T 1217/02 () of 27.7.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T121702.20040727
Datum der Entscheidung: 27 Juli 2004
Aktenzeichen: T 1217/02
Anmeldenummer: 98106948.7
IPC-Klasse: B60R 21/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Sitzbelegungserkennung in einem Kraftfahrzeug
Name des Anmelders: Volkswagen Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 98 106 948.7 wurde mit der am 9. August 2002 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen, in der die Prüfungsabteilung zu dem Ergebnis kommt, daß das gemäß den damaligen Anträgen beanspruchte Verfahren bzw. die Vorrichtung aufgrund des Standes der Technik nach der DE-C-4 433 601 (D1) und der DE-A-4 112 579 (D2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) beruht.

II. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) hat gegen diese Entscheidung bei gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr am 27. September 2002 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 27. November 2002 eingegangen.

III. Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents mit den am 6. Juli 2004 eingegangenen Patentansprüchen 1 bis 5, der Beschreibung Seiten 1, 2 und 5 eingegangen am 22. Juni 2004 und Seiten 3, 4, eingegangen am 6. Juli 2004 sowie der ursprünglich eingereichten Zeichnung beantragt.

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 3 haben folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Sitzbelegungserkennung in einem Kraftfahrzeug mittels mindestens eines Sitzbelegungs- Sensors (11), eines Türzustands-Sensors (2) und eines Motorzustands-Sensors (3), wobei der Sitzbelegungs- Sensor (11) nur in vordefinierten Situationen für ein Zeitintervall ausgelöst wird, wobei die Sitzbelegungserkennung entweder bei geschlossenen Fahrzeugtüren durch Anlassen des Motors oder bei laufendem Motor durch Schließen einer Fahrzeugtür ausgelöst wird, dadurch gekennzeichnet, dass mittels eines weiteren Sensors (14) eine bevorstehende oder stattfindende Kollision mit einem Hindernis erfasst wird, wodurch eine Erfassung der Position des Fahrzeugsitzes und/oder der Sitzposition des Fahrzeuginsassen durch den Sitzbelegungs-Sensor (11) ausgelöst wird, wobei die Sitzbelegungserkennung in jeder der vordefinierten Situationen mit einem jeweils für die Situation vordefinierten Sensorprofil erfolgt."

"3. Vorrichtung zur Sitzbelegungserkennung in einem Kraftfahrzeug, umfassend einen Sitzbelegungssensor (11), einem Türzustands-Sensor (2) und einen Motorzustands- Sensor (3), wobei der Sitzbelegungs-Sensor (11) durch den Türzustands-Sensor (2) und/oder den Motorzustands- Sensor (3) für ein Zeitintervall aktivierbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung mit einem Sensor (14) zur Ermittlung einer Kollision mit einem Hindernis ausgebildet ist, wobei über den Sensor (14) der Sitzbelegungs-Sensor (11) zur Erfassung der Position des Fahrzeugsitzes und/oder Sitzposition des Fahrzeuginsassen aktivierbar ist, wobei die Sitzbelegungserkennung in jeder der vordefinierten Situationen mit einem jeweils für die Situation vordefinierten Sensorprofil erfolgt."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Änderungen

Der Anspruch 1 enthält sinngemäß die Merkmale aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 3 und 5 bis 7 sowie die den Türzustands-Sensor und den Motorzustand-Sensor sowie die Auslösung des Sensors 14 bei einer Kollision betreffende Angaben aus dem ursprünglichen Verfahrensanspruch 9.

Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 3 enthält sinngemäß die Merkmale aus dem ursprünglichen Vorrichtungsanspruch 9 sowie den ursprünglichen abhängigen Ansprüchen 6 und 7.

Die abhängigen Ansprüche 2 und 5 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 8 und 10. Der abhängige Anspruch 4 ist vom ursprünglichen Anspruch 11 abgeleitet.

Die Ansprüche entsprechen daher ebenso wie die weiteren Unterlagen den Anforderungen gemäß Artikel 123 (2) EPÜ.

3. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

Der im Verfahrensanspruch 1 und im Vorrichtungsanspruch 3 für die beanspruchte Sitzbelegungserkennung vorgesehene Sitzbelegungs-Sensor 11. wird zur Erkennung, ob der Fahrzeugsitz belegt ist, nur in vordefinierten Situationen für ein Zeitintervall ausgelöst, wenn entweder bei geschlossenen Fahrzeugtüren durch Anlassen des Motors oder bei laufendem Motor durch Schließen einer Fahrzeugtür ein Türzustands-Sensor bzw. ein Motorzustands-Sensor aktiviert wird. Hierdurch erhält das Fahrzeuginsassen-Sicherheitssystem frühzeitig eine Information darüber für welche Fahrzeugsitze es deaktiviert werden kann, sodaß für diese Sitze im Falle einer Kollision des Fahrzeuges mit einem Hindernis offensichtlich keine weitere Sensierung mit entsprechendem Rechenaufwand erfolgen muß.

Eine solche Sitzbelegungserkennung ist im Prinzip aus der D1 bekannt, bei der im Kollisionsfalle die Airbags für die jeweils belegten Sitze von einem Crash-Sensor angesteuert werden. Bei der D1 sind jedoch keine Maßnahmen zur Erfassung der Position des Fahrzeugsitzes und/oder der Sitzposition der Fahrzeuginsassen vorgesehen, um bei Auslösung des Sicherheitssystems einen eventuellen Schaden für die Fahrzeuginsassen zu minimieren.

Die Sitzposition eines Fahrzeuginsassen auf dem Sitz und die Position des Fahrzeugsitzes innerhalb des Fahrzeugs sind für die Funktion eines Sicherheitssystems (z. B. für einen Airbag) von großer Wichtigkeit, um im Falle eines Aufpralls ausreichend Zeit für die Entfaltung des Airbags zur Verfügung zu haben bzw. um Verletzungen der Insassen bei einem geringem Abstand zum Airbag zu vermeiden. Um diesen Anforderungen zu genügen, wird bei der beanspruchten Erfindung nach den Ansprüchen 1. und 3 ein weiterer zur Erfassung einer Kollision vorgesehener Sensor 14 (Crash-Sensor) für eine weitere Aktivierung des Sitzbelegungssensors 11 verwendet, um in einem Kollisionsfalle den Sitzbelegungs-Sensor auch zur Erfassung der Position des Fahrzeugsitzes und/oder der Sitzposition der Fahrzeuginsassen zu aktivieren. Der Sitzbelegungssensor reagiert dabei, jeweils abhängig davon in welcher Weise er angesteuert wird, mit einem jeweils für die Situation vordefinierten Sensor-Profil. Er übt also im wesentlichen zwei unterschiedliche Funktionen aus, nämlich einerseits die einfache Feststellung, ob der Fahrzeugsitz belegt ist und andererseits die Lieferung genauer Daten bezüglich der Sitzposition der Insassen und der jeweiligen Position der belegten Sitze unmittelbar vor Auslösung des Sicherheitssystems. Durch die erst kurz vor Auslösen des Sicherheitssystems aktivierte Positionsermittlung wird vermieden, daß die Fahrzeuginsassen bei einer ansonsten kontinuierlichen Belastung durch Strahlungsquellen von Positionssensoren ausgesetzt sind.

Es ist zwar bei Sicherheitssystemen in Kraftfahrzeugen nach der D2 schon bekannt, eine Positionssensorik in Form von Fernsehkameras im Fahrzeug vorzusehen, die erst in einem Kollisionsfalle die genauen Positionsdaten an einen für die Airbags vorgesehenen Kleinrechner liefern. Dabei wird bei der D2 mittels der festgestellten Positionsdaten das Verhalten der Fahrzeuginsassen simuliert und die Beaufschlagungseinrichtungen werden derart angesteuert, daß der Schaden für die Insassen minimiert wird. Dieses bekannte Sicherheitssystem enthält allerdings keinen Sitzbelegungs-Sensor mit der beim nachgesuchten Patent beanspruchten Doppelfunktion mit unterschiedlichen Sensorprofilen, sondern die Sitzbelegung wird indirekt von einer manuell betätigbaren Dateneingabeeinrichtung 63 ermittelt, z. B. durch die Eingabe einer Datenkarte, mittels der jeder Insasse beim Einsteigen seine Daten, die Größe, Gewicht, Schwerpunkt, Alter usw. angibt.

Da somit das Sicherheitssystem nach der D2 keinen eigenen Sitzbelegungs-Sensor aufweist, sondern eine manuell bedienbare Dateneingabevorrichtung dessen Aufgabe mit übernimmt, vermag dieser Stand der Technik trotz des Bekanntseins von Sitzbelegungs-Sensoren z. B. nach der D1 dem Fachmann keinen Hinweis zu geben, die zur Ermittlung weiterer Insassendaten vorgesehene Dateneingabevorrichtung durch einen Sitzbelegungssensor zu ersetzen, der in Abhängigkeit von der Ansteuerung durch weitere Sensoren unterschiedliche Funktionen aktiviert mit für die jeweilige Situation vordefinierten und somit unterschiedlichen Sensorprofilen.

Auch die aus der in der Beschreibungseinleitung der Anmeldung genannten US-A-5 330 226 bekannte Sitzbelegungs-Erkennungseinrichtung, bei der mittels einer Vielzahl von mit Gesichtsfeldern ausgestatteten Infrarot-Sensoren die Position von Fahrzeuginsassen zum Airbag hin bestimmt wird, offenbart nicht die erst im Crashfalle auftretende Positionserfassung und gibt daher auch keine Anregung in Richtung der bei der Anmeldung beanspruchten Lösung. Bei dieser bekannten Einrichtung weist der für zwei Funktionen (Sitzbelegung, Sitzposition) zuständige Infrarot-Sensor kein für die jeweilige Situation vordefiniertes Sensorprofil auf, sondern stellt für alle Situationen nur die Ja/Nein-Option zur Verfügung.

Um zur beanspruchten Lehre zu gelangen, mußte sich der Fachmann von der bekannten Sicherheitseinrichtung nach der D2 abwenden und eine neue Verwendung eines Sitzbelegungs-Sensor mit zwei Funktionen schaffen, wobei sich beim Stand der Technik für die zeitlich verschobene Aktivierung dieser Funktionen mit einem unterschiedlichen, jeweils für die Situation vordefinierten Sensor-Profil kein Vorbild findet.

Die Kammer kommt daher aus den vorstehenden Gründen zu dem Ergebnis, daß der Stand der Technik dem beanspruchten Verfahren bzw. der beanspruchten Vorrichtung im Hinblick auf die Erfordernisse der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit nicht patenthindernd entgegensteht und daß auch das Fachwissen die beanspruchten Lösungen nicht nahezulegen vermochte. Die geltenden Unterlagen können deswegen als Grundlage für die Patenterteilung dienen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Ansprüche: 1 bis 5, eingegangen am 6. Juli 2004

- Beschreibung:Seiten 1, 2 und 5, eingegangen am 22. Juni 2004

Seiten 3, 4, eingegangen am 6. Juli 2004

- Zeichnung: ursprüngliche Fassung

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