T 0062/03 () of 10.11.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T006203.20051110
Datum der Entscheidung: 10 November 2005
Aktenzeichen: T 0062/03
Anmeldenummer: 94102564.5
IPC-Klasse: B32B 27/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Siegelfähige orientierte Polyolefin-Mehrschichtfolie, Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung
Name des Anmelders: Treofan Germany GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: 01 Wolff Walsrode AG
02 ExxonMobil Oil Corporation
03 Grace GmbH
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Zurückverweisung - nein
Unzulässige Erweiterung - nein
Ausreichende Offenbarung - ja - allgemeines Fachwissen
Erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0083/97
T 0887/98
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 614 755 auf die am 21. Februar 1994 angemeldete europäische Patentanmeldung Nr. 94 102 564.5 der Hoechst Trespaphan GmbH, jetzt Treofan Germany GmbH & Co. KG, wurde am 11. November 1998 bekannt gemacht (Patentblatt 1998/46). Anspruch 1 lautete wie folgt:

"1. Orientierte Polyolefin-Mehrschichtfolie, umfassend eine Basisschicht, die Polypropylen, ein tertiäres aliphatisches Amin und ein Amid einer Carbonsäure mit 8 bis 24 C-Atomen enthält, und mindestens eine siegelfähige Deckschicht, die SiO2 enthält, dadurch gekennzeichnet, dass das SiO2 mit einer Beschichtung nachbehandelt ist, welche 0,5 bis 5 Gew.-% einer aliphatischen Carbonsäure, bezogen auf das Gewicht der Teilchen, enthält, und die Mehrschichtfolie frei von Silikonöl ist und die Folie nach dem Bedrucken, Schneiden, Laminieren, Beschichten, Metallisieren und/oder Prägen einen niedrigeren Reibungskoeffizienten als vor der Verarbeitung aufweist, wobei der Reibungskoeffizient nach der Verarbeitung im Bereich von 0,12 bis 0,3 liegt."

II. Gegen die Erteilung des Patents wurden Einsprüche der Firma Wolff Walsrode AG (Einsprechende I), der Firma Mobil Oil Corporation, jetzt ExxonMobil Oil Corporation (Einsprechende II) und der Firma Grace GmbH (Einsprechende III) fristgerecht eingelegt.

Alle Einsprüche richteten sich gegen das Patent in vollem Umfang. Die Einsprechende II und III beantragten, gestützt auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ, insbesondere wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit, sowie gemäß Artikel 100 b) und c) den Widerruf des Patents. Die Einsprechende I beanstandete mangelnde erfinderische Tätigkeit gemäß Artikel 100 a) EPÜ und stützte ihren Einspruch auch auf Artikel 100 b) EPÜ.

Die Einsprechenden zitierten unter anderen folgende Entgegenhaltungen:

D1 US - 4 618 527;

D2 GRACE Davison Produktinformation SYLOBLOC 45 Anti-Blockingmittel, Oktober 1992;

D3 Grace Material Safety Data Sheet SYLOBLOC 45, 1. Oktober 1992; und

D4 GRACE "Sylobloc® in Kunststoffen", Juni 1990.

III. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent mit ihrer in der mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 2002 verkündeten und am 21. November 2002 zur Post gegebenen Entscheidung.

In ihrer Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf D1 in Verbindung mit der Produktinformation D2 bzw. dem Sicherheitsdatenblatt D3 nicht erfinderisch sei.

Sie vertrat im wesentlichen die Ansicht, dass es für den Fachmann nahe liege, die in den Deckschichten der Folienkonstruktion gemäß Beispiel 3 von D1 vorgesehenen Antiblockmittel durch das aus D2 und D3 bekannte SiO2-basierte, organisch beschichtete Antiblockmittel "SYLOBLOC 45" zu ersetzen. Weder die Angabe im Streitpatent, wonach das patentgemäß verwendete SiO2 mit einer aliphatischen Carbonsäure nachbehandelt ist, noch die per se wünschenswerte Zielvorstellung eines niedrigen Reibungskoeffizienten könnten ein Nichtnaheliegen dieser Maßnahme begründen. Zudem fehle ein Beleg für die Behauptung, dass die Beschichtung des SiO2 ursächlich für die weitere Erniedrigung des Reibungskoeffizienten nach der Verarbeitung sei.

Die Argumente der Einsprechenden betreffend Artikel 100 b) und c) EPÜ wurden in der Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht kommentiert.

IV. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung reichte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) am 15. Januar 2003 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung wurde nachgereicht und ging am 31. März 2003 ein.

Mit der Beschwerdebegründung legte die Beschwerdeführerin neue Vergleichsbeispiele vor.

V. Mit Bescheid vom 25. Juli 2005 teilte die Kammer den Parteien im Hinblick auf eine entsprechende Argumentation der Beschwerdegegnerin III (siehe folgender Punkt XI d)) mit, dass für die Einspruchsabteilung keine Notwendigkeit bestehe, zu den unter Artikel 100 b) und c) EPÜ vorgebrachten Einwänden der Einsprechenden Stellung zu nehmen, da das Patent mit der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ widerrufen worden sei. Es bestehe deswegen kein Anlass für eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung.

Die Kammer stellte auch fest, dass im Hinblick auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin und die neu vorgelegten Beispiele eine erfinderische Tätigkeit voraussichtlich anzuerkennen und der Beschwerde stattzugeben sei.

VI. Daraufhin reichte die Beschwerdegegnerin II am 10. Oktober 2005 einen experimentellen Bericht und folgende neue Dokumente ein:

D10 Deutsche Norm DIN 53 375, November 1986;

D11 Polypropylene Handbook, E. P. Moore, Jr., Seiten 192 - 196, 1996; und

D12 Bicor® Produktbeschreibungsblatt.

VII. Am 10. November 2005 fand unter Beteiligung der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin II eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdegegnerinnen I und III hatten in ihren Schreiben vom 10. Oktober 2005 bzw. 21. Oktober 2005 der Kammer mitgeteilt, dass sie an der Verhandlung nicht teilnehmen würden. Sie hielten jedoch ihre schriftlichen Anträge aufrecht.

VIII. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und mündlich im wesentlichen folgendes vorgetragen:

a) Im Sinne von Artikel 100 c) EPÜ machte sie geltend, dass Anspruch 1 eine Folie definiere, welche SiO2 enthalte, wobei das SiO2 derartig nachbehandelt sei, dass es eine Beschichtung aufweise. Diese Definition sei zwecks knapper Formulierung durch den Wortlaut "dass das SiO2 mit einer Beschichtung nachbehandelt ist" wiedergegeben. Dies ändere jedoch nichts am Sinngehalt des Anspruchs 1 und der Tatsache, dass die im Anspruch 1 definierte Folie aus den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen eindeutig und zweifelsfrei hervorgehe.

b) Unter Artikel 100 b) EPÜ führte sie aus, dass im Stand der Technik Beschichtungsverfahren allgemein bekannt seien und der Fachmann keinerlei Probleme habe diese Verfahren auszuführen. Außerdem hätten alle drei Beschwerdegegnerinnen einstimmig die gleiche Literatur betreffend SYLOBLOC zitiert, was belege, dass dem Fachmann beschichtete Antiblockteilchen bekannt gewesen seien.

c) Bezüglich erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 100 a) EPÜ betonte sie, dass für den Fachmann kein Anlass zur Verwendung von "SYLOBLOC 45" bestanden habe. Umso weniger, als durch die neu vorgelegten Vergleichsversuche der Zusammenhang zwischen der organischen Beschichtung des SiO2 und der Verminderung des Reibungskoeffizienten nach Verarbeitung bewiesen sei, während es gemäß D1 in diesem Falle gerade zu einem Anstieg des Reibungskoeffizienten komme.

Der Fachmann habe daher keinen Anlass, das gemäß D1 zur Reibungsverminderung eingesetzte anorganische Material durch beschichtetes SiO2 zu ersetzen, sondern hätte im Gegenteil auf andere Antiblockmittel, welche nicht auf SiO2 Basis beruhen, zurückgegriffen. Daher sei der beanspruchte Gegenstand erfinderisch.

IX. Die Beschwerdegegnerin I hat sich im Laufe des Beschwerdeverfahrens nicht weiter geäußert.

X. Die im schriftlichen Verfahren und während der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Argumente der Beschwerdegegnerin II können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei entgegen den Erfordernissen von Art. 123 (2) EPÜ unzulässig erweitert, da das Merkmal, "dass das SiO2 mit einer Beschichtung nachbehandelt ist" über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe.

b) Das Patent offenbare die Erfindung im Sinne von Artikel 83 EPÜ nicht deutlich und vollständig, weil es nicht angebe, wie das beschichtete SiO2 hergestellt worden sei und woraus der undefinierte Restanteil der carbonsäurehaltigen SiO2-Beschichtung bestehe und, ob im Anspruch 1 der 'statische' oder 'dynamische' Reibungskoeffizient gemeint sei. Außerdem zeigten die Beispiele des Patents nur das Bedrucken und das Laminieren, aber nicht die anderen beanspruchten Verarbeitungsmethoden.

c) Schließlich sei der beanspruchte Gegenstand auch nicht erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ, weil die angestrebte Erniedrigung des Reibungskoeffizienten unter den Wert 0.3 schon durch bloßes Altern eintrete.

Da dem Streitpatent eine unerwartete Erniedrigung des Reibungskoeffizienten nicht zu entnehmen sei, könne ein derartiger Effekt auch nicht zur Begründung des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden.

Durch den Hinweis auf Seite 4 von D4 auf die Verwendung von SYLOBLOC 45 für Kunststoffe, die mit Lebensmittel in Berührung kommen, sei ihre Verwendung in den Folien gemäß D1 nahe liegend.

XI. Die Beschwerdegegnerin III hat im wesentlichen folgende Argumente schriftlich dargelegt:

a) Es liege eine Verletzung der Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ vor, weil das Merkmal im Anspruch 1 des Streitpatents, das eine Nachbehandlung des SiO2 mit einer Beschichtung betreffe, in der ursprünglichen Beschreibung nicht erwähnt sei.

b) Das Streitpatent erfülle nicht die Anforderungen des Artikels 83 EPÜ, weil es nicht angebe, woraus der undefinierte Restanteil der carbonsäurehaltigen Beschichtung des SiO2, welche 99,5 - 95 % weiterer Bestandteile enthalte, bestehe. Außerdem fehle es an der Offenbarung eines Herstellungsverfahrens für organisch nachbehandeltes SiO2, wie es im Patent beansprucht werde.

Sie betonte auch, dass das vorliegende Patent zu einer Serie von europäischen Patenten - darunter EP 0 613 770 und EP 0 613 771 - gehöre, die an demselben Mangel litten und die deshalb im Einspruchsverfahren widerrufen wurden.

c) Hinsichtlich der Frage der erfinderischen Tätigkeit schließe sich die Beschwerdegegnerin III der Argumentation der Miteinsprechenden und der Argumentation in der Entscheidung der Einspruchsabteilung an.

d) Ferner werde die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung beantragt. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung beschäftigte sich ausschließlich mit der Frage der erfinderischen Tätigkeit, eine Begründung zu den Einspruchsgründen des Artikels 100 b) und c) EPÜ finde sich in der Entscheidung jedoch nicht. Eine Zurückverweisung würde ihr die Möglichkeit bieten, auch ihre eigenen Vergleichsversuche bezüglich ausreichender Offenbarung durchzuführen. Andernfalls wäre sie einer Instanz beraubt.

XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

Die Beschwerdegegnerinnen II und III beantragten auch die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung zur Prüfung der Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und c) EPÜ, falls die Kammer der Meinung sein sollte, dass die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patentes nicht entgegenstünden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Verfahrensfragen

2.1 Die Beschwerdegegnerin III betrachtet die Tatsache, dass die angefochtene Entscheidung keine Stellung zu den Argumenten der Einsprechenden betreffend Artikel 100 b) und c) EPÜ bezog, als einen grundsätzlichen Mangel, der eine Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung rechtfertigte. Dem Antrag auf Zurückverweisung schloss sich in der mündlichen Verhandlung die Beschwerdegegnerin II an (siehe vorstehender Punkt XII).

2.2 Die Kammer weist darauf hin, dass das Patent mit der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ widerrufen wurde, und so für die Einspruchsabteilung keine Notwendigkeit bestand zu den unter Artikel 100 b) und c) EPÜ vorgebrachte Einwänden Stellung zu nehmen. In Abwesenheit eines wesentlichen Verfahrensmangels besteht für die Kammer im Hinblick auf Artikel 10 VOBK kein Anlass für eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung.

2.3 Es bleibt noch zu entscheiden, ob im Hinblick auf Artikel 111 (1) EPÜ eine Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung angebracht wäre. Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ wird die Beschwerdekammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Es steht somit im pflichtgemäßen Ermessen der Kammer, unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls darüber zu befinden, ob eine Sache zurückzuverweisen oder sachlich zu entscheiden ist. Hierbei ist auch der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie zu beachten. Ein grundsätzliches Recht der Parteien auf die Prüfung eines Sachverhaltes in zwei Instanzen besteht nach der Rechtssprechung der Kammern nicht (siehe beispielsweise die Entscheidung T 83/97 vom 16. März 1999, Nr. 4 der Entscheidungsgründe).

2.4 Im vorliegenden Fall sind keine Umstände ersichtlich, die für eine Zurückverweisung sprechen. Insbesondere ist festzustellen, dass der faktische und rechtliche Rahmen bezüglich der zur Diskussion stehenden Einspruchsgründe gegenüber der Situation vor der ersten Instanz unverändert ist. Darüber hinaus teilte die Kammer den Parteien bereits schriftlich mehr als 3 Monate vor der mündlichen Verhandlung mit, dass sie nicht beabsichtige, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen und dass nach ihrer vorläufigen Meinung der Beschwerde stattzugeben wäre (siehe beispielsweise die Entscheidung T 887/98 vom 19. Juli 2000, Nr. 5 der Entscheidungsgründe).

Diesen Feststellungen hat die Beschwerdegegnerin III weder widersprochen noch hat sie weitere Argumente und/oder Beweismittel vorgebracht. Ferner ist sie der mündlichen Verhandlung ferngeblieben. Auch die Beschwerdegegnerin II hat ihren diesbezüglichen Antrag erst in der mündlichen Verhandlung nur mit der dadurch ermöglichten Ergänzung ihrer allenfalls ungenügenden Beweismittel begründet, eine Vorgehensweise, die nicht dem eigentlichen Zweck eines zwei-instanzlichen Verfahrens entspricht.

2.5 In Anbetracht dieser Sachlage sieht die Kammer im vorliegenden Fall keine Notwendigkeit zur Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung, um die Prüfung der unter Artikel 100 b) und c) EPÜ vorgebrachten Einwände in zwei Instanzen zu ermöglichen.

3. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

3.1 Anspruch 1 wurde gegenüber der ursprünglichen Fassung durch Aufnahme der Merkmale der Ansprüche 5 ("wobei der Reibungskoeffizient nach der Verarbeitung im Bereich von 0,12 bis 0,3 liegt") und 6 ("die Folie einen niedrigeren Reibungskoeffizient als vor der Verarbeitung aufweist") ergänzt. Ferner wurde die Definition des Begriffs "Verarbeitung" von Seite 11, Zeilen 21 - 24, aufgenommen.

Außerdem wurde in Anspruch 1 das Merkmal "dass das SiO2 mit einer Beschichtung nachbehandelt ist, welche 0,5 bis 5 Gew.-% einer aliphatischen Carbonsäure, bezogen auf das Gewicht der Teilchen enthält" aufgenommen.

3.2 Der einzige Einwand der Beschwerdegegnerinnen im Hinblick auf die Änderungen im Anspruch 1 betrifft das letztgenannte Merkmal, weil es insofern über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe, als diese eine Beschichtung als Ergebnis der Nachbehandlung nicht offenbare.

3.3 Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass dieses Merkmal sich zwangsläufig aus der einzig technisch sinnvollen Interpretation der folgend zitierten Ausführungen auf den Seiten 8, 1. Absatz im Zusammenhang mit Seite 13, Zeilen 5 bis 7 (Beispiel 1) der Erstanmeldung ergibt: "Erfindungsgemäß sind die SiO2-Teilchen organisch nachbehandelt und weisen eine Beschichtung auf, welche 0,5 bis 5 Gew.-% einer aliphatischen Carbonsäure, bezogen auf das Gewicht der Teilchen, enthält... Aufgrund der organischen Beschichtung reagieren die SiO2 Teilchen ... leicht sauer" bzw. "Die Deckschichten enthielten 0,33 Gew.-% eines mit einer organischen Säure organisch nachbehandelten Siliciumdioxids."

Aus diesen Zitaten, die die einzigen sind, die sich auf die beanstandete Passage im Anspruch 1 beziehen, geht nämlich hervor, dass das SiO2 eine Beschichtung aufweist, dessen carbonsäurehaltiger Anteil Ergebnis der Nachbehandlung mit "organischer Säure" ist.

3.4 Die Kammer folgt daraus, dass die Änderungen des Streitpatents unter Artikel 123 (2) EPÜ nicht zu beanstanden sind.

4. Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)

4.1 Die Beschwerdegegnerinnen bestreiten, dass der Fachmann in der Lage ist, das patentgemäß nachbehandelte SiO2 auf der Basis der Offenbarung des Streitpatents herzustellen. Die Beschreibung gebe darüber keine Auskunft. Es werde lediglich bemerkt, dass das SiO2 organisch nachbehandelt ist (Seite 4, Zeile 19 der B-Schrift) und dass die Beschichtung 0,5 bis 5 Gew.-% einer aliphatischen Carbonsäure enthält (Seite 4, Zeilen 24 - 26). Es sei jedoch unklar, in welcher Weise und unter welchen Bedingungen die organische Nachbehandlung durchgeführt wird. Ferner sei auch nicht gesagt, wie die Behandlung mit strukturell verschiedenen Carbonsäuren zu erfolgen habe, und wie beschichtetes SiO2 bezüglich der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung der Beschichtung analysiert werden könne, was wiederum nötig sei, um zu überprüfen, ob man sich innerhalb des beanspruchten Gegenstandes befinde.

4.2 Die Kammer stellt fest, dass die Erfindung Polyolefin-Mehrschichtfolien betrifft, die aus an sich bekannten Materialien bestehen, wobei als Zusatzstoff ein mit einer organischen Säure organisch nachbehandeltes Siliziumdioxid verwendet wird. Die Beschreibung enthält zwar keine Details über die Herstellung solcher Zusatzstoffe, die oberflächliche Behandlung von gängigen Siliziumdioxidteilchen mit einer organischen Säure zum Zwecke der Herstellung einer daraus bestehenden Beschichtung auf dem Teilchen, stellt den Fachmann für Kunststofffolien infolge der Trivialität der Aufgabe aber vor keine Probleme, deren Lösung über sein allgemeines Fachwissen hinausgingen, auch wenn im Einzelfall mehrere Versuche zur Auffindung geeigneter Methoden, inklusive Lösungsmittel, notwendig sein können.

Diese Schlussfolgerung wurde von der die Beweislast tragenden Beschwerdegegnerin II zwar in der mündlichen Verhandlung in Zweifel gezogen, allerdings ohne Vorlage von schlüssigen Beweismitteln. Der Hinweis auf den technischen Aufwand, der zur Herstellung und zur Analyse der zitronensäurehaltigen Beschichtung des offenbar bevorzugten Zusatzstoffes SYLOBLOC 45 (siehe D3) notwendig ist, steht dem nicht entgegen; denn die Kammer kann im Lichte des Bekanntheitsgrades der beiden Ausgangsstoffe weder im Auffinden einer geeigneten Methode zur oberflächlichen Behandlung von Siliziumdioxidteilchen mit Zitronensäure, noch in der Wahl geeigneter, auch moderner Analysenmethoden Maßnahmen erblicken, die die Anwendung von Kenntnissen erfordern, die über das auf diesem Gebiet allgemeine Fachwissen hinausgehen und/oder die mehr als routinemäßige Versuche erfordern.

Im Lichte obiger Ausführungen verliert auch das Argument der Beschwerdegegnerin II an Bedeutung, wonach die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung beeinträchtigt wäre durch eine eventuelle kommerzielle Nichtverfügbarkeit von SYLOBLOC 45, das gemäß D2, D3 und D4 schon vor dem Prioritätstag der Anmeldung marktgängig war und insofern die Ausführbarkeit sicherstellte.

4.3 Die beweispflichtigen Beschwerdegegnerinnen haben somit die Kammer nicht davon überzeugen können, dass der Fachmann aufgrund des Fehlens eines detaillierten Beschichtungsverfahrens, und mittels seines Fachwissens, nicht in der Lage gewesen wäre, Siliziumdioxidteilchen mit einer solchen Beschichtung bereitzustellen.

4.4 Die Beschwerdegegnerin II hat auch erwähnt, dass das Patent nicht angebe, ob im Anspruch 1 der 'statische' oder der 'dynamische' Reibungskoeffizient gemeint ist, und dass die vorhandenen Beispiele nur das Bedrucken und das Laminieren zeigten, aber nicht die anderen beanspruchten Verarbeitungsmethoden, so dass auch bezüglich dieser Mängel mangelnde Ausführbarkeit vorliege.

Was den Reibungskoeffizienten betrifft, so waren die Parteien in der mündlichen Verhandlung einig, dass im vorliegenden Fall, in dem es um die Verbesserung der Gleiteigenschaften geht, nur der dynamische Reibungskoeffizient gemeint sein konnte. Daher ist der Begriff Reibungskoeffizient im Streitpatent als dynamischer Reibungskoeffizient zu verstehen.

Bezüglich der fehlenden Beweismittel für die Ausführbarkeit der Erfindung im ganzen beanspruchten Umfang stellt die Kammer fest, dass die Beschwerdegegnerin II, die diese Beanstandung gemacht hat und somit die Beweislast trägt, nichts vorgetragen hat, was Zweifel an der Ausführbarkeit der Erfindung für andere beanspruchte Verarbeitungverfahren begründen könnte.

4.5 Auch das von der Beschwerdegegnerin III vorgebrachte Argument, wonach der Widerruf der parallelen Patente der Patentinhaberin EP 0 613 770 und 0 613 771 wegen mangelnder Offenbarung auch den Widerruf des Streitpatents aus demselben Grund nach sich ziehen müsste, trifft nicht zu. Die vorliegende Situation unterscheidet sich nämlich von derjenigen, die zum Widerruf dieser Patente geführt hat dadurch, dass dort der Hinweis im Anspruch 1 "bezogen auf das Gewicht der Teilchen" fehlte, wodurch sich die Problematik ergab, dass bis zu 99,5 Gew.-% der Beschichtung materialmäßig undefiniert waren, wodurch sich ein Offenbarungsmangel ergab.

4.6 Demnach gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ sind daher erfüllt.

5. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Neuheit wurde im Beschwerdeverfahren nicht mehr bestritten. Auch die Kammer hat sich davon überzeugt, dass keines der vorliegenden Dokumente alle Merkmale des Anspruchs 1 aufweist. Die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ sind daher erfüllt.

6. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

6.1 Nächstliegender Stand der Technik

6.1.1 Im Einvernehmen mit den Parteien und der Einspruchsabteilung sieht die Kammer die Offenbarung von D1, insbesondere Beispiel 3 als nächstliegenden Stand der Technik an.

6.1.2 D1 beschreibt eine biaxial orientierte mehrschichtige Polyolefinfolie, deren Basisschicht eine antistatische Zusammensetzung aus einem tertiären aliphatischen Amin, einem Fettsäureamid und einem Monoester eines mehrwertigen Alkohols und einer Fettsäure enthält, und die eine Deckschicht aufweist aus einem thermoplastischen Kunstharz, dem als Antiblockmittel und zur Verringerung des Reibungskoeffizienten ein fein gekörnter anorganischer Stoff beigemengt ist (siehe Anspruch 1). Als anorganische Stoffe eignen sich solche Stoffe, welche den Reibungskoeffizienten verringern, ohne jedoch Eintrübungen zu verursachen (Spalte 4, Zeilen 3 - 9); wie zum Beispiel Kieselgele, wasserfreie Aluminiumsilikate oder synthetische Silikate (Spalte 4, Zeilen 9 - 24).

6.1.3 Nach der Ausführungsform gemäß Beispiel 3 wird eine orientierte mehrschichtige Polyolefinfolie hergestellt, welche Polypropylen (Spalte 5, Zeilen 40 - 45), ein tertiäres aliphatisches Amin (Spalte 6, Zeile 37) und Stearinsäureamid (Spalte 6, Zeilen 16 und 37) in der Basisschicht und Teilchen aus Natrium-Aluminium-Silizium-Oxid, Kaopolite 1152 und Aluminiumsilikat in der Deckschicht (Spalte 5, Zeilen 26 - 38) enthält. Diese Folie weist nach der Herstellung einen Reibungskoeffizienten von 0,23 und nach dem Bedrucken von 0,25 auf, d. h. der Reibungskoeffizient ändert sich nicht signifikant.

6.2 Aufgabe und Lösung

6.2.1 Die Folien nach Anspruch 1 des Streitpatents unterscheiden sich von den Folien gemäß Beispiel 3 von D1 lediglich dadurch, dass die Deckschicht ein mit einer aliphatischen Carbonsäure behandeltes, beschichtetes SiO2 als Antiblockmittel aufweist.

6.2.2 Diese Folien weisen gegenüber einer D1 entsprechenden Folie, die unbeschichtetes SiO2 enthält, verbesserte Reibungswerte auf, wobei in den mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Versuchen insbesondere eine Erniedrigung des dynamischen Reibungskoeffizienten eine Woche nach Bedruckung festgestellt wurde. Dies belegt, dass die Beschichtung des Antiblockmittels ursächlich für das verbesserte Reibungsverhalten ist.

6.2.3 Diese gegenüber D1 erzielten Vorteile wurden von der Beschwerdegegnerin II mit dem Argument in Frage gestellt, dass die Abnahme des Reibungskoeffizienten, unabhängig von der Beschichtung des SiO2, auch nur nach einer bestimmten Lagerzeit eintritt. Diesbezüglich wurde verwiesen auf Abb. 9 von D4 und auf Versuche der Beschwerdegegnerin II vorgelegt mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2005 (Seite 5).

6.2.4 Nach Meinung der Kammer ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, die diesen Alterungseffekt mit der bekannten Migration des Amids von der Basisschicht zur Deckschicht erklärt (siehe D1, Spalte 1, Zeilen 27 - 41), weshalb üblicherweise die hergestellten Folien vor ihrer Weiterverarbeitung gelagert werden. Aus diesem Grund, und in Berücksichtigung dieses Effektes, offenbart auch das Streitpatents in Tabelle 1 nur Reibungskoeffizienten, die 14 Tage nach Produktion bzw. nach dem Drucken und Kaschieren gemessen wurden.

Daraus wird einerseits deutlich, dass die patentgemäß beobachtete Erniedrigung des Reibungskoeffizienten unabhängig von dem bekannten Alterungseffekt auftritt, und dass anderseits eine Beurteilung der tatsächlichen Erniedrigung des Reibungskoeffizienten erst nach der dem Fachmann geläufigen Alterungszeit sinnvoll ist.

6.2.5 Somit kann die gegenüber D1 zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, eine Polypropylenfolie zur Verfügung zu stellen, die einen niedrigen (dynamischen) Reibungskoeffizienten aufweist und verbesserte Verarbeitungseigenschaften zeigt (siehe Seite 3, Zeilen 7 - 9 der B-Schrift).

6.2.6 Die Beispiele im Streitpatent (siehe Tabelle 1) zeigen, dass diese Aufgabe als gelöst gelten kann. Sie belegen insbesondere die Verminderung des Reibungskoeffizienten nach dem Drucken und Kaschieren. Darüber hinaus zeigen die von der Beschwerdeführerin neu vorgelegten Versuche, wie vorstehend ausgeführt, einen kausalen Zusammenhang zwischen der angestrebten Erniedrigung des Reibungskoeffizienten nach Verarbeitung und der Verwendung eines organisch beschichteten SiO2.

6.3 Naheliegen

6.3.1 Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob der Fachmann ausgehend von der Folie gemäß Beispiel 3 aus D1 und mit der vorstehend definierten Aufgabe konfrontiert, auf Grund der im Verfahren befindlichen Dokumente in nahe liegender Weise zu der beanspruchten Folie gekommen wäre.

6.3.2 Die Beantwortung dieser Frage hängt wesentlich davon ab, ob diesen Dokumenten ein Hinweis auf die Verwendung von organisch beschichtetem SiO2 zur Erniedrigung des Reibungskoeffizienten entnommen werden kann.

6.3.3 Dokument D1 beschreibt als bevorzugte Antiblockmittel fein gekörnte anorganische Stoffe (Spalte 4, Zeilen 3 - 24). Die Möglichkeit der Verwendung einer organischen Beschichtung ist jedoch nicht erwähnt. Demgemäß wir die beanspruchte Lehre durch D1 alleine nicht nahe gelegt.

6.3.4 Dokument D4 beschreibt unter dem Handelsnamen SYLOBLOC von der Firma Grace vertriebene, synthetisch hergestellte amorphe, hochporöse, Kieselsäuretypen (siehe Ziffer 1.). Die SYLOBLOC-Produktpalette umfasst unbehandelte sowie anorganische oder organisch beschichtete Produkte, die sich für verschiedene Zwecke eignen (siehe Ziffer 3. Tabelle 1; Ziffer 4. Tabelle 2). SYLOBLOC 45 stellt ein SiO2 dar, welches einer organischen Oberflächenbehandlung mit Zitronensäure unterworfen wurde (siehe auch D3, Seite 1); es wird für den Einsatz in Polypropylen-Folien empfohlen (siehe D4 unter Ziffer 4). Die beschichteten SYLOBLOC-Typen 43 und 45 verhindern Verfärbungen, welche durch manche Antioxidationsmittel hervorgerufen werden und SYLOBLOC 45 wird für Kunststoffe, die mit Lebensmittel in Berührung kommen empfohlen (siehe Ziffer 3 von D4).

6.3.5 Die Beschwerdegegnerin II war der Meinung, dass der Fachmann, vor die Aufgabe des Streitpatents gestellt, ohne weiteres das in D4 als Antiblockmittel für Polypropylenfolien empfohlene SYLOBLOC 45 verwendet hätte. Insbesondere auch deshalb, weil dieses für die Verwendung im Lebensmittelbereich empfohlen wurde und es sich für die Antiblocking- und Schlupfausrüstung von beschichteten Polypropylenfolien eigne (Seite 11 von D4, Tabelle 3).

6.3.6 Diese Argumente überzeugen die Kammer nicht. In D4 (Tabelle 3) wird sowohl beschichtetes als auch unbeschichtetes SYLOBLOC für Propylenfolien empfohlen. Darüber hinaus enthält D4 überhaupt keinen Hinweis, dass die Verwendung von SYLOBLOC 45 als Antiblockmittel einen Einfluss auf den Reibungskoeffizienten nach der Verarbeitung der Folien haben könnte. Auch D2 und D3 enthalten diesbezüglich keine Information.

Daher war es für den Fachmann aus dem bekannten Stand der Technik nicht abzuleiten, dass durch die Auswahl eines beschichteten Antiblockmittels eine Folie zur Verfügung gestellt werden könnte, deren Reibungskoeffizient nach Verarbeitung in den Bereich 0,12 bis 0,3 gesenkt werden kann. Weder das Problem noch ein Ansatz zu dessen Lösung geht aus dem Stand der Technik hervor. Der Fachmann kann dem Dokument D1 in Verbindung mit D2, D3 und D4 nur entnehmen, dass SYLOBLOC 45 eines unter mehreren zur Verfügung stehenden Antiblockmittel ist. Daraus lässt sich aber nicht in nahe liegender Weise herleiten, dass sich der Reibungskoeffizient durch die Verarbeitung der Folie erniedrigt.

6.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass der beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

- Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

- Der Antrag auf Zurückverweisung wird abgewiesen.

- Das Patent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.

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