European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T049003.20050621 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 Juni 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0490/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94110436.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | D01H 5/26 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Doppelriemchen-Streckwerk | ||||||||
Name des Anmelders: | Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Stuttgart | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Zulässigkeit der Änderungen - ja Neuheit - ja Erfinderische Tätigkeit - ja |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 5. Juli 1994 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 14. Juli 1993 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 94 110 436.6 wurde das europäische Patent Nr. 635 590 mit 26 Ansprüchen erteilt.
II. Gegen das erteilte Patent wurde ein Einspruch eingelegt, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ, und der Widerruf des Patents beantragt.
III. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent mit ihrer am 26. März 2003 zur Post gegebenen Entscheidung.
Sie kam zu dem Ergebnis, daß das Verfahren zur Bündelung eines Faserverbandes nach Anspruch 1 und das Doppelriemchen-Streckwerk nach Anspruchs 6 im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik:
E1: DE-C-39 27 936
E2: DE-A-41 39 067
E3: DE-C-08 82 066
E4: DE-A-10 39 422
E5: FR-A-1 117 278
E6: FR-A-2 520 389,
insbesondere im Hinblick auf E2 und E4 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 25. April 2003 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt und mit der am 23. Juli 2003 eingereichten Beschwerdebegründung die Beschwerde näher begründet.
V. Mit dem am 17. September 2003 eingegangenen Schreiben vom 12. September 2003 nahm die einzige Einsprechende ihren Einspruch zurück.
VI. Die Beschwerdekammer teilte in ihrem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid vom 14. März 2005 mit, sie könne keine gravierende Fehlbeurteilung der erfinderischen Tätigkeit durch die Einspruchsabteilung erkennen.
VII. Die auf den 21. Juni 2005 anberaumte mündliche Verhandlung wurde auf Antrag des Vertreters der Beschwerdeführerin wegen dessen Verhinderung aufgehoben. Mit dem am 19. Mai 2005 eingegangenen Schreiben vom 18. Mai 2005 reichte die Beschwerdeführerin neue Ansprüche 1 und 6 sowie angepaßte Beschreibungsteile ein und beantragte die schriftliche Fortsetzung des Verfahrens.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis folgender Unterlagen:
- Ansprüche 1 und 6, eingegangen am 19. Mai 2005;
- Beschreibung Abschnitte [0004] bis [0006] (1 Seite), eingegangen am 19. Mai 2005;
- Ansprüche 2 bis 5, 7 und 9 bis 26, letztere mit angepaßter Numerierung als Ansprüche 8 bis 25, sowie übrige Beschreibung und Zeichnungen, Figuren 1 bis 5, wie erteilt.
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 6 lauten:
"1. Verfahren zur Bündelung eines in einem Doppelriemchenstreckwerk fertigverzogenen Faserbandes (FB), der im Anschluß an den Verzug in einer Faserbündelungszone zusammengefaßt und zu einem Faden zusammengedreht wird, wobei der das Ausgangswalzenpaar des Streckwerkes verlassende Faserverband (FB) in der Faserbündelungszone einem quer zur Transportrichtung gerichteten Saugluftstrom ausgesetzt wird, dadurch gekennzeichnet, daß
(b1) der fertig verzogene Faserverband (FB) während der Zusammenfassung eine im wesentlichen ebene Strecke durchläuft,
(b2) in welcher der Faserverband (FB) durch ein ebenes Transportmittel (6) einseitig unterstützt wird,
(b3) wobei der Saugluftstrom etwa in der Breite der gewünschten Zusammenfassung
(b4) durch das Transportmittel hindurch
(b5) allein auf den Faserverband (FB) einwirkt,
(b6) so daß die nur einseitig geführten Fasern des aus dem Ausgangswalzenpaar (3, 3') des Streckwerks austretenden Faserbandes (FB) sich frei bewegen und ungehindert durch den Luftstrom quer zur Transportrichtung zusammengefaßt werden.
6. Doppelriemchen-Streckwerk für Spinnereimaschinen zur Durchführung des Verfahrens nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5 mit einer Faserbündelungszone, die sich dem Ausgangswalzenpaar (3, 3') des Hauptverzugsfeldes anschließt und der ein Lieferwalzenpaar (5, 5') folgt, wobei zwischen dem Ausgangswalzenpaar (3, 3') und dem Lieferwalzenpaar (5, 5') eine pneumatische Verdichtungseinrichtung angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß
(c) die pneumatische Verdichtungseinrichtung ein perforiertes Riemchen (6) aufweist,
(c2) das das Transportmittel mit einer im wesentlichen ebenen Transportfläche für den fertig verzogenen Faserverband (FB) zwischen dem Ausgangswalzenpaar (3, 3') und dem Lieferwalzenpaar (5, 5') bildet
(c3) und den fertig verzogenen Faserverband (FB) einseitig unterstützt,
(c4) wobei das perforierte Riemchen um einen der Lieferzylinder (5, 5') geführt ist und sich bis dicht vor das Ausgangswalzenpaar (3, 3') erstreckt,
(c5) und daß die Verdichtungseinrichtung ferner eine Absaugvorrichtung (62, 67) aufweist,
(c6) die sich auf der dem Faserverband (FB) abgewandten Seite des das Transportmittel bildenden perforierten Riemchens zwischen dem Ausgangswalzenpaar (3, 3') und dem Lieferwalzenpaar (5, 5') erstreckt
(c7) und durch den Faserverband hindurch Luft ansaugt."
VIII. Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, das zweifellos neue Verfahren zur Bündelung eines Faserverbandes und das Doppelriemchenstreckwerk nach den eingeschränkten Ansprüchen 1 und 6 seien durch den Stand der Technik, insbesondere durch E4 nicht nahegelegt, weil dort der Faserverband nicht fertig verzogen sei. Die aus der Lunte herausgerissenen Fasern lägen in loser Form vor und würden erst auf dem Laufriemchen 31 oder auf dem Laufband 61 gesammelt. Dementsprechend seien die nun vorliegenden unabhängigen Ansprüche präzisiert worden. Bestätigt werde die erfinderische Tätigkeit auch durch E6, in der ausdrücklich festgestellt werde, daß die Verdichtungswirkung in E4 ungenügend sei, um ein Spinndreieck zu vermeiden. Auch E3 könne keinen Weg zur Erfindung aufzeigen, denn dort würde die Luftströmung durch das Transportband nur deshalb erzeugt, um den Faserverband festzuhalten, nicht aber um ihn zu bündeln.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
2.1 Die in den Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale sind in den ursprünglich eingereichten Unterlagen (Seite 5, mittlerer Absatz; Seite 9, 2. Absatz) sowie in der Patentschrift (Spalte 4, Zeilen 5 bis 7; Spalte 6, Zeilen 35 bis 38) im angegebenen Zusammenhang offenbart. Die Änderungen in Anspruch 6 finden ihre Stütze in den Anmeldeunterlagen (Seite 5, mittlerer und letzter Absatz; Seite 3, letzter Absatz) und entsprechend in der Patentschrift (Spalte 4, Zeilen 5 bis 7 und 11 bis 13; Spalte 2, Zeilen 41 bis 44). Diese Änderungen schränken den Schutzbereich auch ein, so daß die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) erfüllt sind.
3. Neuheit
Die Neuheit der ihrer Entscheidung zugrundeliegenden unabhängigen Ansprüche wurde von der Einspruchsabteilung bereits zutreffend festgestellt. Nachdem die nun geltenden Ansprüche weiter eingeschränkt worden sind und kein neuer Stand der Technik eingeführt wurde, kommt die Beschwerdekammer zu demselben Ergebnis. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 6 erfüllen somit das Erfordernis des Artikels 52 (1) EPÜ.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Die Erfindung geht aus vom nächstkommenden Stand der Technik, der durch E2 repräsentiert wird. Diese Druckschrift offenbart ein Verfahren mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 und eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 6.
4.2 Hiervon ausgehend ist die Aufgabe formuliert, die Nachteile des Standes der Technik zu vermeiden und sowohl den Verzug als auch die Bündelung so zu verbessern, daß kein Spinndreieck entsteht, aber auch nicht die Fasern bei der Zusammenfassung verwirrt werden (Absatz 0004 der Patentschrift).
4.3 Gelöst wird dieses technische Problem durch das Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und die Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 6.
4.4 Das Verfahren nach Anspruch 1
4.4.1 Bei dem aus E2 bekannten Verfahren erfolgt die Bündelung des Faserverbandes nach dem Verzug erst im Bereich der Oberwalze 6, deren Oberfläche Saugöffnungen 9 aufweist. Im Unterschied dazu wird beim Verfahren nach Anspruch 1 der fertig verzogene Faserverband beim Durchlaufen einer im wesentlichen ebenen Strecke gebündelt, während er durch ein ebenes Transportmittel einseitig unterstützt wird. Die Strecke für die Zusammenfassung ist hier länger als im Stand der Technik, so daß sich die einseitig geführten Fasern des aus dem Ausgangswalzenpaar des Streckwerks austretenden Faserbandes frei bewegen und ungehindert durch den Luftstrom quer zur Transportrichtung zusammengefaßt werden können. E2 enthält keinen Hinweis oder eine sonstige Anregung, die Bündelung mit einem durch das ebene Transportmittel hindurch wirkenden Saugluftstrom vorzunehmen, so daß dieser Stand der Technik allein die Erfindung nicht nahelegen kann.
4.4.2 Der Stand der Technik nach E4 weist zwar eine Verdichtungsstrecke auf, arbeitet jedoch, worauf die Beschwerdeführerin zutreffend hinweist, nach einem unterschiedlichen Wirkungsprinzip (E4: Spalte 4, Zeilen 19 bis 37; Zeilen 50 bis 57; Zeilen 64 bis 67; Spalte 6, Zeilen 5 bis 21). Die Fasern werden dort nämlich nach der zwischen Manschette 22 bzw. Schnabel 57 gebildeten Klemmstelle durch eine Zahntrommel 20, 60 aus der Lunte herausgerissen und anschließend im Verdichtungsteil C, C1 wieder gesammelt. Es handelt sich also nicht um die Zusammenfassung eines fertigverzogenen Faserverbands, so daß der Fachmann durch E4 keine Anregung erhält, aus diesem nach einem unterschiedlichen Prinzip ablaufenden Verfahren willkürlich einen Schritt herauszulösen und in das Verfahren nach E2 zu integrieren. Somit liegt eine Kombination der Verfahren nach E4 und E2 nicht nahe.
4.4.3 Bei dem in E3 offenbarten Streckwerk wird der Faserstrang durch ein ebenes Transportmittel 8 unterstützt, durch welches Luft angesaugt wird. Bei diesem Verfahren ist dieser Schritt jedoch zu dem Zweck vorgesehen, die Fasern des Faserstranges am Transportband festzusaugen und so während des zweiten Verzugs unter genauer Kontrolle zu halten. Von einer Bündelung des fertigverzogenen Faserverbandes ist dort keine Rede, so daß der Fachmann keinen Anlaß hat, diesen Verfahrensschritt auf seine Anwendungsmöglichkeit beim Verfahren nach E2 hin zu betrachten.
4.4.4 Der übrige im Verfahren befindliche Stand der Technik liegt ferner von der beanspruchten Lösung als die oben behandelten Druckschriften, so daß er die Erfindung ebenfalls nicht nahelegt. Das Verfahren nach Anspruch 1 beruht somit auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
4.5 Die Vorrichtung nach Anspruch 6
4.5.1 Das in E2 offenbarte Doppelriemchenstreckwerk weist zur Bündelung des Faserverbandes eine Oberwalze 6 auf, deren Oberfläche mit Saugöffnungen 9 ausgestattet ist, wogegen bei der Vorrichtung nach Anspruch 6 zur Bündelung des fertig verzogenen Faserverband ein perforiertes Riemchen vorgesehen ist, das ihn einseitig unterstützt. Das Riemchen ist einerseits um einen der Lieferzylinder geführt und erstreckt sich bis dicht vor das Ausgangswalzenpaar. Im Gegensatz zur Anordnung nach E2, wo die Luft durch den Lieferzylinder abgesaugt wird, befindet sich die Absaugvorrichtung auf der dem Faserverband abgewandten Seite des Riemchens und saugt durch dessen Perforation hindurch die Luft an. Diese erfindungsgemäße Anordnung bietet für die Faserbündelung eine längere Strecke an, wodurch die Bildung eines Spinndreiecks vermieden wird, und erlaubt bei der Bildung eines einwandfreien Verzugsklemmpunktes geringere Drücke (Patentschrift Spalte 1, Zeilen 22 bis 26). E2 enthält keinen Hinweis oder eine sonstige Anregung, aufgrund derer der Fachmann die dort gezeigte Anordnung in Richtung zur beanspruchten Lösung verändern würde, so daß dieser Stand der Technik allein die Erfindung nicht nahelegen kann.
4.5.2 In der Alternative nach Figur 3 der E4 handelt es sich nicht um eine ebene Transportfläche, sondern um eine trogförmig gekrümmte, was dem unterschiedlichen Wirkungsprinzip entspricht, denn es werden die durch die Zahntrommel aus der Lunte herausgerissenen losen Fasern hier wieder verdichtet und nicht, wie bei der Erfindung, der fertigverzogene Faserverband gebündelt. Die übrigen Ausführungsformen zeigen zwar ebene Transportflächen 61, 96, jedoch erstreckt sich das Riemchen in allen Varianten nicht bis dicht vor den Lieferzylinder, denn ein Lieferzylinder in diesem Sinn ist an der entsprechenden Stelle nicht vorhanden, weil die dortige Vorrichtung nach einem unterschiedlichen Wirkungsprinzip arbeitet. Aufgrund dieser unterschiedlichen Konstruktion ist nicht erkennbar, wodurch der Fachmann eine Anregung zur erfindungsgemäßen Ausbildung erhalten könnte. Somit liegt eine Kombination der Vorrichtungen nach E4 und E2 nicht nahe.
4.5.3 Das in E3 offenbarte Streckwerk arbeitet in zwei Stufen, wobei in der zweiten Stufe der Faserstrang durch ein ebenes Transportmittel 8 unterstützt wird, durch welches Luft angesaugt wird. Von dieser Konstruktion unterscheidet sich bereits der Gegenstand des Oberbegriffs des Anspruchs 6, wonach der Verzug zwischen Lieferwalzenpaar und Ausgangswalzenpaar abgeschlossen ist und nur eine pneumatische Verdichtungseinrichtung vorhanden ist. Aufgrund dieser wesentlichen baulichen Unterschiede hat der Fachmann keinen Anlaß, etwaige Einzelmerkmale zu isolieren und bei der Konstruktion nach E2 anzuwenden. Selbst wenn er das aus E3 bekannte Förderband in die Vorrichtung nach E2 übertragen würde, käme noch keine Faserverdichtungseinrichtung zustande, weil durch die Saugluft der Faserverband lediglich unter Kontrolle gehalten, nicht aber verdichtet werden soll.
4.5.4 Der übrige noch im Verfahren befindliche Stand der Technik liegt der beanspruchten Lösung ferner als die oben behandelten Druckschriften, so daß er zu einer mögliche Kombination nicht anregen kann. Das Doppelriemchenstreckwerk nach Anspruch 6 beruht somit auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
4.6 Zusammen mit den unabhängigen Ansprüchen 1 und 6 können die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 und 7 bis 25, die weitere Ausgestaltungen der Erfindung enthalten, ebenfalls aufrechterhalten werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 und 6, eingegangen am 19. Mai 2005;
- Ansprüche 2 bis 5 und 7, wie erteilt;
- erteilte Ansprüche 9 bis 26 mit angepaßter Numerierung als Ansprüche 8 bis 25;
- Beschreibung Abschnitte [0004] bis [0006] (1 Seite), eingegangen am 19. Mai 2005;
- übrige Beschreibung, Spalten 1 bis 8, und Zeichnungen, Figuren 1 bis 5, wie erteilt.