European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T047203.20060119 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 Januar 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0472/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96111237.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | C04B 24/26 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verwendung wässriger Polymerisatdispersionen zum Modifizieren mineralischer Baustoffe | ||||||||
Name des Anmelders: | BASF Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Wacker Chemie AG | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (Hauptantrag und erster Hilfsantrag: verneint) Erfinderische Tätigkeit (dritter Hilfsantrag: verneint) Unzulässige Erweiterung (zweiter Hilfsantrag: bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegenden Beschwerden betreffen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 11. Februar 2003, zur Post gegeben am 21. Februar 2003, mit der das europäische Patent EP-B-0 754 657 in geänderter Form gemäß Hilfsantrag vom 31. Januar 2003 aufrechterhalten wurde.
II. Der der Entscheidung zugrunde liegende Hauptantrag beruhte auf der erteilten Fassung, deren unabhängige Ansprüche 1 und 28 wie folgt lauteten:
"1. Verfahren zur Herstellung von mit Polymerisaten modifizierten mineralischen Baustoffen, bei dem man in eine ein mineralisches Bindemittel und mineralische Zuschläge enthaltende Trockenzubereitung eine wäßrige Dispersion des modifizierend wirkenden Polymerisats einarbeitet, dadurch gekennzeichnet, daß das in der wässrigen Polymerisatdispersion in disperser Verteilung befindliche Polymerisat, bezogen auf sein Gesamtgewicht, aus
> 0 bis < 5 Gew.-% (Meth)acrylsäure und/oder einem ihrer Salze (Monomere I),
> 0 bis < 5 Gew.-% (Meth)acrylamid (Monomere II) und als Restmenge
90 bis 97,5 Gew.-% sonstigen nichtionischen, wenigstens eine ethylenisch ungesättigte Gruppe aufweisenden Monomeren (Monomere III)
in radikalisch polymerisierter Form aufgebaut ist und in Form von Polymerisatteilchen vorliegt, deren gewichtsmittlerer Durchmesser 100 bis 300 nm beträgt."
"28. Verwendung einer wäßrigen Polymerisatdispersion, deren in disperser Verteilung befindliches Polymerisat, bezogen auf sein Gesamtgewicht, aus
> 0 bis < 5 Gew.-% (Meth)acrylsäure und/oder einem ihrer Salze (Monomere I),
> 0 bis < 5 Gew.-% (Meth)acrylamid (Monomere II) und als Restmenge
90 bis 97,5 Gew.-% sonstigen nichtionischen, wenigstens eine ethylenisch ungesättigte Gruppe aufweisenden Monomeren (Monomere III)
in radikalisch polymerisierter Form aufgebaut ist und in Form von Polymerisatteilchen vorliegt, deren gewichtsmittlerer Durchmesser 100 bis 300 nm beträgt, als Additiv in mineralischen Baustoffen."
III. Im Einspruchsverfahren stützten sich die Parteien unter anderen auf die folgenden Dokumente:
D1: EP A 0 629 650
D6: Römpp Chemielexikon, Bd. PI-S, Hsg. J. Falbe, M. Regitz, 9. Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart - New York, Seite 3545.
D9: Zusammenstellung der Bestandteile der Polymerisate DPIIa und DPIIc aus D1 (Anlage 3 der Entscheidung der Einspruchsabteilung)
D10: Ansatzprotokoll TDW 7870, vom 20. November 2002
IV. In ihrer Entscheidung wies die Einspruchsabteilung die erteilten Ansprüche mangels Neuheit der Ansprüche 1 und 28 - 34 in Hinblick auf D1, insbesondere Beispiel DPIIc, zurück. Aus diesem Dokument war bereits ein Polymerisat mit der Zusammensetzung nach Anspruch 1 bekannt. Die Nacharbeitung dieses Beispiels in D10 zeige, dass die Größe der Polymerisatteilchen etwa 200 nm betrage. D1 lehrte auch die Verwendung von wässrigen Dispersionen dieses Polymerisats bzw. von Polymerisatpulvern als Additive in mineralischen Baustoffen. Hingegen waren die Ansprüche des Hilfsantrags neu und erfinderisch, da die beanspruchte Glasübergangstemperatur Tg von 0 bis 25 ºC in D1 nicht offenbart war und da die Erzielung der beanspruchten Teilchengröße mit dem anspruchsgemäßen Emulgatorsystem nicht naheliegend war.
V. Gegen diese Entscheidung wurde von beiden Parteien Beschwerde eingelegt.
VI. Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende) legte im Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 20. Oktober 2003 die folgenden Dokumente zusätzlich vor:
D11 Protokoll des Versuchs TSCW 8799
D12 Protokoll des Versuchs TDW 8101
D15 BASF Publikation "Nichtionische Tenside" vom April 1995
VII. In Antwort auf einen Bescheid der Kammer legte die Beschwerdeführerin II (Patentinhaberin) mit Schreiben vom 16. Dezember 2005 neue Ansprüche als Hauptantrag und Hilfsanträge 1 und 3 vor. Als Hilfsantrag 2 wurde die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des von der Einspruchsabteilung gewährten Hilfsantrags beantragt. Der Hauptantrag entspricht den erteilten Ansprüchen, wobei jedoch die Patentansprüche 29 - 34 gestrichen wurden. Für den Wortlaut der Ansprüche 1 and 28 gemäß Hauptantrag siehe Punkt II.
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 27 des ersten Hilfsantrags unterscheiden sich vom Anspruch 1 und Anspruch 28 gemäß Hauptantrag durch die zusätzlichen Merkmale
"wobei die Gesamtmenge an Dispergiermittel in der wäßrigen Dispersion des modifizierend wirkenden Polymerisats, auf dessen Menge bezogen, > 0 bis <= 3 Gew.-% beträgt, bezogen auf das dispergierte Polymerisats höchstens 1 Gew.-% an nichtionischem Emulgator umfaßt, sowie zu wenigstens 50 Gew.-% aus anionischem Emulgator besteht",
die nach dem Wort "beträgt" eingesetzt wurden.
Der unabhängige Anspruch 22 des zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich vom Verwendungsanspruch 28 gemäß Hauptantrag nur durch die weiteren Merkmale
"wobei die Gesamtmenge an Dispergiermittel in der wäßrigen Dispersion des modifizierend wirkenden Polymerisats, auf dessen Menge bezogen, > 0 bis <= 3 Gew.-% beträgt, bezogen auf das dispergierte Polymerisats höchstens 1 Gew.-% an nichtionischem Emulgator umfaßt, sowie zu wenigstens 50 Gew.-% aus anionischem Emulgator besteht und wobei die Glasübergangstemperatur der Verfilmung der wäßrigen Polymerisatdispersion 0 bis 25 ºC beträgt",
die nach dem Wort "beträgt" eingesetzt wurden. Anspruch 26 des zweiten Hilfsantrags hat folgenden Wortlaut:
"26. Wäßrige Polymerisatdispersion, deren in disperser Verteilung befindliches Polymerisat, bezogen auf sein Gesamtgewicht, aus
> 0 bis < 5 Gew.-% (Meth)acrylsäure und/oder einem ihrer Salze (Monomere I),
> 0 bis < 5 Gew.-% (Meth)acrylamid (Monomere II) und als Restmenge
90 bis 97,5 Gew.-% sonstigen nichtionischen, wenigstens eine ethylenisch ungesättigte Gruppe aufweisenden Monomeren (Monomere III)
in radikalisch polymerisierter Form aufgebaut ist und in Form von Polymerisatteilchen vorliegt, deren gewichtsmittlerer Durchmesser 100 bis 300 nm beträgt und deren Gesamtmenge an Dispergiermittel, bezogen auf das dispergierte Polymerisat, <= 3 Gew.-% beträgt, bezogen auf das dispergierte Polymerisat höchstens 1 Gew.-% an nichtionischem Emulgator umfaßt, sowie zu wenigstens 50 Gew.-% aus anionischem Emulgator besteht, und wobei die Glasübergangstemperatur der Verfilmung der wäßrigen Polymerisatdispersion 0 bis 25 ºC beträgt."
Der unabhängige Anspruch 20 des dritten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 28 gemäß Hauptantrag durch die weiteren Merkmale
"wobei die Gesamtmenge an Dispergiermittel in der wäßrigen Dispersion des modifizierend wirkenden Polymerisats, auf dessen Menge bezogen, > 0 bis <= 3 Gew.-% beträgt, bezogen auf das dispergierte Polymerisats höchstens 1 Gew.-% an nichtionischem Emulgator umfaßt, sowie zu wenigstens 50 Gew.-% aus anionischem Emulgator besteht, die Monomeren III ausschließlich Styrol und Butadien sind und die Glasübergangstemperatur der Verfilmung der wäßrigen Polymerisatdispersion 0 bis 25 ºC beträgt",
die nach dem Wort "beträgt" eingesetzt wurden.
Die unabhängigen Ansprüche 21 und 22 des dritten Hilfsantrags haben folgenden Wortlaut:
"21. Redispergierbares Polymerisatpulver, erhältlich durch Trocknung einer wäßrigen Polymerisatdispersion, deren in disperser Verteilung befindliches Polymerisat, bezogen auf sein Gesamtgewicht, aus
> 0 bis < 5 Gew.-% (Meth)acrylsäure und/oder einem ihrer Salze (Monomere I),
> 0 bis < 5 Gew.-% (Meth)acrylamid (Monomere II) und als Restmenge
90 bis 97,5 Gew.-% sonstigen nichtionischen, wenigstens eine ethylenisch ungesättigte Gruppe aufweisenden Monomeren (Monomere III)
in radikalisch polymerisierter Form aufgebaut ist und in Form von Polymerisatteilchen vorliegt, deren gewichtsmittlerer Durchmesser 100 bis 300 nm beträgt, wobei die Gesamtmenge an Dispergiermittel in der wäßrigen Dispersion des modifizierend wirkenden Polymerisats, auf dessen Menge bezogen, > 0 bis <= 3 Gew.-% beträgt, bezogen auf das dispergierte Polymerisats höchstens 1 Gew.-% an nichtionischem Emulgator umfaßt, sowie zu wenigstens 50 Gew.-% aus anionischem Emulgator besteht, die Monomeren III ausschließlich Styrol und Butadien sind und die Glasübergangstemperatur der Verfilmung der wäßrigen Polymerisatdispersion 0 bis 25 ºC beträgt."
"22. Verwendung von redispergierbaren Polymerisatpulvern nach Anspruch 31 als Additiv in mineralischen Baustoffen."
VIII. Am 19. Januar 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Die Beschwerdeführerin I beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes auf der Basis des Hauptantrags oder der Hilfsanträge 1 oder 3 wie eingereicht mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2005. Als Hilfsantrag 2 wurde die Zurückweisung der Beschwerde beantragt (in Entsprechung des Hilfsantrages vom 31. Januar 2003).
IX. Die Parteien brachten an Argumenten im wesentlichen vor:
Beschwerdeführerin I:
Anspruch 1 des Hauptantrags sei nicht neu in Hinblick auf D1, insbesondere Beispiel DPIIc in Verbindung mit Seite 12, Zeile 14, wo die Verwendung von Polymerdispersionen DPIIi zur Modifizierung von mineralischen Bindemitteln offenbart sei. D1 enthalte keine Angaben, die darauf schließen ließen, dass von ihnen etwa nur die Polymerdispersion DPIIa für den beanspruchten Einsatz geeignet wäre. Die Zusammensetzung des Beispiels DPIIc liege im beanspruchten Bereich (siehe D9), die mittlere Teilchengröße von ca. 200 nm sei durch den Versuchsbericht D11 nachgewiesen. Dieselbe Argumentation treffe auch auf den Verwendungsanspruch 28 zu.
Die Ansprüche 1, 28 - 30 des ersten Hilfsantrags seien ebenfalls nicht neu, da die hinzugekommenen Merkmale, betreffend die Dispergiermittelmenge und -zusammensetzung, bereits aus dem Beispiel DPIIc aus D1 bekannt seien. Hinsichtlich der in den sprühgetrockneten redispergierbaren Pulvern der D1 enthaltenen Menge des Emulgators bzw. des Sprühhilfsmittels, soweit dieser ebenfalls als Emulgator wirke, verwies die Beschwerdeführerin I auf das Streitpatent, Paragraph [27]. Dort sei die erfindungsgemäß zu verwendende Menge auf das dispergierte Polymerisat bezogen; die Angabe von <= 3 Gew.-% in Anspruch 28 des ersten Hilfsantrags sage daher nichts über die zulässige Maximalmenge an Dispergiermittel im sprühgetrockneten, redispergierbaren Pulver aus und könne die Neuheit nicht herstellen.
Den zweiten Hilfsantrag betreffend erhob die Beschwerdeführerin I den Einwand der unzulässigen Erweiterung. Der Glasübergangstemperatur - Bereich Tg von 0 bis 25 ºC sei auf Seite 7, Zeile 25, der ursprünglich eingereichten Beschreibung nur in einem konkreten Zusammenhang erwähnt, die Aufnahme in den breiter formulierten Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags verstoße daher gegen Art. 123 (2) EPÜ. Überdies sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch. Die Lehre von D1 lasse sich nicht darauf beschränken, zur Modifizierung von mineralischen Baustoffen nur eine Polymerdispersion mit einer Glasübergangstemperatur von 60 ºC wie im Beispiel DPIIc einzusetzen. Vielmehr seien laut Seite 7, Zeile 19, Polymerisate mit Tg < 60 ºC als bevorzugt, und solche mit Tg <= 30 ºC als besonders bevorzugt geeignet genannt.
Zum dritten Hilfsantrag hatte die Beschwerdeführerin I keine Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ, bestritt aber die Neuheit der Gegenstände der unabhängigen Ansprüche. Das zusätzliche Merkmal bezüglich der Definition der Monomeren III (nunmehr Styrol / Butadien) sei aus D1, Beispiel DPIIc, bereits bekannt. Der ausgewählte Bereich der Tg (0 bis 25 ºC) genüge nicht den in T 279/89 aufgestellten Kriterien für neue Auswahl, da der Bereich nicht klein sei gegenüber dem in D1 genannten bevorzugten Bereich von Tg <= 30 ºC, kein ausreichender Abstand zum bevorzugten Bereich gewahrt sei und auch keine durch einen Effekt gekennzeichnete, zielgerichtete Auswahl vorliege. Jedenfalls sei dem Streitpatent nichts zu entnehmen, was den Bereich der Tg von 0 bis 25 ºC besonders hervorhebe. Die unabhängigen Ansprüche seien daher nicht neu, jedenfalls aber nicht erfinderisch. Ausgehend von D1 als nächstem Stand der Technik und unter Berücksichtigung von insbesondere Paragraph [16] des Streitpatents könne die Aufgabe darin gesehen werden, Polymerdispersionen oder - pulver zur Verfügung zu stellen, die sich zur Modifizierung von mineralischen Bindemitteln eigneten und die nur mit Emulgator stabilisiert seien, so dass auf den Einsatz von Schutzkolloiden verzichtet werden könne. Es wäre in Hinblick auf DPIIc naheliegend gewesen, diese Aufgabe anspruchsgemäß zu lösen und eine Tg von 0 bis 25 ºC auszuwählen, da aus D1, Zeile 10 - 20 bekannt sei, dass sich diese Dispersionen besonders für den Einsatz als Additive in mineralischen Bindemitteln optimieren lassen, indem die Tg auf unter 30 ºC abgesenkt werde. Es sei dem Fachmann bekannt, dass Tg überwiegend von der Zusammensetzung des Monomerengemischs abhinge, was auch in D12 nachgewiesen werde. Die bekannten Dispersate könne der Fachmann durch Anwendung der Fox - Formel (aus D1 selbst bekannt) auf Tg <= 30 ºC einstellen, um diese Produkte weiter zu optimieren. Die Vorteile der nunmehr beanspruchten Polymerzusammensetzung aus den Monomeren III Styrol und Butadien seien bereits in DPIIc verwirklicht. Im Übrigen sei dem Fachmann und durchschnittlichen Polymerchemiker bekannt, dass aus Styrol und Butadien aufgebaute Copolymere gegen alkalische Hydrolyse vergleichsweise stabiler seien als beispielsweise solche aus (Meth)acrylatestern. Dispersionen von Polymerisaten aus Styrol und Butadien seien daher für eine Anwendung als modifizierende Additive in mineralischen Bindemitteln bevorzugt.
Beschwerdeführerin II:
Zum Hauptantrag und ersten Hilfsantrag:
Gegenstand der Entgegenhaltung D1 sei die Herstellung von Polymerisaten I, deren Verwendung als Sprühhilfsmittel bei der Sprühtrocknung von wässrigen Dispersionen von Polymerisaten II sowie die Verwendung dieser Polymerisate II und der sprühgetrockneten, in Wasser redispergierbaren Polymerisatpulver. Deren Einsatzmöglichkeiten seien vielfältig und reichten vom modifizierenden Additiv in Kunstharzputzen oder mineralischen Bindemitteln über Bindemittel in Kunstharzputzen oder Dispersionsfarben bis hin zur Rohstoffbasis für Klebstoffe oder Beschichtungsmassen (D1, Seite 7, Zeilen 37 - 40). Nicht jedes der offenbarten Polymerisate sei zwangsläufig für die Modifizierung von mineralischen Bindemitteln geeignet. Zwar sei im Rahmen der Versuchsbeschreibung zur Modifizierung von Portlandzement auf Seite 12, Zeile 16 der D1 allgemein von Dispersionen DPIIi die Rede. Für diesen Zweck seien aber konkret nur die Dispersion DPIIa und die Pulver Nr. 1, 6 und 7 aus Versuch 3 eingesetzt worden, wie aus Tabelle III ersichtlich, und das auch lediglich im Rahmen eines Vergleichs- oder Bestätigungsversuches gegenüber den sprühgetrockneten redispergierbaren Pulvern Nr. 1 und 6 (siehe D1, Seite 12, Tabelle III). Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 28 gemäß Hauptantrag sei gegenüber der wässrigen Polymerisatdispersion DPIIa jedenfalls neu, da die Dispersion DPIIa eine andere Monomerenzusammensetzung und mit 620 nm auch eine höhere mittlere Teilchengröße der Polymerisatteilchen als erfindungsgemäß gefordert aufweise, wie durch
D16: Auszug aus dem Laborjournal GK 389, Versuch 1944
nachgewiesen worden sei. In D1 seien auch keine Angaben über die Teilchengröße der in wässriger Dispersion vorliegenden Polymerisatpartikel zu finden. Gemäß D6 könnten solche Polymerisatpartikel in wässrigen Polymerisatdispersionen Teilchengrößen von 50 nm bis 5000 nm aufweisen. Die Dispersion DPIIc falle nicht unter die auf Seite 7, Zeile 21 - 29 gegebene Definition der bevorzugten Polymerisate. Eine Lehre, genau dieses Dispersionspolymerisat für die Modifizierung mineralischer Bindemittel zu verwenden, sei daher in D1 nicht gegeben und die Neuheit der Ansprüche damit begründet. Die von der Beschwerdeführerin I neu ins Verfahren eingebrachte Publikation D15 beschreibe allenfalls die vorteilhaften Wirkungen von nichtionischen BASF - Tensiden bei der Emulsionspolymerisation. Sie könne aber das erfindungsgemäße Emulgatorsystem, welches maximal 1 Gew.-% nichtionisches Tensid als Emulgator enthalte, nicht nahelegen. Aus den schematischen Darstellungen auf Seite 4 der D15 ließe sich nicht ableiten, unter welchen konkreten Polymerisationsbedingungen die erfindungsgemäße mittlere Teilchengröße erhalten werden könne.
Es sei auch nicht naheliegend, diese wässrigen Polymerisatdispersionen oder daraus durch Sprühtrocknung hergestellte Pulver mit anderer Zusammensetzung als DPIIa als Additive in mineralische Bindemittelzusammensetzungen einzuarbeiten. Dieselben Argumente gälten auch für die Hilfsanträge.
Die Beschwerdeführerin II führte auch aus, dass in den sprühgetrockneten redispergierbaren Pulvern der D1 die Menge an Dispergiermittel, das bekanntlich ebenfalls dispergierend wirkende Sprühhilfsmittel eingeschlossen, den anspruchsgemäßen Grenzwert von 3 Gew.-% übersteige. Daher seien insbesondere die Gegenstände der Ansprüche 28 - 30 des ersten Hilfsantrages neu.
Zum Hilfsantrag 2:
Bezüglich der Offenbarung einer Glasübergangstemperatur von 0 - 25 ºC verwies die Beschwerdeführerin II auf Seite 7, Zeile 25 der A - Schrift. Die genannten beispielhaften Fälle schränkten die generelle Offenbarung dieses Wertebereichs nicht ein.
Zum Hilfsantrag 3:
Der Bereich möglicher Glasübergangstemperaturen für Emulsionspolymerisate sei breit. In Anspruch 15 des Streitpatents selbst sei ein in Frage kommender Bereich von - 70 ºC bis + 100 ºC offenbart. Demgegenüber bedeute der im Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags definierte Bereich von 0 bis 25 ºC eine Einschränkung auf einen engen Ausschnitt. Die Überlappung mit D1 sei zudem gering, da der Bereich von <= 30 ºC in D1 nach unten offen sei. Die Glasübergangstemperaturen aller konkreten Ausführungsbeispiele der D1 fielen außerhalb des beanspruchten Bereichs, bei DPIIa und DPIIb auch die Zusammensetzung des dispergierten Polymerisats. Die Neuheit sei daher gegeben. Die anspruchsgemäß als Monomere III ausschließlich verwendeten Monomere Styrol und Butadien wiesen den großen Vorteil der Hydrolysestabilität im alkalischen Milieu auf. Die Zementstabilität sei im Streitpatent belegt (Seite 9, Paragraphen [64] und [65]). Diese Kombination von Hydrolysestabilität und Glasübergangstemperatur mache die beanspruchten Produkte für den vorgesehenen Verwendungszweck so wertvoll. Als weitere anwendungstechnische Vorteile von mit den beanspruchten wässrigen Polymerisatdispersionen hergestellten Zementmörteln seien zu nennen die gute Soforthaftung, die Sofortstandfestigkeit, die Modellierbarkeit und die fehlende Klebrigkeit am Werkzeug, allesamt nachgewiesen in Paragraphen [65] bis [69] des Streitpatents. Diese Eigenschaften seien durch D1 nicht nahegelegt. Die Beschwerdeführerin II betonte, dass die anspruchsgemäße mittlere Teilchengröße des Polymerisats durch D1 nicht nahegelegt sei und nur zufällig in Beispiel DPIIc verwirklicht sei. Die bevorzugten Produkte DPIIa und DPIIb wiesen beide eine höhere Teilchengröße auf (620 nm, nachgewiesen in D16; bzw. ca. 400 nm, durch Interpolation der LD - Werte ableitbar). Auch die Verwendung von Styrol / Butadien in DPIIc sei bloß zufällig und nicht im Einklang mit den bevorzugten Monomerzusammensetzungen auf Seite 7, Zeile 21 - 29. Ausgehend davon hätte der Fachmann keinen Anlass gehabt, das Monomerenverhältnis Styrol / Butadien so abzuwandeln, dass es in den beanspruchten Bereich fiele, da in D1 andere Zusammensetzungen favorisiert seien.
X. Ein von der Beschwerdeführerin II im Schreiben vom 23. Januar 2004 gestellter Antrag, die von der Beschwerdeführerin I mit Schreiben vom 20. Oktober 2003 neu vorgelegten Schriften als verspätet nicht zu berücksichtigen, wurde während der mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Änderungen - Zweiter Hilfsantrag
Die unabhängigen Ansprüche 22 und 26 gemäß zweitem Hilfsantrag enthalten folgendes Merkmal:
"wobei die Glasübergangstemperatur der Verfilmung der wäßrigen Polymerisatdispersion 0 bis 25 ºC beträgt".
Dieses Merkmal ist offenbart auf Seite 9, Zeilen 18 und 19 der ursprünglich eingereichten Unterlagen, dort allerdings nur im Zusammenhang mit der Verwendung der Dispersionen zur Modifikation von Reparaturmörteln; und auf Seite 13, Zeilen 13 - 19, dort nur im Zusammenhang mit besonders ausgewählten Polymerisatdispersionen, bei denen die Monomeren III ausschließlich Styrol und Butadien sind. Weitere Offenbarungsstellen des in Frage stehenden Merkmals finden sich nicht, insbesondere ist eine allgemeine Offenbarung des Glasübergangs temperaturbereichs, die die Ansprüche tragen könnte, im Gegensatz zu der Behauptung der Beschwerdeführerin II nicht vorhanden.
Da die erwähnten Ansprüche des Hilfsantrags 2 weder auf diese bestimmte Verwendung zur Modifikation von Reparaturmörteln noch auf Polymerisatdispersionen, bei denen die Monomeren III ausschließlich aus Styrol und Butadien bestehen, beschränkt sind, kommt die Kammer zum Schluss, dass ihr Inhalt über die ursprüngliche Offenbarung hinausgeht.
Diese Ansprüche genügen daher nicht den Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ und sind nicht gewährbar.
3. Neuheit
3.1 Hauptantrag: Anspruch 28
Aus Dokument D1, Seite 10, Beispiel DPIIc, ist ein Polymerisat bekannt, das aus 81 Gew.-% Styrol und 15 Gew.-% Butadien, insgesamt also 96 Gew.-% an Monomeren vom Typ III, und 2,5 Gew.-% Acrylsäure an Monomer I und 1,5 Gew.-% Acrylamid an Monomer II in radikalisch polymerisierter Form aufgebaut ist. Diese Zusammensetzung und die daraus hergestellte wässrige Polymerisatdispersion fallen unter den Anspruch 28 des Streitpatents. Sie wurde polymerisiert mit einem Emulgatorsystem bestehend aus 0,4 % anionischem Emulgator (Dowfax 2A1) und 0,25 % anionischem Emulgator Natriumlaurylsulfat, insgesamt 0,65 %, bezogen auf das Polymerisat (siehe D9). Das Polymerisat hatte eine Glasübergangstemperatur Tg von 60 ºC. Die mittlere Partikelgröße der dispergierten Polymerteilchen beträgt 196 nm (arithmetischer volumsbezogener Mittelwert). Dieser Wert wurde von der Beschwerdeführerin I anhand einer Nacharbeitung des Beispiels (D11) ermittelt, deren Korrektheit von der Beschwerdeführerin II nicht bestritten wurde.
Diese Polymerdispersion wurde gemäß D1, Seite 10, Zeilen 37 - 47, und Seite 11, Tabelle I zusammen mit einem Sprühhilfsmittel DPIa zu einem Pulver Nr. 5 sprühgetrocknet.
Die wässrige Polymerisatdispersion selbst und die daraus hergestellten Pulver sind gemäß D1 zur Modifizierung von mineralischer Bindemitteln, wie z.B. Portlandzement, geeignet (siehe Seite 12, Zeilen 13 - 15; Seite 7, Zeilen 10 - 21; Anspruch 8). Die Kammer kann der Argumentation der Beschwerdeführerin II nicht folgen, dass nur gewisse der in D1 offenbarten wässrigen Polymerisatdispersionen bzw. Polymerisatpulver zur Modifizierung von mineralischen Bindemitteln geeignet wären, andere aber nur als Bindemittel für Dispersionsfarben und als Basis für Lacke und Klebstoffe offenbart seien. Es wird aus D1, Seite 7, Zeilen 10 - 20 und Zeilen 35 - 40 klar, dass diese möglichen (weiteren) Anwendungen einander nicht ausschließen, sondern dass die wässrigen Polymerisatdispersionen sich vielmehr neben ihrer Hauptverwendung zur Modifizierung von mineralischen Bindemitteln auch anders einsetzen lassen. Derart modifizierte mineralische Bindemittel sind auch im Anspruch 8 der D1 beansprucht, und zwar ohne jede Einschränkung hinsichtlich der Art der wässrigen Polymerisatdispersion. Dieser eindeutigen Lehre kann auch die Tatsache nicht Abbruch tun, dass die Polymerisatdispersion DPIIc laut Tabelle III nicht konkret auf ihre Eigenschaften als modifizierender Zusatz in mineralischen Bindemitteln untersucht wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA ist die Lehre eines Dokuments nicht auf die Ausführungsbeispiele beschränkt. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, dass der Fachmann aus dem Gesamtgehalt der Druckschrift D1 eindeutig vermittelt bekommt, die Dispersion DPIIc eigne sich als Additiv in mineralischen Bindemitteln und Baustoffen.
Die Verwendung nach Anspruch 28 des Hauptantrags ist damit durch D1 neuheitsschädlich vorweggenommen.
3.2 Erster Hilfsantrag: Anspruch 27
In Beispiel DPIIC aus D1 wird ein Emulgatorsystem, bestehend aus 0,4 % anionischem Emulgator (Dowfax 2A1) und 0,25 % anionischem Emulgator Natriumlaurylsulfat, insgesamt 0,65 %, bezogen auf das Polymerisat, verwendet (siehe D1, Seite 10, Zeilen 11 - 36; sowie Dokument D9). Es fällt damit in den beanspruchten Bereich von <= 3 %, was die Gesamtmenge an Emulgator betrifft, und erfüllt die anspruchsgemäßen Bedingungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Emulgators, indem es nämlich 0 % an nichtionischem Emulgator und 100 % an anionischem Emulgator aufweist.
Da sich Anspruch 27 des ersten Hilfsantrags nur durch diese Merkmale vom Anspruch 28 des Hauptantrags unterscheidet, fehlt es ihm ebenfalls an Neuheit.
Die Beschwerdeführerin II hat während der mündlichen Verhandlung argumentiert, dass ein weiteres, die Neuheit begründendes Merkmal in der Gesamtmenge des Dispergiermittels, die anspruchsgemäß > 0 bis <= 3 Gew.-% betragen soll, liege. Sie hat auf die Eingabe vom 10. Juni 2003 verwiesen, wo unter Hinweis auf D1, Seite 4, Zeilen 3 - 5 und die dort zitierte US A 3,965,032 (insbesondere Spalte 1, Zeilen 66, 67; Spalte 11, Zeilen 44, 45) gezeigt worden sei, dass die in D1 in Mengen von 10 oder 15 % verwendeten Sprühhilfsmittel DPIi als Dispergiermittel bekannt seien und daher der Gesamtmenge an Dispergiermittel zugerechnet werden müssten. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass im Anspruch 27 des Hilfsantrags 1 die Menge des Dispergiermittels eindeutig als die Emulgatormenge bezogen auf das Polymerisat in der wässrigen Dispersion, also vor und während der Polymerisation, angegeben ist, und nicht auf die Menge im sprühgetrockneten Endprodukt. Abgesehen davon kann dieses Argument auf Anspruch 27 des ersten Hilfsantrags, der auf die Verwendung der wässrigen Dispersion und nicht auf das sprühgetrocknete Pulver gerichtet ist, nicht zutreffen, und ihm daher nicht zur Neuheit verhelfen.
3.3 Dritter Hilfsantrag
Die Beschwerdeführerin I hat die Neuheit der unabhängigen Ansprüche dieses Antrags mit dem Argument angegriffen, dass keine neue Auswahl an Merkmalen im Sinne der Entscheidung T 279/89 (vom 3. Juli 1991, nicht im ABl. EPA veröffentlicht) vorliege.
Die Kammer ist von dieser Argumentation, insbesondere von der vorgenommenen Kombination der Merkmale des konkreten Ausführungsbeispiels DPIIc (mit einer spezifischen Zusammensetzung und einer Glasübergangstemperatur Tg = 60 ºC) mit der Angabe der bevorzugten Glasübergangstemperatur von <= 30 ºC in der Beschreibung, nicht überzeugt, u.a. weil eine Änderung der Glasübergangstemperatur Tg auf <= 30 ºC bzw. auf 0 bis 25 ºC auch eine Änderung der Zusammensetzung des Polymerisats bedingen würde. Sie braucht aber diese Frage nicht weiter zu untersuchen, denn wenn man zu Gunsten der Beschwerdeführerin II unterstellt, dass das Merkmal einer Glasübergangstemperatur Tg von 0 bis 25 ºC die Neuheit der Ansprüche herstellt, so liegt, wie nachfolgend unter Punkt 4. gezeigt, jedenfalls keine erfinderische Tätigkeit vor.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Dritter Hilfsantrag - Ansprüche 20 und 21
Die Kammer sieht Dokument D1 als nächstliegenden Stand der Technik an. Dieses Dokument beschäftigt sich mit der Verwendung von Polymerisaten I als Sprühhilfsmitteln bei der Sprühtrocknung von wässrigen Dispersionen von Polymerisaten II, sowie mit der Verwendung dieser Dispersionen von Polymerisaten II und der sprühgetrockneten Pulver als modifizierende Additive in mineralischen Bindemitteln (siehe Seite 2, Zeilen 1 - 36; Seite 7, Zeilen 10 - 40; Seite 11, Versuche 1 - 5; Ansprüche 1, 4, 5 und 8).
Konkret offenbart D1 bereits im Beispiel DPIIc (Seite 10) ein Polymerisat, das aus 81 Gew.-% Styrol und 15 Gew.-% Butadien, insgesamt also 96 Gew.-% an Monomeren vom Typ III, und 2,5 Gew.-% Acrylsäure an Monomer I und 1,5 Gew.-% Acrylamid an Monomer II in radikalisch polymerisierter Form aufgebaut ist. Das verwendete Emulgatorsystem besteht aus 0,4 % anionischem Emulgator (Dowfax 2A1) und 0,25 % anionischem Emulgator Natriumlaurylsulfat, insgesamt 0,65 %, bezogen auf das Polymerisat. Das so hergestellte Polymerisat hat eine Glasübergangstemperatur Tg von 60 ºC und weist damit alle im Anspruch 20 des dritten Hilfsantrags angeführten Produktmerkmale mit Ausnahme der abweichenden Glasübergangstemperatur Tg auf. Die wässrige Polymerisatdispersion DPIIc aus D1 ist dort ebenfalls zur Verwendung als modifizierendes Additiv in mineralischen Bindemitteln offenbart, wie bereits unter Punkt 3.1. begründet.
4.2 Im Streitpatent selbst werden Vor- und Nachteile der im Stand der Technik bekannten wässrigen Polymerisatdispersionen an sich (Paragraphen [10] bis [12]) und auch hinsichtlich der zu ihrer Stabilisierung verwendeten Dispergiermittel, wie Emulgatoren und Schutzkolloide (Paragraphen [15] bis [24]), diskutiert.
Vor diesem Hintergrund und ausgehend von D1 als nächstem Stand der Technik definierte die Beschwerdeführerin I die Aufgabe des Streitpatents darin, weitere Polymerisatdispersionen oder -pulver zur Verfügung zu stellen, die sich ebenfalls als Additive zur Modifizierung von mineralischen Bindemitteln eignen und nur mit Emulgator stabilisiert sind, sodass kein Schutzkolloid benötigt wird. Die Kammer kann jedoch die Teilaufgabe bezüglich der Vermeidung von Schutzkolloiden nicht in Betracht ziehen, da die Anwesenheit solcher Schutzkolloide in den Ansprüchen nicht ausgeschlossen ist. Daher sieht die Kammer die technische Aufgabe darin, weitere Polymerisatdispersionen oder -pulver zur Verfügung zu stellen, die sich ebenfalls als Additive zur Modifizierung von mineralischen Bindemitteln eignen.
4.3 Die beanspruchte Lösung besteht in einer Verwendung gemäß Anspruch 20 des dritten Hilfsantrags, wobei die wässrige Polymerisatdispersion im Unterschied zu Beispiel DPIIc aus D1 eine Glasübergangstemperatur der Verfilmung von 0 bis 25 ºC aufweisen soll.
Es wurde nicht bestritten, dass die gestellte Aufgabe durch die beanspruchte Verwendung gelöst wird.
Die Beschwerdeführerin II hat geltend gemacht, dass im Rahmen der Erfindung überraschend gefunden wurde, dass sich Styrol / Butadien / Acrylsäure / Acrylamid - Copolymerisate mit einem bestimmten, anspruchsgemäßen Emulgatorgemisch, bestehend aus wenigstens 50 Gew.-% anionischem Emulgator, bei einer Gesamtmenge an Dispergiermittel von <= 3 Gew.-%, bezogen auf das Dispergat, zu feinteiligen Polymerisaten polymerisieren lassen. Diese hätten in der anwendungstechnischen Untersuchung als modifizierende Additive in mineralischer Bindemitteln hervorragende Eigenschaften hinsichtlich Soforthaftung, Modellierbarkeit, Sofortstandfestigkeit und Klebrigkeit der daraus hergestellten Zementmörtel gezeigt (siehe Streitpatent Seite 9, Paragraphen [65] - [69]). Diese anwendungsspezifischen Eigenschaften seien in D1 nicht untersucht worden. Die Beschwerdeführerin II räumte allerdings während der mündlichen Verhandlung ein, dass Vergleichsversuche mit dem nächsten Stand der Technik (D1), insbesondere der wässrigen Polymerisatdispersion DPIIc, nicht vorliegen, somit eine Verbesserung nicht belegbar sei. Die Kammer geht daher im folgenden zu Gunsten der Beschwerdeführerin II davon aus, dass die beanspruchten Polymerisatdispersionen und -pulver hinsichtlich dieser Eigenschaften im wesentlichen denen aus D1 entsprechen.
Andere Eigenschaften der in Anspruch 20 definierten wässrigen Polymerisatdispersionen, wie z.B. die Feinteiligkeit und die Hydrolysestabilität des Polymerisats und die geringe Menge an benötigtem Emulgator treffen ebenso auf die aus D1 bekannte Dispersion DPIIc zu. Diese enthält nämlich ebenso ein aus, neben Acrylsäure und Acryamid als Monomere I und II, ausschließlich aus den schwer hydrolysierbaren Monomeren Styrol und Butadien aufgebautes Copolymerisat, das eine mittlere Teilchengröße von ca. 196 nm (D11) aufweist und erhalten wird durch Emulsionspolymerisation mit einem Emulgatorgemisch, bestehend aus 100 % anionischem Emulgator in einer Menge von <= 3 %, bezogen auf das Polymerisat. Der im Streitpatent, Seite 4, Zeilen 47 - 50, erwähnte Vorteil, dass das Dispergiermittel kein Schutzkolloid zu enthalten braucht, muss bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Acht bleiben, da die Anwesenheit eines Schutzkolloids anspruchsgemäß nicht ausgeschlossen ist.
4.4 Es bleibt daher zu untersuchen, ob es nahelag, die in D1 offenbarten Dispersionspolymerisate dahingehend zu modifizieren, dass ihre Glasübergangstemperatur Tg der Verfilmung 0 bis 25 ºC beträgt.
Wie die Beschwerdeführerin I betont hat, ist in D1 (Seite 7, Zeilen 10 - 20, insbesondere Zeile 19) bereits eine Temperatur von <= 30 ºC als besonders bevorzugter Bereich der Glasübergangstemperatur Tg für die Polymerisate II angegeben, die sich zur Modifizierung von mineralischen Bindemitteln eignen. Im Rahmen der Untersuchung der drei in D1 konkret offenbarten Polymerisate II kann der Fachmann unmittelbar aus den Angaben in D1 feststellen, dass die Tg von 60 ºC des Polymerisats aus Beispiel DPIIc als einzige nicht in den für den angegebenen Zweck besonders bevorzugten Bereich von Tg <= 30 ºC fällt. Er wird daher auf der Suche nach Alternativen und insbesondere zur Optimierung des Produkts DPIIc einen Tg - Wert von 30 ºC und darunter anstreben. Die dafür erforderlichen Maßnahmen sind ihm geläufig: Wie die Beschwerdeführerin I unwidersprochen ausführte, ist Styrol als hartes Monomer bekannt, Butadien als weiches. Eine Verminderung des Anteils an Styrol führt daher zu der gewünschten niedrigeren Tg, wie auch von der Beschwerdeführerin I in D12 gezeigt. Der Fachmann kann sich aber auch der in D1 (Seite 5, Zeilen 6 - 18) selbst zitierten Methode nach Fox bedienen, um die Glasübergangstemperatur von Mischpolymerisaten in guter Näherung aus den Massenbrüchen und den aus der Literatur bekannten Tg's der Homopolymeren vorauszuberechnen. Dabei untersucht er routinemäßig eine Reihe von Styrol und Butadien enthaltenden Polymerisaten mit einer Tg von < 30 ºC, um den optimalen Tg Bereich zu ermitteln, darunter auch Polymerisate mit einer Tg im beanspruchten Bereich von 0 bis 25 ºC. Der Fachmann würde bei der Polymerisationsreaktion von ähnlichen Prozessparametern wie in Beispiel DPIIc ausgehen. Er hätte nämlich keine Veranlassung, bei orientierenden Versuchen, die die Absenkung der Tg zum Ziel haben, auch die Emulgatormenge und -zusammensetzung sowie die Prozessparameter der Polymerisationsreaktion zusätzlich zur Zusammensetzung der Monomeren zu ändern, da ihm bekannt ist, dass Tg hauptsächlich durch die Zusammensetzung des Polymers bestimmt ist. Die Beschwerdeführerin I hat unter Hinweis auf D15 (Seite 3 und Seite 5, Tabelle) plausibel vorgebracht, dass die Teilchengröße entscheidend vom Emulgator und von den Reaktionsbedingungen, z.B. der Temperatur, beeinflusst wird. Daher würden die mit dem gleichen Emulgator und bei im wesentlichen unveränderten Reaktionsbedingungen erhaltenen Dispersionspolymerisate auch im wesentlichen die gleiche mittlere Teilchengröße wie DPIIc, also im beanspruchten Bereich, aufweisen. Als Bestätigung dafür kann ebenfalls D12 dienen.
Die Beschwerdeführerin II hat auf D1, Seite 7, Zeilen 21 - 29, hingewiesen, wo ein Dispersionspolymerisat anderer Zusammensetzung, nämlich 50 bis 90 Gew.-% wenigstens eines Esters, bestehend aus 3 bis 6 C-Atome aufweisenden alpha, beta - monoethylenisch ungesättigten Carbonsäuren, und 1 bis 12 C-Atomen aufweisenden Alkanolen, ausgenommen Methylmethacrylat und tert.-Butylacrylat, 10 bis 50 Gew.-% wenigstens eines Monomeren aus der Gruppe umfassend Methylmethacrylat, Acrylnitril, tert.-Butylacrylat, tert. -Butylmethacrylat, Styrol und Vinyltoluole und 0 bis 5 Gew.-% eines oder mehrere Monomere aus der Gruppe umfassend 3 bis 6 C-Atome aufweisende alpha, beta - monoethylenisch ungesättigte Carbonsäuren und deren Amide offenbart ist. Diese bevorzugte Monomerenzusammensetzung entspreche der des Polymerisats DPIIa mit einer Glasübergangstemperatur von Tg = -1 ºC. Da genau diese Zusammensetzung DPIIa später in D1 (Seite 12, Zeilen 13 - 30) auch für die anwendungstechnischen Untersuchungen zur Modifizierung von mineralischen Bindemitteln (Portlandzement) herangezogen worden sei, hätte nach Auffassung der Beschwerdeführerin II der Fachmann allenfalls sie als Ausgangspunkt für seine Optimierungsversuche genommen. Da aber die eben beschriebene bevorzugte Monomerenzusammensetzung gar kein Butadien und maximal 50 % Styrol enthalte, könne der Fachmann ausgehend davon nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Erfindung gelangen, selbst wenn er eine Glasübergangstemperatur von 0 bis 30 ºC anstreben würde.
Die Kammer findet diese Argumentation nicht überzeugend. Zwar ist richtig, dass in D1 auch solche Dispersionspolymerisate II, die einen Gehalt an Styrol von maximal 50 % aufweisen, als bevorzugt offenbart sind. Die Zusammensetzung DPIIa ist ein Beispiel dafür. Dies kann jedoch den Fachmann nicht davon ablenken, dass als Additiv für mineralische Bindemittel ausdrücklich Dispersionspolymerisate II vom Typ DPIIc genannt sind, wovon insbesondere solche, die eine Glasübergangstemperatur von <= 30 ºC aufweisen, besonders bevorzugt sind (siehe Seite 7, Zeilen 10 - 19). Auch aus anderen Gründen hatte der Fachmann Anlass, Beispiel DPIIc als Ausgangspunkt zu nehmen. Wie von beiden Parteien vorgetragen, sind Copolymere aus Styrol und Butadien besonders hydrolysestabil, im Vergleich mit solchen, die beispielsweise Estergruppen (wie DPIIa) enthalten. Für die Modifizierung von mineralischen Bindemitteln und damit hergestellten Baustoffen, wo im allgemeinen ein alkalischer pH - Wert herrscht, würde der Fachmann daher die stabileren Dispersions polymerisate nicht außer Acht lassen. Er hätte auch wenig Anreiz gehabt, die Glasübergangstemperatur der Polymerisatdispersion DPIIa weiter zu verbessern, weil deren Tg mit -1 ºC bereits im von D1 besonders bevorzugten Bereich von <= 30 ºC liegt (im Gegensatz zu DPIIc mit Tg = 60 ºC).
Aus alledem folgt, dass der Gegenstand des Verwendungsanspruchs 20 des dritten Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
4.5 Ansprüche 21 und 22 - dritter Hilfsantrag
Die in Anspruch 21 beanspruchten redispergierbaren Polymerisatpulver und deren Verwendung nach Anspruch 22 sind ebenfalls durch D1 nahegelegt. Bezüglich der Aufgabe gilt das bereits für den Anspruch 20 Gesagte. Ein wesentlicher Teil der Lehre aus D1 ist die Sprühtrocknung von wässrigen Dispersionen der Polymerisate II unter Mitverwendung von Polymerisaten I als Sprühhilfsmittel zu redispergierbaren Polymerisatpulvern, welche sich zur Modifizierung von mineralischen Bindemitteln eignen (siehe Seite 7, Zeilen 35 - 40; Seite 10, Zeilen 42 - 47; Seite 11, Tabelle 1, Zeilen 18 - 26; Ansprüche 4 und 8). D1 offenbart, dass mit den derart modifizierten mineralischen Bindemitteln Baustoffe, z.B. Putze, hergestellt werden können (siehe Seite 7, Zeilen 10 - 20 in Verbindung mit Ansprüchen 4 und 8). Der Fachmann, der auf naheliegende Weise zu der in Anspruch 20 beanspruchten Verwendung der wässrigen Polymerisatdispersionen gelangt (siehe Punkte 4.1. - 4.4.), entnimmt aus D1 daher auch die Lehren, wie redispergierbare Polymerisatpulver aus diesen Polymerisatdispersionen durch Sprühtrocknung herzustellen sind und dass sie als Additive in mineralischen Baustoffen verwendbar sind. Er gelangt so in naheliegender Weise auch zu den in den Ansprüchen 21 und 22 beanspruchten redispergierbaren Polymerisatpulvern und zu deren Verwendung.
Die Beschwerdeführerin II argumentierte, dass das beanspruchte sprühgetrocknete Pulver sich von demjenigen aus D1 durch die Gesamtmenge des Dispergiermittels (> 0 bis <= 3 Gew.-%) unterscheide. Die in D1 in Mengen von 10 oder 15 % verwendeten Sprühhilfsmittel DPIi seien als Dispergiermittel bekannt und müssten daher der Gesamtmenge an Dispergiermittel zugerechnet werden. Die Beschwerdeführerin II konnte jedoch keine Stütze in der Beschreibung des Streitpatents für eine solche Auslegung des Anspruchs angeben. Vielmehr ist laut Paragraphen [26] und [27] sowie Ansprüchen 4 und 29 des Streitpatents, wovon sich Anspruch 21 ableitet, die Dispergiermittelmenge auf das dispergierte Polymerisat bezogen. Die Kammer ist daher der Meinung, dass im Anspruch 21 des Hilfsantrags 3 die Menge des Dispergiermittels ebenfalls als die Emulgatormenge, bezogen auf das Polymerisat in der wässrigen Dispersion, also vor und während der Polymerisation, definiert ist, und nicht bezogen auf die Menge im sprühgetrockneten Endprodukt. Die Kammer kann darin also kein gegenüber D1 neues Merkmal anerkennen, welches bezüglich des Gegenstands des Anspruchs 21 das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit rechtfertigen könnte.
4.6 Der dritte Hilfsantrag ist daher ebenfalls nicht gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.