European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2004:T048503.20041020 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 October 2004 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0485/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 97912217.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B21D 1/05 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zum Zugrecken von dünnen Metallbändern | ||||||||
Name des Anmelders: | Kampf GmbH & Co. Maschinenfabrik | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BWG Bergwerk- und Walzwerk-Maschinenbau GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung Neuheit (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 97 912 217.3 wurde das europäische Patent Nr. 0 936 954 erteilt, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:
"1. Vorrichtung zum Zugrecken von dünnen Metallbändern (20), insbesondere von Aluminiumbändern mit einer Dicke zwischen 0,1 mm und 0,5 mm, dadurch gekennzeichnet, daß eine Gruppe rückhaltender, untereinander mittels Differentialgetriebe (12-16) verbundener und als Gesamtheit drehzahlgeregelter Walzen (1-5) mit einer nachfolgend angeordneten zentralen drehzahlgeregelten Reckwalze (6) eine erste Reckstrecke (R 1 ) bildet und daß nachfolgend eine Gruppe ziehender, untereinander mittels Differentialgetriebe (21-25)verbundener und als Gesamtheit drehzahlgeregelter Walzen (7-11) angeordnet ist, die mit der zentralen Reckwalze (6) eine zweite Reckstrecke (R 2 ) bildet."
II. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gegen dieses europäische Patent eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (Neuheit und erfinderische Tätigkeit) gestützte Einspruch wurde von der Einspruchsabteilung mit der am 10. April 2003 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.
Der Einspruch wurde auf eine geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung und auf den folgenden druckschriftlichen Stand der Technik gestützt:
D1: DE-C-3 912 676
D2: DE-C-3 525 343
D3: DE-A-3 026 129
D4: FR-A-1 483 386
D5: US-A-4 408 474
D6: GB-A-1 219 966
D7: DE-A-1 552 012
D8: DE-A-2 529 899
In Zusammenhang mit der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung wurden folgende Unterlagen überreicht:
Anlage 1: BWG-Angebot an VAW (Seiten 20 bis 23),
Anlage 2: Bestellung Nr. 04/45068659/252 von VAW vom 6. August 1990 (Blatt 1 bis 8),
Anlage 3: Lieferanzeigen Nr. 176 und 177 vom 19. November 1991 betreffend den BWG-Auftrag 35 761,
Anlage 4: Lieferanzeige Nr. 25/0 1109 vom 7. Februar 1992 betreffend die BWG-Bestellung 35 761-115,
Anlage 5: BWG-Zeichnung "Auslegung-Streckrichtanlage, kurze Reckstrecke", betreffend BWG-Nr. 35 761,
Anlage 6: BWG-Zeichnung "Auslegung-Streckrichtanlage, lange Reckstrecke", betreffend BWG-Nr. 35 761,
Anlage 7: Brief BWG an VAW vom 10. Februar 1993 mit Abnahmeprotokoll vom 3. Februar 1993,
Anlage 8: BWG-Anlagenbeschreibung vom 30. Dezember 1992, BWG-Nr. 35 761 (Seiten I bis 7),
Anlage 9: Funktionsbeschreibung zur BWG-Levelflex-Anlage vom 30. August 1990 (Seiten 1 bis 14) mit Zeichnung Nr. 35-76 710 (Blatt 1 und 2),
Anlage 10: BWG-Zeichnung Nr. 35-76 200 vom 26. Januar 1991 (bzw. vom 17. Januar 1991),
Anlage 11: BWG-Zeichnung Nr. 35-76 203 vom 23. Januar 1991.
Von der Beschwerdeführerin wurde vorgebracht, daß eine Reckanlage gemäß den vorstehenden Unterlagen vor dem Prioritätstag des angegriffenen Patents an die Firma VAW ohne jede Verpflichtung zur Geheimhaltung geliefert wurde. Zum Beleg der den vorgelegten Zeichnungen und ihren Ausführungen entsprechenden Ausstattung und Betriebsweise der vorbenutzten Reckanlage wurde Zeugenbeweis angeboten.
III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr am 30. April 2003 Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung ist am 31. Juli 2003 eingegangen. In der Beschwerdebegründung weist die Beschwerdeführerin zusätzlich auf folgende Dokumente hin:
D9: DE-A-2 818 411
D10: Prospekt "Ihr Partner für Reckantriebe" der Firma Desch Antriebstechnik, 1994
IV. Am 20. Oktober 2004 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchabteilung (Zurückweisung des Einspruchs) aufzuheben und das Patent im vollen Umfang zu widerrufen. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und hilfsweise das Patent in geändertem Umfang auf der Basis der mit Schreiben vom 7. Februar 2003 eingereichten Unterlagen aufrechtzuerhalten.
V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 seien durch den Gegenstand der unter der Bearbeitungsnummer 35 761 (vgl. Anlagen 1 bis 11) geltend gemachten Vorbenutzung neuheitsschädlich vorweggenommen. Die vorbenutzte Reckanlage diene nämlich zum Zugrecken von dünnen Aluminiumbändern mit einer Dicke zwischen 0,1 mm und 0,5 mm (Anlage 2, Seite 6, Punkt 3.1). Den Anlagen 5 und 6 zusammen mit der Funktionsbeschreibung gemäß Anlage 9 (vgl. insbesondere die Beschreibung der Betriebsart "kombiniertes Strecken" auf der Seite 14 der Anlage 9) sei zu entnehmen, daß bei dieser spezifischen Betriebsart eine Gruppe rückhaltender Walzen 1-5 mit einer nachfolgend angeordneten zentralen drehzahlgeregelten Reckwalze 6 eine erste Reckstrecke bilde und die zentrale Walze 6 mit einer Gruppe nachfolgend angeordneter ziehender Walzen 7-10 eine zweite Reckstrecke bilde. Die Walzen der ziehenden und rückhaltenden Walzengruppen werden über die gemeinsame Welle eines Hauptmotors und jeweils ein Differential- Überlagerungsgetriebe angetrieben. Da sämtliche Differentialgetriebe an die Hauptwelle angreifen, seien auch die einzelnen Walzen zumindest mittelbar über Differentialgetriebe miteinander verbunden. Die Drehzahl der Gruppe rückhaltender Walzen und der Gruppe ziehender Walzen werde von regelbaren Überlagerungsmotoren bestimmt. Diese Überlagerungsmotoren werden gemeinsam von einer digitalen Leitwertregelung drehzahl- bzw. drehmomentgeregelt. Es sei hierbei gleichgültig, ob die Regelung über die Drehzahl oder das Drehmoment erfolge, denn einer bestimmten Drehzahl komme immer ein bestimmtes Drehmoment zu und die Auswahl zwischen Drehzahl- oder Drehmomentregelung könne beliebig getroffen werden.
Im übrigen ergebe sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der vorbenutzten Reckanlage mit der D8, D9 oder D10. Gemäß Spalte 2, Zeilen 3-6 der angegriffenen Patentschrift sei die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Vorrichtung zum Zugrecken zu schaffen, mit der sich Bänder mit extrem hohen Qualitätsanforderungen verarbeiten lassen. Nach der Textstelle in der Spalte 2, Zeilen 7-12 der Patentschrift liege der Kern der Erfindung in der zweistufigen Reckung, die vor und nach der zentralen Walze durchgeführt werde. Diese Lehre sei jedoch durch die geltend gemachte Vorbenutzung gänzlich vorweggenommen. Die beanspruchte Ausgestaltung der ziehenden und der rückhaltenden Walzengruppe sei bei den bekannten Reckanlagen gemäß D8, D9 oder D10 bereits vorhanden. Zum Beispiel die Figur 2 der D9 zeige zweifelsohne eine Gruppe 2 rückhaltender, untereinander mittels Differentialgetriebe 5 verbundener und als Gesamtheit drehzahlgeregelter Walzen und eine Gruppe 1 ziehender, untereinander mittels Differentialgetriebe 5 verbundener und als Gesamtheit drehzahlgeregelter Walzen. Es liege auf der Hand, die aus der Betriebsart "kombiniertes Strecken" der Vorbenutzung bekannten Gruppen rückhaltender Walzen 1-5 der ersten Reckstrecke und ziehender Walzen 7-10 der zweiten Reckstrecke nach Art z. B. der D9 auszugestalten und sie symmetrisch zur zentralen Reckwalze anzuordnen. Damit gelange der Fachmann in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1.
VI. Zu der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumentation lassen sich die vorgetragenen Gegenargumente der Beschwerdegegnerin wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei gegenüber der angeblich vorbenutzten Reckanlage neu. Die ziehenden und rückhaltenden Walzen 1-4,8-10 dieser Reckanlage mögen einzeln drehzahlregelbar sein, jedoch seien sie nicht als Gesamtheit drehzahlgeregelt wie es im Patentanspruch 1 vorgeschrieben wird.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber der von der Beschwerdeführerin angeführten Kombination, denn weder die angeblich vorbenutzte Reckanlage, noch die Reckanlagen nach der D8, D9 oder D10 zeigten eine zentrale Reckwalze im Sinne der Erfindung. Die Merkmale bezüglich der Differentialwirkung und der gemeinsamen Drehzahlregelung der Walzen stellten sicher, daß alle Walzen einer Gruppe anteilig zur Aufbringung der Spannkraft beitrügen, und führten zu einer gleichmäßigen Verteilung der Drehmomentverhältnisse.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Zur öffentlichen Zugänglichkeit der behaupteten Vorbenutzung
Die Beschwerdegegnerin bestritt die Offenkundigkeit der in den Anlagen 8 und 9 beschriebenen Betriebsweise der angeblich vorbenutzten Reckanlage, insbesondere das "kombinierte Strecken". Sie war der Ansicht, daß die Anlage 8 sich wie eine betriebsinterne Beschreibung lese. Die in der Anlage 8 angegebene VAW Bestell-Nummer stimme auch nicht mit der Bestellungsnummer der Anlage 2 überein. Insbesondere die Angabe auf Seite 5 der Anlage 2, wonach das Band entweder über eine kurze Strecke oder über eine lange Strecke gereckt werden könne, stehe im Widerspruch zur Anlage 9, wonach zusätzlich ein kombiniertes Strecken möglich sei (vgl. Anlage 9: Seite 14).
3. Zum Verfahrensablauf
Hauptzweck des Beschwerdeverfahrens ist es, der unterlegenen Partei eine Möglichkeit zu geben, die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich anzufechten und überprüfen zu lassen (vgl. G 9/91, ABl. 1993, 408). Im vorliegenden Fall ist die Einspruchsabteilung der Frage, ob die Reckanlage der geltend gemachten Vorbenutzung in allen ihren technischen Aspekten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, nicht nachgegangen. Insbesondere hat sie keine Veranlassung gesehen, den von der Beschwerdeführerin genannten Zeugen zu laden und anzuhören. Der Kammer liegen somit die Elemente nicht vor, die es erlauben würden, diese Frage zu überprüfen und zu beurteilen. Von der Einspruchsabteilung wurde hingegen entschieden, daß, auch wenn eine offenkundige Vorbenutzung der Reckanlage gemäß den Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Prioritätstag des angegriffenen Patents stattgefunden hätte, eine solche Offenbarung weder den Gegenstand des Patentanspruchs 1 neuheitsschädlich treffen, noch ihn gegebenenfalls in Kombination mit dem übrigen zitierten Stand der Technik nahelegen würde. Daher schlug die Kammer im Bescheid zur Ladung für die mündliche Verhandlung vor, erst diese Aspekte der Entscheidung zu überprüfen, ohne zunächst auf die Frage der Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzung einzugehen. Insoweit waren die Angaben der Beschwerdeführerin zur vorbenutzten Anlage auf der Grundlage der eingereichten Dokumente sowohl hinsichtlich ihrer technischen Ausgestaltung als auch bezüglich ihrer Betriebsweise vorbehaltlich einer zur Klärung der Frage der Offenkundigkeit gegebenenfalls später durchzuführenden Zeugeneinvernahme als Tatbestand zu unterstellen.
Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung ihr Einverständnis mit dieser Vorgehensweise erklärt.
4. Der Gegenstand der geltend gemachten Vorbenutzung
Als Grundlage für die Erörterung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit wird unterstellt, daß die vorbenutzte Reckanlage zum Stand der Technik gehört. Es herrschte Einverständnis darüber, daß diese Reckanlage nachfolgende technische Merkmale aufweist:
Hauptkomponenten der Reckanlage sind zehn Spanntrommeln (Rollen 1 bis 5 und 8 bis 10 mit 600mm Durchmesser und Spannrollen 6 und 7 mit 1000mm Durchmesser) und deren geregelten Antrieben (vgl. Anlagen 5-6 und 10-11). Die Zeichnungen der Anlagen 5 und 6 zeigen den schematischen Aufbau der Reckanlage. Der Antrieb erfolgt über einen für alle Spanntrommeln gemeinsamen Hauptantrieb, der die Grunddrehzahl der einzelnen Trommeln vorgibt. Die Drehzahl der Trommel 6, die den sogenannten "Speedmaster" darstellt, wird direkt vom Hauptantrieb erzeugt. Jede der übrigen Trommeln kann zusätzlich zu dem gemeinsamen Hauptantrieb durch einen ihr gesondert zugeordneten Gleichstrommotor und ein Überlagerungsgetriebe hinsichtlich Drehmoment oder Geschwindigkeit individuell angesteuert werden. Durch jedes Überlagerungsgetriebe ist eine Differentialwirkung zwischen Hauptantrieb, Trommel und Gleichstrommotor gewährleistet, die bei drehmomentgeregeltem Betrieb Bandlängung und unterschiedliche Trommeldurchmesser ausgleichen kann.
Laut Funktionsbeschreibung (Anlage 9) ist die Reckanlage für folgende verschiedene Betriebsweisen ausgelegt:
- Recken über eine kurze Strecke zwischen den Spanntrommeln 5 und 6 (X2 in Zeichnung zur Anlage 9). Die GS-Motoren M6 und M5 der entsprechenden Trommeln 5. und 6 werden drehzahlgeregelt gefahren, die Drehzahlregler der Verspannmotoren M1-M4 und M7-M10 werden zur Erzeugung der Brems- bzw. Zugmomente übersteuert;
- Recken über eine lange Strecke zwischen den Spanntrommeln 6 und 7 (X3 in Zeichnung zur Anlage 9). Die GS-Motoren M6 und M7 der entsprechenden Trommeln 6. und 7 werden drehzahlgeregelt gefahren, die Drehzahlregler der Verspannmotoren M1-M5 und M8-M10 werden zur Erzeugung der Brems- bzw. Zugmomente übersteuert;
- kombiniertes Recken zwischen den Spanntrommeln 5 und 6 und den Spanntrommeln 6 und 7. Die GS-Motoren M7, M6 und M5 der entsprechenden Trommeln 7, 6 und 5 werden drehzahlgeregelt gefahren, die Drehzahlregler der Verspannmotoren M1-M4 und M8-M10 werden zur Erzeugung der Brems- bzw. Zugmomente übersteuert.
5. Auslegung des Patentanspruchs 1
Die Ausdrücke "untereinander mittels Differentialgetriebe verbunden" und "als Gesamtheit drehzahlgeregelt" sind in Kombination miteinander zu lesen und bedeuten, daß sämtliche Walzen einer Gruppe untereinander über Differentialgetriebe antriebsverbunden und zusammen drehzahlgeregelt sind (vgl. Figur 2 und Spalte 2, Zeilen 31 bis Spalte 3, Zeile 6; Spalte 3, Zeilen 21-25 der Patentschrift). Die Differentialgetriebe wirken als Binde- und Antriebsglieder zwischen den benachbarten Walzen der Gruppe. In anderen Worten, wenn eine Welle eines Differentialgetriebes mit einer Walze einer Gruppe verbunden ist, dann sind die übrigen Wellen dieses Differentials jeweils mit den benachbarten Walzen dieser Gruppe verbunden und nur die außen liegenden Wellen der Differential-Getriebegruppe sind geschwindigkeitsgeregelt. Laut Spalte 3, Zeilen 21 bis 25. der Patentschrift stützen sich sowohl die letzte freie Welle des Differentialgetriebes 12 der ersten Rückhaltewalze 1, als auch die letzte freie Welle des Differentialgetriebes 25 der letzten ziehenden Walze 11 jeweils auf einen Antriebsmotor 17, 19 ab. Die Antriebsmotoren 17, 19 dienen zur Verspannung des Bandes 20. zwischen den Walzen 1-5 bzw. 7-11 untereinander und zur Verspannung der jeweiligen Gruppe gegen die zentrale Reckwalze 6. Aus der vorstehenden Auslegung des Patentanspruchs 1 geht somit eindeutig hervor, daß anspruchsgemäß nur eine einzige zentrale Reckwalze vorhanden ist.
6. Neuheit
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu gegenüber der Reckanlage der geltend gemachten Vorbenutzung.
Es mag dahingestellt bleiben, ob bei der Betriebsart "kombiniertes Strecken" dieser Reckanlage eine Gruppe rückhaltender Walzen 1-5 mit einer nachfolgend angeordneten drehzahlgeregelten Reckwalze 6 eine erste Reckstrecke bildet und die Reckwalze 6 mit einer Gruppe nachfolgend angeordneter ziehender Walzen 7-10 eine zweite Reckstrecke bildet, da die in der Reckanlage gewährleistete Differentialwirkung jedenfalls nicht mit derjenigen des Patentanspruchs 1 vergleichbar ist. Sie wird nicht mittels Differentialgetriebe erreicht, die die Walzen jeder Gruppe untereinander verbinden, sondern mittels individueller Überlagerungsgetriebe, die jede Walze jeweils mit dem Hauptantrieb und ihrem eigens vorgesehenen Gleichstrommotor verbinden. Über jedes dieser Überlagerungsgetriebe wird eine Differentialwirkung zwischen dem Hauptantrieb, der jeweiligen Walze und ihrem Gleichstrommotor gewährleistet.
Auch werden beim kombinierten Recken der Reckanlage gemäß der behaupteten Vorbenutzung die Walzen jeder ziehenden oder rückhaltenden Gruppe nicht als Gesamtheit drehzahlgeregelt. Lediglich die unmittelbar an den Reckstrecken angrenzenden Reckwalzen 5, 6 und 7 werden drehzahlgeregelt gefahren, alle übrige Spanntrommeln 1- 4, 8-10 werden über ihren eigens vorgesehenen Gleichstrommotor individuell drehmomentgeregelt. Würden die Gleichstrommotoren dieser Spanntrommeln allesamt mit einer Soll-Drehzahl geregelt, fände keine Differentialwirkung zwischen ihnen statt, die die Bandlängung und unterschiedliche Trommeldurchmesser ausgleichen könnte. Dieser Ausgleich kann nur bei drehmomentgeregeltem Betrieb dieser Spanntrommeln erfolgen (vgl. Anlage 8, Seite 3, sechster Absatz).
7. Erfinderische Tätigkeit
Die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sich in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der offenkundig vorbenutzten Anlage mit der D8, D9 oder D10 ergebe, wird von der Kammer nicht geteilt.
Nach der Anlage 1 der Unterlagen der geltend gemachten Vorbenutzung liegt der Arbeitsweise der Reckanlage ein Reckverfahren zu Grunde, das zum Patent angemeldet worden ist und bei dem der bei der plastischen Reckung auftretende, durch das Kontrahieren des Bandes in Querrichtung verursachte Effekt des Mittenschüsselns minimiert werden soll (vgl. Punkt "Arbeitweise" in den Seiten 21-22 der Anlage 1). Gemäß diesem Verfahren ist das Verspannsystem der Reckanlage angeblich so konfiguriert, daß bis zu 95 % der Steckgrenze schon vor der unmittelbar an den Reckstrecken angrenzenden Reckwalzen aufgebaut werden können, so daß das Band schon vorher kontrahiert und an der Reckwalzen nur noch der für das Erreichen des vollplastischen Zustandes nötige Differenzzug aufgebaut wird. Es kommt darauf an, daß die unmittelbar an den Reckstrecken angrenzenden Reckwalzen drehzahlgeregelt werden, wogegen die übrigen ziehenden und rückhaltenden Walzen drehmomentgeregelt werden und ein abgestuftes Drehmoment zum Bandzug bringen. Den ziehenden und rückhaltenden Walzen kommt nämlich ein verhältnismäßig hoher Zuganteil zu, weil sie im wesentlichen für den elastischen Anteil des Streckzuges aufkommen. Die plastische Verformung des Bandes im Zuge des Reckvorganges wird durch die Regelung der Drehgeschwindigkeit der unmittelbar an der Reckstrecke angrenzenden Reckwalzen beherrscht, wobei das an diesen Reckwalzen übertragene Moment sehr stark verringert werden kann (vgl. Anlage 2, zweiter Absatz).
Dieses Grundprinzip wird bei sämtlichen Betriebsarten der vorbenutzten Reckanlage systematisch verfolgt. Bei der kurzen Reckstrecke werden die Reckwalzen 5 und 6 geschwindigkeitsgeregelt (vgl. Anlage 5), bei der langen Reckstrecke die Reckwalzen 6 und 7 (vgl. Anlage 6) und bei der kombinierten Reckstrecke die Reckwalzen 5, 6 und 7. (vgl. Anlage 9). Die übrigen weiteren Walzen werden bei allen Betriebsarten drehmomentgeregelt und erzeugen das abgestufte Drehmoment zum Bandzug. Bei keiner dieser Betriebsarten ist eine alleinige zentrale drehzahlbestimmende Reckwalze, die von jeweils als Gesamtheit anzusehenden ziehenden und rückhaltenden Walzengruppen flankiert ist, erkennbar. Bei der angeblich vorbenutzten Reckanlage ist die Geschwindigkeit oder das Drehmoment jeder Walze gesondert vorgegeben. Dies steht geradezu im Widerspruch zur Angabe des Patentanspruchs 1, daß die Walzen der rückhaltenden, bzw. der ziehenden Gruppe als Gesamtheit drehzahlgeregelt werden. Durch diese individuelle Regelungsmöglichkeit soll, wie dies aus den vorgelegten Unterlagen eindeutig hervorgeht, die Vielseitigkeit der Betriebsweise und die große Anpaßbarkeit der Reckanlage gesichert werden. Die Reckanlage kann nicht nur über eine kurzen Reckstrecke, eine lange Reckstrecke und eine kombinierte Reckstrecke gefahren werden, es sollen sogar kleinere Querschnitte von Aluminiumbändern gereckt werden können (vgl. Anlage 9, Seite 4, Betriebsarten, Positionen 1 bis 5). Aus der Sicht der Kammer gibt das in der geltend gemachten Vorbenutzung verwirklichte technische Prinzip keinerlei Anlaß oder Anregung, auf die vorgesehene Drehmomentregelung mittels Überlagerungsgetriebe und GS-Motoren zu verzichten, weil diese Maßnahme die hohe Flexibilität und den großen Einsatzbereich der Reckanlage in Frage stellen würde.
Weder in den Unterlagen zu der angeblichen Vorbenutzung noch in den übrigen zitierten Entgegenhaltungen gibt es überhaupt einen Hinweis, der einen Fachmann dazu verlassen könnte, eine speziell auf das kombinierte Recken aufgebaute Reckanlage mit einer zentral drehzahlgeregelten Walze nach den Angaben des Patentanspruch 1 zu schaffen.
Beim Verspannsystem der Reckanlage nach der D8 werden die unmittelbar an der einzigen Reckstrecke angrenzenden Walzen 5 und 9 wie bei der angeblich vorbenutzten Reckanlage gesondert geschwindigkeitsgeregelt (vgl. Seite 7, dritter Absatz).
Die Figur 2 der D9 zeigt zwar eine Gruppe 2 rückhaltender, untereinander mittels Differentialgetriebe 5 verbundener und als Gesamtheit drehzahlgeregelter Walzen und eine Gruppe 1 ziehender, untereinander mittels Differentialgetriebe 5 verbundener und als Gesamtheit drehzahlgeregelter Walzen, jedoch weder diese Schrift noch die angeblich vorbenutzte Reckanlage lehrt, wie die ziehenden Walzen auf der einen Seite und die rückhaltenden Walzen auf der anderen Seite mit einer vermeintlichen zentralen Reckwalze antriebsmäßig verbunden werden könnten.
Bei der Reckanlage nach dem Prospekt D10 unterscheidet sich der Aufbau der Verspannsysteme im wesentlichen nicht von demjenigen der D9.
In keiner der druckschriftlichen Entgegenhaltungen D1- D10 ist die Rede von einem zweistufigen Recken beiderseits einer zentral angeordneten Walze. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 kann sich deshalb aus diesem druckschriftlichen Stand der Technik auch nicht in naheliegender Weise ergeben.
Daraus folgt, daß der Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Die abhängigen Ansprüche betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands des Patentanspruchs 1 und haben in Zusammenhang mit diesem Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen