T 0082/03 () of 30.3.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T008203.20040330
Datum der Entscheidung: 30 März 2004
Aktenzeichen: T 0082/03
Anmeldenummer: 97102423.7
IPC-Klasse: F16H 7/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Spann- und Führungsschiene für einen Kettentrieb
Name des Anmelders: JOH. WINKLHOFER & SÖHNE GmbH & Co KG
Name des Einsprechenden: ADAM OPEL AG
INA-Schaeffler KG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 790 436 (Anmeldenummer: 97 102 423.7).

II. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden 01 und 02) legten gegen das erteilte Patent Einspruch ein und beantragten, das Patent u. a. wegen fehlender Patentfähigkeit zu widerrufen.

Sie beriefen sich dabei insbesondere auf

D1: DE-A-4 310 306

D2: US-A-5 045 032

D9: DE-A-3 708 136.

III. Mit am 6. November 2002 zur Post gegebener Entscheidung wurde das europäische Patent widerrufen.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 wie erteilt durch die Kombination von D1 und D2 nahegelegt war.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 15. Januar 2003 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein.

Die Beschwerdebegründung wurde am 17. März 2003 eingereicht.

In ihrer Stellungnahme zur Beschwerdebegründung verwies die Einsprechende 01 u. a. auf:

D13: "Schnappverbindungen und Federelemente aus Kunststoff" ATI 119 von Bayern A.G.

V. Es wurde am 30. März 2004 vor der Kammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag) hilfsweise auf der Basis der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag II eingereicht am 25. Februar 2004. Die weiteren Hilfsanträge wurden zurückgezogen.

Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"1. Spann- oder Führungsschiene (S) für einen Kettentrieb, insbesondere in einer Brennkraftmaschine, mit einem Träger (T) und einem aus Kunststoff geformten Gleitbelagkörper (B), der mittels Form- und Kraftschlußelementen form- und kraftschlüssig mit dem Träger verbunden ist, wobei der Träger (T) und der Gleitbelagkörper (B) getrennt mit zueinander passenden Form- und Kraftschlußelementen einstückig vorgefertigte Baueinheiten sind und nachträglich mechanisch miteinander verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, daß der Träger (T) aus gefülltem oder verstärktem Kunststoff geformt ist."

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II lautet:

"1. Spann- oder Führungsschiene (S) für einen Kettentrieb, insbesondere in einer Brennkraftmaschine, mit einem Träger (T) und einem aus Kunststoff geformten Gleitbelagkörper (B), der mittels Form- und Kraftschlusselementen form- und kraftschlüssig mit dem Träger verbunden ist, wobei der Träger (T) und der Gleitbelagkörper (B) getrennt mit zueinander passenden Form- und Kraftschlusselementen einstückig vorgefertigte Baueinheiten sind und nachträglich mechanisch miteinander verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Träger (T) aus gefülltem oder verstärktem Kunststoff geformt ist und die Form- und Kraftschlusselemente eine lösbare mechanische Verbindung zwischen dem Träger (T) und dem Gleitbelagkörper (B) bereitstellen."

VI. Zur Begründung ihrer Anträge führte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) im wesentlichen folgendes aus:

i) In D1 seien zwei Herstellungsvarianten offenbart:

Zum einen werde der Gleitbelag auf den vorgefertigten Träger aufgespritzt und zum anderen werde der Träger auf den vorgefertigten Gleitbelag aufgespritzt. In beiden Fällen entstehe eine innige Verbindung zwischen Gleitbelag und Träger. Diese innige Verbindung bilde keinen Form- und Kraftschluß sondern einen Stoffschluß.

Bei der aus D2 bekannten Führungsschiene werde der Träger aus einem Metallwerkstoff vorgeformt, ehe der aus Kunststoff hergestellte Gleitbelag aufgebracht werde. D2 offenbare weder explizit noch implizit, daß der Träger aus gefülltem oder verstärktem Kunststoff hergestellt werden könne.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag II sei daher im Hinblick auf D1 oder D2 neu.

ii) Bei der Konstruktion gemäß der Druckschrift D1 lägen sowohl Stoff- als auch Formschluß (Führungsschienen) vor. Ein Stoffschluß, wie diese Druckschrift es lehre, sei gemäß der vorliegenden Erfindung aufgrund der getrennten Herstellung des Trägers und des Gleitbelagkörpers nicht gewollt.

Bei der D2 bestehe nur der Gleitbelag aus einem Kunststoff. Der Träger sei aus einem Metallwerkstoff hergestellt.

Die Druckschriften D1 und D2 legten zwei voneinander getrennt vorliegende parallele Konstruktionskonzepte dar, nämlich i) "Kunststoff- Metall" und ii) "Kunststoff-Kunststoff". Insbesondere aus der D1 sei für den Fachmann zu entnehmen, daß Träger und Gleitbelagkörper mittels Spritzgußtechnik (kein Kraftschluß) miteinander verbunden würden. Demnach gebe es für das Herstellen solcher Spann- oder Führungsschienen der Kunststoff- Kunststoffvariante im Stand der Technik eingefahrene, fest vorgegebene Herstellungsschritte. Die im Stand der Technik vorhandenen Konstruktionskonzepte "Kunststoff- Metall" und "Kunststoff-Kunststoff" seien daher jeweils Ergebnis unterschiedlicher Herstellungsverfahren. Eine Anregung zur Kombination von D1 und D2 sei nicht zu erkennen.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei daher durch diesen Stand der Technik nicht nahegelegt.

iii) Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II werde der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag durch das Merkmal ergänzt, daß eine lösbare mechanische Verbindung zwischen dem Träger und Gleitbelagkörper vorhanden sei.

Weder die Druckschrift D1 noch die Druckschrift D2 offenbarten die Verwendung von Form- und Kraftschlußelementen, die eine lösbare Verbindung bereitstellten. Gemäß der Druckschrift D1 sei eine Lösbarkeit des Gleitbelagkörpers von dem Träger oder umgekehrt nicht erwünscht und durch die Anordnung von Material des Gleitbelags in den Unterbrechungen auch nicht möglich. Bei der D2 sei die Verbindung zwischen Gleitbelag und Träger so ausgestaltet, daß keine lösende Verbindung möglich erscheine.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II sei daher im Hinblick auf die Druckschriften D1 und D2 als erfinderisch anzusehen.

VII. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden 1 und 2) widersprachen detailliert dem Vorbringen der Patentinhaberin und vertraten die Auffassung, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag bzw. gemäß Hilfsantrag II im Hinblick auf die Druckschriften D1 und D2 nicht patentfähig sei.

Sie beantragten, die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

Aus der D1 ist ein nachträgliches mechanisches Miteinanderverbinden des Trägers und des Gleitbelagkörpers nicht offenbart. Vielmehr wird nach der D1 entweder der Gleitbelag auf den vorgefertigten Träger aus Kunststoff aufgespritzt oder der Träger an den vorgefertigten Gleitbelag angespritzt.

Bei der D2 besteht nur der Gleitbelag aus Kunststoff. Der Träger ist aus Metallwerkstoff hergestellt.

Deshalb ist der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) weder aus der D1 noch aus der D2 bekannt.

Dies gilt auch für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II, der sämtliche Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 enthält.

3. Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)

3.1. Es besteht Einigkeit darüber, daß eine gattungsgemäße Spann- oder Führungsschiene für einen Kettentrieb aus D2 bekannt ist.

Bei dieser bekannten Führungsschiene ist der Träger aus einem Metallwerkstoff hergestellt.

Gemäß der Streitpatentschrift liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine kostengünstig herstellbare und einfach montierbare Spann- oder Führungsschiene dieser Art zu schaffen.

Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, daß der Träger aus gefülltem oder verstärktem Kunststoff geformt ist.

3.2. Die Ersetzung von Bauteilen, die herkömmlich aus einem Metallwerkstoff hergestellt wurden, durch Bauteile aus gefülltem oder faserverstärktem Kunststoff, um insbesondere ein deutlich leichteres Gewicht zu erzielen, entspricht in der Automobilindustrie einem allgemeinem Trend. Bauteile aus Metallwerkstoff möglichst aus Kunststoff herzustellen, gehört zu den üblichen Bestrebungen des zuständigen Fachmanns, um Gewicht und/oder Kosten einzusparen. Deshalb ist im vorliegenden Fall die Ersetzung des Metallwerkstoffs des Trägers durch einen gefüllten oder verstärkten Kunststoff dem Fachmann geläufig und damit als naheliegend zu betrachten.

3.3. Die Patentinhaberin hat im wesentlichen vorgebracht, daß der Stand der Technik zwei voneinander getrennt vorliegende parallele Konstruktionskonzepte darlege, nämlich

i) "Kunststoff-Metall"

ii) "Kunststoff-Kunststoff".

Nur bei dem ersten Konstruktionskonzept ("Kunststoff- Metall") sei der Metallträger mit dem Gleitbelag durch Form- und Kraftschlußelemente verbunden, siehe D2. Bei dem zweiten Konstruktionskonzept (siehe D1) sei der Gleitbelag mit dem Kunststoffträger durch Spritzgießen verbunden, wodurch ein Stoff- und Formschluß (Führungsschienen) entstehe.

Aufgrund dieser völlig unterschiedlichen Konstruktionskonzepte werde der Fachmann die Ersetzung von dem aus D2 bekannten Metallträger durch einen Kunststoffträger nicht in Betracht ziehen.

Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen:

Es ist richtig, daß sich D1 mit der Verbesserung der Vollkunststoffkonstruktion befaßt. Als Stand der Technik wird nämlich dort D9 zitiert, bei der der Träger und der Gleitbelag aus miteinander verspritzten Kunststoffen hergestellt werden, "wodurch eine äußerst innige Verbindung entsteht" (Spalte 1, Zeilen 23 bis 26).

Als Nachteil dieses Konstruktionsprinzips ist in dieser Druckschrift herausgestellt, daß "sich eine Verformung der angegebenen Oberflächenkrümmung der Spannschiene aufgrund unterschiedlicher Längenausdehnungen zwischen Gleitbelag und Träger ergeben kann".

Um diesen "Bimetalleffekt" zu vermeiden, wird in D1 vorgeschlagen, den Gleitbelag nur an einer Stelle auf dem Träger zu befestigen. Bei der Ausführungsform von D1 ist der Gleitbelag insbesondere durch einen Haken (32) einseitig fest arretiert und zur anderen Seite entlang der Oberfläche der Trägerstruktur (12) beweglich. Durch die Führungsschienen (34) ist ein Ablösen des Gleitbelags von dem Träger verhindert (Spalte 2, Zeilen 44, 45). Die Führungsschienen können auch T-nutförmig sein oder es kann der Gleitbelag den Träger an dessen Rändern (38) umgreifen.

Bei diesem zweiten Konstruktionsprinzip (Kunststoff- Kunststoff) ist mithin der Gleitbelag über seitliche Führungselemente und ein U-förmiges Hakenelement mit dem Kunststoffträger verbunden. Das ist auch der Fall bei D2, die zum ersten Konstruktionsprinzip (Kunststoff- Metall) gehört. Dort ist der Gleitbelag über seitliche Führungselemente (36) und U-förmige Hakenelemente mit dem Metallträger verbunden. Auch bei dieser Konstruktion ist darauf geachtet, daß sich der Gleitbelag und der Träger relativ zueinander aufgrund von Längung eines der beiden Elemente verschieben können. Von zwei "voneinander getrennt vorliegenden parallelen Konstruktionskonzepten" kann somit keine Rede sein.

Wie die Einsprechenden richtig ausgeführt haben, ist es nicht ersichtlich, aufgrund welchen Vorurteils der Fachmann davon hätte abgehalten werden können, den aus Metall gebildeten Träger von D2 durch den viel leichteren aus faserverstärktem Kunststoff gebildeten Träger zu ersetzen.

3.4. Des Weiteren wurden durch diesen Austausch keine unerwarteten Vorteile erzielt. In Kenntnis des deutlich leichteren Gewichts lag es auf der Hand, daß die Spannschiene mit dem Träger aus faserverstärktem Kunststoff leichter ist, als die Spannschiene mit dem aus einem Metallwerkstoff gebildeten Träger.

3.5. Nachdem bereits bei D2 die Verbindung der separat hergestellten Träger und Gleitbelagkörper nur durch Form- und Kraftschluß erfolgt, wird der Fachmann beim Ersetzen des Metallwerkstoffes des Trägers durch einen gefüllten oder verstärktem Kunststoff auch auf diese Verbindungsart zurückgreifen. Er muß der Druckschrift D2 lediglich die Lehre entnehmen, die beiden separat hergestellten Bauteile durch Form- und Kraftschluß miteinander zu verbinden.

3.6. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Der Patentanspruch 1 ist mithin nicht patentfähig, weshalb dem Hauptantrag nicht stattgegeben werden kann.

4. Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag II)

Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II wird der Inhalt des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch das Merkmal ergänzt, daß zwischen dem Träger und dem Gleitbelagkörper eine lösbare mechanische Verbindung vorhanden ist.

Diese technische Maßnahme ist bei D2, d. h. dem nächstliegenden Stand der Technik bereits verwirklicht;

Dort ist der Gleitbelag über seitliche Führungselemente und seitliche Hakenelemente, die eine Schnappverbindung bilden, mit dem Träger verbunden. Aus D13 ist dem Fachmann bekannt, daß die in den Figuren der D2 vorgeschlagenen Schnappverbindungen als lösbare Verbindungen ausgestaltet werden können. Auf jeden Fall liegt es aber für den Fachmann nahe, eine lösbare Form dieser Schnappverbindungen auszuwählen, um einen Austausch des Gleitbelags zu ermöglichen, weil dieser einem besonderen Verschleiß unterliegt.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II fügt dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag daher nichts hinzu, was auf erfinderischer Tätigkeit beruhen könnte.

Aus alledem folgt, daß auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig ist. Auch dem Hilfsantrag II kann daher nicht stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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