Vitamin A in der Creme gemäß Beispiel 1, was für den Fachmann offensichtlich falsch sei. Er reichte die Druckschrift:

(12) The Esprit trial: Patient Guide to using IL-2, Seite 13 (ohne Jahr)

ein, um zu illustrieren, dass in der Pharmazie "m" in Verbindung mit internationalen Einheiten üblicherweise nicht als "milli" sondern als "Million" gedeutet werde. Eine eindeutige Mengenangabe des Vitamin A in der Creme gemäß Beispiel 1 sei daher der Druckschrift (7) nicht zu entnehmen. Der nunmehr beanspruchte Mengenbereich entspreche einer üblichen Menge bei der kosmetischen Anwendung von Vitamin A, so dass etwaige in diesem Bereich auftretende Effekte dem Fachmann in den Schoß fielen. Darüber hinaus sei der Effekt höchstens punktuell, nämlich für ein bestimmtes Verbindungspaar und eine einzige Gewichtsmenge, und nicht über den gesamten beanspruchten Bereich nachgewiesen worden. In Bezug auf die beanspruchte Verwendung argumentierte der Beschwerdeführer, dass eine Antifaltencreme sowohl zur Behandlung von bestehenden Falten als auch zur Vorbeugung von Falten benutzt werde. Darüber hinaus könne man Falten, die durch Lichtalterung entstanden seien, nicht von Falten, die eine andere Genese hätten, unterscheiden.

VI. Der Beschwerdegegner ist bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ebenfalls von der Druckschrift (7) als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen. Demgegenüber habe die Aufgabe darin bestanden, topische Zubereitungen mit verbesserter Wirksamkeit zur Verfügung zu stellen. Der Gegenstand der Erfindung sei erfinderisch, da die beanspruchten Wirkstoffkombinationen zu einem unerwarteten synergistischen Effekt führten, der durch den am 12. Februar 2003 im Einspruchsverfahren eingereichten Versuchsbericht belegt worden sei. Dieser Effekt sei so deutlich für die Gewichtsmenge von 0,3 Gew.-% gezeigt worden, dass er glaubhaft im gesamten beanspruchten Mengenbereich auftrete. Dieser Effekt sei auch auf Retinale und ß-Carotin sowie auf Plastochinone übertragbar, da sich üblicherweise diese Verbindungen wie Retinole bzw. Ubichinone verhielten. In Bezug auf die Verwendung der Zubereitungen zur Prophylaxe bei Lichtalterung der Haut argumentierte er, dass Druckschrift (7) Prophylaxe gar nicht erwähne. Darüber hinaus sei der für die Verhinderung von lichtbedingten Falten verantwortliche Mechanismus, nämlich ein antioxidativer Effekt, der gegen die oxidativen Effekte von UV-Lichtexposition wirke, ein komplett anderer, als jener, der für die Behandlung bestehender Falten verantwortlich sei.

VII. Der Verfahrensbeteiligte hat sich in der Sache nicht geäußert.

VIII. Der Beschwerdeführer hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Der Verfahrensbeteiligte hat keinen Antrag gestellt.

Der Beschwerdegegner hat beantragt, das Patent auf Grundlage des Hauptantrages oder der Hilfsanträge 1 oder 2 aufrechtzuerhalten, alle Anträge eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer.

IX. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand in Abwesenheit des Verfahrensbeteiligten statt, der nach ordnungsgemäßer Ladung mit Schriftsatz vom 17. Mai 2006 angekündigt hatte nicht teilzunehmen. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

Die in den erteilten Anspruch 1 eingeführten Mengenangaben an Verbindungen der Gruppen (a) und (b) finden ihre Stütze auf Seite 7, Zeilen 21 bis 22 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung.

Die Abänderungen des erteilten Anspruchs 1 beschränken den beanspruchten Gegenstand, wodurch der Schutzbereich des Streitpatentes im Vergleich zur erteilten Fassung nicht erweitert wird.

Der geltende Anspruchssatz erfüllt demzufolge alle Voraussetzungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

3. Neuheit

Der Beschwerdegegner hat die Neuheit des Gegenstandes des in der mündlichen Verhandlung eingereichten neuen Hauptantrages nicht mehr angegriffen. Nachdem die Kammer keine Veranlassung sieht, von sich aus die Neuheit in Zweifel zu ziehen, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Die Druckschrift (7) offenbart eine gattungsgemäße topische Zubereitung, nämlich eine Antifaltencreme, die sowohl Vitamin A (ein Retinol) als auch Coenzym Q (ein Ubichinon) enthält.

Demzufolge betrachtet die Kammer, im Einklang mit der Einspruchsabteilung, dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner, die Druckschrift (7) als nächstliegenden Stand der Technik und Ausgangspunkt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

4.1.1 Insbesondere offenbart die Druckschrift (7) im Beispiel 1 eine Antifaltencreme, in der 0,05 kg Coenzym Q10 und 300 "mIU" Vitamin A mit einer Menge von fast 100 kg weiterer Cremebestandteilen gemischt werden. Eine Menge von 0,05 kg Coenzym Q auf 100 kg Gesamtgewicht entspricht einem Gehalt an Coenzym Q von ca. 0,05 Gew.-%. Diese Menge fällt innerhalb des nunmehr beanspruchten Mengenbereichs an Ubichinon.

4.1.2 Es bleibt also festzustellen, welchem Gehalt eine Menge von 300 "mIU" Vitamin A entspricht. Das Akronym "IU" entstammt der englischen Bezeichnung für "Internationale Einheit" und "m" ist die übliche Abkürzung für "milli", d.h. ein Tausendstel. Eine Internationale Einheit entspricht unstreitig einer Menge von 0,30 myg Vitamin A. Die Mengenangabe im Beispiel 1 der Druckschrift (7) von 300 "mIU" im Sinne von "milli" internationale Einheiten ergibt somit rechnerisch 0,1 myg Vitamin A bezogen auf 100 kg Gesamtgewicht; dies entspräche folglich einer Konzentration an Vitamin A von lediglich 1x10-10Gew.-% in der Creme. Dies steht im Einklang mit der Rechnung des Beschwerdegegners im Schriftsatz vom 28. Juni 2002 aus dem Einspruchsverfahren. Die Kammer ist indessen überzeugt, wie auch der Beschwerdeführer vorgetragen hat, dass eine solch geringe Gehaltsangabe technisch unsinnig und damit fehlerhaft ist, da in einer solchen Creme Vitamin A de facto überhaupt nicht enthalten und nicht feststellbar wäre. Diese Schlussfolgerung wird durch das Vorbringen des Beschwerdegegners in seinem am 12. Februar 2003 eingereichten Schriftsatz gestützt, dass sein Versuch, eine Zubereitung mit einem Gehalt an Vitamin A von 1x10-7Gew.-% herzustellen, d.h. mit einer 1000fach höheren Konzentration an Vitamin A, wegen der geringen Menge an Vitamin A misslang.

Der Beschwerdegegner argumentierte, dass die Mengenangabe von 300 "milli" IU gleichwohl richtig sei, da die Verwendung von "Spuren" an Vitaminen in kosmetischen Zubereitungen laut Seite 982, Zeilen 4 bis 7 der Druckschrift (8) üblich sei. Die Kammer hält dieses Argument indessen für nicht stichhaltig, denn eine Menge von 1x10-10Gew.-% ist um etliche Zehnerpotenzen geringer als die Menge, welche als eine "Spur" angesehen werden kann schon um über der Nachweisgrenze zu liegen (siehe oben).

Die Kammer kommt also zu dem Schluss, dass die Mengenangabe von 300 mIU, im Sinne von tausendstel Internationale Einheiten, Vitamin A im Beispiel 1 der Druckschrift fehlerhaft ist.

Es stellt sich also die Frage, welche Einheit anstelle der fehlerhaft als "milli" IU angegebenen beabsichtigt war. Die Druckschrift (7) selber enthält keinen Hinweis, der dem Fachmann unmittelbar und eindeutig zu einer bestimmten korrigierenden Auslegung verhelfen würde. Nachdem es mehrere plausible Möglichkeiten für eine Korrektur gibt, z.B. ohne m, M(illion), k(ilo), G(iga), kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden, welche Einheit tatsächlich beabsichtigt war und damit welche Mengenangabe offenbart ist.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens argumentierte der Beschwerdeführer, dass in der Pharmazie "m" in Verbindung mit internationalen Einheiten in der Regel "Million" und nicht "milli" bedeute. Er hat indessen keinen Nachweis für diese Behauptung erbracht. Vielmehr bestätigt die von ihm eingeführte Druckschrift (12) lediglich das allgemeine Fachwissen, dass "M" für Million steht.

4.1.3 Die Kammer kommt in Anbetracht der obigen Feststellungen zu dem Ergebnis, dass die Druckschrift (7) keine nachvollziehbare Mengenangabe für Vitamin A offenbart. Damit beschränkt sich die Offenbarung der Druckschrift (7) auf eine Antifaltencreme, die 0,05 Gew.-% Coenzym Q und eine unbestimmte Menge an Vitamin A enthält.

4.2 Ausgehend von diesem Stand der Technik soll der Erfindung gemäß Vortrag des Beschwerdegegners in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer die Aufgabe zugrunde liegen, topische Zubereitungen mit verbesserter Wirksamkeit zur Pflege und Prophylaxe bei Lichtalterung und zur Behandlung lichtgealteter Haut zur Verfügung zu stellen.

4.3 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent die topischen Zubereitungen gemäß Anspruch 1 vor, welche durch die Angabe eines zahlenmäßigen Bereichs für den Gehalt an Vitamin A von 0,01 bis 10 Gew.-% gekennzeichnet werden.

4.4 Es bleibt nun zu untersuchen, ob diese Aufgabe erfolgreich gelöst worden ist. Der Beschwerdegegner hat bezüglich der Glaubhaftigkeit des behaupteten Vorteils der verbesserten Wirksamkeit der beanspruchten Wirkstoffkombinationen auf seinen am 12. Februar 2003 eingereichten Versuchsbericht abgestellt.

4.4.1 Dieser Versuchsbericht misst und vergleicht die Schutzwirkung gegen lichtbedingte Hautalterung einer erfindungsgemäßen Zubereitung enthaltend gemeinsam Coenzym Q und Vitamin A jeweils in einer Menge von 0,3 Gew.-% (Produkt C) und Vergleichs-Zubereitungen enthaltend Coenzym Q allein (Produkt A), Vitamin A allein (Produkt B), Coenzym Q (0,3 Gew.-%) und Vitamin A (1x10-5Gew.-%) (Produkt D) und Coenzym Q (0,3 Gew.-%) und Vitamin A (1x10-7Gew.-%) (Produkt E). Eine antioxidative Wirkung (gemessen an der Reduktion der ultraschwachen Photonemission) deutet auf eine Schutzwirkung hin und kann als eine präventive Maßnahme gegen lichtbedingte Hautalterung verstanden werden.

4.4.2 Da die Druckschrift (7) bereits Mischungen von Coenzym Q und einer unbestimmten Menge an Vitamin A offenbart (siehe Punkt 4.1.3 supra), stellen Produkte A und B, die nur entweder Coenzym Q oder Vitamin A als aktiven Bestandteil enthalten, nicht den nächstliegenden Stand der Technik dar. Folgerichtig sind Versuche mit diesen Produkten nicht geeignet, um einen erfinderischen Effekt nachzuweisen (cf. T 181/82, OJ EPO 1984, 401, Punkt 5 der Entscheidungsgründe). Produkt E soll nach Angabe des Beschwerdegegners Beispiel 1 der Druckschrift (7) nachstellen. Da jedoch die Menge von Vitamin A im Beispiel 1 der Druckschrift (7) gerade nicht differenziert offenbart ist (siehe Punkt 4.1.3 supra), kann dieses Vorbringen nicht überzeugen. Darüber hinaus misslang nach eigener Angabe des Beschwerdegegners dieser Versuch, Beispiel 1 nachzuarbeiten. Daher hat der Versuch mit Produkt (e) keine Aussagekraft und scheidet aus.

4.4.3 Es verbleibt also der Vergleich zwischen dem erfindungsgemäßen Produkt (c) und dem Vergleichs-Produkt (d). Produkt (c) erzeugt gemäß Diagramm 1 einen deutlichen antioxidativen Effekt, Produkt (d) hingegen lediglich einen leichten. Damit wird für eine einzige erfindungsgemäße Zubereitung punktuell eine verbesserte Wirkung gegenüber einer Zubereitung, die einen Gehalt an Vitamin A unterhalb der beanspruchten Gewichtsgrenze, enthält, belegt.

Der Beschwerdegegner hat jedoch weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass es sich bei der beanspruchten Mengenober- und -untergrenze von 10 bzw. 0,01 Gew.-% an Vitamin A um ein erfindungswesentliches Merkmal handelt und gerade diese Grenzen zielgerichtet auf und kritisch für die behauptete verbesserte Wirksamkeit auf der Haut, d.h. die zu lösende Aufgabe, sind. Zum einen liegt kein einziger Vergleichsversuch vor, der die Wirksamkeit gegen Lichtalterung der Haut bei einem Gehalt an Vitamin A oberhalb der beanspruchten Gewichtsobergrenze aufzeigt, so dass schon jeder Nachweis dahingehend fehlt, dass die anspruchsgemäße Gewichtsobergrenze zielgerichtet und kritisch im Hinblick auf den geltend gemachten technischen Effekt ist. Zum anderen liegt der Gehalt an Vitamin A im einzig gemessenen Produkt (d) um drei Zehnerpotenzen unterhalb der beanspruchten Gewichtsuntergrenze, so dass auch dieser Vergleich nicht dazu geeignet ist, diese Untergrenze als kritisch zu belegen.

4.4.4 Demzufolge vermag der Versuchsbericht des Beschwerdegegners nicht glaubhaft zu machen, dass die behauptete verbesserte Wirksamkeit ursächlich mit der Auswahl des anspruchsgemäßen Mengenbereichs an Vitamin A verbunden wäre.

4.4.5 Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann eine technische Aufgabe - hier die Erzielung einer verbesserten Wirksamkeit gegen Lichtalterung der Haut - jedoch nur dann bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden, wenn sie im gesamten beanspruchten Umfang als erfolgreich gelöst angesehen werden kann. Da im vorliegenden Fall der Beschwerdegegner nicht belegt hat, dass innerhalb des anspruchsgemäßen Mengenbereichs an Vitamin A, und womöglich nur dort, ein verbesserter technischer Effekt im Vergleich zum nächstkommenden Stand der Technik auftritt, stellt die Erfindung wie sie im geltenden Anspruch 1 definiert ist, keine erfolgreiche Lösung dieser technischen Aufgabe dar.

4.4.6 Aus diesen Gründen ist die vorstehend in Punkt 4.2 supra angeführte Aufgabenstellung umzuformulieren. Ausgehend von Druckschrift (7) als nächstliegendem Stand der Technik liegt dem Streitpatent somit lediglich die objektive Aufgabe zugrunde, weitere topische Zubereitungen zur Pflege und Prophylaxe bei Lichtalterung und zur Behandlung lichtgealteter Haut bereitzustellen.

4.5 Da nicht belegt wurde, dass ein bestimmter Mengenbereich an Vitamin A kausal für einen technischen Effekt ist, ist die zahlenmäßige Bestimmung dieses Bereichs in Anspruch 1 weder zielgerichtet noch kritisch, sondern rein willkürlich. Um zu der beanspruchten Lösung zu gelangen, musste der Fachmann im Rahmen der Lehre der Druckschrift (7) lediglich einen beliebigen Gehalt an Vitamin A auswählen. Dieses Vorgehen hat im vorliegenden Fall nicht zu einem Ergebnis geführt, welches angesichts der nächsten Druckschrift (7) als überraschend oder unvorhersehbar angesehen werden könnte. Diese willkürliche Wahl eines zweckmäßigen Mengenbereichs an Vitamin A stellt jedoch schon wegen ihrer Beliebigkeit lediglich eine Routinetätigkeit dar, die im Rahmen des handwerklichen Könnens des Fachmanns liegt, ohne dass es eines erfinderischen Zutuns seinerseits bedürfte.

4.6 Die Kammer kommt aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluss, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 eine naheliegende Lösung der patentgemäßen Aufgabe darstellt und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4.7 Der Hauptantrag des Beschwerdegegners ist folglich wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPÜ nicht gewährbar.

Hilfsanträge 1 und 2

5. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

Die geltenden Ansprüche sind auf den ursprünglichen und erteilten Verwendungsanspruch 8 mit den in den Hauptantrag eingeführten Gehaltsangaben an Verbindungen der Gruppen (a) und (b) beschränkt worden. Der Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 nur dadurch, dass die Verwendung auf den einzigen Verwendungszweck der Prophylaxe bei Lichtalterung der Haut beschränkt worden ist.

Unter diesen Umständen bestehen keine Einwände im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1 Als einzigem Unterschied zum Anspruch 1 des Hauptantrages ist der Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 auf die kosmetische Verwendung der topischen Zubereitungen zur inter alia Prophylaxe bei Lichtalterung der Haut (siehe Punkt IV supra) gerichtet. Der Beschwerdegegner hat weder vorgetragen noch seinen Versuchsbericht vom 12. Februar 2003 herangezogen noch anderweitig belegt, dass mit diesem anspruchsgemäßen Verwendungszweck ein besonderer technischer Effekt im Vergleich zur angezogenen Druckschrift (7) verbunden ist. Die Kammer hat auch von sich aus keinen Anhaltspunkt hierfür.

Der angegebene Verwendungszweck der topischen Zubereitungen zur Prophylaxe bei Lichtalterung der Haut wird bereits von der nächstliegenden Druckschrift (7), Beispiel 1 beschrieben.

Dieses Beispiel beschreibt eine Vitamin A und Coenzym Q enthaltende Antifaltencreme. Die Prophylaxe und Behandlung von Falten gehören zu den Verwendungszwecken der erfindungsgemäßen Zubereitungen (siehe Streitpatentschrift, Absatz [0014], insbesondere Erscheinung b)). Zwar wird Prophylaxe in Druckschrift (7) nicht explizit erwähnt, der Einsatzzweck einer Antifaltencreme umfasst aber für den Fachmann zweifelsfrei nicht nur die Behandlung sondern auch die Vorbeugung von Falten, unabhängig von der Genese, wobei inter alia Lichtalterung allgemein bekannt und unstreitig zu Faltenbildung der Haut führt.

6.2 Damit fügt der im geltenden Anspruch 1 nunmehr angegebene Verwendungszweck den topischen Zubereitungen als solchen im Hinblick auf die nächstliegende Druckschrift (7) kein neues Merkmal hinzu, aus dem sich eine erfinderische Qualität des Anspruchsgegenstandes ergeben könnte.

6.3 Folglich trifft der gegen den Sachanspruch 1 des Hauptantrages erhobene Einwand des Naheliegens (siehe Punkt 4 supra) auch den Gegenstand des Verwendungsanspruchs der Hilfsanträge 1 und 2. Daraus ergibt sich notwendigerweise die gleiche Schlussfolgerung, nämlich dass das Streitpatent gemäß Hilfsanträgen 1 und 2 ebenfalls nicht erfinderisch ist.

6.4 Die Hilfsanträge 1 und 2 teilen daher das Schicksal des Hauptantrages, indem sie wegen mangelnder erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPÜ ebenfalls nicht gewährbar sind.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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