European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T021203.20051201 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 01 Dezember 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0212/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 97928195.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | C04B 41/87 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Wässrige Rutheniumchloridlösung zum Schwarzfärben von Keramikoberflächen | ||||||||
Name des Anmelders: | BK Giulini Chemie GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | METCO S.R.L. | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 13. Dezember 2002, mit der das europäische Patent EP B 846 092 in geändertem Umfang entsprechend dem Hilfsantrag vom 5. November 2002 aufrechterhalten wurde.
Die unabhängigen Ansprüche des erteilten Patents lauteten wie folgt:
"1. Wässrige Rutheniumchloridlösung zum Schwarzfärben von Keramikoberflächen, dadurch gekennzeichnet, daß sie mit Natrium- und/oder Kaliumacetat oder propionat auf einen pH-Wert von mindestens 1,5 abgepuffert ist."
"5. Verfahren zum Schwarzfärben von Keramikoberflächen, dadurch gekennzeichnet, daß man eine Lösung gemäß einem der Ansprüche 1 - 4 durch Sprühen, Tauchen, Malen oder Drucken aufträgt, trocknet und bei einer Temperatur von 300 - 1400 ºC, vorzugsweise 800 - 1200 ºC, insbesondere 1140 ºC eine halbe bis fünf Stunden, vorzugsweise 1 - 2 Stunden, brennt und die Oberfläche der Keramikscherbe durch Schleifen egalisiert und poliert."
Der der Entscheidung zugrunde liegende geänderte Anspruch 1 laut Hilfsantrag vom 5. November 2002 lautet wie folgt:
"1. Wässrige Rutheniumchloridlösung zum Schwarzfärben von Keramikoberflächen, dadurch gekennzeichnet, daß sie mit Natrium- und/oder Kaliumacetat auf einen pH-Wert von mindestens 1,5 abgepuffert ist."
II. In der angefochtenen Entscheidung wurde
D1: EP-A-0 704 411
in Verbindung mit
D2: Schreiben der Anmelderin von D1 an das EPA in re: 95108820.2 (= D1) vom 30. Januar 1996
als nächster Stand der Technik angesehen. Die Einspruchsabteilung wies Anspruch 1 des Hauptantrags mangels Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit zurück, da die Verwendung von Natrium- bzw. Kaliumpropionat in den beanspruchten Färbelösungen durch die in D2 beschriebene Rutheniumlactat - haltige Färbelösung mit der Handelsbezeichnung "Metcolour P100" nahegelegt war.
Der Gegenstand der Ansprüche gemäß Hilfsantrag wurde jedoch als erfinderisch befunden, da der Schritt von Lactat (2-Hydroxy-propionat) zu Acetat in Hinblick auf die Aufgabenstellung für den Fachmann nicht nahegelegen habe.
III. Gegen die Entscheidung wurde von der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) mit Schreiben vom 12. Februar 2003 Beschwerde eingelegt und diese mit Schreiben vom 18. April 2003 begründet.
IV. Im Einspruchsverfahren sind neben D1 und D2 unter anderen folgende weitere Dokumente zitiert worden:
D3: Sicherheitsdatenblatt (Scheda di Sicurezza) Metcolour P100, datiert 14. Januar 1995
D6: Versuchsbericht der Beschwerdeführerin ("Test zur Bestimmung der Stabilität von Ruthenium-Lösung bei Zusatz von Na-Propionat")
D10: Rechnung der Fa. Metco S.R.L. an Fa. Ceramiche Caesar S.P.A. vom 19. Oktober 1994, über die Lieferung von u.a. 20 kg Metcolour P100
Mit der Beschwerdebegründung und im Beschwerdeverfahren legte die Beschwerdeführerin u.a. die nachfolgenden Dokumente vor:
D11: Jander - Jahr, "Maßanalyse", 14.Auflage, Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1986, Seiten 92 - 94.
D13: Erklärung (Declaration) von D. Braglia, Firma Graniti Fiandre SpA, vom 25. März 2003
D15: Schreiben der Beschwerdegegnerin an das EPA vom 13. Juli 2000 in re EP95208820.2
D17: A. W. Mond, "The Acetates of Ruthenium", J. Chem. Soc. 1930, Seiten 1247 - 1249.
D18: T. A. Stephenson und G. Wilkinson, J. Inorg. Nucl. Chemistry, 1966, Vol. 28, Seiten 2285 -2291.
D20: Schreiben Fa. BK Giulini Chemie in re EP97928195.3 vom 5. Februar 2002 (Einspruchsverfahren)
D21: Schreiben der Fa. BK Giulini Chemie an das DPMA in re DE 196 25 236 vom 15. Februar 1999
D23: Hollemann - Wiberg, "Lehrbuch der Anorganischen Chemie", 91. - 100. Aufl., de Gruyter, Berlin - New York, 1985, Seiten 196 - 198.
D24: CH-B-575 894
D25: DE A 2 012 304
V. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen folgende Argumente vorgebracht:
Wie schon von der Einspruchsabteilung anerkannt, seien D1/D2 zusammengehörige Dokumente, weil D2 Bestandteil der Erteilungsakte von D1 sei und in D1 explizit auf die in D2 beschriebene, im Handel befindliche Färbelösung mit der Bezeichnung "Metcolour P100" hingewiesen werde. Die Beschwerdeführerin griff sodann die Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag im Hinblick auf diese Dokumente D1/D2 an. Laut Dokument D2 bestehe das Handelsprodukt der Beschwerdeführerin mit der Bezeichnung Metcolour P100 aus
" an aqueous solution of 2-hydroxy-propanate of Ru, the amount of Ru in the solution corresponding to 6% by w. as Ru element, said solution also containing 10% by w. of NaCl."
Es sei aus dem Zusammenhang mit D1 klar, dass diese Lösung zum Schwarzfärben von Keramik diene. D1 offenbare nämlich Zusammensetzungen zum Schwarzfärben von Keramik, die laut Ansprüchen 1 und 4 Rutheniumsalze von organischen Mono- oder Polycarbonsäuren mit 1 - 18 C-Atomen, ggf. mit 1 - 3 Hydroxyl- oder Aminogruppen substituiert, enthalten. In mehreren Beispielen werde Metcolour P100 eingesetzt.
Zwar sei der pH-Wert der Färbelösungen in D1 und D2 nicht angegeben, der pH-Wert von Metcolour P100 habe jedoch laut D13 stets bei 2,0, also im beanspruchten Bereich, gelegen. Aber selbst wenn man der Auffassung der Beschwerdegegnerin folge, wonach Metcolour P100 eine neutrale Lösung gewesen sei (was die Beschwerdeführerin bestreite), so liege deren pH-Wert von ca. 7 auch im beanspruchten Bereich. Die Frage könne daher letztlich offen gelassen werden, wie im Schreiben vom 9. November 2005 (Punkt Bii) festgestellt wurde. Die Beschwerdeführerin räumte im Schreiben vom 11. November 2004 unter Punkt (1E) die Neuheit betreffend ein, dass weder D1 noch D2 explizit Na/K-Acetationen bzw. Rutheniumacetat offenbarten. Sie anerkannte die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 dennoch nicht, weil sie darin eine Auswahl hinsichtlich des pH-Wertes und des organischen Säurerestes aus bekannten Bereichen sah, die nicht den Bedingungen für eine Auswahlerfindung gemäß Entscheidung T 0279/89 genügte.
Die Beschwerdeführerin hat im Zusammenhang mit dem im Anspruch 1 verwendete Begriff der "Pufferung" bzw. "Abpufferung" auf D11 hingewiesen, wonach eine Pufferung durch einen Acetatpuffer nur im pH-Bereich des Pufferfensters von etwa pH 3,75 bis 5,75 (pKs der Essigsäure von 4,75 +/- 1) wirksam sein könne, nicht jedoch im gesamten beanspruchten pH-Bereich von 1,5 bis 14. Es sei außerdem evident, dass ein Puffersystem nur existieren könne, wenn die Lösung gleichzeitig Natrium- bzw. Kaliumacetat und Essigsäure enthält. Der Anspruch 1 sage aber explizit nichts über die Anwesenheit von Essigsäure aus.
Der beanspruchte Gegenstand beruhe aber auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ausgehend von D1/D2 werde im Streitpatent dieselbe technische Aufgabe gelöst, nämlich Keramikoberflächen einfach und wirtschaftlich tiefschwarz zu färben. Eine Verbesserung im Vergleich zu diesem Stand der Technik sei nicht nachgewiesen worden. Es sei nun aus D1 (insbesondere aus Anspruch 4) bekannt, dass hierzu Färbelösungen geeignet seien, die ein Rutheniumsalz einer organischen Carbonsäure im Bereich von C1 bis C18 Kettenlänge, mit oder ohne Substitution durch Hydroxy- oder Aminogruppen, enthielten. Darunter hätten besonders die von der Definition mitumfassten Acetate nahegelegen, u.a. weil Metallacetate bereits in anderen Färbelösungen verwendet worden seien (siehe D24 und D25).
Die Beschwerdeführerin widersprach in ihrem Schreiben vom 27. Februar 2004 der Ansicht der Beschwerdegegnerin, dass die Löslichkeit der Rutheniumacetate unerwartet sei und verwies auf D17, wo die Darstellung mehrerer gut löslicher Rutheniumacetate beschrieben sei. Nach der Erkenntnis, dass die Elimination des hydrophilen Substituenten beim Übergang von Lactat zu Propionat die Löslichkeit der Ruthenium-Komplexe vermindert, habe es nahegelegen, die Kettenlänge zu verkürzen, d. h. Acetate zu verwenden, um die Löslichkeit wieder voll herzustellen (Seite 6, drittletzter Absatz dieses Schreibens). Dieses Argument wurde im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 11. November 2004, insbesondere Seiten 11 und 12, wiederholt und unter Hinweis auf D1, Seite 3, Zeilen 19 - 21, vertieft, wo es ausdrücklich heißt, dass die erfindungsgemäßen organischen Komplexe oder Salze eine Löslichkeit von 0,5 bis 15 % aufwiesen. Die Anwesenheit von Hydroxygruppen sei nach D1 rein fakultativ, zu ersehen aus der Beifügung "if any" in Anspruch 4. Vor diesem Hintergrund seien die kurzkettigen organischen Carbonsäuren und ihre Salze, insbesondere Acetate, stark bevorzugt gewesen. Die nunmehr beanspruchten Lösungen seien daher in mehrfacher Hinsicht durch D1/D2 nahegelegte und vielversprechende Kandidaten für Färbelösungen für keramische Oberflächen gewesen.
In ihrer Eingabe vom 11. November 2004 (Punkt 3A) befasste sich die Beschwerdeführerin mit der Frage, ob die beanspruchten Färbelösungen eine Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik böten. Sie legte dazu die Dokumente D20 und D21 (von der Beschwerdegegnerin stammend) vor und wies auf die Widersprüchlichkeiten in den in den beiden Dokumenten enthaltenen Versuchsprotokollen hin. Sie stellte auch die Frage, ob und gegebenenfalls warum die zum Vergleich herangezogenen Lösungen von Metcolour P100 in diesen Versuchen auf pH = 2 angesäuert wurden. Da die vorgelegten Versuche, soweit ihre Korrektheit feststehe, aber nach Ansicht der Beschwerdeführerin nicht nur keine Verbesserung, sondern möglicherweise sogar eine Verschlechterung zeigten, sei auch die Aufgabe der Bereitstellung einer Alternative nicht glaubhaft gelöst (Seite 9, Mitte).
VI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Der beanspruchte Gegenstand sei neu hinsichtlich D1/D2, da dort Natrium- bzw. Kaliumacetat nicht genannt sei und der pH-Wert der Färbelösungen nicht angegeben sei. Der Hinweis auf die in Entscheidung T 279/89 definierten Auswahlkriterien zur Neuheit gehe fehl, weil erstens Acetat, wenn überhaupt, dann einen engen Unterbereich der Definition der Carbonsäuren aus D1 darstelle; zweitens, weil unsubstituierte Monocarbonsäuren in D1 nicht als bevorzugte Verbindungen genannt seien und Hydroxycarbonsäuren keine Homologen von nichtsubstituierten Carbonsäuren seien; und drittens die beanspruchten Färbelösungen auch keine willkürliche Alternative zu Rutheniumlactat - Lösungen seien (Schreiben vom 22. August 2003, Seiten 4 und 5).
Die Beschwerdegegnerin widersprach auch der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass bei niedrigem pH kein wirksames Puffersystem vorliegen könne. Zwar sei die Pufferwirkung u.U. gegen Säurezusatz nur schwach, gegen Basenzusatz aber stark. Dies sei von Bedeutung beim Auftragen der Färbelösungen auf die zu imprägnierenden Fliesen, die basische Bestandteile aufwiesen. Die Beschwerdegegnerin bestritt, dass Metcolour P100 ursprünglich einen sauren pH-Wert von 2,0 gehabt habe; es habe vielmehr aus einer neutralen Mischung von Rutheniumlactat und NaCl bestanden. Saure Lösungen seien erst nach Bekanntwerden der sauren Färbelösungen der Anmelderin und Beschwerdegegnerin in den Handel eingeführt worden.
Die beanspruchten Färbelösungen beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da der Fachmann beim Versuch, die aus D2 bekannte Lactat-Färbelösung zu verbessern, nicht Acetat als Ersatz gewählt hätte. Vielmehr hätte er versucht, besser komplexierende, mehrzähnige und zur Chelatbildung befähigte Säuren, wie beispielsweise die in D1 genannten Polycarbonsäuren, insbesondere Zitronensäure, Weinsäure oder Oxalsäure, oder auch Polymere, wie z.B. Polyacrylate oder Polymaleinate, einzusetzen. Er hätte keine Veranlassung gehabt, nichtsubstituierte Monocarbonsäuren, deren Komplexierunsgfähigkeit hinter der von Hydroxypropionsäure (Milchsäure) weit zurücksteht, zu versuchen. Selbst wenn er aber statt Hydroxypropionsäure die unsubstituierte Propionsäure selbst untersucht hätte, wäre er zu dem von der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren als Anlage D6 vorgelegten Ergebnis gelangt, nämlich dass bereits bei pH-Werten von 4,23 keine stabilen Ru-Lösungen mehr erhalten werden (siehe Schreiben vom 22. August 2003, Seite 7). Die Beschwerdeführerin habe damit selber nachgewiesen, dass nicht alle der in D1 breit beanspruchten Liganden brauchbar seien. Die Beschwerdegegnerin bezweifelte auch, dass sich die Bedingung "if any" in Anspruch 4 der D1 auf die Substitution durch OH, und nicht nur auf die durch NH2 lesen ließe. Die von der Beschwerdeführerin zusätzlich angeführte Bedingung der Wasserlöslichkeit würde den Fachmann nicht zu unsubstituierten, kürzerkettigen Carbonsäuren anregen, sondern eher zu längerkettigen, mehrfach substituierten Carbonsäuren (Schreiben vom 15. Dezember 2004, Seite 3, zweiter Absatz).
Zur Frage der Zusammensetzung der beanspruchten Färbelösungen erklärte die Beschwerdegegnerin im Schreiben vom 16. Juni 2005 (Punkt 1A), dass sich in den Färbelösungen gemäß Streitpatent keine Rutheniumacetat-Komplexe fänden, wie sie sich ergeben würden, wenn der Fachmann tatsächlich die in D1 und D2 genannten Rutheniumlactat-Komplexe durch Ersatz des Lactat-Anions durch ein Acetat-Anion vorsähe. In den beanspruchten Färbelösungen lägen keine Rutheniumacetat-Komplexe im Sinne der D1/D2 vor, da davon auszugehen sei, dass ein erheblicher Teil der an Ru koordinierten Ionen Cl- und nicht Acetat sei.
VII. Die Kammer gab in einem Bescheid vom 19. September 2005 eine erste unverbindliche Stellungnahme ab. Darin wurde zunächst die Auslegung der Ansprüche erörtert. Die angegriffene Neuheit wurde im Lichte der Entscheidungen T 7/86, T 85/87, T 133/92 sowie T 279/89 diskutiert. Im Rahmen der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von D1/D2 als nächstem Stand der Technik, wurde die Frage aufgeworfen, ob eine Verbesserung nachweisbar sei oder ob die Aufgabe in der Angabe alternativer Färbelösungen gesehen werde.
VIII. Am 1. Dezember 2005 fand eine mündliche Verhandlung statt. Zunächst wurde die Auslegung des Anspruchs 1 diskutiert, insbesondere hinsichtlich der Bedeutung des Ausdrucks "abgepuffert". Die Parteien kamen nach Debatte überein, dass darunter eine Abstumpfung der ursprünglich stark sauren, handelsüblichen RuCl3-Lösung durch Zusatz von Kalium- bzw. Natriumacetat bis zum Erreichen eines Mindest- pH-Werts von 1,5 zu verstehen sei. Der dem vorliegenden Anspruch, der als "Product- by - Process" Anspruch formuliert sei, zugrunde liegende Herstellvorgang entspreche daher einer (partiellen) Neutralisation, als deren Ergebnis je nach End-pH auch ein Puffersystem aus Essigsäure und Acetat vorliegen könne.
Die Beschwerdeführerin brachte an neuen Argumenten während der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vor:
Die vorbenutzte Färbelösung Metcolour P100 habe nachweislich D13 stets einen pH-Wert von 2,0 gehabt. Dies sei solchen Lösungen der starken Brönstedt-Säure Ru**(3+)inhärent. Dieser pH-Wert falle in den beanspruchten Bereich. Die Beschwerdeführerin verwies auf D15, wo die nunmehrige Beschwerdegegnerin auf Seite 2, dritter Absatz, vorgetragen habe, dass der Fachmann das Produkt Metcolour P100 als Lösung, welche durch Zusatz von Natriumlactat zu einer Rutheniumchloridlösung herstellbar sei, aufgefasst hätte. Es hätte daher auf der Hand gelegen, die entsprechenden acetathaltigen Lösungen analog herzustellen, um weitere Schwarzfärbelösungen zu erhalten. Diese acetathaltigen Lösungen lägen im Bereich der Lehre der D1.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Die aus den Entscheidungen T 279/89 oder T 198/84 abgeleiteten Regeln zu Neuheit einer Auswahl seien auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar. Sie seien auf durch Parameter definierte Wertebereiche beschränkt, wo sich die Eigenschaften kontinuierlich änderten. Die einzelnen Elemente einer homologen Reihe chemischer Verbindungen, insbesondere deren niedrigkettige Glieder, seien zu unterschiedlich, um von einem Element auf benachbarte schließen zu können. Zur erfinderischen Tätigkeit führte die Beschwerdegegnerin aus, dass die Chemie wässriger Lösungen von Rutheniumsalzen nicht mit einfachen Systemen, wie Lösungen von Natriumacetat oder -Lactat verglichen werden dürfe. Ru**(3+)sei in wässriger Lösung in Form von Komplexen, z.B. als Aquo- oder Hydroxokomplex stabil. Von den bekannten Rutheniumcarboxylaten, die in Form von zweikernigen Komplexen vorlägen, seien durchaus nicht alle wasserlöslich. Sie verwies dazu auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Literatur D17 und D18. Es sei daher nicht ohne weiteres zu erwarten gewesen, dass durch Natrium- oder Kaliumacetat auf einen pH-Wert von größer als 1,5 abgepufferte Rutheniumsalzlösungen stabile Färbelösung lieferten. Die Beschwerdegegnerin habe keine Kenntnis darüber, ob in diesen Lösungen komplexe Rutheniumacetate oder aber dissoziierte Einzelionen vorlägen; dies sei aber für die Ausführung der Erfindung unwesentlich. Mit den beanspruchten Lösungen seien gegenüber Metcolour P100 verbesserte Färbungen zu erzielen, wie die Versuchsberichte in D20 und in D21 zeigten. Die erfindungsgemäße Lösung sei auch leichter herzustellen, da die komplizierte Herstellung des Rutheniumlactats entfalle.
IX. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Ein früher gestellter Antrag auf Kostenverteilung wurde während der mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
Der vorliegende Anspruch 1 geht aus dem ursprünglich eingereichten und erteilten Anspruch 1 durch Streichen eines alternativen Merkmals, nämlich des Natrium- bzw. Kaliumpropionats, hervor.
Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ sind damit erfüllt.
3. Klarheit und Auslegung der Ansprüche
Der im Anspruch 1 verwendete Begriff der "Pufferung" bzw. "Abpufferung" ist dem Fachmann wohlbekannt und wird im Übrigen in den Dokumenten D11 und D23 erläutert.
Es wurde von der Beschwerdeführerin vorgebracht, dass eine Pufferung durch einen Acetatpuffer nur im pH-Bereich des Pufferfensters wirksam sein könne, nicht jedoch im gesamten beanspruchten Bereich von pH 1,5 bis pH 14. Insofern stehe der Ausdruck "abgepuffert" im Widerspruch zu anderen Merkmalen des Anspruchs. Es sei außerdem evident, dass ein Puffersystem nur existieren könne, wenn die Lösung gleichzeitig Natrium- bzw. Kaliumacetat und Essigsäure enthält.
Etwaige Widersprüche in den Ansprüchen sind jedoch im Lichte der Beschreibung zu interpretieren. Gemäß Beschreibung wird handelsübliche RuCl3-Lösung, die zur Stabilisierung einen gewissen Überschuss an Mineralsäure enthält, mit NaOAc oder KOAc auf einen pH-Wert von mindestens 1,5, insbesondere pH > 2 abgepuffert (vgl. Paragraph [0007] des Streitpatents). Gemäß Absatz [0008] sind zur Abpufferung je nach Mineralsäureüberschuss entsprechend große Mengen beispielsweise von Natriumacetat erforderlich. In den Beispielen 1 und 2 wird die Rutheniumchloridlösung mit Natriumacetat auf einen pH von 2 bzw. 1,5 "abgepuffert". Außerdem gehört zum allgemeinen Fachwissen, dass der pH-Bereich, in dem eine brauchbare Pufferwirkung zu erwarten ist, deltapH = pKs ± 1 beträgt (siehe D11, Seite 93 - 94 und D23, Seite 197). Dies bedeutet im Falle eines Acetatpuffers einen pH-Bereich von ca. 3,75 bis 5,75 (pKs der Essigsäure = 4,75). Unter Berücksichtigung der besagten Lehre im Streitpatent und des allgemeinen Fachwissens kann der Fachmann erkennen, dass der Begriff "abgepuffert" im Streitpatent im Sinne von "abgestumpft" zu lesen ist, d.h., man neutralisiert die überschüssige Mineralsäure mit NaOAc bzw. KOAc, bis der gewünschte pH-Wert eingestellt ist. Wie die Parteien vorgetragen haben, ist es evident, dass bei dieser Vorgangsweise in der Lösung neben Acetationen auch freie Essigsäure vorliegt bzw. entsteht. Infolge dieser Abstumpfung oder partieller Neutralisation kann je nach End-pH ein Puffersystem aus Essigsäure und Acetat vorliegen oder nicht.
Diese Interpretation im Sinne einer "Abstumpfung" oder "partiellen Neutralisation" entspricht den Ausführungen der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung und wurde von der Beschwerdeführerin akzeptiert.
Zwar ging die Beschwerdegegnerin in ihrem Schreiben vom 15. Dezember 2004 (Seite 2, Punkt 1C) von einer erfindungsgemäßen gepufferten Lösung aus, deren maximaler pH-Wert "sich ohne weiteres aus dem Grenzwert für einen Acetatpuffer ergibt". Diese Aussage wäre kaum im Einklang mit der beanspruchten Untergrenze von pH 1,5 zu bringen. Die Beschwerdegegnerin hat jedoch während der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass der maximale pH-Wert der Lösung sich nicht aus dem oberen Wert des Pufferfensters, sondern aus der maximalen Löslichkeit des Natrium- bzw. Kaliumacetats ergibt. Diese Erklärung wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten und scheint der Kammer plausibel.
4. Neuheit
4.1 Die Beschwerdeführerin greift die Neuheit des Anspruchs 1 im Hinblick auf D1, das in einigen Beispielen das Handelsprodukt Metcolour P100 verwendet, in Kombination mit dem zugehörigen Dokument D2, an. In Dokument D2 wird das Handelsprodukt Metcolour P100 beschrieben, das laut D2 besteht aus
"an aqueous solution of 2-hydroxy-propanate of Ru, the amount of Ru in the solution corresponding to 6% by w. as Ru element, said solution also containing 10% by w. of NaCl."
Außerdem verweist D2 auf die Beispiele der D1, in denen ein organischer Rutheniumkomplex mit der Bezeichnung Metcolour P100 verwendet wird. Es ist aus dem Zusammenhang mit D1 klar, dass diese Lösung zum Schwarzfärben von Keramik dient. D1 offenbart nämlich wässrige Zusammensetzungen zum Schwarzfärben von Keramik, die laut Anspruch 1 und 4 Rutheniumsalze von organischen Mono- oder Polycarbonsäuren mit 1 - 18 C-Atomen, mit 1 - 3 Hydroxyl- oder Aminosubstituenten, falls vorhanden, enthalten (im Original des Anspruchs 4: " salts of mono- or polycarboxylic organic acids containing 1 to 18 carbon atoms, with 1 to 3 hydroxyl substituents and/or 1 to 3 aminic substituents, if any, in the aliphatic chain."). Bei der Auslegung des Anspruchs 4 der D1, die zwischen den Parteien strittig war, geht die Kammer im folgenden zugunsten der Beschwerdeführerin davon aus, dass anspruchsgemäß die Substitution sowohl mit Amino- als auch mit Hydroxyfunktionalitäten fakultativ ist.
Die Beschwerdeführerin hat eingeräumt, dass weder D1 noch D2 explizit Natrium- bzw. Kaliumacetat bzw. essigsaure Salze des Rutheniums offenbaren. Auch ist der pH-Wert der Färbelösungen in D1 und D2 nicht angegeben. Die Beschwerdeführerin erkennt die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 jedoch nicht an, weil sie darin eine Auswahl hinsichtlich des pH-Wertes und des organischen Säurerestes aus bekannten Bereichen sieht, die nicht den Bedingungen für eine Auswahlerfindung gemäß Entscheidung T 279/89 (vom 3. Juli 1991, nicht im ABl. EPA veröffentlicht) genüge.
Diese Argumentation überzeugt die Kammer hinsichtlich der Offenbarung der Acetate nicht. In der Entscheidung T 198/84 ("Thiochloroformiate") (ABl. EPA 1985, 209, Leitsatz) wurden die Kriterien für die Neuheit eines aus einem bekannten größeren Zahlenbereich ausgewählten Teilbereichs festgelegt, ebenso in Entscheidung T 279/89 (vom 3. Juli 1991, nicht im ABl. EPA veröffentlicht). In der Entscheidung T 133/92 (vom 18. Oktober 1994, nicht im ABl. EPA veröffentlicht) (siehe Punkte 2.1.1 bis 3.2.3) wurde die Neuheit von Klassen von chemischen Verbindungen, die durch überlappende Bereiche von Alkylsubstituenten definiert werden, untersucht. Die Kammer kam zum Ergebnis, dass in Anbetracht der Größe des überlappenden Bereichs der Fachmann unter den gegebenen Umständen die Lehre des Stands der Technik im Bereich der Überlappung anwenden würde. Der im Hauptantrag getroffenen "Auswahl" an Verbindungen mangelte es daher an Neuheit. Dagegen wurde die Neuheit einer Reihe individualisierter Verbindungen mit konkreter Angabe des Alkylrestes anerkannt (siehe Punkte 4.2.1. bis 4.2.3 der Entscheidung).
Nach der Entscheidung T 181/82 (ABl. EPA 1984, 401, Entscheidungsgründe, Punkt 8) belehrt eine Verbindungsgruppe, in der der Substituent durch einen Bereich gekennzeichnet ist, nur über die aus der Gruppe konkret bezeichneten Einzelindividuen. Dieses Konzept der Individualisierung eines spezifischen Elements aus einer Gruppe wurde in T 85/87 (vom 21. Juli 1988, nicht im ABl. EPA veröffentlicht) (siehe Punkt 6) und T 133/92 (vom 18. Oktober 1994, nicht im ABl. EPA veröffentlicht) (siehe Punkt 4.2.2.) bestätigt. Aus der Rechtsprechung geht daher hervor, dass eine Erfindung neu ist, wenn der Stand der Technik zwar eine durch eine allgemeine Strukturformel definierte Stofffamilie offenbart, die den konkreten Stoff einschließt, ihn aber nicht ausdrücklich beschreibt.
Die Beschwerdeführerin hat keine Gründe vorgetragen, warum die Rechtsprechung bezüglich der Auswahl aus Zahlenbereichen und nicht diese Rechtsprechung auf den gegenständlichen Fall anzuwenden wäre, obwohl letzterer ebenfalls die Auswahl einer konkreten Verbindung aus einem vorbeschriebenen Kollektiv von Verbindungen betrifft.
Im vorliegenden Fall schließt zwar die Definition von Mono- oder Polycarbonsäuren mit 1 - 18 C-Atomen die Essigsäure denkgesetzlich mit ein, sie wird damit jedoch nicht beschrieben bzw. individualisiert. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von D1 / D2 darüber hinaus dadurch, dass in D1 die Anwesenheit von NaCl, KCl bzw. von Na+ oder K+ -Ionen nicht offenbart und in D2 NaCl nur zusammen mit Rutheniumlactat offenbart ist. Daher ist der vorliegende Anspruch 1 neu in Hinblick auf D1 (Anspruch 4); er ist es auch in Hinblick auf D2, welche nur Rutheniumlactat offenbart.
4.2 Die Parteien haben ausführlich zur Frage des pH-Wertes der anspruchsgemäßen Lösungen und des Handelsprodukts Metcolour P100 Stellung genommen. Die Kammer geht daher auch darauf ein, obwohl die Beschwerdeführerin in ihrer letzten Eingabe vom 9. November 2005 einräumte, dass der pH-Wert von Metcolour P100 letztlich für die zu treffende Entscheidungen über die Neuheit und erfinderische Tätigkeit nicht relevant sei. Die Frage blieb strittig, ob die in D1 und D2 beschriebenen Färbelösungen einen pH-Wert im beanspruchten Bereich aufweisen, bzw. das Produkt Metcolour P100 vor dem Prioritätstag einen solchen pH aufwies. In D1/D2 ist nicht erwähnt, dass Metcolour P100 einen Gehalt an Säure aufweist. Dass Metcolour P100 in D3 als "augenreizend" ("irritante per gli occhi") bezeichnet wird, muss nicht unbedingt auf sauren pH der Lösung zurückzuführen sein, sondern kann auch auf den Gehalt an Rutheniumsalz bzw. auf den relativ hohen Gehalt an NaCl zurückzuführen sein. Die Beschwerdegegnerin ging in ihrem Schreiben vom 22. August 2003 (Seiten 3, 4) davon aus, dass es sich um eine Lösung einer neutralen Rutheniumverbindung zusammen mit Natriumchlorid handele. Die Tatsache, dass die Beschwerdegegnerin ihre Vergleichsversuche (Versuchsprotokoll vom 5. Februar 2002)(entspricht D20) mit Metcolour P100 bei pH 2,0 durchführte, sagt nichts über das Produkt an sich aus, da strittig ist, ob dazu die Probe angesäuert werden musste. Aus dem Sicherheitsdatenblatt D3 und aus der Rechnung D10 geht ebenfalls kein pH-Wert hervor. In D13 wird allerdings erklärt, dass der pH-Wert stets 2,0 betragen habe. Dies wiederum wurde von der Beschwerdegegnerin angezweifelt, da die Beschwerdeführerin selbst in der Beschwerdebegründung (Seite 10, zweiter Absatz) den pH-Wert von Metcolour P100 mit 2,0 bis 2,7 angegeben habe.
Die Kammer braucht die Frage hier jedoch nicht zu entscheiden, da die Neuheit bereits hinreichend durch die anspruchsgemäße Anwesenheit von Acetationen und Na/K-Ionen in der Färbelösung begründet ist. Für die erfinderische Tätigkeit spielt die Frage ebenfalls keine entscheidende Rolle (siehe Punkt 5).
Andere Dokumente wurden hinsichtlich der Neuheit nicht zitiert. Der Kammer sind auch keine weiteren, für die Neuheit relevanten Dokumente ersichtlich.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1 Nächster Stand der Technik
Nächstliegender Stand der Technik ist im Einklang mit der Auffassung der Parteien Dokument D1 und das zugehörige Schriftstück D2.
D1 betrifft wässrige Lösungen anorganischer Salze oder Metallkomplexe des Rutheniums zum Einfärben der Oberflächen keramischer Teile, insbesondere von Fliesen, mit einem dunklen, vorzugsweise schwarzen Farbton (Anspruch 1; Seite 2, Zeilen 5 - 9). Die Lösungen sollen tief in die keramische Oberfläche eindringen, damit nach dem Brennen und Schleifen die gewünschte Färbung erhalten bleibt (siehe Seite 2, Zeilen 45 - 48; Seite 3, Zeilen 8 und 9). Dazu schlägt D1 gemäß Ansprüchen 1 und 4 Rutheniumsalze von organischen Mono- oder Polycarbonsäuren mit 1 bis 18 C-Atomen und mit 1 bis 3 Hydroxyl- oder Aminosubstituenten, falls vorhanden, vor. Bevorzugte Lösungen sind die in den Beispielen 1 bis 6 und 19 bis 21 verwendeten wässrigen Lösungen von organischen Rutheniumkomplexen basierend auf Polycarbonsäure-Gemischen, die unter der Handelsbezeichnung Metcolour P100 von der Fa. Metco s.r.l. erhältlich sind (vgl. die Fußnoten No. 3 zu den Tabellen 1 und 3). Gemäß den Beispielen werden damit Färbungen erzielt, die je nach aufgetragener Menge und Vor- bzw. Nachbehandlung mit Wasser vor dem Schleifen der Fliesen von grau über schwarzgrau und schwarzblau bis schwarz reichen; nach dem Abschleifen von 1,2 mm der Oberfläche werden nur in den Beispielen 5 und 6 sowie 21 schwarze Färbungen erzielt (siehe Tabellen 1 und 3).
5.2 Aufgabe
Die mit den Mitteln der D1 erzielbare Färbung wird im Streitpatent selbst als "dunkelgrau", nicht als schwarz bezeichnet. Zudem wird die aktivierende Vorbehandlung und die Nachbehandlung mit Wasser als nachteilig dargestellt (siehe Paragraph [0004]). Diese Nachteile möchte das Streitpatent überwinden. Die Aufgabe, die sich das Streitpatent davon ausgehend stellt, liegt in der Bereitstellung von Mitteln, mit denen sich Keramikoberflächen einfach und wirtschaftlich tiefschwarz färben lassen (Seite 2, Paragraph [0005]).
Bereits im Einspruchsverfahren wurde eine Verbesserung der Schwärzung im Vergleich mit dem Stand der Technik "Metcolour P100" nicht als erwiesen angesehen (Seite 10 der angefochtenen Entscheidung). Zwar zeigen die mit Schreiben vom 5. Februar 2002 (D20) eingereichten Vergleichsversuche (Tabelle Seite 7) einen etwas niedrigeren L-Wert im geschliffenen Zustand (L = 28,73; Metcolour P100: L = 29,31), aber das umgekehrte Bild im ungeschliffenen Zustand (L = 23,81 im Vergleich mit Metcolour P100: L = 21,92) (wobei niedrigere L-Werte für intensiveres Schwarz stehen). Der Unterschied in den L-Werten der geschliffenen Proben ist zudem mit 0,58 absolut (2 % relativ) derart gering, dass er im Bereich des experimentellen Fehlers liegen sollte. So sieht man im Streitpatent selbst, Beispiel 1, Tabelle, Versuche Nr. 1 und 2, bei der Bestimmung der L-Werte anhand gleicher Proben einen Fehler von 1,29 absolut bzw. 3,4 % relativ. Der Vergleich in D20 ist daher nicht aussagekräftig und die Kammer kann eine Verbesserung gegenüber Metcolour P100 auf Basis dieser Ergebnisse nicht anerkennen.
Die Richtigkeit dieser Vergleichsversuche wurde von der Beschwerdeführerin zudem angezweifelt, weil offenbar dieselben Versuche bereits vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) mit Dokument D21 eingereicht wurden, allerdings mit vertauschten Zahlenwerten in Spalten 5 und 6. Die in D21 enthaltenen Versuchsergebnisse sprechen noch weniger für eine Verbesserung, da sie bei den ungeschliffenen Proben zwar eine deutliche Verbesserung, bei den geschliffenen Proben aber eine ebenso erhebliche Verschlechterung der L-Werte gegenüber dem Stand der Technik (D1/D2) zeigen. Die Beschwerdegegnerin selbst hat das Versuchsprotokoll aus D20 für authentisch erklärt. Selbst wenn die Kammer dies zu ihrem Gunsten akzeptiert, ist ein Vorteil der Erfindung damit nicht nachzuweisen, sondern bloß eine in Anbetracht der Genauigkeit der durchgeführten Experimente im wesentlichen gleich gute Eignung zum Schwarzfärben von keramischen Oberflächen.
Eine weitere mögliche Aufgabe, nämlich stabile Rutheniumlösungen anzugeben (siehe Absatz [0007] des Streitpatents), ist durch den Stand der Technik nach D2 bereits gelöst. Es wurde nicht gezeigt, dass die Stabilität der nunmehr beanspruchten Färbelösungen besser wäre.
Die aktivierende Vorbehandlung und die Nachbehandlung mit Wasser war ebenfalls Bestandteil der Anwendung der erfindungsgemäßen Färbelösungen, wie aus dem Testprotokoll D21 (Seite 3) hervorgeht. Das Testprotokoll D20 erwähnt diese Behandlungsschritte nicht, man gelangt aber zu exakt gleichen Ergebnissen. Die Kammer muss daher annehmen, dass die Behandlung dieselbe war. Man kann nicht daraus entnehmen, dass ohne Vor- und Nachbehandlung mit Wasser eine gleich gute Schwarzfärbung erhalten werden könnte.
Eine Verbesserung des Herstellverfahrens wurde ebensowenig plausibel gemacht bzw. kann sie die erfinderische Tätigkeit eines auf ein Produkt gerichteten Anspruchs nicht tragen.
Da ein Vorteil bzw. eine Verbesserung gegenüber dem nächsten Stand der Technik also nicht nachgewiesen wurde, kann die zu lösende Aufgabe nur in der Bereitstellung von weiteren wässrigen, stabilen, rutheniumhaltigen Färbelösungen mit vergleichbarer Eignung zum Schwarzfärben von Keramik erblickt werden.
5.3 Lösung
Wie oben diskutiert, kann die Kammer nach dem vorgelegten Versuchsmaterial akzeptieren, dass die in Anspruch 1 beanspruchte Färbelösung keramische Oberflächen im wesentlichen gleich gut schwarz einzufärben vermag wie im Stand der Technik bekannte Lösungen (D1/D2). Eine von der Beschwerdeführerin behauptete Verschlechterung gegenüber dem Stand der Technik ist aus den Versuchsergebnissen D20 nicht ableitbar. Ein leicht erhöhter L-Wert bei der ungeschliffenen Probe von 23,81 (gegenüber 21,91 für Metcolour P100) stellt unter Berücksichtigung des Messfehlers (siehe oben) noch einen vergleichbaren Schwärzungsgrad, aber keine Verschlechterung dar. Die oben formulierte Aufgabe ist also mit den Mitteln des Anspruchs 1 gelöst.
5.4 Naheliegen
Es bleibt zu untersuchen, ob die beanspruchten Färbelösungen durch den Stand der Technik nahegelegt waren.
Der Fachmann, der von D1 ausgeht, entnimmt daraus die Eignung von wässrigen Lösungen eines Rutheniumsalzes von organischen Mono- oder Polycarbonsäuren mit 1 bis 18 Kohlenstoffatomen, in der aliphatischen Kette substituiert mit 1 - 3 Hydroxylgruppen und/oder 1 - 3 Aminogruppen, falls vorhanden (Anspruch 4; Seite 3, Zeilen 25 - 29). Nach den Ausführungsbeispielen in D1 besteht eine bevorzugte Schwarzfärbelösung aus der Handelsverbindung "Metcolour P 100", die beschrieben wird als "6 % water solution of ruthenium organic complex based on polycarboxylic acid mixtures" (siehe Fußnoten zu Tabellen 1, 3 und 4). Gemäß Seite 3, Zeilen 25 - 29, sind diese Polycarbonsäuren bevorzugt Polymere und Copolymere von Acryl- und Methacrylsäure sowie Vinylether - Copolymere mit Maleinsäureanhydrid und Acrolein. Der Fachmann wird auf die komplexbildende Eigenschaft dieser Polycarbonsäuren mit Ru hingewiesen. Nach Ansicht der Kammer würde der Fachmann daher bei der Suche nach Alternativen sein Augenmerk zunächst auf solche organische Polycarbonsäuren bzw. deren Salze richten, die als gute Komplexbildner bekannt sind. Beispiele im Rahmen der Lehre der D1 dafür wären, wie die Beschwerdegegnerin ausgeführt hat, Citrate, Oxalate und Tartrate. Keine dieser möglichen Alternativen führte den Fachmann aber zur beanspruchten Erfindung. Ebenfalls weg von der beanspruchten Erfindung führten Polymere und Copolymere organischer Säuren.
Befasst sich der Fachmann näher mit der schwarzfärbenden Lösung Metcolour P100, so stellt er eine Diskrepanz zwischen den Angaben in D1 und den Angaben, die der Anmelder und Erfinder von D1 in Dokument D2 zur Zusammensetzung von Metcolour P100 zur Akte gegeben hat, fest. Nach D2 besteht dieses nämlich aus "an aqueous solution of 2-hydroxy-propanate of Ru, , said solution also containing 10% by w. of NaCl". Weder dieser Gehalt an NaCl noch 2-Hydroxy-propionsäure sind in D1 selbst erwähnt. Zudem ist Metcolour P100 in D1 als "ruthenium organic complex based on polycarboxylic acids mixtures" bezeichnet (siehe die Fußnoten 3 zu Tabellen 1 und 3). Der Widerspruch in den Angaben zur Zusammensetzung des Metcolour P100 ist offenkundig und erheblich, ohne dass ihn der Fachmann ohne weiteres aufklären könnte.
Unterstellt man zu Gunsten der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann den etwas detaillierteren Angaben in D2 vertraut, so gewinnt er die Lehre, eine Lösung des Rutheniumsalzes der 2 - Hydroxypropionsäure (Milchsäure) zusammen mit Natriumchlorid in Wasser als Färbemittel für schwarze Färbungen einzusetzen. Er wird also danach trachten, weitere Salze des Rutheniums mit organischen Carbonsäuren herzustellen und auf ihre Eignung in Färbelösungen zu untersuchen.
Auf der Suche nach solchen alternativen Färbelösungen würde der Fachmann sicherlich zunächst die Verbindungen mit geringstmöglichen strukturellen Änderungen verglichen mit D1/D2 untersuchen. Unterstellt man zugunsten der Beschwerdeführerin, dass in D1 unsubstituierte C1 - C18 - Carbonsäuren als geeignet offenbart sind (vgl. Anspruch 4), und berücksichtigt man, dass in D2 speziell 2-Hydroxypropionat (Lactat) genannt ist, so wird der Fachmann zunächst den Ersatz von 2-Hydroxypropionat (Lactat) durch das nicht substituierte Propionat untersuchen. Da D2 ausdrücklich von einer Lösung des 2-Hydroxypropionats in Wasser spricht, wird der Fachmann angeleitet, das analoge Propionsäure-Salz herzustellen und in wässriger Lösung auf seine Eignung für das Schwarzfärben von keramischen Oberflächen zu untersuchen. Der Fachmann hätte keinen Grund, einer solchen Lösung NaCl zuzusetzen, da für die Anwesenheit von 10 % NaCl in Metcolour P100 in D2 selbst kein plausibler technischer Grund angegeben ist und auch eine Auswirkung desselben auf die Eigenschaften der Schwarzfärbelösung nicht ersichtlich ist. Die in D1 angegebenen Lösungen sind frei von NaCl bzw. ist solches nicht erwähnt. Für den Fachmann bleibt daher nach Studium der D1/D2 unklar, ob NaCl ein obligater Bestandteil der Färbelösungen ist oder nicht.
Hier wird der Fachmann mit dem Problem konfrontiert, dass aus den Dokumenten D1/D2 selbst nicht hervorgeht, wie eine Lösung von Rutheniumpropionat (oder auch eine Lösung des Ru - Lactats) herstellbar wäre. Dem Fachmann stellt sich daher zunächst die Aufgabe, ein Herstellverfahren für diese Verbindung zu finden. Die Kammer stellt dazu fest, dass keines der vor der Priorität des Streitpatents publizierten Dokumente ein Verfahren offenbart, bei dem eine wässrige Lösung von Natriumpropionat einer handelsüblichen Lösung von RuCl3 zugesetzt wird. Selbst wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin unterstellte, dass diese Art und Weise der Herstellung der Rutheniumpropionat-Lösung für den Fachmann naheliegend gewesen wäre, so erhielte man dadurch nur eine instabile Lösung. Die Beschwerdeführerin selbst hat nämlich bereits im Einspruchsverfahren nachgewiesen, dass die in situ Herstellung von Rutheniumpropionat durch teilweise Neutralisation einer handelsüblichen, Salzsäure enthaltende RuCl3-Lösung mit Natriumpropionat als basische Substanz keine brauchbare Färbelösung ergibt. Gemäß Versuchsbericht D6 waren so hergestellte Lösungen von Natriumpropionat und RuCl3 in Wasser bereits bei pH 4,23 nicht stabil und zerfielen binnen 3 Tagen unter Bildung unlöslicher Rutheniumverbindungen. Die Beschwerdeführerin schloss aus diesem Befund, dass diese Mischungen für das Färben keramischer Oberflächen ungeeignet sind. Die Kammer ist nicht überzeugt, dass der Fachmann unter diesen Umständen diesen Weg weiter verfolgen und Salze mit weiteren unsubstituierten Carbonsäuren, insbesondere die Acetate, näher untersuchen würde.
Gegen die Verwendung von Acetaten spricht auch das Argument der Beschwerdegegnerin, dass deren komplexierende Wirkung schwächer ausgeprägt als die der Lactate und anderer substituierter Carbonsäuren sein dürfte, was von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde. Die Untersuchung weiterer analoger Rutheniumsalze organischer Säuren führte den Fachmann daher eher in die Richtung von hydroxy- bzw. aminosubstituierten Carbonsäuren höherer Kettenlänge und damit von der beanspruchten Erfindung weg. Die Kammer kann sich dem anschließen.
Aus D24 (Spalte 2, Zeilen 47 bis 52) und D25 (Beispiele 1 und 2) sind zwar Lösungen von Metallacetaten und/oder Metallnitraten zum Färben von Keramik bekannt, diese betreffen jedoch nicht Rutheniumacetate, sondern die Acetate des Cobalts. Ein Rückschluss auf die Herstellung und Löslichkeit der Rutheniumacetate bzw. -carboxylate, die eine vergleichsweise komplexe Chemie aufweisen, dürfte nicht möglich sein. Die Dokumente D17 und D18 betreffen die Darstellung und Charakterisierung verschiedener Carboxylatkomplexe des Rutheniums, befassen sich aber nicht mit Färbelösungen.
Auch die verbleibenden, im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren vorgelegten Dokumente können, in Verbindung mit den vorstehend diskutierten Dokumenten, den Anspruchsgegenstand nicht nahelegen.
5.5 Aus alledem folgt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren die Kammer nicht überzeugen konnte, dass dem Gegenstand des Anspruchs 1 die erfinderische Tätigkeit abzusprechen wäre.
Die abhängigen Ansprüche 2 - 4 definieren bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung und haben zusammen mit Anspruch 1 Bestand. Der Anspruch 5 ist auf ein Verfahren zum Färben von Keramikoberflächen gerichtet, in dem eine Lösung gemäß Anspruch 1 verwendet wird. Seine erfinderische Tätigkeit wird durch die der Lösung gemäß Anspruch 1 getragen. Die Beschwerdegründe stehen daher der Aufrechterhaltung des Streitpatents im von der Einspruchsabteilung bestätigten Umfang nicht entgegen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.