T 0290/03 () of 28.6.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T029003.20050628
Datum der Entscheidung: 28 Juni 2005
Aktenzeichen: T 0290/03
Anmeldenummer: 96107751.8
IPC-Klasse: B41F 33/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Steuerung für eine Druckmaschine
Name des Anmelders: MAN Roland Druckmaschinen AG
Name des Einsprechenden: Heidelberger Druckmaschinen AG
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 0 747 215 zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 (a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) angegriffen worden.

II. Am 28. Juni 2005 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

III. Es wurden folgende Anträge gestellt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 747 215 in vollem Umfang.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Steuerung für eine Druckmaschine, insbesondere Bogenoffsetdruckmaschine, mit mehreren Einheiten, wie insbesondere Anleger, Druckwerken, Lackier- bzw. Beschichtungseinrichtungen, Ausleger, wobei die Steuerung einen Rechner und einen Bus umfaßt und ferner mit einem Winkelgeber in Verbindung steht und zum Auslösen von bei bestimmten Winkelstellungen vorzunehmenden Schaltvorgängen Soll-Winkelstellungswerte gespeichert enthält, dadurch gekennzeichnet, daß jeder Einheit (1 - 5) eine wenigstens einen Rechner aufweisende Station (1' - 5') zugeordnet ist, daß jede der Stationen (1' - 5') die Soll-Winkelstellungswerte für die bei einem bestimmten Ereignis vorzunehmenden Schaltvorgänge der jeweiligen Einheit (1 - 5) gespeichert enthält, daß jeder Station (1' - 5') permanent ein der Winkelstellung entsprechendes Signal wenigstens eines rotierenden Teils der Druckmaschine zuführbar ist, daß der die einzelnen Stationen (1'- 5') verbindende Bus als ein auf einem nachrichtenorientierten Protokoll basierendes Bussystem ausgebildet ist, und daß durch die Stationen (1' - 5') in Abhängigkeit einer von einer der Stationen (1' - 5') über den Bus (6) gesendeten Nachricht das Auslösen der in den jeweiligen Einheiten (1 - 5) winkelabhängig auszuführenden Schaltvorgänge durch Vergleich der Ist- Winkelstellung mit in den Stationen (1' - 5') gespeicherten Soll-Winkelstellungen durchführbar ist."

V. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschriften Bezug genommen:

D2 "Konzept Maschinensteuerung", Kopien von Folien, oder dergl., der Firma Sulzer Electronics AG vom 23. April 1993, Seiten 1 bis 10.

D4 DE-A 38 36 310

VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Anspruch 1 des Streitpatents betreffe eine Steuerung für eine Druckmaschine mit mehreren Einheiten, wie insbesondere Anleger, Druckwerke, Lackier- bzw. Beschichtungseinrichtungen, Ausleger. Der Ausdruck "insbesondere" in Anspruch 1 bedeute, dass die Einheiten beliebig sein könnten und nicht auf Aggregate wie Anleger, Druckwerke, Lackier- und Beschichtungseinrichtungen und Ausleger beschränkt seien. Der Antrieb einer Druckmaschine könne somit auch als Einheit aufgefasst werden. Die Druckschrift D4, die den nächstliegenden Stand der Technik darstelle, offenbare eine Steuerung für eine Druckmaschine gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Der Nachteil der aus der Druckschrift D4 bekannten zentralen Steuerung sei deren Inflexibilität: der Programmaufbau sei exakt auf eine bestimmte Konfiguration der Maschine abgestellt. Die Druckschrift D2 beschreibe ein alternatives Konzept zur Maschinesteuerung, bei der eine dezentrale Funktionseinheit, nämlich ein I/O-Modul, einen individuellen Mikrokontroller für die Steuerung von I/O-Treibern von zum Beispiel Relais, Ventilen und Sensoren aufweist (siehe Seiten 1 und 5). In der Software-Architektur gemäß der Druckschrift D2 finde ein auf einem nachrichtenorientierten Protokoll basierendes Bussystem, der CAN-Bus (Controller-Area-Network), Anwendung, das auch das bevorzugte Bussystem der Erfindung sei (siehe Seite 9 der Druckschrift D2 sowie Spalte 3, Zeilen 15 bis 21 des Streitpatents). Da es keinen technischen Unterschied zwischen der Steuerung von Sub-Aggregaten und der Steuerung von kompletten Aggregaten gebe, würde der Fachmann die dezentralen I/O-Module auch zur Steuerung von kompletten Aggregaten verwenden. Der Fachmann würde, ausgehend von der Steuerung nach der Druckschrift D4, zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe, die Flexibilität der Steuerung zu erhöhen, die Druckschrift D2 zu Rate ziehen und so zur Erfindung gelangen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Im Anspruch 1 seien mit dem Begriff "Einheiten" (vgl. den Ausdruck "Druckmaschine mit mehreren Einheiten") eigenständige Aggregate einer Druckmaschine gemeint, siehe Spalte 4, Zeilen 29ff. des Streitpatents. Der Nachteil einer zentralen Steuerung sei in Spalte 1, Zeilen 29 bis 46 des Streitpatents beschrieben. Mit jeder Änderung der Druckmaschine, zum Beispiel bei der Zahl von Druckwerken bzw. bei Ausrüstungen wie Lackiereinrichtungen, müsse die gesamte zentrale Steuerung angepasst werden. Die Erfindung schlage eine dezentrale Steuerung vor, bei der jeder Einheit der Druckmaschine eine einen Rechner aufweisende Station zugeordnet werde. Die Druckschrift D2 könne den Fachmann dazu nicht anregen, da diese Druckschrift die Steuerung funktioneller Sub-Aggregate, wie zum Beispiel Antriebe, Pneumatikventile, Relais-Schützen und Sensoren, in Modulen mit jeweils einem eigenen Rechner zusammenfasse. Eine Zusammenschau der Druckschriften D4 und D2 würde zu einer dezentralen Steuerung führen, bei der nicht, wie es Anspruch 1 verlangt, jeder Einheit "eine wenigstens einen Rechner aufweisende Station zugeordnet" werde, sondern sämtliche in der Druckmaschine vorhandenen Antriebe gemeinsam einer ersten Station, sämtliche Ventile einer zweiten Station, usw. zugeordnet werden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei somit nicht nahe liegend und beruhe mithin auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 100 (a) EPÜ (Artikel 56 EPÜ)

1. Aufgabe der Erfindung ist es, eine Steuerung für eine Druckmaschine mit mehreren Einheiten zu entwickeln, bei der die Nachteile einer Zentralsteuerung, deren Programmaufbau exakt auf die Anzahl und Konfiguration der Maschineneinheiten abgestellt ist, vermieden werden und eine Flexibilität hinsichtlich der Ausrüstung der Maschine erzielbar ist (Spalte 3, Zeilen 6 bis 11, und Spalte 1, Zeilen 29 bis 46 des Streitpatents).

Diese Aufgabe wird durch die Steuerung gemäß Anspruch 1 gelöst, insbesondere dadurch, dass jeder Einheit der Druckmaschine eine wenigstens einen Rechner aufweisende Station zugeordnet ist, wobei die einzelnen Stationen mit einem Bus miteinander verbunden sind.

Nach Auffassung der Kammer kommt dem Begriff "eine Einheit der Druckmaschine" die Bedeutung eines eigenständigen Aggregats einer Druckmaschine zu, wie zum Beispiel Anleger, Offsetdruckwerke, Lackierwerke, Beschichtungseinrichtungen und Ausleger, siehe Figur 1, Spalte 4, Zeilen 29 bis 33 der Beschreibung, und Anspruch 1 des Streitpatents.

2. Die im Streitpatent in Spalte 2, Zeile 43 bis Spalte 3, Zeile 5 erwähnte Druckschrift D4 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar. Diese Druckschrift offenbart eine Anordnung zur Steuerung von Schaltvorgängen an einer Druckmaschine, die mehrere Druckwerke, einen Druckbogenanleger und einen Druckbogenausleger sowie Einrichtungen zum An- und Abschalten des Drucks und Einrichtungen zum An- und Abstellen der Farbauftragswalzen umfasst (siehe Spalte 2, Zeilen 6 bis 16 und Figur 1). Die Anordnung enthält einen Zentralrechner, einen Bus und einen Winkelstellungsgeber (siehe Spalte 2, Zeile 54 bis Spalte 3, Zeile 36, und Figur 2). Entsprechend den bei bestimmten Winkelstellungswerten auszulösenden Schaltvorgängen sind in einem Speicher des Rechners Soll-Winkelstellungswerte abgespeichert, welche mit den über den Winkelstellungsgeber erfassten Ist- Winkelstellungswerten verglichen werden.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der aus der Druckschrift D4 bekannten Steuerung im wesentlichen dadurch, dass jeder Einheit der Druckmaschine eine wenigstens einen Rechner aufweisende Station zugeordnet ist, wobei die einzelnen Stationen mit einem Bus, der als ein auf einem nachrichtenorientierten Protokoll basierendes Bussystem ausgebildet ist, miteinander verbunden sind.

Die weiteren im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 aufgeführten Merkmale, die die Konstruktion und Funktion der dezentralen Steuerung definieren, sind ebenfalls als unterscheidende Merkmale gegenüber der aus der Druckschrift D4 bekannten zentralen Steuerung zu betrachten:

i) daß jede der Stationen (1' - 5') die Soll- Winkelstellungswerte für die bei einem bestimmten Ereignis vorzunehmenden Schaltvorgänge der jeweiligen Einheit (1 - 5) gespeichert enthält,

ii) daß jeder Station (1' - 5') permanent ein der Winkelstellung entsprechendes Signal wenigstens eines rotierenden Teils der Druckmaschine zuführbar ist, und

iii) daß durch die Stationen (1' - 5') in Abhängigkeit einer von einer der Stationen (1' - 5') über den Bus (6) gesendeten Nachricht das Auslösen der in den jeweiligen Einheiten (1 - 5) winkelabhängig auszuführenden Schaltvorgänge durch Vergleich der Ist-Winkelstellung mit in den Stationen (1' - 5') gespeicherten Soll-Winkelstellungen durchführbar ist.

3. Die Druckschrift D2 offenbart in der Figur auf Seite 1 eine dezentrale Steuerung mit mehreren Modulen, wobei Module für unterschiedliche Funktionen, wie Antriebe, Pneumatikventile, Relais-Schützen und Sensoren, vorgesehen sind. Auf Seiten 5 und 9 ist weiter die Rede von "Winkelgeberinterface" und "Antriebssystem", aber es geht aus der Druckschrift D2 nicht klar hervor, ob es sich hierbei um die Steuerung einer Druckmaschine handelt. Auf Seite 10 wird die Hardware-Struktur wie folgt zusammenfasst: zentrales Modul, dezentrale Module, CAN-Bus. In der untenstehenden Figur werden die Module als Funktionseinheit bezeichnet.

Die Figur auf Seite 5 zeigt den Aufbau eines dezentralen I/O-Moduls, das drei I/O-Treiber aufweist. Am rechten Rand der Figur stehen auf der Höhe des mittleren I/O-Treibers untereinander "Relais", "Ventile" und "Sensoren". Auch wenn diese Figur so verstanden wird, dass drei Funktionseinheiten, nämlich Relais, Ventile und Sensoren, in einem dezentralen I/O-Modul zusammengefasst sind (was der in der Figur auf Seite 10 gezeigten Hardware-Struktur widersprechen würde), bedeutet dies nach Auffassung der Kammer noch lange nicht, dass das dezentrale I/O-Modul eine Einheit im Sinne der Erfindung steuert.

4. Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass - ausgehend von der zentralen Steuerung für eine Druckmaschine mit mehreren Einheiten nach der Druckschrift D4 - die Druckschrift D2 den Fachmann nicht dazu anregen kann, die Steuerung so zu dezentralisieren, dass jeder Einheit der Druckmaschine eine Station zugeordnet wird, welche wenigstens einen Rechner aufweist und mit einem Bus mit den anderen Stationen verbunden ist.

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

Das Gleiche gilt für die Gegenstände der auf den Anspruch 1 rückbezogenen abhängigen Ansprüche 2 bis 4, welche besondere Ausführungsformen der Steuerung gemäß Anspruch 1 betreffen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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