T 0014/03 () of 1.3.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T001403.20040301
Datum der Entscheidung: 01 März 2004
Aktenzeichen: T 0014/03
Anmeldenummer: 93924052.9
IPC-Klasse: B05D 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 1 MB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Pulverklarlack und Verfahren zur Herstellung einer mehrschichtigen Lackierung
Name des Anmelders: BASF Coatings Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: DuPont Performance Coatings GmbH & Co. KG
PPG Industries, Inc.
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
European Patent Convention 1973 Art 114
European Patent Convention 1973 Art 123
Schlagwörter: Neuer Einspruchsgrund zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren vorgebracht - nicht zugelassen
Ausführbarkeit (bejaht)
Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0225/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit dem Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 751 233 der Einsprechenden I war das Patent in vollem Umfang im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) sowie Artikel 100 b) EPÜ (unzureichende Offenbarung) angegriffen worden, während die Einsprechende II das Patent ebenfalls im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) angegriffen hatte. Die Einspruchsabteilung hatte in ihrer Zwischenentscheidung vom 11. Mai 1999 festgestellt, daß die geänderten Ansprüche vom 15. März 99 zwar die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ erfüllten, aber das Streitpatent wegen mangelnder Klarheit des geänderten Anspruches 1 widerrufen. Die Beschwerdekammer stellte in der Sache T 0679/99 fest, daß der Anspruch 1 vom 15. März 99 die Erfordernisse von Artikel 84 erfüllte und verwies die Sache zur weiteren Prüfung der Entscheidungsgründe nach Artikel 100 a) und b) EPÜ an die Erstinstanz zurück.

Mit der jetzt angefochtenen Entscheidung vom 15. November 2002 stellte die Einspruchsabteilung fest, daß die im Beschwerdeverfahren in den Ansprüchen vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ genügten und daß das Streitpatent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbare, daß ein Fachmann sie ausführen könnte. Außerdem wurde befunden, daß der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 des Streitpatents neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die beiden Beschwerdeführerinnen (Einsprechende I und II) haben gegen diese letztere Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 0 751 233 Beschwerde eingelegt.

II. Am 1. März 2004 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

i) Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende I) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

ii) Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen, hilfsweise die Zurückverweisung an die erste Instanz zur weiteren Prüfung.

iii) Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen.

III. Während der mündlichen Verhandlung wurden die folgenden Dokumente als besonders relevant erachtet:

D1 = "farbe + lack", 97. Jahrgang, 10/1991, Seiten 893- 895

D5 = "farbe + lack", 97. Jahrgang, 10/1991, Seiten 876- 880

D6 = Firmenschrift der Mütek-Laser und opto-elektronische Geräte GmbH: "Anschauliche Bedeutung der verschiedenen D(M, N)-Partikeldurchmesser", Februar 1988

D9 = Journal of Coatings Technology, Band 56, Nr. 717, Oktober 1984, Seiten 23-33

D13 = FARBE UND LACK, 79. Jahrgang, Nr. 6, 1973, Seiten 509-517

D15 = GB-A-2 012 191

D16 = RRS-Diagramm mit eingetragenen Daten aus den drei Punkten der Korngrößenbereiche von D15

D17 = DE-A-41 12 688

D20 = Ullmanns Encyclopädie der technischen Chemie, Band 5, "Analysen- und Messverfahren", Verlag Chemie, Weinheim, 1980, K. Leschonski, "Messung von Partikel- und Porengrößenverteilungen sowie von spezifischen Oberflächen.", Seiten 725 bis 753

D22 = Journal of Dispersion Science and Technology, Vol. 23, Nr. 5, Seiten 631-662, 2002

D23 = P. Bowen et al., "Particle Size Distribution Measurement of Anisotropic Particles - Cylinders and Platelets - Practical Examples", 2002(?)

IV. Der geänderte unabhängige Anspruch 1 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 26. September 2002 (identisch mit Anspruch 1 vom 15. März 1999) lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung einer mehrschichtigen Lackierung auf einer Substratoberfläche, bei dem

(1) ein pigmentierter Basislack auf die Substratoberfläche aufgebracht wird,

(2) aus dem in Stufe (1) aufgebrachten Lack ein Polymerfilm gebildet wird,

(3) auf die so erhaltene Basisschicht ein Pulverklarlack aufgebracht wird, welcher eine Korngrößenverteilung aufweist, bei der

a) höchstens 15 Gew.% der Pulverklarlackteilchen eine Korngröße aufweisen, die kleiner als 10 µm ist,

b) für mindestens 40 Gew.% der Pulverklarlackteilchen der Zehnerlogarithmus des Quotienten aus der größten und der kleinsten Korngröße kleiner oder gleich 0,25 ist und

c) mindestens 98 Gew.% der Pulverklarlackteilchen eine Korngröße aufweisen, die kleiner als 100 µm ist, wobei die mittlere Korngröße der in b) definierten Pulverklarlackteilchen d ± 0,2 d beträgt, wobei d für die mittlere Schichtdicke der mit dem Pulverklarlack herzustellenden eingebrannten Pulverklarlackschicht steht und die mittlere Korngröße mit einem Laserbeugungsspektrometer ermittelt wird, und anschließend

(4) die Basisschicht zusammen mit der Pulverklarlackschicht eingebrannt wird."

V. Der Vortrag der Beschwerdeführerin I ist wie folgt zusammengefaßt:

Da Anspruch 1 eine Interpretation von beliebigen 40% Bereichen ohne das Logarithmus-Erfordernis zulasse, liege ein Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ vor.

Der Fachmann könne das beanspruchte Verfahren nicht ausführen, da er nicht wisse, welche Fraktion einer Korngrößenverteilung heranzuziehen sei, um die Korrelation zwischen der mittleren Korngröße und der mittleren Schichtdicke d ± 0,2 d einzustellen. Merkmal (b) von Anspruch 1 lasse eine Interpretation mit zwei 40%-Bereichen zu, die zu zwei unterschiedlichen mittleren Korngrößen führe (vgl. Eingabe der Einsprechenden I vom 21. August 02, Abbildungen 1-4 und 6-7). Gemäß Versuchsbericht der Beschwerdegegnerin vom 16. September 99 sei es die mittlere Korngröße aller Teilchen, während es gemäß der Entscheidung der Beschwerdekammer T 0679/99, die mittlere Korngröße der unter Merkmal (b) definierten Teilchen sein solle. Der Medianwert sei weder im Patent noch im zitierten Versuchsbericht erwähnt und habe weder mit der mittleren Korngröße noch mit der "Steilheit" der Verteilung zu tun. Der Medianwert könne massiv von der mittleren Korngröße abweichen. Außerdem seien bimodale Verteilungen üblich. Für die im Patent angegebene Nassfilmdicke von 40-50 µm (vgl. Spalte 3, Zeile 55) liege der Medianwert unter Annahme einer 50%igen Schrumpfung beim Einbrennen nicht mehr im Bereich der Erfindung.

Dokument D17 bilde den nächstkommenden Stand der Technik, von dem sich Anspruch 1 durch die Merkmale (a) und (b) unterscheide. Aus Dokument D1 (vgl. Seite 895; Abbildungen 10 und 12-13) seien mittels Zyklonsichtung erhaltene Pulverlacke bekannt, welche den Merkmalen (a) und (c) von Anspruch 1 entsprächen. Auch die Vorteile einer "engen Kornverteilung", nämlich eine gleichmäßigere Schichtdicke sowie eine bessere Verarbeitbarkeit, seien daraus bekannt, die als Motivation des Fachmannes betrachtet werde, diese "enge Verteilung" zu verwenden. Diese gleichmäßigere Schichtdicke bedeute einen gleichmäßigeren Verlauf und geringere Rauhtiefen. Damit laute die für den Fachmann, ausgehend von Dokument D17, zu lösende technische Aufgabe, eine gleichmäßigere glatte Oberfläche zu erzielen. Durch Kombination von Dokument D17 mit D1 könne der Fachmann das beanspruchte Verfahren herleiten, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.

Ebenso würde eine Kombination der Dokumente D17 und D5 zum Gegenstand von Anspruch 1 führen, da auch von D5 bekannt sei, daß eine enge Verteilung ohne Grobanteil günstig für die Verarbeitung ist und die Partikelgröße in der Größenordnung der Schichtdicke sein solle (vgl. D5, Abbildungen 3-4; sowie Seite 879, Paragraph 4.2; Seite 880, Paragraph 5.2).

VI. Die Beschwerdeführerin II hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Eine unzulässige Änderung unter Artikel 123 (2) EPÜ stehe im Zusammenhang mit der Interpretation von Anspruch 1 (daß die Fraktion von Merkmal (b) innerhalb des Bereiches von 10 µm und 100 µm liegen müsse), da auch die Interpretation nicht über den ursprünglich offenbarten Gegenstand hinaus gehen dürfe.

Der Fachmann sei mit einem unzumutbaren Aufwand (vgl. T 0225/93) zur Ermittlung des Pulverlackes bzw. dessen Korngrößenverteilung sowie der Korrelation der mittleren Korngröße mit der angegebenen Schichtdicke des eingebrannten Pulverlackfilms konfrontiert. Der Fachmann wisse nicht, welche mittlere Korngröße mit Merkmal (b) definiert werde, da keine symmetrische Normalverteilung vorliege und es gemäß Dokument D22 drei Möglichkeiten gäbe (vgl. Seite 635). Im übrigen gebe es mehrere Möglichkeiten für die "40%-Bereiche" gemäß Merkmal (b) von Anspruch 1. Außerdem lasse Anspruch 1 offen, mit welcher Methode die Korngrößenverteilung gemessen werde, wobei von Dokument D22 klar sei, daß die Meßmethode das Ergebnis stark beeinflusse (vgl. D22, Seite 648, linke Spalte). Eine Meßmethode ohne Angabe des Meßinstruments sei nicht nacharbeitbar, da das Ergebnis von der Kalibrierung abhänge (vgl. D20, Seite 742). Die Anzahl der notwendigen Versuche werde zusätzlich durch die Ermittlung der mittleren eingebrannten Filmschichtdicke auf einem komplexen Körper, wie einer Autokarosserie, die von Anspruch 1 beinhaltet werde, erhöht. Der zweite Teil des Merkmals (b) beziehe sich auf die Fraktion und nicht auf die Gesamtheit der Teilchen. Ein Medianwert sei nirgends im Streitpatent offenbart. Die Methode zur Bestimmung der Korngrößenverteilung könne zwar dieselbe sein, wie zur Bestimmung der mittleren Korngröße, sie müsse aber nicht dieselbe sein. Bimodale Verteilungen seien bekannt (vgl. D22, Seite 640, Figur 6) und die Lehre müsse im gesamten beanspruchten Bereich von Anspruch 1 nacharbeitbar sein. Einen Pulverlack gemäß Dokument D1 mit den Merkmalen (a), (b) und (c) herzustellen sei kein Problem, die Korrelation mit der Schichtdicke des eingebrannten Films hingegen schon.

Das beanspruchte Verfahren sei gegenüber jenem gemäß Dokument D15 in Verbindung mit der im Diagramm D16 eingezeichneten Kornverteilung gemäß D15 nicht neu.

Dokument D17 bilde den nächstkommenden Stand der Technik, der die Verfahrensmerkmale offenbare. Das Erfordernis der Korrelation zwischen der durchschnittlichen Korngröße und der eingebrannten Filmschichtdicke von d ± 0.2 d werde ebenfalls erfüllt, da gemäß Beispiel von D17 eine mittlere Korngröße von 50 µm zu einer eingebrannten Filmschichtdicke von 60 µm führt, so daß die offenbarte mittlere Korngröße im Bereich von 48-72 µm liegen dürfe. Das fehlende Merkmal sei die "Steilheit" der Verteilungskurve. Die zu lösende technische Aufgabe sei daher, einen weiteren Pulverlack bereitzustellen, der eine enge Korngrößenverteilung aufweist. Derartige Pulverlacke seien z. B. aus den einander entsprechenden Dokumenten D9 oder D13 (vgl. D13, Tabelle 1) bekannt. Die Einzelfraktion 3 mit einer Korngröße von 20-35 µm gemäß D13 erfülle sowohl das Logarithmus-Kriterium als auch die Korrelation mit der eingebrannten Schichtdicke (vgl. Abbildung 12; und Seite 517, rechte Spalte, vierter Absatz). Ein Klarlack könne pigmentiert sein und ein derartiger Pulverlack sei von Anspruch 1 nicht ausgeschlossen. Die von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Versuche (vgl. Patent sowie Eingabe der Patentinhaberin vom 16. September 99) repräsentieren nicht den beanspruchten Gegenstand, da die Beispiele im Patent nicht die Korrelation mit der Schichtdicke des eingebrannten Filmes zeigen, während bei den Vergleichsversuchen nicht die gemäß Merkmal (b) von Anspruch 1 zugrunde zulegende mittlere Korngröße offenbart wird, sondern ein Mittelwert der Gesamtheit aller Teilchen. Somit sei nicht bewiesen, daß überhaupt bessere Eigenschaften erzielt werden, insbesondere eine verbesserte Rauhtiefe.

Alternativ könne auch Dokument D15 als Startpunkt dienen und mit D13 kombiniert werden. Da Dokument D9 lehre, daß die Pigmente stören, würde der Fachmann diese weglassen.

Anspruch 1 mangele es daher an der erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Sie stimme der Einführung des von der Beschwerdeführerin I behaupteten Verstoßes gegen Artikel 123 EPÜ als einem neuen Einspruchsgrund, nicht zu.

Wie aus der Abbildung 2 des Patents entnehmbar, handele es sich um eine kumulierte Massenverteilung der Korngrößen, wie sie auch für kommerziell erhältliche Pulver zusammen mit dem d50-Wert angegeben wird, die mittels eines Laserbeugungsspektrometers ermittelt wurde. Die mittlere Korngröße gemäß Merkmal (b), erste Hälfte, von Anspruch 1 solle als Medianwert (d50) verstanden werden. Die Laserbeugungsspektrometrie liefere insbesondere im Korngrößenbereich von 10-100 µm, eine sehr gute Übereinstimmung mit der Bildanalyse (vgl. D22, Seite 650, Figuren 22-23). Die Merkmale (a) und (c) von Anspruch 1 definierten die Unter- bzw. Obergrenze des Pulvers, dessen Hauptbestandteil gemäß Merkmal (b) eine bestimmte enge Kornverteilung ("Steilheit") gemäß dem Logarithmus-Erfordernis aufweise. In der Praxis würden nur monomodale Verteilungen angewandt (vgl. D1 und D6). Der Fachmann bringe den Pulverlack zur Ermittlung der mittleren eingebrannten Schichtdicken auf ebene Musterbleche auf. Der Fachmann wisse aufgrund der Fehlereinflüsse der Meßmethoden gemäß den Dokumenten D20 und D22 auch, wie er diese ausschließen könne. Die Korngrößenverteilung gemäß Streitpatent sei nicht symmetrisch, aber aufgrund der engen bzw. "steilen" Verteilung sei der Unterschied zwischen den drei möglichen mittleren Korngrößen minimal und daher nicht relevant.

Das beanspruchte Verfahren sei gegenüber Dokument D15 in Verbindung mit D16 neu, da die "Steilheit" der Verteilung und auch die Analysenmethode nicht bekannt seien.

Die Aufgabe gemäß Streitpatent sei, den Glanz und Verlauf zu verbessern und die Rauhtiefe auf einen Wert von 0.014 µm mit einer Standardabweichung von 0.01 zu reduzieren (vgl. Patent, Spalte 1, Zeilen 34-40 in Verbindung mit Spalte 3, Zeile 57 bis Spalte 4, Zeile 13). Die zitierten Dokumente könnten die beanspruchte Lösung gemäß Anspruch 1 nicht nahe legen. Dokument D15 mache keinerlei Angaben, welche Prozente (z. B. Gew.%) im Hinblick auf die Korngrößen gemeint seien, das Pulver scheine aber dem Vergleichsbeispiel des Streitpatents zu entsprechen. Dokument D13 betreffe pigmentierte Einschichtlackierungen, also weder einen Klarlack noch einen Mehrschichtaufbau. Der störende Einfluß der Pigmente sei aber von Dokument D9 bekannt (vgl. Seite 29; Figur 10).

Die Dokumente D9 und D13 zeigten, daß gröbere Körner zu einem schlechteren Glanz und Verlauf führten, wobei für eine Schichtdicke von 100 µm eine mittlere Korngröße von 40. µm verwendet werden solle (vgl. D9, Seite 32, rechte Spalte, vorletzter Absatz; und D13 Seite 517, linke Spalte, vorletzter Absatz; und Seite 517, rechte Spalte, vierter Absatz). Der Zweck des Dokuments D17 sei völlig anders und die Auftragung des Lacks sei kein Nass/Nass- Auftrag (vgl. Seite 2, Zeilen 21-23; Seite 3, Zeilen 39- 41; Seite 4, Beispiel). Außerdem werde in D17 die Bestimmungsmethode der Teilchengröße nicht angegeben. Dokument D5 sei in allen Belangen nur sehr vage. Eine Korrelation der mittleren Korngröße und der Schichtdicke des eingebrannten Filmes werde nirgends offenbart.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ

Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung vom 11. Mai 1999 die am 15. März 1999 eingereichten Ansprüche 1-6 als zulässig im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ befunden, wobei die beiden Einsprechenden dies nicht bestritten hatten (vgl. Entscheidung vom 11. Mai 1999, Punkte 2 bis 2.2 der Entscheidungsgründe). Eine Verletzung der Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ wurde von den beiden Einsprechenden auch nicht im anschließenden Beschwerdeverfahren T 0679/99 angesprochen. Die in der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2002 eingereichten Ansprüche 1-6, welche der Zwischenentscheidung zugrunde liegen, sind mit jenen vom 11. Mai 1999 identisch. Somit stellen die erstmalig im vorliegenden zweiten Beschwerdeverfahren von den Beschwerdeführerinnen I und II vorgebrachten Beanstandungen unter Artikel 123 (2) und (3) EPÜ gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern einen neuen Einspruchsgrund dar, der nur mit dem Einverständnis der Patentinhaberin in das Verfahren eingeführt werden kann (vgl. G 10/91, ABl. 1993, 420). Da die Patentinhaberin dieses Einverständnis nicht gegeben hat, kann die Kammer diesen als neu anzusehenden Einspruchsgrund daher nicht weiter berücksichtigen.

2. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)

2.1. Der strittige Teil des Anspruches 1 bezieht sich auf Merkmal (3) (unterteilt in (a), (b), (c) und ein abschließendes Merkmal, hier genannt Merkmal (b) zweiter Teil, siehe Ziffer IV oben). Gemäß der o. g. Entscheidung T 0679/99 ist dieser Teil so zu interpretieren, daß die Merkmale (a) und (c) die Unter- bzw. die Obergrenze der Korngröße der Pulverklarlackteilchen definieren, innerhalb derer sich eine einzige Fraktion von mindestens 40 Gew.% der Pulverklarlackteilchen gemäß Merkmal (b) erster Teil befindet, wobei die "mittlere Korngröße" dem Mittelwert nur dieser in Merkmal (b) definierten Fraktion von Teilchen zu verstehen ist. Diese mittlere Korngröße muß des Weiteren das Erfordernis von d ± 0.2 d erfüllen, wobei d für die mit dem Pulverlack hergestellte mittlere Schichtdicke der eingebrannten Pulverklarlackschicht steht, Merkmal (b) zweiter Teil.

Aufgrund dieser Interpretation kann die Kammer die Argumente der Beschwerdegegnerin betreffend die Behauptung, daß die mittlere Korngröße der Medianwert d50 sei, für die es im übrigen keinerlei Stützung in der ursprünglichen Anmeldung gibt, nicht akzeptieren.

Aufgrund dieser Interpretation kann die Kammer aber auch nicht die Argumente der beiden Beschwerdeführerinnen betreffend beliebige oder mehrere 40 Gew.% Bereiche des Merkmals (b) akzeptieren. Damit fallen auch die Argumente betreffend eine bimodale Korngrößenverteilung, da diese durch den einzigen Bereich gemäß Merkmal (b), der die mittlere Schichtdicke des eingebrannten Lacks definiert, aufgrund der engen Korngrößenverteilung und damit steilen graphischen Kurve ausgeschlossen sind.

2.2. Aus den Abbildungen 1 und 2 in Kombination mit der Angabe "Gew.%" von Anspruch 1 kann der Fachmann dem Streitpatent eindeutig entnehmen, daß eine Verteilungssummenkurve basierend auf der Masse der Pulverlackpartikel vorliegt und daß keine andere Verteilungskurve, wie z. B. eine Verteilungsdichtekurve, vorliegt (vgl. D20, Seite 727, Figur 1; und D22, Seite 635, Figur 3a).

2.3. Die Tatsache, daß der Ausdruck "mittlere Korngröße" im Merkmal (b) zweiter Teil als Mittelwert im Sinne eines arithmetischen Mittelwerts zu verstehen ist, ergibt sich für die Kammer wie folgt. In der Literatur werden die drei mittleren Korngrößen "Mean", "Median" und Mode" beschrieben und definiert, wobei beim Vorliegen einer symmetrischen Verteilung, wie einer Normalverteilung, diese drei mittleren Korngrößen zusammenfallen (vgl. D22, Seite 635, rechte Spalte, zweiter Absatz).

Aus Dokument D20 ist weiters entnehmbar, daß besonders häufig a) die arithmetische mittlere Partikelgröße (=Korngröße), und b) die gewogene mittlere Partikelgröße angewandt werden, wobei letztere mit der Abszisse des Schwerpunkts der Verteilungsdichtekurve identisch ist (vgl. D20, Seite 728, rechte Spalte, "Mittlere Partikelgrößen", in Verbindung mit Seite 727, Figur 1 unten). Da beim Streitpatent weder eine Verteilungsdichtekurve noch ein Medianwert offenbart sind und Anspruch 1 außerdem sowohl eine "mittlere Korngröße" als auch eine "mittlere Schichtdicke" definiert, ist für den Fachmann eindeutig, daß mit dem Ausdruck nur die dritte Möglichkeit, nämlich, der (arithmetische) "Mittelwert" der Korngröße, gemeint sein kann.

2.4. Für die Bestimmung der mittleren Korngröße gemäß Merkmal (b) von Anspruch 1 ist im Merkmal (b) zweiter Teil die Laserbeugungsspektrometrie definiert. Mit dieser Methode kann der Mittelwert von Korngrößen, insbesondere im vorliegenden relevanten Bereich von ca. 1-100 µm, bestimmt werden. Dabei wird die Korngröße der einzelnen Teilchen einer Gesamtheit einer Pulverprobe bestimmt, wodurch eine Verteilungssummenkurve entsprechend dem Streitpatent erhalten werden kann (vgl. D20, Seiten 743-746, Kapitel 5.3.2; siehe auch D22, Seiten 647-651, Kapitel "Laser Diffraction Methods"). Die Kammer geht davon aus, daß der Fachmann die Laserbeugungsspektrometrie auch zur Bestimmung der Korngrößenverteilung verwendet, da sich diese anhand mit dieser Methode bestimmten mittleren Korngröße ermitteln läßt. Die vom Anspruch 1 nicht ausgeschlossene Anwendung einer anderen Meßmethode, wie z. B. einer Siebanalyse oder einer Bildanalyse (die im übrigen im relevanten Korngrößenbereich eine ausgezeichnete Übereinstimmung mit der Lasermethode auch für nicht kugelförmige Teilchen zeigt; vgl. D22, Seite 650, Figur 23; und D23, Seite 255, Figur 3), würde den Apparat- und Zeitaufwand wesentlich erhöhen, so daß auch diese Aspekte die Verwendung der Laser-Meßmethode plausibel machen.

2.5. Die Kammer kann die Argumente der Beschwerdeführerinnen, daß der Fachmann aufgrund der fehlenden Angabe des genauen Typs des verwendeten Laserbeugungsspektrometers nicht zu einer Partikelverteilung mit der in Merkmal (b) angegebenen mittleren Korngröße gelangen könne, aus folgenden Gründen nicht akzeptieren.

Da es sich bei der Laserbeugungsspektrometrie um eine physikalische Meßmethode handelt, ist dem Fachmann klar, daß jedes der hierfür verwendeten Geräte geeicht werden muß, wofür standardisierte Pulver mit definierter Korngrößenverteilung verwendet werden (vgl. D20, Seite 742, Kapitel 5.3 "Unmittelbare Zählverfahren"). Mit dieser Eichung ist sichergestellt, daß für identische Pulver an verschiedenen Geräten bzw. Geräten verschiedener Hersteller die gleichen Ergebnisse erhalten werden, was insbesondere dann von Bedeutung ist, wenn die zu messenden Pulver stark von der idealen Kugelform der Teilchen abweichen (vgl. z. B. D22, Seite 658, Figur 31; und D23, Seite 255, Figuren 3a und 3b).

Im nachveröffentlichten Dokument D22, das unstreitig als den Stand der Technik auf dem Gebiet der Analysen der Korngrößenverteilung darstellend erachtet worden ist, wird unter Bezug auf eine im Jahr 1996 und somit ebenfalls nachveröffentlichte Literaturquelle (vgl. D22, Seite 661, Literatur 37) erwähnt, daß "bis zu 20% Abweichungen" bei Messung desselben Pulvers mit verschiedenen Geräten der diversen Gerätehersteller aufgrund unterschiedlicher Algorithmen zur Datenreduktion auftreten können (vgl. D22, Seite 648, linke Spalte, erster Absatz). Anhand dieser Betrachtung wird folgendes festgestellt. Die Kammer ist der Ansicht, daß nicht nachgewiesen ist, daß dieses Wissen zum Stand der Technik gehört bzw. daß zum damaligen Zeitpunkt die vorhandenen Laserbeugungsgeräte diese Abweichungen für den vorliegenden Anwendungsfall aufwiesen. Diese Argumente können von der Kammer daher auch nicht akzeptiert werden.

2.6. Zur Ermittlung der mittleren Schichtdicke d des eingebrannten Pulverklarlacks wird der Fachmann keine komplexe Autokarosserie heranziehen, wie von den Beschwerdeführern unterstellt wurde. Vielmehr wird der Fachmann plane Testbleche, wie es für Testzwecke in der Lackiertechnik üblich ist, heranziehen, um die Korrelation des Mittelwerts der Korngröße gemäß Merkmal (b) von Anspruch 1 mit der mittleren Schichtdicke des eingebrannten Pulverklarlacks zu überprüfen.

2.7. Dem Fachmann ist aufgrund der Verteilungssummenkurve gemäß Abbildung 2 des Streitpatents im Vergleich mit der Verteilungssummenkurve gemäß der dem Stand der Technik zugehörigen Abbildung 1 klar, welche Bedeutung das Logarithmus- Erfordernis von Merkmal (b) für das Verfahren nach Anspruch 1 hat. Nämlich die, daß eine bestimmte Mindestenge der Verteilung jener Korngrößen vorhanden sein muß, welche letztlich die Schichtdicke der resultierenden eingebrannten Pulverlackschicht bestimmen. Dabei wird die "Enge" der Korngrößenverteilung in der Verteilungssummenkurve gemäß Abbildung 2 durch den Anstieg der Teilchen in diesem, eine Gerade bildenden, wesentlichen Bereich definiert.

2.8. Die im Hinblick auf einen unzumutbaren Aufwand beim Ausführen des Verfahrens im vorliegenden Fall von der Beschwerdeführerin II zitierte Entscheidung T 0225/93 (siehe insbesondere Punkt 2.2 der Entscheidungsgründe) ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da dem Fachmann im Streitpatent explizit die Meßmethode zur Bestimmung der mittleren Korngröße offenbart wird und es für den Fachmann nahe liegend ist, dieselbe Methode zur Bestimmung der Korngrößenverteilung anzuwenden (vgl. Punkt 2.4 oben).

2.9. Aus den oberen Ausführungen ergibt sich, daß der Fachmann nicht mit einem unzumutbaren Aufwand konfrontiert ist, wenn er die Lehre des Streitpatents nacharbeiten möchte. Die Herstellung des Pulverklarlacks erfolgt mit dem Fachmann bekannten Geräten und Methoden (vgl. Streitpatent, Spalte 3, Zeilen 1-11; siehe Dokument D1).

2.10. Die Kammer ist daher der Auffassung, daß das Streitpatent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann. Die Erfordernisse von Artikel 100 b) EPÜ sind somit erfüllt.

3. Neuheit

Mangelnde Neuheit war nur gegenüber Dokument D15 in Verbindung mit dem Dokument D16 behauptet worden.

Das Dokument D15 offenbart eine Korngrößenverteilung des Pulverklarlacks, ohne die Basis der Prozentzahlen zu definieren (vgl. Seite 1, Zeilen 102-104; Anspruch 6).

Das von der Beschwerdeführerin II als D16 bezeichnete Dokument besteht aus dem RRS-Diagramm der Figur 4 der D13 mit einer anscheinend willkürlich eingezeichneten Geraden. Dies kann nicht als implizite Offenbarung von Dokument D15 berücksichtigt werden. Es ist nicht erlaubt, bei Beurteilung der Neuheit zwei oder mehrere Dokumente in Zusammenbetrachtung zu ziehen.

Es sind auch keine anderen Dokumente ersichtlich, die einzeln alle Merkmale des Anspruchs 1 aufweisen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit gegenüber den eingereichten Dokumenten neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Nächster Stand der Technik

Die Dokumente D17 oder D15 können beide für sich als nächstkommender Stand der Technik erachtet werden. Beide Dokumente offenbaren Verfahren zum Herstellen einer Mehrschichtlackierung, wobei in einer ersten Stufe ein pigmentierter Basislack auf das Substrat aufgebracht und anschließend ein Pulverklarlack abgeschieden wird.

4.1.1. Der Pulverklarlack gemäß Dokument D17 weist eine mittlere Korngröße von 20-90 µm (die auf Seite 3 in der Beschreibung angegebene Einheit "nm" steht im Widerspruch zur Einheit "µm" des Beispiels und ist daher als "µm" zu verstehen), vorzugsweise 40-70 µm auf (vgl. Seite 3, Zeilen 35-38). Gemäß dem Beispiel wird der Pulverklarlack auf eine mittlere Korngröße von 50 µm gemahlen und der Grobkornanteil von > 90. µm wird abgesiebt, bevor der Lack elektrostatisch auf entfettete Eisenbleche appliziert und bei 140°C/30 min eingebrannt wird, so daß eine Schichtdicke von 60 µm resultiert (vgl. Seite 4, Zeilen 54-60, Beispiel).

Der Wert der mittleren Korngröße des abgesiebten Pulverklarlacks ist nicht angegeben. Er muß aber durch die Absiebung des - nicht spezifizierten - Grobkornanteiles kleiner sein, als der Wert von 50 µm des nicht abgesiebten Pulvers. Somit ist unklar, ob sich eine mittlere Korngröße des verwendeten Pulverklarlacks tatsächlich im Bereich von 48-72 µm (gemäß d ±0.2 d) ergibt.

4.1.2. Gemäß Dokument D15 wird ein Pulverklarlack elektrostatisch als Deckschicht eines Zweischichtsystems, das einen nassen pigmentierten Basislack auf dem Substrat beinhaltet, aufgebracht und zusammen mit dem Basislack eingebrannt; das Verfahren ist insbesondere für Autokarosserien geeignet (vgl. Seite 1, Zeilen 21-43 und Zeilen 67-75). Das Klarlackpulver wird gemäß den Beispielen in Schichtdicken von 45-70 µm bzw. 60-100 µm aufgetragen (vgl. die Beispiele 1-6 [die Teilchengrößenangaben von "100%>100 µm" gemäß Beispiel 1 bzw. von "100%<1000 µm" von Beispiel 3 sind offensichtlich falsch, im Widerspruch zu den Werten von Anspruch 6 bzw. von Seite 1, Zeilen 103-104, und sind daher als "100%<100 µm" zu verstehen] sowie die Ansprüche 4-5). Eine Schichtdicke des eingebrannten Pulverklarlacks ist nicht offenbart.

4.1.3. Die Verfahren gemäß Dokument D17 bzw. D15 unterscheiden sich somit vom Anspruch 1 durch Korngrößenverteilungen, welche das Logarithmus-Erfordernis des Quotienten von größter und kleinster Korngröße des 40 Gew.% Anteiles des ersten Teils von Merkmal (b) von Anspruch 1 nicht erfüllen und bei denen das Erfordernis der Korrelation zwischen mittlerer Korngröße und der mittleren Schichtdicke der eingebrannten Pulverlackschicht d ± 0.2 d gemäß dem zweiten Teil von Merkmal (b) nicht erfüllt wird, wobei beim Verfahren gemäß Dokument D17 zusätzlich das Merkmal (a) fehlt. Bei Dokument D15 fehlen aufgrund der fehlenden Basis der Prozentangaben (vgl. oberen Punkt 3) zusätzlich die Merkmale (a) und (c) von Anspruch 1 des Streitpatents.

4.2. Aufgabe

Die Kammer ist daher der Ansicht, daß die mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 zu lösende Aufgabe ausgehend entweder von Dokument D17 oder D15 darin besteht, daß ein Verfahren zur Herstellung einer Mehrschichtlackierung bereitgestellt werden soll, das gegenüber den Lackierungen des Standes der Technik hinsichtlich Glanz und Verlauf der eingebrannten Klarlackschicht verbessert ist, wobei bevorzugt eine Rauhtiefe von nur 0,14 µm mit einer Standardabweichung von nur 0,01 µm erreichbar sein soll. Die erzielte verbesserte Oberflächenglätte soll auch visuell deutlich sichtbar sein (vgl. Patent, Spalte 1, Zeilen 34-40 in Verbindung mit Spalte 3, Zeile 57 bis Spalte 4, Zeile 13).

4.3. Lösung der Aufgabe

Die Aufgabe wird durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 gelöst, bei dem ein Pulverklarlack mit einer bestimmten Korngrößenverteilung mit einer Begrenzung des Fein- und Grobkornanteils gemäß Merkmal (a) und (c) verwendet wird, bei dem für mindestens 40 Gew.% der Pulverklarlackteilchen der Zehnerlogarithmus des Quotienten aus der größten und der kleinsten Korngröße kleiner oder gleich 0.25 ist, wobei die mittlere Korngröße dieser Pulverklarlackteilchen d ± 0.2 d beträgt, wobei d für die mittlere Schichtdicke der mit dem Pulverklarlack herzustellenden eingebrannten Pulverklarlackschicht steht und die mittlere Korngröße mit einem Laserbeugungsspektrometer ermittelt wird (Merkmal (b)).

Die Pulverklarlacke gemäß den Dokumenten D17 oder D15 entsprechen unter der Annahme, daß Gew.% gemeint sind, aufgrund der angegebenen Einzelwerte der Korngrößenverteilungen dem Vergleichsbeispiel des Streitpatents (vgl. Abbildung 1).

Die Beschwerdeführerinnen argumentierten, daß die vorliegenden Versuche (vgl. Patent, Spalte 3, Zeile 35 bis Spalte 4, Zeile 13; sowie Eingabe der Patentinhaberin vom 16. September 99 über weitere Versuche) nicht den beanspruchten Gegenstand repräsentieren, da die Beispiele im Patent nicht die Korrelation mit der Schichtdicke des eingebrannten Filmes zeigen, während bei den Vergleichsversuchen nicht die gemäß Merkmal (b) von Anspruch 1 zugrunde zulegende mittlere Korngröße offenbart wird, sondern ein Mittelwert der Gesamtheit aller Teilchen. Somit sei nicht bewiesen, daß überhaupt bessere Eigenschaften erzielt werden, insbesondere eine verbesserte Rauhtiefe. Die Kammer kann sich dem nicht anschließen, da aufgrund der angegebenen Ober- und Untergrenze der Korngrößen für das Logarithmus-Erfordernis gemäß Merkmal (b) implizit der Mittelwert von ((41 µm + 26 µm):2) = 33.5 µm enthalten ist, der das Erfordernis von d ±0.2 d mit der angegebenen Schichtdicke 36.5 ± 7.3 µm erfüllt (vgl. Versuchsbericht vom 16. September 99, Seiten 1-2).

Daher ist es glaubhaft, daß die Aufgabe tatsächlich gelöst wird.

4.4. Die erfindungsgemäße Lösung wird durch den Stand der Technik aus folgenden Gründen nicht nahe gelegt.

4.5. Die Beschwerdeführerin II geht von einer Aufgabe aus ("einen alternativen Pulverlack bereitzustellen, der eine "enge" Korngrößenverteilung aufweist"), die bereits Lösungselemente aufweist (das Logarithmuserfordernis von Merkmal (b) von Anspruch 1 entspricht einer "engen" Korngrößenverteilung) und die somit für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht geeignet ist. Folglich kann der von dieser Aufgabe ausgehenden Argumentation gegenüber der Gesamtschau von Dokument D17 mit D13 und von D15 mit D13 schon aus diesem Grunde nicht gefolgt werden.

4.6. Im übrigen betrifft das Dokument D13 weiße, pigmentierte Pulverlacke, die sich anders als unpigmentierte Lacke verhalten, wie dies dem vom gleichen Autor stammenden und auf denselben Versuchen mit Pulverlacken basierenden Dokument D9 entnehmbar ist (vgl. D9, Seite 29, linke Spalte, dritter bis fünfter voller Absatz und Figur 10; Seite 30, rechte Spalte, letzter Absatz). Der Fachmann würde daher nach Ansicht der Kammer das Dokument D13 unter Berücksichtigung der vorliegenden Aufgabenstellung (vgl. oberen Punkt 4.2) nicht heranziehen.

Die Beschwerdeführerin II argumentierte zwar, daß ein Klarlack auch pigmentiert sein kann und ein derartiger Pulverlack von Anspruch 1 nicht ausgeschlossen ist. Die Kammer kann sich dieser Sicht aber nicht anschließen, da der Offenbarung des Streitpatents kein Hinweis auf einen derartigen speziellen Klarlack mit Pigmenten zu entnehmen ist.

Die Kammer kann auch das Argument der Beschwerdeführerin I nicht akzeptieren, daß der Fachmann aufgrund der Lehre von Dokument D9, wonach die Pigmente im Pulverlack störend wirken, die Pigmente einfach weglassen würde. Da der Glanz der in den Abbildungen 14 (von D9) bzw. 12 (von D13) dargestellten Lackpulverfraktionen stark vom Fließverhalten der Pulverteilchen, das wieder vom Pigmentgehalt beeinflusst wird (vgl. D9, Seite 31, linke Spalte, dritter Absatz), abhängt, hätten diese Abbildungen nach Fortfall des Pigmentanteils keine Aussagekraft mehr für den Fachmann. Im übrigen weisen, gemäß den Dokumenten D9 und D13, die beiden feinsten Fraktionen 1 und 2 (Korngrößen von 0-10 µm und 10-20 µm) die besten Glanzwerte auf, unabhängig von deren "Enge" der Verteilung. Das Originalpulver (Korngrößen von 0-80 µm) weist ab einer bestimmten Schichtdicke ebenfalls bessere Glanzwerte auf, als die klassifizierten "engen" Fraktionen 3-5, die das Logarithmus-Erfordernis erfüllen (für die feinste Fraktion wurde Anstelle des Wertes 0 mit 0.001 gerechnet log 10/0.001=4.0; log 20/10=0.30; log 35/20=0.24; log 50/35=0.15 und log 80/50=0.20). Die Dokumente D9 bzw. D13 legen dem Fachmann eher nahe, feinste Fraktionen und nicht besonders "enge" Korngrößenverteilungen auszuwählen und geben somit keinen Hinweis.

4.7. Eine Kombination der Dokumente D17 mit D1 führt ebenfalls nicht zum Gegenstand von Anspruch 1, da zumindest die Korrelation der mittleren Korngröße mit der Schichtdicke des eingebrannten Lacks gemäß Merkmal (b) fehlt. Die Kammer stimmt zwar mit der Beschwerdeführerin I überein, daß der Fachmann dem Dokument D1 die Vorteile einer "engen Kornverteilung", nämlich die Herstellung gleichmäßigerer und dünnerer Schichtdicken sowie eine bessere Verarbeitbarkeit der mittels Zyklonsichtung erhaltenen Pulverlacke entnehmen kann, entsprechend den Merkmalen (a), dem ersten Teil des Merkmals (b) und (c) von Anspruch 1 (vgl. Seite 895; Abbildungen 10 und 12-13). Der Fachmann wird davon ausgehen, einen entsprechenden Pulverlack mit einer "engen Kornverteilung" einzusetzen. Doch Dokument D1 ist aber keine Aussage betreffend die Korrelation der mittleren Korngröße und der Schichtdicke gemäß dem zweiten Teil von Merkmal (b) zu entnehmen. Das Dokument D1 erwähnt im übrigen auch nicht die Meßmethode zur Bestimmung der mittleren Korngröße. Außerdem hat die Beschwerdeführerin I nicht bewiesen, daß eine gleichmäßigere Schichtdicke zwingender Weise einen gleichmäßigeren Verlauf der Schicht und damit einen verbesserten Glanz und auch geringere Rauhtiefen bedeutet, wie von ihr behauptet wurde.

4.8. Dem Dokument D17 (vgl. oberen Punkt 4.1.1) sowie den anderen Dokumenten D5, D9 und D13 sind nur Andeutungen durch unterschiedliche Beispiele aber keine klare Lehre für eine Korrelation zwischen der mittleren Korngröße und der mittleren Schichtdicke des eingebrannten Pulverklarlacks entnehmbar. So können z. B. gemäß Dokument D5 die Pulverpartikel in mehreren Lagen übereinander aufgebracht sein (vgl. Abbildungen 4 und 8) oder deren Korngrößen im Bereich der Größenordnung der Schichtdicke liegen (vgl. schematische Abbildung 3) bzw. es soll die Partikelgröße im Idealfall nicht mehr als das Doppelte der erwarteten Schichtdicke betragen (vgl. Seite 879, Kapitel "4.2 Schichtdickenverminderung"); oder es können gemäß Dokument D13 (bzw. D9) mit der Fraktion 3 (Korngrößen von 20- 35. µm mit einer mittleren Korngröße von 29.7 µm) des Pulverlacks Schichtdicken von ca. 15 µm bis mehr als 100 µm hergestellt werden (vgl. D9, Seite 31, linke Spalte, zweiter bis vierter Absatz und Figur 14; und D13, Seite 511, Tabelle 1; Seite 515, Abbildung 12; Seite 517, linke Spalte, vorletzter Absatz, und rechte Spalte, vierter bis fünfter Absatz).

Diese Angaben geben dem Fachmann jedoch keine klare Anregung betreffend die Korrelation gemäß dem Merkmal (b) zweiter Teil. Ein Beweis für ein allgemeines Fachwissen, daß diese Korrelation von Bedeutung ist, wurde von beiden Beschwerdeführerinnen jedoch nicht vorgelegt.

4.9. Aus einem entsprechenden Grund (vgl. obigen Punkt 4.8) würde auch eine Kombination von Dokument D17 mit D5 nicht zum Verfahren gemäß Anspruch 1 führen, weil Dokument D5 zwar erwähnt, daß ein enges Partikelgrößenspektrum mit einem Maximum bei ca. 30 µm vorteilhaft ist, was darunter verstanden werden soll, bleibt aber unklar (vgl. Abbildungen 3-4; Seite 879, Kapitel "4.2 Schichtdickenverminderung" in Kombination mit Seite 880, mittlere Spalte, zweiter Absatz). Daher ist zusätzlich auch das Logarithmus-Erfordernis von Merkmal (b) von einer Kombination der Dokumente D17 und D5 nicht zu entnehmen.

4.10. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht damit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

4.11. Das gleiche gilt für die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 die bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1 definieren.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Quick Navigation