T 0252/03 () of 22.2.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T025203.20060222
Datum der Entscheidung: 22 Februar 2006
Aktenzeichen: T 0252/03
Anmeldenummer: 97923889.6
IPC-Klasse: C08J 9/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung Graphitpartikel enthaltender expandierbarer Styrolpolymerisate
Name des Anmelders: BASF Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Enichem S.p.A.
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Erteilung des Europäischen Patents Nr. 0 981 575 auf die europäische Patentanmeldung Nr. 97 923 889.6 der BASF AKTIENGESELLSCHAFT, angemeldet am 14. Mai 1997 wurde am 20. September 2000 (Patentblatt 2000/38) mit neun Ansprüchen bekannt gemacht.

Die unabhängigen Ansprüche 1, 8 und 9 lauteten:

"1. Verfahren zur Herstellung von Graphitpartikel enthaltenden, expandierbaren Styrolpolymerisaten, dadurch gekennzeichnet, daß man Styrol, gegebenenfalls zusammen mit 20 % seines Gewichts an Comonomeren, in wässriger Suspension in Gegenwart von Graphitpartikeln mit einer mittleren Teilchengröße von 1 bis 50 µm unter Zusatz von Peroxid- Initiatoren polymerisiert und vor, während oder nach der Polymerisation ein Treibmittel zusetzt.

8. Teilchenförmige expandierbare Styrolpolymerisate in Form runder Perlen mit einem mittleren Durchmesser im Bereich von 0,2 bis 2 mm, die 0,05 bis 25 Gew.-% Graphitartikel enthalten, dadurch gekennzeichnet, daß die Graphitpartikel homogen im Innern der Styrolpolymerisat-Teilchen verteilt sind, und daß die mittlere Partikelgröße des Graphits 1 bis 50 µm beträgt.

9. Verwendung der teilchenförmigen expandierbaren Styrolpolymerisate nach Anspruch 8 zur Herstellung von Schaumstoffen mit einer Dichte von 5 bis 35 g/l."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 betrafen bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1.

II. Gegen das Patent wurde am 18. Juni 2001, gestützt auf die Bestimmungen des Artikels 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderischer Tätigkeit), von ENICHEM S.p.A. Einspruch erhoben und der Widerruf des Patents im gesamten Umfang beantragt.

Im Einspruchsverfahren wurden inter alia folgende Dokumente berücksichtigt:

D1: EP - A - 0 620 246 (das in der Einspruchsschrift als EP - B - 0 620 246 zitierte Dokument wurde am 27. Januar 1999 veröffentlicht und ist daher kein anwendbarer Stand der Technik. In der vorliegenden Entscheidung wird daher Bezug auf die am 19. Oktober 1994 veröffentlichte EP - A - 0 620 246 genommen);

D2: JP - 61-171705 und

D2a: Englische Übersetzung von D2.

III. Mit der am 10. Dezember 2002 mündlich verkündeten und am 14. Februar 2003 schriftlich begründeten Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.

Die Einspruchsabteilung stellte fest, dass der Gegenstand der Ansprüche 8 und 9 des Patentes neu sei, weil die Größe der Graphitteilchen im Dokument D1 nicht angegeben sei und weil die Graphitteilchen in D1 nicht homogen im Innern der expandierbaren Polystyrolperlen verteilt seien.

Die Einspruchsabteilung stellte weiterhin fest, dass sowohl im Hinblick auf die Entgegenhaltung D1, als auch in deren Zusammenschau mit D2a der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 9 für den Fachmann nicht nahe liegend und daher erfinderisch sei, insbesondere weil die Verwendung von Graphitpartikeln mit einer mittleren Teilchengröße von 1 bis 50 µm eine erfinderische Auswahl darstelle. Darüber hinaus hätte der Fachmann keinen Anlass den Russ durch Graphit zu ersetzen, da sich Russ und Graphit in vielen Eigenschaften deutlich voneinander unterscheiden.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr am 19. Februar 2003 Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung wurde am 10. Juni 2003 eingereicht.

V. In ihrer Stellungnahme vom 10. Oktober 2003 widersprach die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) dem Vorbringen der Beschwerdeführerin.

VI. Um ihre Argumente bezüglich erfinderischer Tätigkeit zu stützen, reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20. April 2005 weitere Vergleichsversuche ein. Diese Versuche sollten zeigen, dass der Zusatz von Graphit in Mengen im Bereich von 0,05 bis 0,2 Gew.-% keinen Effekt auf die Wärmeleitfähigkeit von expandierbaren Styrolpolymerisaten hat.

VII. In einer Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung nach Artikel 11 Absatz 1 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern vom 17. Oktober 2005 nahm die Kammer zum Sachverhalt vorläufig Stellung.

VIII. Daraufhin reichte die Beschwerdegegnerin am 6. Dezember 2005 als Hilfsantrag einen geänderten Anspruchssatz ein. Darüber hinaus beantragte sie, die mit Schreiben vom 20. April 2005 eingereichten Versuche der Beschwerdeführerin als verspätet zurückzuweisen.

IX. Mit Schreiben vom 17. Januar 2006 beantragte die Beschwerdeführerin den Hilfsantrag wegen Verstoß gegen die Bestimmungen von Artikel 123 (2) EPÜ zurückzuweisen.

X. Am 22. Februar 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

XI. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und mündlich im wesentlichen folgendes vorgetragen:

- Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht erfinderisch im Hinblick auf die Lehre von Dokument D2a. Dieses Dokument offenbare die Suspensionspolymerisation von Styrol in Gegenwart von Russ unter den gleichen Bedingungen wie im Anspruch 1 des Patents. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheide sich von D2a nur durch die Verwendung von Graphit statt Russ. Da Russ und Graphit Kohlenstoffe mit ähnlichen Eigenschaften sind, sei es für den Fachmann nahe liegend aufgrund seines allgemeinen Fachwissens Russ durch Graphit zu ersetzen. Zudem erhalte er aus D1 die Anregung, bei Anwendung von Polystyrol-Hartschaum für Dämmzwecke Russ durch Graphit zu ersetzen.

- Der Gegenstand des Anspruchs 8 werde durch D1 nahe gelegt. D1 beschreibe Formkörper aus Polystyrol-Hartschaum versehen mit einem athermanen (Wärme absorbierenden) Material, wie beispielsweise Russ oder Graphit. Diese Formkörper wiesen bei Rohdichten unterhalb von 20 kg/m**(3) eine verminderte Wärmeleitfähigkeit auf. Das athermane Material werde in D1 zwar vorzugsweise auf der Oberfläche der Polystyrolschaum-Perlen aufgebracht, das Einbetten des athermanen Materials in das noch nicht aufgeschäumte Polystyrol werde jedoch auch in D1 vorgeschlagen. Die Styrolpolymerisate gemäß Anspruch 8 unterschieden sich somit durch den mittleren Durchmesser der Perlen und durch die Partikelgröße von 1 bis 50 µm des verwendeten Graphits. Diese Unterschiede könnten jedoch nicht eine erfinderische Tätigkeit begründen, da der Durchmesser der Perlen auf diesem Gebiet üblich und die Partikelgröße des Graphits irrelevant sei, wie das mit der Beschwerdebegründung eingereichte Vergleichsbeispiel 4 zeige.

- Darüber hinaus sei die Aufgabe nicht im gesamten beanspruchten Bereich gelöst, wie die Beispiele der Beschwerdeführerin mit 0.05, 0.1 und 0.2 Gew.-% Graphit zeigten.

XII. Die im schriftlichen Verfahren und während der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

- Die mit Schreiben vom 20. April 2005 eingereichten Versuche sollten als verspätet zurückgewiesen werden. Die Versuche seien unglaubwürdig, weil die angegebenen Werte exakt dem Vergleichsbeispiel 4 des Patentes entsprächen, obwohl mehrere Parameter, wie zum Beispiel die eingesetzte Polystyroltype, die Menge an Dicumylperoxid, an Dibenzoylperoxid, usw., die die Kinetik der Polymerisation beeinflussen, geändert wurden. Außerdem widersprächen sie den Ergebnissen gemäß Beispiel 7 des Patents, bei dem die Zugabe von 0,1 Gew.-% Graphit eine Verringerung der Wärmeleitfähigkeit bewirke.

- Bezüglich erfinderischer Tätigkeit betonte sie, dass das Dokument D1 die Herstellung von Formkörpern aus Polystyrolschaum und nicht die Herstellung von expandierbaren Styrolpolymerisaten betreffe. In D1 werde das athermane Material auf der Oberfläche der vorgeschäumten (expandierten) Polystyrolschaum-Perlen aufgebracht oder dem ungeschäumten Polystyrol zugeführt. Ausgehend von D1 gebe es für den Fachmann keinen Grund, eine Suspensionspolymerisation zur Herstellung von Polystyrol-Perlen in Betracht zu ziehen.

- Die Einbringung von Russ auf fertige Polystyrol-Perlen gemäß D1 könne nicht zu einer homogen Verteilung dieses Additivs im Innern der Polystyrol-Perlen führen.

- Anspruch 8 unterscheide sich von den in D1 offenbarten Merkmalen nicht nur im mittleren Durchmesser der expandierbaren Styrolperlen und der mittleren Partikelgröße des Graphits, sondern auch in der homogenen Verteilung des Graphits im Innern der expandierbaren Styrolpolymerisat-Teilchen. Darüber hinaus sei die Verwendung von Graphit in D1 nicht bevorzugt.

XIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 981 575.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde oder hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der am 6. Dezember 2005 eingereichten Ansprüche 1 bis 11. Weiterhin beantragte sie, die am 22. April 2005 eingegangenen Versuche als verspätet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit der neu vorgebrachten Beweismittel (Artikel 114 (2) EPÜ)

2.1 Mit Schreiben vom 20. April 2005 reichte die Beschwerdeführerin weitere Beispiele ein. In diesen Beispielen werden Styrolpolymerisate mit 0.05, 0.1 und 0.2 Gew.-% Graphitpartikel hergestellt und die Wärmeleitzahl der Schaumstoffperlen mit derjenigen gemäß Beispiel 4 des Patentes, ohne Zusatz von Graphit, verglichen. Diese Beispiele sollten zeigen, dass die angegebene technische Wirkung nicht über die gesamte Breite des beanspruchten Gegenstands auftritt.

2.2 Mit diesen Versuchen stützt die Beschwerdeführerin den bereits im Einspruchsverfahren erhobenen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit. Hauptzweck des mehrseitigen Beschwerdeverfahrens ist es, der unterlegenen Partei die Möglichkeit zu geben, die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich anzufechten. Dabei muss jedoch die Beschwerdeführerin die Möglichkeit haben, mit zusätzlichen oder ergänzenden Beweisen ihre Argumentation zu stützen, mit der Sie in der ersten Instanz keinen Erfolg hatte. Voraussetzung ist dabei, dass diese Beweise auf der Linie ihres früheren Vorbringens liegen und dazu bestimmt sind dieses zu stützen. Das ist hier der Fall.

Hinzu kommt, dass diese Versuche zehn Monate vor der mündlichen Verhandlung eingereicht worden sind. Die Beschwerdegegnerin hatte genügend Zeit vor der mündlichen Verhandlung dazu Stellung zu nehmen, so dass auch deren nachträgliches Einreichen keine Verfahrensverzögerung zur Folge hatte.

2.3 Die Kammer hat daher entschieden, diese Versuche im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Neuheit wurde im Beschwerdeverfahren nicht mehr bestritten. Diese wurde ausdrücklich von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung anerkannt. Auch die Kammer hat sich davon überzeugt, dass keines der vorliegenden Dokumente alle Merkmale der Ansprüche 1 bis 9 aufweist. Die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ sind daher erfüllt.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1 Das Patent betrifft teilchenförmige expandierbare Styrolpolymerisate, die homogen im Innern verteilte Graphitpartikel enthalten (Anspruch 8), ein Verfahren zu ihrer Herstellung (Ansprüche 1 bis 7) und ihre Verwendung zur Herstellung von Schaumstoffen (Anspruch 9). Die Polymerisate können zu Polystyrolpartikelschäumen mit niedriger Dichte und Wärmeleitfähigkeit verarbeitet werden.

4.2 Nächstliegender Stand der Technik.

4.2.1 Dokument D1 wird als nächstliegender Stand der Technik angesehen.

4.2.2 D1 beschreibt Formkörper aus Polystyrol-Hartschaum, die ein athermanes Material enthalten (siehe Anspruch 1). Als athermane Materialien kommen Infrarotstrahlen absorbierende Materialien in Betracht, wie Metalloxide, Nichtmetalloxide, Metallpulver, Aluminiumpulver, Kohlenstoff (zum Beispiel Ruß oder Graphit) oder organische Farbstoffe (Spalte 3, Zeilen 26 - 39). Das einzige Beispiel in D1 zeigt die Zugabe von Ruß als athermanes Material.

4.2.3 Gemäß D1 wird das athermane Material vorzugsweise auf die vorgeschäumten Polystyrolschaum-Partikel aufgebracht, indem diese außenseitig mit dem athermanen Material beschichtet oder benetzt werden (siehe Beispiel und Spalte 2, Zeilen 44 - 51). Als Alternative wird weiterhin vorgeschlagen, das athermane Material dem ungeschäumten Polystyrol zuzuführen (Spalte 2, Zeile 54 bis Spalte 3, Zeile 1)

4.2.4 Die Zugabe von athermanen Materialien zum Polystyrol-Hartschaum führt insbesondere bei Polystyrol-Hartschaum mit einer Dichte von weniger als 20 kg/m**(3) zu einer Verringerung der Wärmeleitfähigkeitswerte (Spalte 2, Zeilen 38 - 43). Die ohne Ruß hergestellten Formkörper weisen eine Wärmeleitfähigkeit von etwa 50 mW/m K auf, während die Werte der mit Ruß hergestellten Formkörper bei etwa 35 mW/m K liegen, wobei alle übrigen Eigenschaften (mit Ausnahme der Farbe) gleich bleiben (siehe Spalte 4, Zeilen 16 - 25).

4.3 Aufgabe und Lösung.

4.3.1 Die teilchenförmigen expandierbaren Styrolpolymerisate gemäß Anspruch 8 des Streitpatents unterscheiden sich von den Formkörpern gemäß D1 im Wesentlichen durch die homogene Verteilung der Graphitpartikel im Innern der expandierbaren Styrolpolymerisate. Darüber hinaus werden im Patent Graphitpartikel verwendet, welche eine mittlere Partikelgröße von 1 bis 50 µm aufweisen und in D1 nicht spezifiziert ist.

4.3.2 Diese Styrolpolymerisate können zu Polystyrolschaum-stoffen verarbeitet werden, welche sich durch eine gute Wärmeisolierung auszeichnen. Durch Zusatz von 2 Gew.-% Graphit zu einem expandierbaren Styrolpolymerisat bei einer Dichte des Schaumstoffes von 10 g/l kann die Wärmeleitfähigkeit von 44 mW/m K auf unter 35 mW/m K gesenkt werden (siehe Beispiele und Vergleichsbeispiele). So entstehen Schaumstoffe mit Eigenschaften, wie bereits in D1 beschrieben (siehe 4.2.4, oben).

4.3.3 Somit wird die gegenüber D1 zu lösende Aufgabe darin gesehen, weitere, alternative Styrolpolymerisate zur Verfügung zu stellen, die zu Polystyrolpartikelschäumen mit niedriger Dichte und besonders niedriger Wärmeleitfähigkeit verarbeitet werden können.

4.3.4 Die Beispiele im Patent zeigen, dass diese Aufgabe als gelöst gelten kann. Durch die Verwendung von homogen im Innern der Styrolpolymerisate-Teilchen verteilte Graphitpartikel, werden Schaumstoffperlen mit niedriger Wärmeleitfähigkeit hergestellt. Die Wärmeleitzahl der Schaumstoffperlen, die 1 bis 4 % Graphit gemäß den Beispielen 1 - 3 und 5 des Patents enthalten, beträgt 34 - 35 mW/m K (bei einem Litergewicht von 10 - 12 g), während die Wärmeleitzahl der Schaumstoffperlen ohne Zusatz von Graphit bei einem Litergewicht von 10 g 44 mW/m K (Beispiel 4) beträgt.

4.3.5 Darüber hinaus zeigen die von der Beschwerdegegnerin während des Prüfungsverfahrens vorgelegten Versuche den Einfluss der Partikelgröße des Graphits auf die Stabilität des Polymerisationsansatzes. Durch Verwendung von Graphit einer mittleren Teilchengröße im beanspruchten Bereich wird eine geringe Wärmeleitzahl erreicht (Versuche 1 bis 3 des Berichts vom 14. April 1998). Die Verwendung von Graphit mit einer mittleren Teilchengröße von 70 µm zeigt diesen Effekt jedoch nicht (Versuch 4).

4.3.6 Die Beschwerdeführerin hat bestritten, dass die Aufgabe im gesamten beanspruchten Bereich gelöst worden ist und hat ihrerseits weitere Versuche eingereicht.

Die mit Schreiben vom 20. April 2005 eingereichten Versuche sollten zeigen, dass die Wärmeleitfähigkeit der Styrolpolymerisate durch geringe Mengen Graphit nicht beeinflusst wird. Die Beschwerdeführerin hat expandierbare Polystyrolperlen im unteren beanspruchten Bereich (mit einem Graphitgehalt vom 0.05, 0.1 und 0.2 %) hergestellt. Die Wärmeleitfähigkeit beträgt in allen drei Fällen 44 mW/m K. Ein Vergleich dieses Wertes mit Vergleichsbeispiel 4 des Patentes (ohne Zusatz von Graphit) veranlasst sie zu dem Schluss, dass in diesem Bereich kein Effekt vorhanden ist.

4.3.7 Die Kammer kann jedoch der Beschwerdeführerin nicht folgen. In den Beispielen der Beschwerdeführerin wurden mehrere Parameter geändert, nämlich die eingesetzte Polystyroltype, die Menge an Dicumylperoxid, Dibenzoylperoxiden, Natriumpyrophosphat und Magnesiumsulfat, und die Pentandosierung, welche die Kinetik der Polymerisation, das Molekulargewicht des Polystyrols und das Schaumverhalten der expandierbaren Polystyrolperlen beeinflussen. Die Versuchsergebnisse enthalten aber kein Beispiel ohne Zusatz von Graphit. Demzufolge ist die Kammer der Auffassung, dass die Versuche keine Aussage über einen möglichen Einfluss von niedrigen Mengen Graphitzusatz auf die Wärmeleitfähigkeit der Endprodukte erlauben.

Demgegenüber enthält die Patentschrift ein Beispiel mit 0.1 Gew.-% Graphit, wodurch im Vergleich zu einem Beispiel ohne Graphitzusatz die Wärmeleitfähigkeit abgesenkt wird (Beispiel 7). Da die Beschwerdeführerin die Richtigkeit dieses Versuchs nicht in Frage gestellt hat, muss die Kammer daraus schließen, dass der Einfluss von Graphitzusatz auf die Wärmeleitfähigkeit durch die Beispiele in der Patentschrift belegt ist.

4.4 Naheliegen

4.4.1 Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob der Fachmann, der mit der vorstehend definierten Aufgabe konfrontiert ist, ausgehend von den Formkörpern aus Polystyrol-Hartschaum aus D1, auf Grund der im Verfahren befindlichen Dokumente in nahe liegender Weise zu den beanspruchten Styrolpolymerisaten gekommen wäre.

4.4.2 Aus dem Dokument D1 ist kein Hinweis bezüglich der homogenen Verteilung der Graphitteilchen mit einer Partikelgröße von 1 bis 50 µm zu entnehmen. Im Gegenteil, in D1 wird eine Oberflächenbeschichtung des athermanen Materials bevorzugt. Das Vergleichsbeispiel 8 des Patents zeigt jedoch, dass eine solche Beschichtung mit Graphit entsprechend der bevorzugten Ausführung von D1, zu einer ungleichmäßigen Verteilung des Graphits auf der Oberfläche und zu einer unbefriedigenden Verschweißung der Formteile führt. Daher ist die gute Wärmeisolierung der Schaumstoffe aus expandierbaren Styrolpolymerisaten, die homogen im Innern der Teilchen verteilte Graphitpartikel enthalten, aus D1 nicht herleitbar.

4.4.3 Darüber hinaus zeigen die Versuche, die die Beschwerdegegnerin mit dem Versuchsbericht vom 14. Mai 1998 eingereicht hat, dass die Verwendung von Graphitteilchen einer Partikelgröße von 1 bis 50 µm zu einer Verminderung der Wärmeleitfähigkeit führt. Diese Versuche zeigen eine deutlich geringere Wärmeleitzahl bei Verwendung von Graphit einer Partikelgröße von 4, 10 oder 40 µm (Versuche 1 bis 3), als bei Verwendung von Ruß mit einer Partikelgröße von 0.1 µm (Versuch 5).

Außerdem kann bei Verwendung von Graphit einer mittleren Partikelgröße von 70 µm (Versuch 4) die Suspensionspolymerisation nicht beendet werden. Dieser Versuch wurde von der Beschwerdeführerin mit einem höheren Anteil an Tensiden wiederholt, um zu zeigen, dass mit einem höheren Anteil an Tensiden die Suspensionspolymerisation zu Ende gebracht werden konnte. Es bleibt jedoch zu bemerken, dass ein höherer Anteil an Tensiden einen negativen Einfluss auf die Stabilität im Schaumprozess mit sich bringen kann. Dieser Versuch ist nicht mit den anderen Versuchen der Beschwerdegegnerin vergleichbar und daher nicht aussagekräftig.

Die Versuche der Beschwerdegegnerin sind untereinander vergleichbar und zeigen den Einfluss der Partikelgröße des Graphits auf die Stabilität des Polymerisationsansatzes und die geringere Wärmeleitzahl von Formteilen aus Graphit enthaltenden expandierbaren Polystyrolperlen gegenüber Formteilen ohne Graphit oder Russ enthaltenden Polystyrolperlen. Diese Eigenschaften von expandierbaren Styrolpolymerisaten in Form runder Perlen sind aus D1 nicht herleitbar.

4.4.4 D2a betrifft die Herstellung von Polystyrol-Perlen mit einem hohen Gehalt an Russadditiv, mit dem Zweck, die elektrische Leitfähigkeit und die Wetterbeständigkeit des Polystyrols zu verbessern. Weder wird eine mögliche Verwendung der Polystyrol-Perlen zur Wärmedämmung hier ausdrücklich erwähnt, noch hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass die Polystyrol-Perlen gemäß D2a für das Einsatzgebiet der Wärmedämmung zwingend geeignet seien (siehe hierzu auch Punkt 4.4.3 oben). Folglich ist die Kammer der Auffassung, dass der Fachmann keinen Anlass hat, die Lehre gemäß D2a zur Lösung der vorliegenden technischen Aufgabe heran zu ziehen.

4.4.5 Aus diesen Gründen sind die Styrolpolymerisate gemäß Anspruch 8, sowie deren Verwendung gemäß Anspruch 9 als erfinderisch anzusehen.

4.5 Der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 7 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Graphitpartikel enthaltenden, expandierbaren Syrolpolymerisaten. Diese expandierbaren Styrolpolymerisate werden durch Suspensionspolymerisation von Styrol in Gegenwart von Graphit mit einer mittleren Teilchengröße von 1 bis 50 µm hergestellt, welches homogen im Innern des Styrolpolymerisats verteilt wird.

Die so erhältlichen Styrolpolymerisate weisen demnach die erfinderischen Merkmale wie die gemäß Anspruch 8 beanspruchten Styrolpolymerisate auf. Eine erfinderische Tätigkeit der gemäß dem Verfahren hergestellten Styrolpolymerisate lässt sich daher, wie unter 4.4 für die Styrolpolymerisate gemäß Anspruch 8 ausgeführt, begründen.

4.6 Zusammenfassend ergibt sich, dass der beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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