European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T050603.20051103 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 03 November 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0506/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 97944681.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60R 13/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | ULTRALEICHTER MULTIFUNKTIONALER, SCHALLISOLIERENDER BAUSATZ | ||||||||
Name des Anmelders: | RIETER AUTOMOTIVE (INTERNATIONAL) AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Stankiewicz GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Begründung der vorinstanzlichen Entscheidung (nein) Rückzahlung der Beschwerdegebühr (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Stankiewicz GmbH) hat gegen die am 4. März 2003 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Patent Nr. 0 934 180 am 2. Mai 2003 Beschwerde eingelegt, am gleichen Tag die Beschwerdegebühr bezahlt und am 4. Juli 2003 die Beschwerdebegründung eingereicht.
II. Im erteilten Patent wurde das Schutzbegehren in 47 Ansprüchen angegeben, wobei Anspruch 1 ein "Multifunktionaler Bausatz für die Lärmreduzierung und Wärmeisolation in Fahrzeugen" und Anspruch 45 ein "Montagepaket für einen Bausatz nach einem der Ansprüche 1 bis 44" betraf.
Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Multifunktionaler Bausatz (41) für die Lärmreduktion und Wärmeisolation in Fahrzeugen zur Bildung einer schallabsorbierenden, schalldämmenden, schwingungsdämpfenden und wärmeisolierenden Verkleidung, insbesondere einer Boden- oder Stirnwandisolation, Türverkleidung oder Dachinnenverkleidung, mit mindestens einem flächigen Fahrzeugteil (11) und einem lärmreduzierenden Montagepaket (42) aus mehreren Schichten, welches Montagepaket (42) mindestens eine poröse Federschicht (13), insbesondere eine offenporige Schaumschicht, umfasst und wobei zwischen diesem Montagepaket (42) und dem flächigen Fahrzeugteil eine Luftschicht (25) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass zur Bildung eines ultraleichten Bausatzes (41), welcher geeignet ist, Schalldämmung, Schallabsorption und Schwingungsdämpfung optimal zu kombinieren, das mehrschichtige Montagepaket (42) ein schwerschichtfreies Montagepaket ist und eine mikroporöse Versteifungsschicht (14), insbesondere eine offenporige Faserschicht oder Faser-/Schaum-Verbundschicht, umfasst, welche einen totalen Luftströmungswiderstand von Rt=500Nsm-3 bis Rt=2500Nsm-3, insbesondere von Rt900Nsm-3 bis Rt=2000Nsm-3, und eine Flächenmasse von mF=0.3kg/m2 bis mF=2.0kg/m2, insbesondere von mF=0.5kg/m2 bis mF=1.6kg/m2 aufweist."
Anspruch 45 lautet wie folgt:
"45. Montagepaket für einen Bausatz nach einem der Ansprüche 1 bis 44, dadurch gekennzeichnet, dass dieses ein schwerschichtfreies Montagepaket (42) ist und eine mikroporöse Versteifungsschicht (14), insbesondere eine offenporige Faserschicht oder Faser-/Schaum- Verbundschicht, umfasst, welche einen totalen Luftströmungswiderstand von Rt=500Nsm-3 bis Rt=2500Nsm-3, insbesondere von Rt=900Nsm-3 bis Rt=2000Nsm-3, und eine Flächenmasse von mF=0.3kg/m2 bis mF=2.0kg/m2, insbesondere von mF=0.5kg/m2 bis mF=1.6kg/m2 aufweist."
III. Die Einsprechende beantragte den Widerruf des Patents in vollem Umfang. In dem Einspruchsschriftsatz stützte sie ihr Anliegen auf mangelnde Neuheit und/oder mangelnde erfinderische Tätigkeit der erteilten Gegenstände.
In ihrem Einspruchsschriftsatz unter dem Abschnitt bezüglich der Neuheit führte sie aus:
Auf Seite 5, Zeilen 15 bis 20
"Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Streitpatents ist von der Offenbarung der D1 vorweggenommen.
In den Unteransprüchen 2 bis 47 des Streitpatents werden Selbstverständlichkeiten beansprucht, die im Hinblick auf die Offenbarung der D1 nicht neu sind."
Auf Seite 6, Zeilen 20 bis 23
"Im Hinblick auf die in D1 unter Hinzuziehung des allgemeinen Fachwissens, auf dem die D1 aufbaut, sind die in den Ansprüchen 1 bis 47 gemäß Streitpatent beanspruchten Gegenstände nicht mehr neu."
Auf Seite 7, Zeilen 13, 14
"Die Neuheit des mit Streitpatent beanspruchten Gegenstandes ist somit auch im Hinblick auf die D2 zu verneinen."
Unter dem Abschnitt bezüglich der erfinderischen Tätigkeit führte sie weiter aus:
Auf Seite 8, Zeilen 37 bis 39
"Der gemäß Streitpatent beanspruchte Gegenstand ergibt sich somit auch aus einer Kombination der Lehren aus D1 und der D3a für den Fachmann in naheliegender Weise."
Auf Seite 9, Zeilen 1,2
"Ausgehend von der D1 unter Hinzuziehung von der D4 ergibt sich der gemäß Streitpatent beanspruchte Gegenstand unmittelbar."
Auf Seite 10, Zeilen 24 bis 27
"Der in den Patentansprüchen 1 bis 47 beanspruchte Gegenstand erschöpft sich letztendlich in einer Aggregation von Detailangaben aus dem Stand der Technik, die nach diesseitigem Dafürhalten lediglich einen vergeblichen Versuch darstellen, die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes herzustellen."
Auf Seite 11, Zeilen 20, 21
"Insofern ist das Streitpatent jedenfalls zu widerrufen, da der beanspruchte Gegenstand auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht."
Auf Seite 11, Zeilen 25 bis 27 ist dann die Schlussbemerkung zu finden.
"Der Gegenstand des Streitpatents ist im Hinblick auf den vorgelegten Stand der Technik nicht neu und beruht auf keiner erfinderischen Tätigkeit. Ein vollständiger Widerruf des Streitpatents ist mithin gerechtfertigt."
IV. In seiner Erwiderung verteidigte der Patentinhaber die Patentierbarkeit des Gegenstands gemäß Anspruch 1.
V. Mit der am 2. Oktober 2002 zur Post gegebenen Ladung wurde den Parteien eine Mitteilung nach Regel 71a EPÜ geschickt, in der die Einspruchsabteilung darauf aufmerksam machte, dass nach ihrer vorläufigen Auffassung der Gegenstand gemäß Anspruch 1 wie erteilt neu und erfinderisch sei.
VI. Am 18. Februar 2003 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der laut Niederschrift über die mündliche Verhandlung die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit in Bezug auf den Gegenstand gemäß Anspruch 1 erörtert wurde. Eine Erörterung des Gegenstandes gemäß Anspruch 45 wird in dieser Niederschrift nicht erwähnt.
VII. In der am 4. März 2003 zur Post gegebenen Entscheidung begründet die Einspruchsabteilung die Zurückweisung des Einspruchs damit, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie sah die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands gemäß Anspruch 1 u. a. wegen des expliziten Vorhandenseins einer Luftschicht zwischen Blech und Schallisolationspaket gegeben.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 und der Regeln 1 und 64 EPÜ und ist daher zulässig.
2. Laut Artikel 106 EPÜ sind die Entscheidungen der Einspruchsabteilungen, insbesondere die Endentscheidungen, mit der Beschwerde anfechtbar.
Laut Regel 68(2) EPÜ sind die Entscheidungen des europäischen Patentamts, die mit der Beschwerde angefochten werden können, schriftlich abzufassen und zu begründen.
3. Aus dem Einspruchsschriftsatz ist ohne weiteres zu erkennen, dass das Erfordernis der Regel 55 c) EPÜ, eine Erklärung darüber abzugeben, in welchem Umfang gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt wird, erfüllt ist, und dass im vorliegenden Fall Einspruch gegen das Patent im gesamten Umfang eingelegt wurde.
Es ist auch zu erkennen, dass die Einsprechende den Widerruf des Patents wegen mangelnder Neuheit und/oder mangelnder erfinderischer Tätigkeit seiner Gegenstände beantragt hatte.
4. Anspruch 45 betrifft ein Montagepaket für einen Bausatz nach einem der Ansprüche 1 bis 44, das dadurch gekennzeichnet ist, dass dieses ein schwerschichtfreies Montagepaket (42) ist und eine mikroporöse Versteifungsschicht (14), insb...., umfasst, welche einen totalen Luftströmungswiderstand von Rt=500Nsm-3 bis Rt=2500Nsm-3, insb..., und eine Flächenmasse von Mf=0.3kg/m2 bis Mf=2.0kg/m2, insb..., aufweist.
Diese Merkmale finden sich auch in Anspruch 1, wobei der Bausatz nach Anspruch 1 noch weitere Merkmale, wie etwa dass das Montagepaket noch mindestens eine poröse Federschicht umfasst, enthält.
Anspruch 45 ist somit eindeutig der allgemeinste Anspruch des Anspruchssatzes.
5. Wenn ein Einspruch gegen ein Patent in seinem gesamten Umfang eingelegt wird, und die Einsprechende die Neuheit und erfinderische Tätigkeit aller beanspruchten Gegenständen in Frage stellt, so ist die Einspruchsabteilung nach Artikel 114(1) EPÜ verpflichtet, die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit für den gesamten Anspruchssatz zu prüfen.
Daher hätte die Einspruchsabteilung den Einspruch nur zurückweisen können, wenn sie nach erfolgter Prüfung zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass der Gegenstand gemäß Anspruch 45, dem breitesten Anspruch, neu sei, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und gegebenenfalls kein weiterer "prima facie" relevanter Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents ganz oder teilweise entgegenstehe (G 0010/91 ABl. EPA 1993, S. 420, Punkt 16).
6. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung erklärt, warum ihrer Ansicht nach der Gegenstand gemäß Anspruch 1 neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Eine solche Erklärung kann die Zurückweisung des Einspruchs jedoch nicht ausreichend begründen. Es ist nämlich nicht selbstverständlich, dass Neuheit und erfinderische Tätigkeit bei dem engeren Gegenstand gemäß Anspruch 1 ein Gleiches bei dem breiteren Gegenstand gemäß Anspruch 45 impliziert.
So hat die Einspruchsabteilung die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 u. a. damit begründet, dass das Vorsehen einer Luftschicht beim nächstkommenden Stand der Technik nicht offensichtlich sei, ein Merkmal, das Anspruch 45 nicht enthält.
7. Indem die Einspruchsabteilung dem Gebot der Begründung nach Regel 68(2) EPÜ nicht nachgekommen ist, ist ihre Entscheidung mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet.
Ohne diese Begründung bleibt es der verlierenden Partei und der Kammer überlassen, selbst eine Begründung zu finden, die diese Entscheidung stützt. Genau dies soll aber durch die Vorschrift in Regel 68 (2) EPÜ vermieden werden.
Dieser Verstoß der angefochtenen Entscheidung gegen dieses in der Regel 68 (2) EPÜ verankerte grundsätzliche Recht der unterlegenen Partei rechtfertigt ihre Aufhebung.
8. Da aus der Akte nicht hervorgeht, ob sich die Einspruchsabteilung in Bezug auf den Gegenstand des Anspruchs 45 bereits mit der Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit auseinandergesetzt hat, hat die Kammer, um das Recht der Beteiligten auf eine vollständige Prüfung des Einspruchs in zwei Instanzen zu wahren, beschlossen, von der ihr nach Artikel 111 EPÜ übertragenen Befugnis Gebrauch zu machen und die Sache zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
9. Wegen des wesentlichen Verfahrensmangels, und da die Beschwerdeführerin in Unkenntnis der vorinstanzlichen Entscheidungsgründe eine Beschwerde einreichen musste, entspricht es der Billigkeit, ihr die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen (Regel 67 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Weiterbehandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.