T 0343/03 (Microcolor/HENKEL) of 3.5.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T034303.20050503
Datum der Entscheidung: 03 Mai 2005
Aktenzeichen: T 0343/03
Anmeldenummer: 96914938.4
IPC-Klasse: C11D 3/386
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Cellulasehaltiges Waschmittel
Name des Anmelders: Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien
Name des Einsprechenden: Novozymes A/S
The Procter & Gamble Company
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
Schlagwörter: Ausführbarkeit (nein): nicht alle zur Bestimmung eines neuen Parameters erforderlichen Informationen im Streitpatent enthalten
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0172/99
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0066/07

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung die beiden Einsprüche gegen das europäische Patent Nr. 0 822 973, betreffend ein cellulasehaltiges Waschmittel, zurückzuweisen.

II. Der erteilte Satz von 10 Patentansprüchen enthielt unter anderen die unabhängigen Ansprüche 1, 9 und 10. Anspruch 1 lautete wie folgt:

"1. Waschmittel, die Tensid und eine Cellulase-Mischung enthalten, dadurch gekennzeichnet, dass die erste Komponente der Cellulase-Mischung bei einer CMCase- Aktivität von 1 U pro Liter und einer Proteinkonzentration von höchstens 3 mg pro Liter im Sekundärwaschtest eine Remissionserhöhung von mindestens 5. Einheiten ergibt, und die zweite Komponente der Cellulase-Mischung bei einer CMCase-Aktivität von 20 U pro Liter eine Absorptionserhöhung im Zellstoffabbautest von mindestens 0,075 ergibt."

Anspruch 9 bezog sich auf ein Testverfahren zum Auffinden von für den Einsatz in Waschmitteln geeigneten Cellulase-Mischungen, wobei man zur Ermittlung der ersten Komponente den Sekundärwaschtest durchführt und die erste Cellulase nach Anspruch 1 auswählt und zur Ermittlung der zweiten Komponente den Zellstoffabbautest durchführt und die zweite Cellulase nach Anspruch 1 auswählt.

Anspruch 10 bezog sich auf die Verwendung der Cellulase- Mischungen nach Anspruch 1 zur Herstellung von Waschmitteln.

III. Die Einsprechenden 01 und 02 hatten den Widerruf des Patents in vollem Umfang, inter alia im Hinblick auf Artikel 100 b) EPÜ, beantragt.

In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung, dass die beanspruchte Erfindung neu und erfinderisch sei und im Streitpatent den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ entsprechend beschrieben werde, weil alle Testverfahren zum Auffinden der für die Erfindung wesentlichen Cellulasen im Streitpatent so beschrieben seien, dass ein Fachmann sie nacharbeiten könne.

IV. Gegen diese Entscheidung haben beide Einsprechende 01 und 02 (Beschwerdeführerinnen 01 und 02) Beschwerde eingelegt.

Unter anderen wurden im Laufe des schriftlichen Verfahrens folgende Dokumente zitiert:

(16): DE-A-2 247 832

(31): Bedienungsanleitung des Farbmessgeräts "Micro Color II" der Firma Hach-Lange, Ausgabe 2

(32): "Fundamentals of Colorimetry" der Firma Dr. Lange, Application Report No. 10e

Im schriftlichen Verfahren reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) mit Schreiben vom 4. April 2005 zwei aus jeweils 2 Patentansprüchen bestehende Hilfsanträge ein.

Der erste Hilfsantrag besteht aus den Ansprüchen 9 und 10. gemäß dem Hauptantrag (d. h. die Patentansprüche wie erteilt) und der zweite Hilfsantrag besteht aus dem Anspruch 9 wie erteilt und aus einem Verwendungsanspruch 10, der nicht auf die Verwendung von Cellulase- Mischungen zur Herstellung von Waschmitteln wie im erteilten Anspruch 10, sondern zur Verbesserung des Sekundärwaschvermögens eines Waschmittels gerichtet ist.

Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer wurde am 3. Mai 2005 abgehalten.

V. Betreffend die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung vertreten die Beschwerdeführerinnen schriftlich und mündlich im wesentlichen folgende Auffassung:

- der für das Auffinden der ersten Komponente der Cellulase-Mischung nach Anspruch 1 erforderliche sekundäre Waschtest sei erstmals im Streitpatent beschrieben worden;

- der dadurch ermittelte Remissionswert (ausgedrückt in %REM) sei mit einem nach einem üblichen sekundären Waschtest des Standes der Technik gemessenen Wert nicht vergleichbar;

- die Bedienungsanleitung (31) beziehe sich auf das Nachfolgemodell des im Streitpatent für die Messung der wesentlichen Remissionswerte verwendeten Geräts Micro Color der Firma Dr. Lange; jedoch müsse sein Inhalt identisch mit dem der Bedienungsanleitung des älteren Modells sein;

- es sei aus dem Dokument (31) ersichtlich, dass das Gerät Micro Color zwölf verschiedene nicht vergleichbare Einstellungsmöglichkeiten besitze; jedoch, erlaube keine dieser Einstellungen die Ermittlung eines REM-Wertes;

- es sei daher dem Fachmann anhand der in der Beschreibung des Streitpatentes enthaltenen Informationen über die Durchführung des Sekundärwaschtests und der einem Fachmann zur Verfügung stehenden Bedienungsanleitung des erforderlichen Geräts Micro Color nicht möglich reproduzierbare REM-Werte zu ermitteln;

- außerdem, offenbare die Beschreibung des Streitpatents nur zwei Cellulasen, die als erste Komponente des Anspruchs 1 eingesetzt werden können; diese Cellulasen, die aus dem Dokument (16) bekannt sind, seien keine kommerziell erhältlichen Produkte;

- der Fachmann sei daher anhand der Lehre des Streitpatents nicht in der Lage weitere "erste" Komponenten der beanspruchten Cellulase-Mischung außer den in der Beschreibung erwähnten 2 Enzymen zu wählen;

- das Streitpatent entspreche daher nicht den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat schriftlich und in der mündlichen Verhandlung folgendes vorgetragen:

- das Streitpatent erkläre alle für die Auswahl der ersten Komponente der beanspruchten Cellulase- Mischung erforderlichen wesentlichen Schritte des Sekundärwaschtests; dieser Test könne daher von einem Fachmann nachgearbeitet werden;

- nach dem Sekundärwaschtest des Streitpatents seien die Remissionswerte, ausgedrückt als %REM, durch ein Farbmessgerät wie Micro Color der Firma Lange zu ermitteln; ein solches Gerät arbeite nicht wellenlängenspezifisch sondern messe über das gesamte Spektrum des sichtbaren Lichts;

- diese Werte unterschieden sich von den durch einen üblichen sekundären Waschtest des Standes der Technik gemessenen Werten;

- die Differenz DeltaREM, d. h. die für die Charakterisierung der ersten Komponente der beanspruchten Cellulase-Mischung wesentliche Remissionserhöhung, werde durch Subtraktion des ermittelten Remissionswertes eines ohne Enzymzusatz entsprechend behandelten Baumwollstücks vom Wert eines mit Enzymzusatz entsprechend behandelten Baumwollstücks erhalten;

- die Bedienungsanleitung (31) des Nachfolgemodells des im Streitpatent erwähnten Geräts Micro Color sei grundsätzlich identisch mit der Bedienungsanleitung des älteren Modells und erläutere daher auch dessen Arbeitsweise;

- das Gerät Micro Color sei zur Durchführung der für den Sekundärwaschtest wesentlichen Messungen so einzustellen wie im Dokument (31) für die Messung des Weißgrades an Textilien empfohlen;

- die REM-Werte seien daher direkt durch das Gerät Micro Color zu ermitteln und abzulesen;

- das Streitpatent nenne zwei Cellulasen, die eine sekundäre Waschwirkung wie im Anspruch 1 aufwiesen und eine Cellulase, die eine solche Wirkung nicht aufweise; daher gebe es einen Hinweis in welchem Bereich die als erste Komponente geeigneten Cellulasen zu suchen seien;

- es sei daher für den Fachmann möglich andere Cellulasen, die eine ähnliche Wirkung aufwiesen, in Datenbanken ausfindig zu machen und sie dem Sekundärwaschtest zu unterziehen um festzustellen, ob sie den Erfordernissen des Anspruchs 1 genügen.

VII. Die Beschwerdeführerinnen beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Beschwerden zurückzuweisen, oder das Patent auf der Grundlage eines der beiden Hilfsanträge, jeweils eingereicht mit Schreiben vom 4. April 2005, aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag der Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin (Patentansprüche 1 bis 10 wie erteilt)

1.1 Der Patentanspruch 1 dieses Hauptantrags bezieht sich auf ein Waschmittel, das eine Cellulasemischung enthält, wobei die erste Komponente so funktionell gekennzeichnet ist, dass sie bei einer CMCase-Aktivität von 1 U pro Liter und einer Proteinkonzentration von höchstens 3 mg pro Liter im Sekundärwaschtest eine Remissionserhöhung von mindestens 5 Einheiten ergibt.

Daher ist es erforderlich den oben genannten Sekundärwaschtest durchzuführen und insbesondere die oben erwähnte Remissionserhöhung zu bestimmen, um eine Cellulase, die als erste Komponente geeignet ist, auswählen zu können.

Der Sekundärwaschtest, der zur Bestimmung dieser Remissionserhöhung verwendet werden muss, ist im Absatz 0015 des Streitpatents (Seite 3, Zeilen 28 bis 46) beschrieben.

Alle Parteien waren sich in der mündlichen Verhandlung einig, dass der im Streitpatent beschriebene Test ein neuer, im Stand der Technik nicht offenbarter Sekundärwaschtest ist und dass die durch diesen Test ermittelten Remissionswerte mit den durch einen konventionellen Test des Standes der Technik (z. B. einen Test, der eine Behandlung über mehreren Waschzyklen in einer Waschmaschine und eine Bestimmung der Remissionswerte bei nur einer einzigen Wellenlänge erfordert) ermittelten Werten nicht vergleichbar sind.

Die Kammer schließt daraus, dass die für die Auswahl der ersten Komponente der Cellulase-Mischung wesentliche Remissionserhöhung ein neuer, mit dem Stand der Technik nicht vergleichbarer Parameter ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA ist in einem solchen Fall die Anmelderin oder Patentinhaberin verpflichtet alle zur reproduzierbaren Bestimmung dieses Parameters erforderlichen Informationen in der Anmeldung bzw. dem Patent so zu offenbaren, dass dieser Parameter ohne unzumutbaren Aufwand vom Fachmann ermittelt werden kann (siehe z. B. T 0172/99, Punkte 4.5.6 und 4.5.9 der Entscheidungsgründe, unveröffentlicht im ABl. EPA).

1.2 Die Beschwerdegegnerin bestätigte in der mündlichen Verhandlung, dass die Remissionswerte (ausgedrückt in %REM) nach dem Sekundärwaschtest mit einem Farbmessgerät wie Micro Color von Dr. Lange (wie im Streitpatent angegeben) oder mit einem ähnlichen Gerät bestimmt werden müssen. Die Differenz DeltaREM, d. h. die im Anspruch 1 genannte Remissionserhöhung, sei dann durch Subtraktion des Remissionswertes eines ohne Enzymzusatz entsprechend behandelten Baumwollstücks vom Wert eines mit Enzymzusatz entsprechend behandelten Baumwollstücks zu ermitteln. Eine Cellulase, die in einem solchen Sekundärwaschtest eine DeltaREM von mindestens 5 Einheiten ergibt, würde daher den Erfordernissen des Anspruchs 1 entsprechen.

Alle Parteien stimmten in der mündlichen Verhandlung darin überein, dass die Bedienungsanleitung (31), die sich auf das Nachfolgemodell des im Streitpatent erwähnten Micro Color bezieht, grundsätzlich identisch mit der Bedienungsanleitung des älteren Modells sei, auf das im angefochtenen Patent Bezug genommen wurde (Seite 3, Zeile 39). Daher akzeptiert die Kammer, dass das Dokument (31) die technischen Kenntnisse wiedergibt, die dem Fachmann für die Durchführung des Sekundärwaschtests am Prioritätstag des Streitpatents zur Verfügung standen.

Diese Bedienungsanleitung erklärt auf Seite 14 wie der Weißgrad eines Textils zu messen sei. Die Beschwerdegegnerin bestätigte in der mündlichen Verhandlung, dass für die Messung der Remissionswerte nach dem Sekundärwaschtest diese spezifische Anleitung anzuwenden sei.

Nach dieser Anleitung muss das Programm 1 dieses Geräts gewählt werden. Dadurch können drei Werte X, Y und Z bestimmt werden. Die Bedeutung der Werte X, Y und Z wird auf Seite 7 des Dokuments (32) erklärt. Es steht daher außer Zweifel, dass keiner dieser Werte für sich allein einen %REM-Wert im Sinne des Streitpatents darstellen kann.

Auf Seite 16 des Dokuments (31) wird als Beispiel der Ausdruck des Geräts wiedergegeben, woraus ersichtlich ist, dass z. B. drei verschiedene Werte X, Y und Z und nicht ein einziger %REM-Wert erhalten werden. Außerdem ist aus der Seite 7 desselben Dokuments ersichtlich, dass dieses Gerät zwölf verschiedene Messprogramme zur Verfügung stellt, von denen keines unmittelbar einen %REM-Wert liefert, wie es nach dem Streitpatent erforderlich ist.

Dokument (31) gibt daher jedenfalls nicht ausdrücklich an wie ein %REM-Wert mit Hilfe des Geräts Micro Color zu ermitteln ist.

1.3 In Dokument (32) wird erklärt, dass der Weißgrad durch verschiedene, nicht vergleichbare Kombinationen der Werte X, Y und Z berechnet werden kann (siehe Seite 16 und 17). Je nachdem, welche der angegebenen mathematischen Gleichungen verwendet wird, gelangt man zu einem "Weißgrad nach Berger", einem "Weißgrad-Index" oder einem "Vergilbung-Index".

Alle diese Werte sind mit dem Gerät Micro Color bestimmbar (siehe Programme 9 und 12 auf Seite 7 des Dokuments (31)). Jedoch enthält das Streitpatent keine Information ob der wesentliche %REM-Wert einer, bzw. welcher, dieser bekannten Definitionen des Weißgrads entspricht.

1.4 Die Beschwerdegegnerin behauptete in der mündlichen Verhandlung, dass das Gerät Micro Color einen einzigen Wert als Ergebnis der auf Seite 14 beschrieben Anleitung ergebe und dass dieser Wert der gesuchte %REM-Wert sei.

Diese Behauptung steht aber im Widerspruch zur Bedienungsanleitung (31), die eindeutig angibt, dass drei Werte X, Y und Z und nicht ein einziger Wert gemessen werden.

Daher kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass das Streitpatent nicht alle erforderlichen Informationen offenbart, die es einem Fachmann ermöglichen den gesuchten Parameter zu bestimmen.

Daher ermöglichen es die im Streitpatent vorhandenen Informationen dem Fachmann nicht mit Hilfe seiner fachlichen Kenntnissen die erste Komponente der beanspruchten Cellulase-Mischung auszuwählen.

1.5 Die als erste Komponente erwünschte Klasse von Cellulasen ist auch anhand der Gesamtheit der Beschreibung des Streitpatents nicht bestimmbar, da dort nur zwei nicht kommerzielle Produkte als erste Komponente angegeben werden (siehe oben, Punkte V und VI).

Selbst wenn andere, ähnliche Produkte in Datenbanken auffindbar wären, müsste jedoch die wesentliche Remissionserhöhung für jedes Enzym bei erforderlichen Aktivität und Proteingehalt durch den Sekundärwaschtest ermittelt werden.

Da jedoch der Fachmann anhand der im Streitpatent vorhandenen Informationen und seines Fachwissens die erforderliche Remissionserhöhung nicht bestimmen kann, ist er auch nicht in der Lage weitere Enzyme, außer den zwei spezifischen Enzymen des Dokuments (16), als erste Komponente der beanspruchten Cellulase-Mischung auszuwählen.

Deshalb wurde die beanspruchte Erfindung nicht den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ entsprechend beschrieben.

2. Erster und Zweiter Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin

Da die Ansprüche dieser beiden Hilfsanträge ebenfalls die Durchführung des oben genannten Sekundärwaschtests erfordern (siehe oben, Punkt II), ist auch die in diesen Anträgen beanspruchte Erfindung aus den vorstehenden Gründen mutatis mutandis im Streitpatent nicht den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ entsprechend beschrieben worden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das europäische Patent 822 973 wird widerrufen.

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